TE Vfgh Erkenntnis 1987/6/22 V35/87

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Veröffentlicht am 22.06.1987
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art18
.Automaten-.Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Übelbach vom 07.11.1984
GewO 1973 §52 Abs4

Leitsatz

AutomatenV des Gemeinderates der Marktgemeinde Übelbach vom 7.11.1984; Verordnung hat Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches zum Gegenstand, ist aber entgegen §42 Abs2 Stmk. GO 1967 von unzuständiger Behörde (Gemeinderat) erlassen worden; mangelnde Bestimmtheit des Untersagungsbereiches; Gesetzwidrigkeit der V

Spruch

Die V des Gemeinderates der Marktgemeinde Übelbach vom 7. November 1984, Z200-1-1984, mit welcher die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, untersagt wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim VfGH ist zu B484/86 ein Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. April 1986 richtet. Mit diesem Bescheid wurde einer Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26. Feber 1986 keine Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis jedoch dahin abgeändert, daß "die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung dem §367 Z. 15 i.V.m. §52 Abs4 GewO 1973 i.V.m. der V der Marktgemeinde Übelbach vom 3.11.1984, Zl.:220-1-1984, unterstellt" wurde.

2.1. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde beschlossen, die V des Gemeinderates der Marktgemeinde Übelbach von Amts wegen zu prüfen.

2.2. Die in Prüfung gezogene V lautet:

"V E R O R D N U N G

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Übelbach hat mit Gemeinderatsbeschluß vom 7.11.1984 folgende V erlassen:

Gemäß §52, Abs4 der Gewerbeordnungs-Nov. 1981, BGBl. Nr.619/84 wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis der Volksschule Übelbach, da diese von unmündigen Minderjährigen besucht wird,

untersagt.

Für den Gemeinderat:

Der Bürgermeister:"

2.3. Die in Prüfung gezogene AutomatenVO stützt sich auf §52 Abs4 der Gewerbeordnung 1973 idF der Gewerbeordungs-Nov.

BGBl. 619/1981, der lautet:

"(4) Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben erforderlich ist, kann die Gemeinde durch V die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1. im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2. bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3. bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4. auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5. im näheren Umkreis der in Z4 angeführten Plätze und Räume

untersagen."

2.4. Der VfGH hat seine Bedenken gegen die AutomatenVO wie folgt umschrieben:

"5.3.1. Gemäß Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG haben die Gesetze Angelegenheiten, die nach dem ersten Satz des Abs2 in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen, ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Gemäß Art119 Abs2 erster Satz B-VG sind die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches vom Bürgermeister zu besorgen.

5.3.2. Diesen Verfassungsbestimmungen trägt die Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 Rechnung. §42 Abs2 ordnet an, daß die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches vom Bürgermeister zu besorgen sind, §43 Abs1 leg. cit. legt fest, daß die Beschlußfassung in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches dem Gemeinderat obliegt, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen vorbehalten ist.

5.3.3. Die V des Gemeinderates der Gemeinde Übelbach vom 7. November 1984 stützt sich auf §52 Abs4 GewO. Eine Aussage, daß es sich bei den in dieser Gesetzesstelle genannten Angelegenheiten um solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde handle, findet sich weder in dieser Bestimmung noch in §337 GewO, der - Art118 Abs2 zweiter Satz B-VG Rechnung tragend - jene Angelegenheiten der Gewerbeordnung aufzählt, die von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erledigen sind. Der VfGH vermeint daher (vgl. VfSlg. 5409/1966, 6944/1972), daß die Angelegenheiten des §52 Abs4 GewO in den übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallen; dafür sprechen auch die Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der GewO-Nov. 1981 (798 BlgNR XV.GP S. 9). Damit scheint die - vom Gemeinderat beschlossene - in Prüfung gezogene V von einer unzuständigen Behörde erlassen worden zu sein.

5.4.1. Wie der VfGH, ausgehend von der im Erkenntnis VfSlg. 3207/1957 entwickelten, im Erkenntnis VfSlg. 4037/1961 vertieften und seither beibehaltenen (vgl. zB VfSlg. 8965/1979), aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Art18 B-VG abgeleiteten Rechtsprechung, dargelegt hat, muß die Rechtsordnung, um dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten und den Unrechtsgehalt seines Handelns und Unterlassens eindeutig zu erkennen, die Freiheitssphäre vom Gebiet des Unerlaubten durch eine deutliche Grenzziehung scheiden. Tatbestände, an deren Übertretung eine Strafdrohung anknüpft, müssen daher so abgefaßt sein, daß sich für den Einzelnen Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens in bezug auf den Tatbestand nicht ergeben können (vgl. zB VfSlg. 3207/1957).

5.4.2. Die gebotene Klarheit scheint dem VfGH bei der in Prüfung gezogenen Regelung hinsichtlich der Umschreibung der Verbotszone mit den Worten 'im näheren Umkreis der Volksschule Übelbach' in Frage zu stehen. Dies scheint gegen das Determinierungsgebot zu verstoßen."

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bekanntgegeben, daß er im vorliegenden Fall von einer Äußerung Abstand nimmt.

Auch der Gemeinderat der Marktgemeinde Übelbach hat keine Äußerung erstattet, sondern lediglich darauf verwiesen, daß der Akt über die Erlassung der V dem VfGH vorgelegt wurde.

4. Der VfGH hat erwogen:

4.1. Das Verfahren ist zulässig.

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen V zweifeln ließe.

4.2. Die im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen V treffen auch zu. Da die V Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches zum Gegenstand hat, die gemäß §42 Abs2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 vom Bürgermeister zu besorgen sind, sie aber dennoch vom Gemeinderat beschlossen wurde, ist sie von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Ebenso trifft das Bedenken zu, daß die V nicht die vom Gesetz gebotene Bestimmtheit aufweist. Die Verordnungsermächtigung des §52 Abs4 GewO 1973 idF der Gewerbeordnungs-Nov. BGBl. 619/1981 kann - verfassungskonform - nur dahin verstanden werden, daß die Gemeinde, die von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, dazu verpflichtet ist, konkrete Festlegungen zu treffen, wo im Gemeindegebiet die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind, untersagt ist. Da die V sich darauf beschränkt, die Verbotszone mit den Worten "im näheren Umkreis der Volksschule Übelbach" zu umschreiben, unterläßt sie es, mit der dem rechtsstaatlichen Gebot entsprechenden Deutlichkeit die Grenze des Verbotsbereiches zu ziehen. Die im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken treffen somit auch insoferne zu.

Daraus ergibt sich, daß die in Prüfung gezogene V dem Gesetz nicht entspricht.

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:V35.1987

Dokumentnummer

JFT_10129378_87V00035_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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