TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/15 2006/11/0259

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Veröffentlicht am 15.05.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs3 idF 2005/I/152;
FSG 1997 §30 Abs1 idF 2005/I/152;
FSG 1997 §32 Abs1 idF 2005/I/152;
FSG 1997;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in T (Deutschland), vertreten durch Tramposch & Partner Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 19. Oktober 2006, Zl. KUVS-1483/2/2006, betreffend Anordnung einer Nachschulung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 13. September 2006 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 30 des Führerscheingesetzes (FSG) das Recht aberkannt, von dem am 2. November 2004 in Deutschland ausgestellten Führerschein für die Dauer von 4 Monaten (gerechnet ab 25. Mai 2006) in Österreich Gebrauch zu machen (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 32 FSG wurde dem Beschwerdeführer auch das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten (Spruchpunkt 2.). Weiters wurde die Absolvierung einer Nachschulung als begleitende Maßnahme "zur ausgesprochenen Aberkennung" angeordnet (Spruchpunkt 3.). Unter einem wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die vom Beschwerdeführer lediglich gegen die Anordnung der Nachschulung erhobene Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten mit Bescheid vom 19. Oktober 2006 ab. In der Begründung führte er aus, im Hinblick auf den im § 30 Abs. 1 FSG enthaltenen ausdrücklichen Verweis auf § 32 Abs. 1 FSG müsse bei einer Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1a StVO 1960 - eine solche habe der Beschwerdeführer unstrittig begangen - zwingend eine Nachschulung gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 FSG angeordnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Für die Überprüfung des angefochtenen Bescheids auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof sind folgende gesetzliche Bestimmungen von Bedeutung:

1.1.1. § 24 FSG in der hier maßgebenden Fassung der 8. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 152/2005 (auszugsweise):

"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:

1.

wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,

2.

wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder

              3.              wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.

Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. ...

...

(5) Die Nachschulungen dürfen nur von gemäß § 36 hiezu ermächtigten Einrichtungen durchgeführt werden. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat, dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über

1. die Voraussetzungen räumlicher und personeller Art für die Ermächtigung zur Durchführung von Nachschulungen,

2. die fachlichen Voraussetzungen für die zur Durchführung von Nachschulungen Berechtigten,

3.

den Inhalt und zeitlichen Umfang der Nachschulungen,

4.

die Meldepflichten an die Behörde,

5.

Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Nachschulungen und

6.

die Zusammensetzung und Aufgaben des verkehrspsychologischen Koordinationsausschusses,

              7.              die Kosten der Nachschulung.

..."

1.1.2. Die unter Pkt. 1.1.1. wiedergegebene Fassung des § 24 Abs. 3 FSG geht im Wesentlichen auf die 5. Führerscheingesetz-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002 zurück, durch die § 24 Abs. 3 FSG folgende Fassung erhalten hatte (auszugsweise):

"§ 24.

...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) oder wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960 erfolgt. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. Bei einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 ist unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8 sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme anzuordnen. Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. ..."

1.1.3. In der Stammfassung, BGBl. I Nr. 120/1997, hatte § 24 Abs. 3 FSG folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"§ 24.

...

(3) Bei der Entziehung kann die Behörde auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- und Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. Sie hat eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt."

1.2.1. § 26 FSG lautet in der hier maßgebenden Fassung der 7. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 15/2005, (auszugsweise):

"Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gem. § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der

Klasse C oder D handelt ... , die Lenkberechtigung für die Dauer

von einem Monat zu entziehen.

Wenn jedoch

1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 bis 6 genannten Übertretungen vorliegt, oder

2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat,

so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen. ....

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges eine Übertretung gem. § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen; ...

..."

1.2.2. Bis zur 5. Führerscheingesetz-Novelle lautete § 26 Abs. 1 und 8 FSG (im Wesentlichen noch in der Stammfassung)

"Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt, die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Wochen zu entziehen. Wenn jedoch

1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 bis 7 genannten Übertretungen vorliegt, oder

2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder

3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt,

so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs.  2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8."

1.3. § 30 FSG lautet in der hier maßgebenden Fassung der 8. Führerscheingesetz-Novelle (auszugsweise):

"Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer ausländischer Lenkberechtigungen

§ 30. (1) Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen kann das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs. 2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.

..."

Die ersten drei Sätze des § 30 Abs. 1 FSG sind seit der Stammfassung unverändert geblieben.

1.4.1. § 32 FSG lautet in der hier maßgebenden Fassung der 8. Führerscheingesetz-Novelle (auszugsweise):

"Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

1.4.2. IdF der 5. Führerscheingesetz-Novelle lautete § 32 Abs. 1 FSG (auszugsweise):

"Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

1.4.3. Vor der 5. Führerscheingesetz-Novelle lautete § 32 Abs. 1 FSG - noch in der Stammfassung - (auszugsweise):

"Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§  24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

1.5.1. Die einschlägigen Vorgängerbestimmungen des KFG 1967 (in der Fassung der 17. Kraftfahrzeuggesetz-Novelle, BGBl. Nr. 654/1984), die durch das FSG aufgehoben wurden, lauteten (auszugsweise):

"VII. Abschnitt

Erteilung und Entziehung der Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

...

Entziehung der Lenkerberechtigung

§ 73. (1) Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, ist die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen. ...

(2) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Zeit ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen und darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, unbeschadet des Abs. 3 nicht kürzer als drei Monate sein. Bei der Entziehung nach § 75 Abs. 2b ist die Zeit mit drei Monaten festzusetzen.

(2a) Bei der Entziehung kann die Behörde auch begleitende Maßnahmen (Nachschulung u. dgl.) anordnen. Wird eine solche Anordnung nicht befolgt oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen, so ist die Entziehungszeit um drei Monate zu verlängern. Die Behörde hat begleitende Maßnahmen anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 64a Abs.  1) erfolgt oder die Entziehung wegen einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e erfolgt und der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l oder mehr oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr betragen hat.

(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e, ist die im Abs. 2 angeführte Zeit, wenn

1. der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 1,2 g/l oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,6 mg/l betragen hat und die Person bei Begehung dieser Übertretung nicht einen Verkehrsunfall verschuldet hat, mit mindestens vier Wochen;

2. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l oder mehr aber weniger als 1,6 g/l oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr aber weniger als 0,8 mg/l betragen hat, mit mindestens drei Monaten;

3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,6 g/l oder mehr oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,8 mg/l oder mehr betragen hat, mit mindestens vier Monaten festzusetzen. ...

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern

§ 75a. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig oder nicht geistig oder körperlich geeignet sind, ein Motorfahrrad zu lenken, hat die Behörde unter sinngemäßer Anwendung der §§ 73 Abs. 2 und 3, 74 Abs. 3, 75 Abs. 1 bis 3 und 78 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines Motorfahrrades

a) ausdrücklich zu verbieten,

...

VIII. Abschnitt

Internationaler Kraftfahrverkehr

...

Aberkennung des Rechtes, Kraftfahrzeuge und Anhänger auf Grund ausländischer Zulassungsscheine oder Führerscheine zu verwenden

§ 86.

...

(1a) Das Recht, von einem ausländischen Führerschein (§ 84) Gebrauch zu machen, kann aberkannt werden, wenn die im § 73 angeführten Gründe für die Entziehung der Lenkerberechtigung vorliegen. § 75a gilt sinngemäß. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen einer solchen behördlichen Verfügung ist unzulässig.

...

(4) Hinsichtlich des Lenkens von Motorfahrrädern durch Personen ohne Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gilt § 75a sinngemäß.

..."

1.5.2. Hervorzuheben ist im vorliegenden Zusammenhang, dass in der durch die 17. Kraftfahrzeuggesetz-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, erfolgten Neufassung des § 75a Abs. 1 KFG 1967 über das Lenkverbot (weiterhin) nur eine sinngemäße Anwendung des § 73 Abs. 2 und 3 angeordnet war, obwohl § 73 zu diesem Zeitpunkt bereits (seit der Novelle BGBl. Nr. 458/1990) einen Abs. 2a enthielt, der eine Ermächtigung zur Anordnung begleitender Maßnahmen (darunter eine Nachschulung) für alkoholauffällige Lenker vorsah.

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Im Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage, ob aus Anlass einer gemäß § 30 Abs. 1 FSG gegenüber einem Besitzer einer ausländischen Lenkberechtigung ausgesprochenen Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen (im Folgenden: Aberkennung), zusätzlich eine Nachschulung nach § 24 Abs. 3 FSG angeordnet werden darf. Die belangte Behörde vertritt dazu die Auffassung, infolge des Verweises in § 30 Abs. 1 FSG auf § 32 FSG, der seinerseits (ua.) auf § 24 Abs. 3 FSG verweise, sei eine solche Anordnung einer Nachschulung im Falle der Begehung einer Übertretung des § 99 Abs. 1a StVO 1960, wie sie auch dem Beschwerdeführer zur Last liegt, zwingend geboten. Sie sieht sich durch eine entsprechende Bemerkung bei Grundtner/Pürstl, FSG3 (2006) § 30 FSG Anm 4, bestärkt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Rechtsauffassung nicht zu teilen.

2.1. Zunächst ist der belangten Behörde einzuräumen, dass der Wortlaut des § 30 Abs. 1 FSG ihrer Auffassung nicht entgegensteht. Die Anordnung in § 30 Abs. 1 zweiter Satz FSG, wonach die Aberkennung "durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen" ist, kann auf den ersten Blick Anlass zur Annahme geben, dass uneingeschränkt alle für die Verfügung eines Lenkverbots nach § 32 FSG maßgebenden Bestimmungen anzuwenden sind, und daher auch der in § 32 Abs. 1 FSG genannte § 24 Abs. 3 FSG, dessen zweiter Satz (Z. 3) zwingend die Anordnung einer Nachschulung im Falle einer Übertretung des § 99 Abs. 1a StVO 1960 vorsieht.

Der Wortlaut des § 30 Abs. 1 FSG ist allerdings nicht eindeutig. § 30 Abs. 1 erster Satz FSG sieht bei Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen vor, diesen das Recht abzuerkennen, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Die Aberkennung dieses Rechts hat durch ein Lenkverbot "entsprechend § 32" zu erfolgen. Während aber § 32 Abs. 1 FSG wegen des Gebots, auch § 24 Abs. 3 FSG anzuwenden, klar erkennen lässt, dass die Behörde neben dem Verbot des Lenkens im engeren Sinn (gegebenenfalls) auch eine Nachschulung anzuordnen hat, lässt sich die Formulierung des § 30 Abs. 1 zweiter Satz FSG auch dahin verstehen, dass gegenüber Besitzern ausländischer Lenkberechtigungen nur eine Maßnahme offen steht, nämlich die Aberkennung, und zwar durch ein Verbot, Kraftfahrzeuge in Österreich zu lenken (mithin ein Lenkverbot im engeren Sinn).

2.2. Die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Bestimmungen des FSG unterstützt letztere Auffassung.

§ 32 Abs. 1 FSG enthielt in der Stammfassung zwar keine Erwähnung des § 24 Abs. 3, sehr wohl aber eine des § 26 FSG, der seinerseits in Abs. 8 aus Anlass der Entziehung der Lenkberechtigung wegen der Begehung gravierender Alkoholdelikte verpflichtend die Anordnung einer Nachschulung vorsah.

Den Materialien zur Stammfassung des FSG zufolge sollte freilich dessen § 30 Abs. 1 dem bisherigen § 86 Abs. 1a und 2 KFG 1967 und § 32 dem bisherigen § 75a KFG 1967 entsprechen (vgl. hiezu die RV, 714BlgNR 20. GP, 44f). Dass auch aus Anlass der Verfügung eines Lenkverbotes eine Nachschulung angeordnet werden dürfe, wird in den Materialien an keiner Stelle erwähnt. Wie oben unter Pkt. 1.5. dargestellt, fand der Gesetzgeber des FSG eine Rechtslage vor, die die Anordnung einer Nachschulung im Zusammenhang mit dem Ausspruch eines Lenkverbots nach § 75a Abs. 1 KFG 1967, ohne dass es sich dabei um ein redaktionelles Versehen gehandelt hätte, nicht vorsah, weshalb auch infolge der in § 86 Abs. 1a KFG 1967 enthaltenen Anordnung, § 75a gelte sinngemäß, im Zusammenhang mit einer Aberkennung des Rechts, von einem ausländischen Führerschein Gebrauch zu machen, eine Anordnung einer Nachschulung nicht in Betracht kam.

Angesichts der Ausführungen in den Materialien zum FSG ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - in Abkehr vom System des KFG 1967 - eine Nachschulungsanordnung auch aus Anlass einer Aberkennung nach § 30 Abs. 1 zweiter Satz FSG ermöglichen wollte.

Im Zuge der 5. Führerscheingesetz-Novelle wurde in § 32 Abs. 1 FSG in den Katalog der bei Verfügung eines Lenkverbots anzuwendenden Bestimmungen auch § 24 Abs. 3 aufgenommen. Nach den Materialien zur 5. Führerscheingesetz-Novelle zu § 32 Abs. 1 FSG (vgl. hiezu RV 1033BlgNR 21.GP, 32) seien die Verweise auf die Bestimmungen über den Entzug der Lenkberechtigung, die bei der Verhängung eines Lenkverbotes analog anzuwenden sind, unvollständig und wären insbesondere hinsichtlich § 24 Abs. 3 zu ergänzen. Die Anwendung dieser Bestimmung könne bisher nur über den Umweg des § 26 Abs. 8 FSG abgeleitet werden. Begleitende Maßnahmen seien daher auch bei der Verfügung eines Lenkverbots im Fall einer Alkoholisierung von 1,2 Promille oder mehr vorzuschreiben. Ausführungen zur Anordnung begleitender Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Aberkennung nach § 30 Abs. 1 FSG fehlen.

Die in den erwähnten Materialien ex post vorgenommene Einschätzung des möglichen Umwegs "über den § 26 Abs. 8" FSG für die Rechtslage vor der 5. Führerscheingesetz-Novelle ist im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich, weil sie, wie aufgezeigt, mit der Selbstdeutung des historischen Gesetzgebers der Stammfassung des FSG nicht im Einklang steht. Darüber hinaus bieten die Materialien zur 5. Führerscheingesetz-Novelle keinen Anlass für die Annahme, das aus dem KFG 1967 übernommene Modell der Aberkennung in § 32 Abs. 1 FSG hätte insofern eine nachhaltige Änderung erfahren sollen, als nunmehr auch Nachschulungen angeordnet werden dürften.

2.3. Diese Erwägungen erfahren durch den Umstand Unterstützung, dass gemäß § 24 Abs. 5 FSG Nachschulungen nur von gemäß § 36 FSG hiezu ermächtigten Einrichtungen durchgeführt werden dürfen, welche nach dessen Abs. 2 - bereits seit der 5. Führerscheingesetz-Novelle - hinsichtlich der auf Grund dieser Ermächtigung zu erfüllenden Aufgaben der Aufsicht und den Weisungen des zuständigen Bundesministers unterliegen, woraus jedenfalls abzuleiten ist, dass es sich dabei nur um inländische Einrichtungen handelt.

Folgt man der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung, so müsste man annehmen, dass Besitzer von ausländischen Lenkberechtigungen, die zum überwiegenden Teil ihren Wohnsitz bei Anlegung einer Durchschnittsbetrachtung wohl kaum im Bundesgebiet haben dürften, im Bundesgebiet eine Nachschulung zu absolvieren hätten, wenn sie die für sie unerwünschte Rechtsfolge abwenden wollten, dass eine gegen sie nach § 30 Abs. 1 FSG verfügte Aberkennung (das Lenkverbot im engeren Sinn) gemäß § 24 Abs. 3 fünfter Satz FSG - trotz Ablaufs der Dauer des Verbots - nicht endet. Für eine Differenzierung je nach inländischem Anknüpfungspunkt bietet das FSG keine Grundlage im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG.

Eine solche Konsequenz in Kauf genommen zu haben, ohne dass dies in den Materialien auch nur andeutungsweise zum Ausdruck gebracht worden wäre, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden.

Im Ergebnis ist daher einer Auslegung des § 30 Abs. 1 zweiter Satz FSG, derzufolge aus Anlass einer Aberkennung nur ein Lenkverbot im engeren Sinn verfügt werden darf, gegenüber der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Auslegung der Vorzug zu geben.

2.4. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass zu diesem Auslegungsergebnis das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0023, nicht im Widerspruch steht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis zu § 30 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 FSG zwar angedeutet, dass bei einem Vorgehen gemäß erstgenannter Bestimmung sämtliche im § 32 Abs. 1 FSG angeführten Bestimmungen sinngemäß anzuwenden seien, diese Ausführungen bezogen sich aber auf die Rechtmäßigkeit eines Lenkverbots im engeren Sinn und beruhten im Übrigen auf der Rechtslage vor der 5. Führerscheingesetz-Novelle.

2.5. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47  ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. Mai 2007

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteAuslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006110259.X00

Im RIS seit

18.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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