TE Vfgh Erkenntnis 1987/11/26 V81/87

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Veröffentlicht am 26.11.1987
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art18 Abs2
.Automaten-.V des Bürgermeisters der Marktgemeinde Hard vom 2.12.1982, Z151/1-806 2532 Z1
GewO 1973 §52 Abs4

Leitsatz

AutomatenV Hard vom 2.12.1982; mangelnde Bestimmtheit des Untersagungsbereiches in Z1 der V - Aufhebung der Verordnungsstelle als gesetzwidrig

Spruch

Z1 der V des Bürgermeisters der Marktgemeinde Hard vom 2. Dezember 1982, Z151/1-806 2532, mit welcher die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die insbesondere auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, verboten wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim VfGH ist zu B1290/86 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 20. November 1986 richtet. Mit diesem Bescheid wurde einer Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 5. Feber 1986 keine Folge gegeben, mit dem über K M als gewerberechtlichen Geschäftsführer der Firma M Automatenvertriebsgesellschaft m.b.H. gemäß §367 Z15 GewO iVm Z1 der

V des Bürgermeisters der Gemeinde Hard vom 2. Dezember 1982 eine Geldstrafe verhängt wurde, weil er gegenüber dem Hauptausgang der Hauptschule gewerbliche Tätigkeiten mittels dreier Zuckerlautomaten ausgeübt habe, obwohl dies an dem betreffenden Standort auf Grund der zitierten V verboten sei.

2.1. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, Z1 der V des Bürgermeisters der Gemeinde Hard vom 2. Dezember 1982, Z151/1-806 2532, (künftig: AutomatenVO), von Amts wegen zu prüfen.

2.2. Die in Prüfung gezogene V lautet:

" VERORDNUNG

Gemäß §52 Abs4 Gewerbeordnung i.d.F.d. Nov. 1981, BGBl. Nr. 619/1981 wird nachstehendes verordnet:

Im Interesse des Schutzes von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben wird die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten, die insbesondere auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, in nachstehenden Bereichen verboten:

1.

Im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2.

bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3.

bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4.

auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden oder

5.

im näheren Umkreis der in Ziff.4 angeführten Plätze und Räume.

Die Nichteinhaltung dieser V wird gemäß §367 Ziff.15 Gewerbeordnung bestraft.

Der Bürgermeister:"

2.3. Der in der V zitierte §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. 50/1974 idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981, ermächtigt die Gemeinde,

"soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, ... durch V die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkeis der in Z4 angeführten Plätze und Räume"

zu untersagen.

2.4. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die AutomatenVO wie folgt umschrieben:

"5.3.1. Wie der VfGH, ausgehend von der im Erkenntnis VfSlg. 3207/1957 entwickelten, im Erkenntnis VfSlg. 4037/1961 vertieften und seither beibehaltenen (vgl. zB VfSlg. 8695/1979), aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Art18 B-VG abgeleiteten Rechtsprechung dargelegt hat, muß die Rechtsordnung, um dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns und Unterlassens eindeutig zu erkennen, die Freiheitssphäre vom Gebiet des Unerlaubten durch eine deutliche Grenzziehung scheiden. Tatbestände, an deren Übertretung eine Strafdrohung anknüpft, müssen daher so abgefaßt sein, daß sich für den Einzelnen Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in bezug auf den Tatbestand nicht ergeben können (vgl. zB VfSlg. 3207/1957). Verfassungskonform kann die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 GewO idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981 nur dahin verstanden werden, daß eine Gemeinde, die von der Ermächtigung Gebrauch macht, dazu verpflichtet ist, konkrete Festlegungen zu treffen, wo im Gemeindegebiet die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, untersagt ist.

5.3.2. Die danach gebotene Klarheit scheint dem VfGH bei der in Prüfung gezogenen Regelung hinsichtlich der Umschreibung der Verbotszone mit den Worten 'im näheren Umkreis von Schulen' in Frage zu stehen. Dies scheint gegen das Determinierungsgebot zu verstoßen."

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bekanntgegeben, daß er von einer Äußerung Abstand nimmt.

Die Gemeinde Hard äußerte sich im wesentlichen wie folgt:

"Mit V vom 2.12.1982 hat die Marktgemeinde Hard gem. §52 Abs4 Gewerbeordnung festgelegt, daß im Interesse des Schutzes von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit mittels Automaten unter den in der V angeführten Bedingungen verboten wird.

...

Wir haben uns bei der Textierung des Punktes 1 dieser V 'im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden' an den vorgegebenen Gesetzestext gehalten. Eine genaue Abgrenzung in Form der Angabe von bestimmten Straßenzügen oder der Angabe von Metern wäre sicher denkbar, stellt jedoch eine Verwaltungserschwerung dar und wurde von uns bewußt so nicht vorgesehen.

..."

4. Das Verfahren ist zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle zweifeln ließe.

5. Der VfGH hat in der Sache selbst erwogen:

Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken erweisen sich als begründet:

Die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 GewO 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981 kann verfassungskonform nur dahin verstanden werden, daß die Gemeinde, die von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, dazu verpflichtet ist, konkret festzulegen, wo im Gemeindegebiet die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, untersagt ist. Da sich die V in Z1 darauf beschränkt, die Verbotszone mit den Worten "im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden," zu umschreiben, weist sie nicht die vom Gesetz gebotene Bestimmtheit auf (vgl. VfGH 22.6.1987 V35/87, 25.6.1987 V40/87).

6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Automaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V81.1987

Dokumentnummer

JFT_10128874_87V00081_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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