TE Vwgh Erkenntnis 1990/11/30 89/17/0029

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Veröffentlicht am 30.11.1990
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1409;
BAO §14 Abs1 lita;
BAO §14 Abs1;
BAO §20;
BAO §210;
BAO §4;
B-VG Art130 Abs2;
KO §46 Abs1;
LAO Wr 1962 §12 Abs1 lita;
LAO Wr 1962 §12 Abs1;
LAO Wr 1962 §157;
LAO Wr 1962 §18;
LAO Wr 1962 §3;

Beachte

Besprechung in: ÖStZ 1992, 37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde der X-GmbH gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 18. Jänner 1989, Zl. MDR-S 10/87, betreffend Haftung für Getränkesteuer und Nebenansprüche, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 26. November 1986 wurde die Beschwerdeführerin "auf Grund des § 12 Abs. 1 und §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung als Haftpflichtige zur Zahlung der für die Zeit vom 1. Jänner bis 29. November 1985 im Betrieb in Wien entstandenen Getränkesteuerschuld des Vorgängers Herrn F im Betrage von S 31.439,-- herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten."

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides nahm die belangte Behörde hauptsächlich zu der im Berufungsverfahren strittig gewesenen Frage des Vorliegens einer Betriebsnachfolge dahingehend Stellung, daß dieses Tatbestandsmerkmal des § 12 Abs. 1 WAO (Übereignung eines Unternehmens oder eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes im ganzen) erfüllt sei. Die Ermessensentscheidung, die Haftung gegenüber der Beschwerdeführerin geltend zu machen, entspreche im Hinblick darauf, daß der Steuerrückstand beim Hauptschuldner, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden sei, nicht rasch eingebracht werden könne, den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Geltendmachung der Haftung für Abgabenschuldigkeiten des Betriebsvorgängers dem Grunde und der Höhe nach in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die weiteren Schriftsätze der Beschwerdeführerin erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 12 Abs. 1 WAO lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 12. (1) Wird ein Unternehmen oder ein ihm Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) ..."

Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde zunächst als Verfahrensmangel, ihr sei im Abgabenverfahren nicht Gelegenheit gegeben worden, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme, daß der Betriebsvorgänger die haftungsgegenständlichen Abgaben auch tatsächlich schulde, zu äußern. Berücksichtige man die finanziell desolate Lage des Hauptschuldners "mit dem Wissen, daß er die Schuld sowieso nicht bezahlen kann und muß", so bestehe keine wie immer geartete Gewähr dafür, daß die von ihm eingereichten Steuererklärungen tatsächlich der Richtigkeit entsprächen und die ausgewiesene Abgabenschuld tatsächlich in der konkreten Höhe bestehe.

Gemäß § 193 WAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 171) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 146) mittels Berufung die Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen.

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin - wiewohl ihr nach der Aktenlage anläßlich der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides vom Magistrat der Stadt Wien über Grund und Höhe der haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche Kenntnis verschafft worden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. März 1987, Zl. 86/15/0080) - innerhalb der hiefür zur Verfügung gestandenen Frist keine Berufung gegen die der Geltendmachung der persönlichen Haftung zu Grunde liegenden Abgabenansprüche erhoben. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auch nicht über eine Berufung gegen die bescheidmäßige Festsetzung solcher Abgabenansprüche, sondern über eine die Geltendmachung der Haftung bekämpfende Berufung entschieden. In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof kann daher schon wegen des Gegenstandes des angefochtenen Bescheides nicht mit Erfolg vorgebracht werden, die der Haftungsinanspruchnahme zu Grunde liegenden Abgabenansprüche bestünden dem Grunde und der Höhe nach nicht zu Recht.

Soweit die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren die Vermutung geäußert hat, ein Teil der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten betreffe nicht den von ihr erworbenen Betrieb, sind der Beschwerdeführerin die diese Vermutung entkräftenden Beweisergebnisse im Berufungsverfahren vorgehalten und ist ihr Gelegenheit zur Stellungnahme hiezu gegeben worden. Da die Beschwerdeführerin weiters nie bestritten hat, daß jene Abgaben, für die auch noch von der belangten Behörde die Haftung in Anspruch genommen wurde, noch im Zeitpunkt der Erlassung des erstistanzlichen Haftungsbescheides zur Gänze unberichtigt ausgehaftet hätten, ist sohin der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs zur Gänze unbegründet.

Die Beschwerdeführerin rügt als weiteren Verfahrensmangel, die Abgabenbehörde erster Rechtsstufe habe es verabsäumt, "mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die Eintreibung der Getränkesteuerschuld beim Urschuldner versuchen zu müssen" (richtig wohl: zu versuchen). In der Zeit vom Dezember 1985 bis zur Konkurseröffnung im Juni 1986 (richtig wohl: September 1986) sei nicht ein einziger Vollzugsversuch unternommen worden.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin einen wesentlichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen; denn zum Haftungstatbestand des § 12 Abs. 1 WAO gehört nicht, daß die Abgabenbehörde innerhalb bestimmter Frist Einbringungsmaßnahmen beim Hauptschuldner gesetzt hat. Daß im Beschwerdefall aber Einhebungsverjährung eingetreten sei, hat die Beschwerdeführerin nie behauptet und ergibt sich dies auch nicht aus der Aktenlage. Mit dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstand wird auch kein Ermessensfehler aufgezeigt, ist doch im Beschwerdefall unbestritten, daß offenbar schon im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides Schwierigkeiten bestanden haben, die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten beim Hauptschuldner einzubringen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird nämlich das Ermessen dann im Sinne des Gesetzes geübt, wenn die Abgabenbehörde eine Haftung in Anspruch nimmt, weil sie die Abgabenschuld vom Hauptschuldner nicht ohne Gefährdung und nicht ohne Schwierigkeiten rasch hätte einbringen können. Die Abgabenbehörde muß es vor allem nicht auf ein Konkursverfahren gegen den Hauptschuldner mit fraglichen Einbringungsaussichten ankommen lassen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 1988, Zl. 87/14/0059).

Unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin sinngemäß vor, § 12 WAO fordere zwar nach seinem Wortlaut nur, daß ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet werde, Zweck dieser Bestimmung sei es jedoch, zu verhüten, daß dem Abgabengläubiger durch die Übertragung des Unternehmens des Abgabenschuldners im Wege eines schuldrechtlichen Vertrages unter Lebenden auf eine andere Person die bisherige Haftungsgrundlage entzogen werde. Im Falle einer entgeltlichen Veräußerung eines Betriebes wie im vorliegenden Fall verdopple sich jedoch der Haftungsfonds für den Abgabengläubiger. Da dies nicht der Zweck der Regelung sein könne, müsse § 12 WAO so ausgelegt werden, daß die Haftung des Betriebsnachfolgers nur dann gegeben sei, wenn sich der dem Abgabengläubiger ursprünglich zur Verfügung stehende Haftungsfonds - etwa infolge eines nicht äquivalenten Kaufpreises oder wegen der Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung - durch die Betriebsnachfolge verringere. Davon könne aber im Beschwerdefall deswegen nicht die Rede sein, weil die Abgabenansprüche gegenüber dem Hauptschuldner erst NACH dem Zeitpunkt der Betriebsnachfolge entstanden seien; dies schließt die Beschwerdeführerin daraus, daß die Abgabenbehörde die Abgaben für vor der Betriebsübernahme gelegene Zeiträume erst nach diesem Stichtag festgesetzt habe.

Haftungspflicht gemäß § 12 Abs. 1 WAO besteht im Gegensatz zur Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht nur dann, wenn die Abgabenbehörde in einem konkreten Fall nachzuweisen vermag, daß sich der Haftungsfonds durch die Betriebsnachfolge verringert hat, sondern mangels eines entsprechenden negativen Merkmals im Haftungstatbestand - das Fehlen eines solchen Merkmals erklärt sich aus der mit einer Betriebsnachfolge typischerweise verbundene Gefahr für die Einbringlichkeit von Abgabenansprüchen - ganz allgemein dann, wenn ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet wird. Der von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Umstand könnte lediglich bei der Ermessensübung der Abgabenbehörde, einen Haftungspflichtigen in Anspruch zu nehmen, eine Rolle spielen. Gerade wegen der Möglichkeit, bei der Ermessensübung auf den in Rede stehenden Umstand Bedacht zu nehmen, ist es entbehrlich, die vom OGH in seinem Beschluß vom 25. Februar 1988, 7 Ob 534/88, entwickelten Grundsätze über die eingeschränkte Auslegung des Wortlautes des § 1409 ABGB auf den § 12 WAO zu übertragen. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen jedoch im vorliegenden Fall angesichts des schon oben Gesagten keine Bedenken gegen die Heranziehung der Beschwerdeführerin. Ihr vorhin erwähntes Argument, der Haftungsfonds des Abgabengläubigers habe sich erst nach der Betriebsnachfolge verringert, weil die Abgabenansprüche für vor der Betriebsnachfolge gelegene Zeiträume erst durch die abgabenbehördliche Festsetzung entstanden seien, ist zudem deswegen unrichtig, weil eine dem Gesetz entsprechende Festsetzung einer Abgabenschuld mittels Abgabenbescheides nicht das Entstehen der Schuld, sondern bloß deren Fälligkeit auslöst.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Erlassung eines Haftungsbescheides sei "nur absolut letztes Mittel", ist ihr zu erwidern, daß die Haftung gemäß § 12 Abs. 1 WAO nicht als Ausfallshaftung gestaltet ist.

Die Beschwerdeführerin meint weiters, daß im Zusammenhang mit der Anmeldung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten im Konkurs des Hauptschuldners "durch Erfüllung des Haftungsbescheides" eine Bevorzugung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern eintreten würde.

Hiezu hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausgeführt, daß die Bevorzugung des Abgabengläubigers keinesfalls auf Kosten anderer Gläubiger des Hauptschuldners ginge. Richtig ist auch das in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde gebrauchte Argument, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens würden Haftungen Dritter nicht untergehen; auch unter diesem Gesichtspunkt seien daher private Gläubiger nicht gegenüber der öffentlichen Hand bevorzugt.

Gegen die im Beschwerdefall präjudizielle Bestimmung des § 12 Abs. 1 lit. a WAO sind übrigens beim Verwaltungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden. Auch die Beschwerdeführerin trägt Normbedenken gegen die in Rede stehende Gesetzesstelle in ihrer Beschwerde nicht vor.

Auf Grund des Gesagten haftet dem angefochtenen Bescheid weder die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes noch ein wesentlicher Verfahrensmangel an. Die vorliegende Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte abgesehen werden, weil der darauf abzielende Antrag der Beschwerdeführerin nur als Eventualantrag gestellt worden ist und weil jedenfalls der Tatbestand des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erfüllt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989170029.X00

Im RIS seit

30.11.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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