TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/21 91/17/0046

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Veröffentlicht am 21.05.1992
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §224 Abs1;
BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GetränkesteuerG Wr 1971 §1 Abs1;
LAO Wr 1962 §171;
LAO Wr 1962 §193;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
VereinsG 1951 §12;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. Jänner 1991, Zl. MDR-C 7/90, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer "auf Grund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" als Obmann des Geselligkeitsvereines K für die in der Zeit von Mai 1984 bis Jänner 1987 entstandenen Abgabenschuldigkeiten - Getränkesteuer und Nebenansprüche - im Gesamtbetrag von S 110.772,-- haftbar gemacht und aufgefordert, den rückständigen Betrag innerhalb eines Monates zu entrichten. Dies nach Darlegung der gesetzmäßigen Haftungsvoraussetzungen sinngemäß im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei in der Zeit vom 12. Juni 1984 bis zur Auflösung des Vereins (mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom 22. Jänner 1987) Obmann des die Abgaben primär schuldenden Vereins gewesen. Er gehöre somit zu dem im § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis. Weiters stehe fest, daß die Abgabenforderung beim Verein uneinbringlich sei. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Mißachtung des § 7 Abs. 1 des Getränkesteuergesetzes, wonach der Steuerpflichtige bis zum zehnten Tag eines jeden Monats die Steuer für die im Vormonat abgegebenen Getränke zu entrichten habe. Dieser den Verein treffenden Verpflichtung sei der Beschwerdeführer als dessen Organ nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht nachgewiesen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für den Verein unmöglich gewesen sei und daß er also nicht schuldhaft gehandelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht zur Haftung für Abgabenverbindlichkeiten des ehemaligen Vereins herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 1 WAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter haften gemäß § 7 Abs. 1 WAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine auf die zitierten und auf verwandte Rechtsvorschriften gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Neben dem Eintritt eines objektiven Schadens - Ausfall der gegen den Vertretenen gerichteten Abgabenforderung - und dem Verschulden des Vertreters ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang - die Verletzung von Vertreterpflichten führt zur Uneinbringlichkeit - erforderlich. Das tatbestandsmäßige Verschulden kann in einem vorsätzlichen oder in einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Fahrlässig die Verpflichtung, für die Abgabenentrichtung Sorge zu tragen, vernachläßigt zu haben, wird angenommen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, wonach ihm die Erfüllung unmöglich war. Das Tatbestandsmerkmal "... infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können" ist etwa dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Insoweit - der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden, wenn auch nicht verlangt wird, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird - ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.

Zur qualifizierten Mitwirkungspflicht im besonderen gilt, daß nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Die den Vertreter betreffende Behauptungs- bzw. Nachweispflicht kann allerdings nicht so aufgefaßt werden, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Die grundsätzliche Mitwirkungspflicht des Vertreters betreffend das Fehlen der erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung entbindet die belangte Behörde nämlich dann nicht von ihrer Ermittlungs- und Feststellungspflicht, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Mittel ergeben (vgl. zu allen wiedergegebenen Rechtsätzen beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, Zl. 89/17/0244, und die dort zitierten Vorentscheidungen).

Wenn der Beschwerdeführer zunächst vorbringt, seine Funktionsperiode als Obmann sei am 12. Juni 1985 abgelaufen, so übersieht er den § 11 Abs. 3 der Vereinsstatuten, wonach IN JEDEM FALL die Funktionsdauer des Vorstandes bis zur Wahl eines neuen Vorstandes währt. Die Funktion des Beschwerdeführers als Vereinsobmann endete daher nicht, wie ursprünglich vorgesehen, am 12. Juni 1985, sondern dauerte darüber hinaus bis zur Auflösung des Vereines mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom 22. Jänner 1987 an. Der Beschwerdeführer zählte damit von seiner Bestellung zum Obmann an bis zur Auflösung des Vereines zu dem in § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis. Infolgedessen ist seine Haftungsinanspruchnahme nicht schon deswegen rechtwidrig, weil er im gesamten Haftungszeitraum als Vertreter des Vereines angesehen worden ist. Dementsprechend hätte es ihm oblegen, die schon zwei Tage vor seiner Bestellung zum Obmann fällig gewordene, aber noch nicht abgestattete Getränkesteuer für Mai 1984 und in weiterer Folge alle fällig werdenden Abgaben nach Maßgabe der Vereinmittel zu entrichten.

Der Beschwerdeführer bestreitet seine Haftungspflicht weiters mit dem Argument, ein mittels Haftungsbescheides durchsetzbarer Abgabenanspruch gegenüber dem Verein bestehe nicht bzw. nicht in der von der belangten Behörde angenommenen Höhe, zumal der maßgebende Abgabenbescheid zufolge im Zeitpunkt seiner Zustellung bereits erfolgt gewesener Auflösung des Vereines nicht rechtswirksam geworden sei; es fehle daher an der Grundvoraussetzung für die Erlassung eines Haftungsbescheides, daß in der haftungsgegenständlichen Höhe Abgabenschuldigkeiten beim Primärschuldner ausgehaftet hätten. Er habe mit seiner Berufung gegen den Haftungsbescheid des Magistrates des Stadt Wien auch eine Berufung gegen den "Bemessungsbescheid" verbunden, über diese Berufung sei jedoch noch nicht entschieden worden.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde NICHT über eine Berufung gegen die bescheidmäßige Festsetzung von Abgabenansprüchen, sondern über eine die Geltendmachung der Haftung bekämpfende Berufung entschieden. Schon wegen des Gegenstandes des angefochtenen Bescheides kann daher nicht mit Erfolg vorgebracht werden, die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Abgabenansprüche bestünden dem Grunde und der Höhe nach nicht zu Recht (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 30. November 1990, Zl. 89/17/0029). Auch bedeutet es keine Rechtswidrigkeit, wenn zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid und erst in weiterer Folge über die Berufung gegen den Abgabenanspruch entschieden wird, weil sich erst aus der Entscheidung über die Berufung gegen die Geltendmachung der Haftung ergibt, ob eine Legitimation zur Berufung gegen den Abgabenanspruch besteht (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, Zl. 85/13/0049, und die dort zitierte Fundstelle).

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch schon ausgesprochen, daß im Haftungsbescheid inhaltlich auch die Feststellung enthalten ist, die Abgabenschuld hafte jedenfalls mit dem Betrag, hinsichtlich dessen die Haftungsinanspruchnahme erfolgt, unberichtigt aus (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 15. April 1988, Zl. 85/17/0062). Daraus ist jedoch für den Beschwerdeführer deswegen nichts zu gewinnen, weil er selbst in seiner Beschwerde nicht behauptet, daß sich die von ihm bekämpfte Abgabenschuld durch Entrichtungsvorgänge vermindert hätte, also nicht mehr zur Gänze unberichtigt aushafte. Ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel liegt aber schon darin, daß der haftungsgegenständliche Abgabenanspruch dem Beschwerdeführer gegenüber im Haftungsverfahren nicht aufgeschlüsselt worden ist (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 1990, Zl. 88/17/0235).

Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, "die Ausgabe von Getränken an Vereinsmitglieder im Zuge der Vereinstätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht" unterliege nicht der Getränkesteuerpflicht, ist offenkundig verfehlt, weil es nach dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Getränkesteuergesetz für Wien für die Getränkesteuerpflicht nicht darauf ankommt, ob die entgeltliche Abgabe von Getränken an Letztverbraucher mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt; die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, es hätte festgestellt werden müssen, daß beim Verein keine Gewinnerzielungsabsicht bestanden habe, wäre daher selbst im Verfahren betreffend den Abgabenanspruch nicht stichhältig.

Im Recht ist der Beschwerdeführer aber mit seiner weiteren Verfahrensrüge, die von ihm namhaft gemachten Zeugen hätten zum Nachweis dafür, daß vom Verein allenfalls erzielte Umsätze nur geringfügig gewesen seien, vernommen werden müssen. Zwar ist das Beweisthema in erster Linie gegen die Höhe der Abgabenfestsetzung gerichtet und daher nach dem oben Gesagten im Verwaltungsverfahren betreffend den Abgabenausspruch zu beachten, konsequent ergeben sich aber aus diesem Sachvorbringen auch deutliche Anhaltspunkte dafür, daß dem Beschwerdeführer die volle Abgabenentrichtung aus Vereinsmitteln unmöglich gewesen ist. Im Hinblick darauf wären aber die angebotenen Beweise auch für Zwecke des die Haftungsinanspruchnahme betreffenden Verfahrens aufzunehmen gewesen. Daß die belangte Behörde dies unterlassen hat, begründete somit einen wesentlichen Verfahrensmangel.

Aus diesen Erwägungen mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991170046.X00

Im RIS seit

14.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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