TE Vwgh Erkenntnis 1990/7/25 88/17/0235

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Veröffentlicht am 25.07.1990
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L82259 Garagen Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §248;
GaragenG Wr 1957 §41 Abs2;
GaragenG Wr 1957 §44 Abs2;
LAO Wr 1962 §193;
LAO Wr 1962 §224 Abs2;

Betreff

A gegen Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 5. Juni 1987, Zl.MDR-Sch 21/86, betreffend Haftung für Ausgleichsabgabe nach dem Wiener Garagengesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit ihrem an die K. GesmbH als Bauwerberin und die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin der Liegenschaft EZ 842 KG A gerichteten Bescheid vom 20. Februar 1985 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 - Baupolizei, die Bewilligung zur Bauführung betreffend die Umwidmung von Kellerräumlichkeiten an der linken Grundgrenze in eine Gaststätte sowie näher bezeichnete bauliche Veränderungen. Gleichzeitig wurde gemäß § 40 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes, LGBl. Nr. 22/1957 (WGG), iVm mit § 1 Abs. 1 und 3 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 11. Februar 1975, LGBl. Nr. 9/1975, festgestellt, daß das Bauvorhaben um drei Kfz-Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibe. Dieser Bescheid erwuchs am 18. März 1985 in Rechtskraft.

Mit weiterem Bescheid vom 18. April 1985 schrieb der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, der K. GesmbH gemäß § 41 Abs. 1 und 2 und § 42 WGG idF LGBl. Nr. 7/1975 iVm mit § 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 11. Februar 1975, LGBl. für Wien Nr. 9, der K. GesmbH als Bauwerberin aus Anlaß der mit Bescheid vom 20. Februar 1985 baurechtlich genehmigten Maßnahme auf der Liegenschaft EZ 842 KG A eine Ausgleichsabgabe von S 150.000,-- vor, wobei sie von einem Einheitssatz von 50.000 S je fehlendem Stellplatz gemäß § 2 der oben zitierten Verordnung ausging. Auch dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 26. August 1986 machte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, in Anwendung des § 171 der Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 (WAO), gemäß § 41 Abs. 2 WGG die Haftung gegen die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin für den Abgabenrückstand der K. GesmbH in der Höhe von S 153.200,-- geltend. In der Begründung dieses Bescheides wird auf die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe in Höhe von S 150.000,-- mittels Bescheides vom 18. April 1985 hingewiesen. Weiters seien S 3.000,-- an Säumniszuschlag und S 200,-- an Mahngebühr angefallen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 23. Oktober 1986 Berufung und brachte darin unter anderem vor, die oben genannte Baubewilligung sei noch nicht konsumiert. Eine Benützungsbewilligung sei noch nicht erteilt. Derzeit werde in den Lokalitäten keine Gastwirtschaft betrieben. Es sei daher noch offen, ob auf Grund der vorhandenen Schwierigkeiten überhaupt in den Räumlichkeiten "ein Gastwirtschaftsbetrieb aufrechterhalten wird" oder ob es nicht zu einer Rückwidmung der Räumlichkeiten komme. Im übrigen habe die K. GesmbH die Mietrechte nunmehr auf Harald Sch. übertragen, welcher eine Übernahmsverpflichtung zur Bezahlung der Ausgleichsabgabe abgegeben habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung als unbegründet ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Baubewilligungsbescheides vom 18. März 1985 sei der Abgabenanspruch entstanden, unabhängig davon, ob das Bauvorhaben konsumiert oder nur teilweise konsumiert worden sei. Die anläßlich der Erteilung der Baubewilligung vorgeschriebene Ausgleichsabgabe in der Höhe von S 150.000,-- sei von der Bauwerberin bisher nicht eingezahlt, eine Ratenbewilligung nicht eingehalten worden. Laut Bericht des Vollstreckungsdienstes sei die K. GesmbH nicht mehr existent. Die oben genannten Forderungen seien bei der Bauwerberin somit derzeit nicht einbringlich. Die Behörde habe sich daher gehalten gesehen, von dem ihr im § 6 WAO eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen. Eine Übertragung der Mietrechte an dem Lokal habe nicht den Übergang der Abgabepflicht zur Folge. Dem Vorbringen, die Baubewilligung sei nicht konsumiert worden, sei entgegenzuhalten, daß der Baubewilligungsbescheid am 18. März 1985 in Rechtskraft erwachsen sei. Gemäß § 74 Abs. 1 der Bauordnung für Wien könne die Baubewilligung daher noch bis März 1987 konsumiert werden; die bewilligte Umwidmung der Kellerräumlichkeiten in eine Gaststätte sei jedenfalls nach dem Berufungsvorbringen bereits konsumiert worden.

Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 26. September 1988, B 704/87-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens in ihrem Recht, zur Haftung für die oben erwähnte Abgabe nicht herangezogen zu werden, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Mit Schriftsatz vom 2. Mai 1990 legte die belangte Behörde einen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 - Baupolizei, vom 27. September 1989, sowie einen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, vom 7. März 1990, beide in Ablichtung, vor. Mit dem zuerst genannten Bescheid hatte der Magistrat gemäß den §§ 70, 73 der Bauordnung für Wien nachträglich die Bewilligung für folgende Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben erteilt:

"Die Kellerräumlichkeiten an der linken Grundgrenze werden nicht als Gaststätte verwendet, sondern wurden in Lagerräume umgewidmet."

Gleichzeitig werde festgestellt, daß das nunmehrige Bauvorhaben dem Wiener Garagengesetz entspreche und somit nicht mehr, wie in der Baubewilligung vom 20. Februar 1985 festgestellt, um 3 Kfz-Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibe. Dieser Bescheid erging an S als Bauwerber sowie an die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin.

Mit dem zweitgenannten Bescheid vom 7. März 1990 wurde auf Grund der Feststellungen des Bescheides der Magistratsabteilung 37 vom 27. September 1989 für "Herrn S" die Ausgleichsabgabe in der Höhe von 0,-- S festgesetzt. Weiters heißt es im Spruch dieses Bescheides:

"Mit diesem Bescheid wird der Bescheid vom 18. April 1985, Zl. MA 4/1-46/85/WWG, gemäß § 45 leg. cit. abgeändert."

Dieser Bescheid war an "Herrn S" gerichtet.

Mit Berichterverfügung vom 8. Mai 1990 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, sich zur Frage der Klaglosstellung durch den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 7. März 1990 zu äußern. Dieser Aufforderung ist die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird eine Baubewilligung erteilt, ohne daß die Verpflichtung nach § 36 Abs. 1 oder 2 WGG in Ansehung der Bestimmungen dieses Gesetzes überhaupt oder voll erfüllt werden kann, so ist gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. idF LGBl. Nr. 7/1975 dies im Bescheid festzustellen und auszusprechen, um wieviel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt.

Wird auf Grund des § 40 Abs. 1 leg. cit. ein Vorhaben bewilligt, ohne daß die Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen oder Garagen nach § 36 überhaupt oder voll erfüllt wird, so ist gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. in der genannten Fassung an die Stadt Wien eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Abgabepflichtig ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Bauwerber. Ist er nicht der Grundeigentümer, so haftet dieser für die Abgabenschuld zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 44 Abs. 1 leg. cit. ist die Ausgleichsabgabe binnen einem Monat nach Zustellung des Bemessungsbescheides zu entrichten. Erlischt die Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Zeitablauf, so steht nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ein Anspruch auf zinsenfreie Erstattung des entrichteten Abgabebetrages zu. Der Anspruch auf Erstattung geht unter, wenn er nicht spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres geltend gemacht wird, das auf das Erlöschen der Baubewilligung folgt. Anspruchsberechtigt ist, wer die Abgabe entrichtet hat; andere Personen, die die Erstattung beantragen, müssen den Übergang des Anspruches auf sich nachweisen.

Wird nach Zustellung des Bemessungsbescheides eine Abänderung des Bauvorhabens bewilligt, die von Einfluß auf die Bemessungsgrundlage der Ausgleichsabgabe ist, so hat die Behörde gemäß § 45 WGG idF LGBl. Nr. 7/1975 den Bemessungsbescheid von Amts wegen entsprechend abzuändern.

Gemäß § 171 WAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 193 WAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 171) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 146) mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.

Zunächst ist zu sagen, daß durch die beiden oben zitierten Bescheide vom 27. September 1989 und vom 7. März 1990 eine Klaglosstellung der Beschwerdeführerin NICHT eingetreten ist.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgend einer Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Eine derartige Klaglosstellung setzt jedoch eine FORMELLE Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichtshof voraus (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, sowie den Beschluß vom 22. September 1989, Zl. 88/17/0231). Ein derartiger Fall ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gegeben, weil die in Beschwerde gezogene Erledigung bisher durch keinen formellen Akt aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde.

Aber auch sonst ist die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Dies wäre dann der Fall, wenn durch einen behördlichen Akt dasselbe Ergebnis herbeigeführt wird, das der Beschwerdeführer mit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes anstrebt; in einem so gelagerten Fall wird auch von einer "materiellen" Klaglosstellung gesprochen (vgl. auch hiezu den zuletzt zitierten Beschluß vom 22. September 1989, Zl. 88/17/0231, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Eine derartige Wirkung kann jedoch im Beschwerdefall durch den Bescheid vom 7. März 1990 - nur dieser käme in Betracht - schon deshalb nicht eingetreten sein, weil er nicht an den seinerzeitigen Abgabenschuldner, die K. GesmbH, sondern lediglich an den neuen Bauwerber (den offenbar irrtümlich als BS bezeichneten S) gerichtet ist. Gegenüber dem seinerzeitigen Abgabenschuldner ist daher die Abänderung der mit Bescheid vom 18. April 1985 festgesetzten Abgabenschuld von S 150.000,-- auf S 0,-- nicht rechtswirksam geworden; schon deshalb konnte der genannte Bescheid auch auf den gegenüber der Beschwerdeführerin ergangenen Haftungsbescheid keinen Einfluß haben.

In der Sache selbst bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, ein Bemessungsbescheid sei ihr nie zugestellt worden. Sie habe daher mangels Kenntnis der Anspruchsgrundlage die Bemessung nicht zielführend bekämpfen können.

Dazu ist folgendes zu sagen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0016, unter Hinweis auf Vorjudikatur dargetan hat, kann aus dem im § 193 WAO zum Schutze des herangezogenen Haftungspflichtigen normierten Berufungsrecht auch gegen den Abgabenanspruch nicht das Recht auf Zustellung des allein an den Abgabepflichtigen zu erlassenden, das Leistungsgebot enthaltenden Abgabenbescheides abgeleitet werden. Allerdings folgt aus der im § 193 WAO vorgesehenen Möglichkeit der Berufung des Haftungspflichtigen auch gegen den Abgabenanspruch, daß ihm - als Voraussetzung für die Ausübung dieses seines Rechtes - anläßlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist, und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden - d.h. entweder durch Abgabenbescheid festgesetzten oder auf Grund einer Selbstbemessung als festgesetzt geltenden - Abgabenanspruches.

Im Beschwerdefall wird in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 26. August 1986 unter Hinweis auf § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes ausgeführt, der K. GesmbH sei mittels Bescheides vom 18. April 1985 für das gegenständliche Bauvorhaben eine Ausgleichsabgabe in der Höhe von S 150.000,-- vorgeschrieben worden, weiters seien S 3.000,-- an Säumniszuschlag und S 200,-- an Mahngebühr angefallen. Damit ist die vorgeschriebene Abgabe samt Nebengebühren detailliert aufgeschlüsselt worden. Aber selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sei die Rechtsgrundlage der genannten Abgabenschuldigkeit nicht ausgeführt, so unterläßt es doch die Beschwerdeführerin zu behaupten, inwiefern sie durch einen solchen Begründungsmangel in der Verfolgung ihrer Rechte gehindert worden wäre; aus ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid geht im übrigen hervor, daß ihr der Sachverhalt sehr wohl bekannt war.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, sie habe schon in der Berufung ausgeführt, daß der Baubewilligungsbescheid nicht konsumiert worden sei.

Gemäß § 74 Abs. 1 erster Satz der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idF LGBl. Nr. 18/1976 (WBO), wird die Baubewilligung unwirksam, wenn binnen zwei Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung nicht begonnen oder der Bau nicht innerhalb zweier Jahre nach Baubeginn vollendet wird.

Die belangte Behörde hat diese Rechtslage richtig erkannt, wenn sie ausführt, der Baubewilligungsbescheid sei am 18. März 1985 in Rechtskraft erwachsen und es könne die Baubewilligung noch bis zum (18.) März 1987 konsumiert werden; sie hat es jedoch unterlassen, hieraus die entsprechenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 289 Abs. 2 BAO (vgl. das Erkenntnis vom 3. Juni 1982, Zl. 81/16/0059) sowie etwa auch zu § 213 Abs. 2 der Tiroler Landesabgabenordnung (Erkenntnis vom 10. November 1980, Zl. 761/79, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung) hat die im vollen Prüfungsumfang an die Stelle der erstinstanzlichen Abgabenbehörde tretende Behörde zweiter Instanz auch Veränderungen des Sachverhaltes, welche erst NACH Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetreten oder hervorgekommen sind, - Identität des Verfahrensgegenstandes vorausgesetzt - zu berücksichtigen. Nichts anderes kann auch hinsichtlich der damit übereinstimmenden Vorschrift des § 224 Abs. 2 WAO gelten. Nun war aber nach eigener Auffassung der belangten Behörde der Baubewilligungsbescheid vom 20. Februar 1985 mit 18. März 1987 außer Kraft getreten, was sie bei Erlassung ihres mit 5. Juni 1987 datierten, am 19. Juni 1987 zugestellten Berufungsbescheides zu berücksichtigen gehabt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. Februar 1986, Zl. 84/17/0001, die Auffassung der damaligen Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht für rechtswidrig erkannt, wonach dann, wenn die Abgabe NOCH NICHT entrichtet wurde und ein Fall des § 44 Abs. 2 WGG vorliegt, die Ausgleichsabgabe nicht einzuheben ist. Nach dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung (vgl. hiezu Kopecky, Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, Seite 12 ff., inbesondere Seite 13, FN 54, und Seite 21, FN 77) muß dies auch für den Haftungspflichtigen gelten. Die Aufrechterhaltung des Haftungsbescheides durch die belangte Behörde erweist sich daher als rechtswidrig.

Diesem Ergebnis stehen auch nicht die weiteren Bestimmungen des § 44 Abs. 2 WGG entgegen. Die Frist des zweiten Satzes ist jedenfalls gewahrt, weil die Beschwerdeführerin den Tatbestand des Erlöschens der Baubewilligung schon in ihrer Berufung vom 23. Oktober 1986 geltend gemacht hat. Ein Nachweis des Überganges des Anspruches auf Erstattung im Sinne des letzten Halbsatzes der genannten Gesetzesstelle kam hier - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - nicht in Betracht, weil unbestrittenermaßen der Abgabenanspruch nicht entrichtet wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch der Auffassung der belangten Behörde nicht zu folgen, wonach einem Unwirksamwerden der Baubewilligung nach § 74 Abs. 1 erster Satz der Wiener Bauordnung der Umstand entgegenstünde, daß die bewilligte Umwidmung der Kellerräumlichkeiten in eine Gaststätte (§ 60 Abs. 1 lit. a vorletzter und letzter Satz WBO) "jedenfalls nach dem Berufungsvorbringen bereits konsumiert" worden wäre. Nach Ansicht des Gerichtshofes zwingt nämlich das Berufungsvorbringen nicht zu einer derartigen Schlußfolgerung. Die belangte Behörde bezieht sich offenbar auf folgenden Satz der Berufung:

"Es ist daher noch offen, ob auf Grund der vorhandenen Schwierigkeiten überhaupt in den Räumlichkeiten ein Gastwirtschaftsbetrieb aufrecht erhalten wird oder ob es nicht zu einer Rückwidmung der Räumlichkeiten kommt."

Diese Ausführungen dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern müssen im Zusammenhang mit dem weiteren, wiederholten Berufungsvorbringen gesehen werden, wonach die genannte Baubewilligung noch nicht konsumiert und eine Benützungsbewilligung noch nicht erteilt sei. Auf Grund der fehlenden Baubewilligung werde derzeit in den Lokalitäten keine Gastwirtschaft betrieben. Im Zusammenhang gesehen erlauben daher diese - möglicherweise widersprüchlichen - Behauptungen nicht die Feststellung, daß die mit Bescheid vom 20. Februar 1985 bewilligte Umwidmung der Kellerräumlichkeiten in eine Gaststätte tatsächlich vollzogen wurde, zumal aus dem Bescheid vom 20. Februar 1985 auch nicht hervorgeht, ob die Bewilligung der Umwidmung von der Bewilligung der baulichen Veränderungen unabhängig war oder nicht. Zumindest aber durfte die belangte Behörde nicht ohne entsprechende, auf Grund von geeigneten Ermittlungen gewonnene Tatsachenfeststellungen davon ausgehen, daß die Baubewilligung zumindest im Umfang der Umwidmung konsumiert worden sei.

Die übrigen Einwendungen der Beschwerdeführerin schlagen freilich nicht durch. Die Beschwerdeführerin erkennt selbst, daß gemäß § 5 Abs. 2 WAO persönliche Haftungen nach Abs. 1 sich auch auf Nebenansprüche (§ 2 Abs. 1 und 2) erstrecken. Dem von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang genannten Erkenntnis vom 13. Dezember 1985, Zlen. 84/17/0140, 0141 und 0142 (Slg. Nr. 6062/F), ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, insbesondere nicht die Aussage, der Umstand, daß der Haftungspflichtige den Bemessungsbescheid nicht zugestellt erhielt, hindere seine Haftung für Nebenansprüche. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Gegenteil in seinem bereits erwähnten Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 85/17/0016, ausgesprochen, die Vorschrift des § 5 Abs. 1 WAO bedeute nicht, daß der damalige Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger etwa erst für einen NACH Zustellung des Haftungsbescheides entstandenen Anspruch des Abgabengläubigers auf Säumniszuschlag zahlungspflichtig geworden wäre.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei kein Umbau genehmigt worden und auch keine Umwidmung vorgelegen, ist aktenwidrig.

Ohne rechtliche Bedeutung ist der Umstand, daß eine dritte Person in den Mietvertrag mit dem Abgabenpflichtigen (der K. GesmbH) eingetreten sei. Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, daß eine Haftung des Nachmieters weder im Wiener Garagengesetz noch in der WAO vorgesehen ist.

Eine ermessenwidrige Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin lag nicht vor, weil nach der Aktenlage die K. GesmbH nicht mehr existent ist. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei schwer krank, 78 Jahre alt und ohne Einkommen, sodaß sie Gefahr laufe, durch die "Vollstreckung der Stadt Wien" ihr Haus zu verlieren, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar; daß die Beschwerdeführerin diese Behauptungen bereits in der Berufung vom 23. Oktober 1986 aufgestellt hätte, ist abermals aktenwidrig. Es spielt daher für die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdefalles keine Rolle, daß bei der in das Ermessen (§ 18 WAO) der Abgabenbehörde gestellten Heranziehung zur Haftung nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgaben(Haftungs-)schuld, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen zu berücksichtigen sind (Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, Slg. Nr. 5423/F).

Aus dem oben aufgezeigten Grund war jedoch der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur in der erforderlichen Höhe zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988170235.X00

Im RIS seit

11.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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