TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/14 89/12/0047

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Veröffentlicht am 14.10.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der M in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 23. Jänner 1989, Zl. 40 4100/3-VI/4/88, betreffend Fahrtkostenzuschuß, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht seit 1983 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Österreichische Postsparkassenamt in Wien.

Am 20. Mai 1983 verlegte die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz von Wien nach G. In ihrem am 14. Dezember 1985 gestellten Ansuchen auf Zuerkennung eines Fahrtkostenzuschusses begründete sie diesen Umzug damit, daß sie nur auf diese Weise ihre dort wohnhaften und pflegebedürftigen Eltern betreuen könne. Diese Betreuung durch sie sei notwendig, weil einerseits ihre Mutter infolge zweier Schlaganfälle beträchtlich behindert sei und auf Grund teilweise spontan auftretender Lähmungserscheinungen der Arme und Beine weder einkaufen gehen noch den Haushalt selbst besorgen könne. Der Vater der Beschwerdeführerin sei wegen seiner starken Kurzsichtigkeit nicht in der Lage, für die Mutter in ausreichendem Maße zu sorgen, zumal er selbst z.B. nicht einmal einzelne Tabletten voneinander unterscheiden könne. Der Beschwerdeführerin sei es als einziger Angehörigen möglich, für die Eltern in der Weise zu sorgen, daß sie diese zweimal täglich aufsuche, um ihnen die notwendige Unterstützung wie die Verrichtung von schweren Arbeiten im Haushalt, das Einkaufen, teilweises Vorkochen, Hilfeleistung bei der täglichen Körperpflege und der richtigen Medikamenteneinnahme, zu geben. Aus räumlichen Gründen sei es nicht möglich, daß die Beschwerdeführerin im Haus ihrer Eltern wohne, sodaß sie eine eigene Wohnung in der Nähe beziehen habe müssen.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1986 wies das Österreichische Postsparkassenamt (Dienstbehörde erster Instanz) diesen Antrag mit der Begründung ab, ein Fahrtkostenzuschuß gemäß § 20b des Gehaltsgesetzes 1956 (GG 1956) gebühre deshalb nicht, weil die von der Beschwerdeführerin angeführten Gründe für die Wohnsitzverlegung für die Zuerkennung des beantragten Fahrtkostenzuschusses nicht ausreichten.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin neben dem Gesundheitszustand ihrer Eltern noch an, diese könnten sich eine Heimhilfe nicht leisten, weil ihr Vater ein "Ausgleichsrentner" sei. Da auch keine sonstigen Verwandten in der Nähe wohnten, sei es für sie eine sittliche Verpflichtung gewesen, ihren Eltern beizustehen. Der erstinstanzliche Bescheid gehe auf die von ihr vorgebrachten Gründe nicht ein.

In der Folge führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durch, in dem sie die Beschwerdeführerin zweimal aufforderte, verschiedene Fragen zu beantworten. Dem kam die Beschwerdeführerin auch jeweils nach. Soweit es aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist, ergaben die Ermittlungen, daß der Vater der Beschwerdeführerin Ausgleichszulagenempfänger ist und seine Ehegattin kein eigenes Einkommen hat. Laut Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 15. Oktober 1988 beziehe ihr Vater keinen Hilflosenzuschuß, "weil er der Meinung ist, solange er nicht mindestens 80 Jahre alt ist, würde er eventuell abgelehnt werden. Es wurde daher noch kein derartiger Antrag gestellt." Dies gelte auch für ihre Mutter bezüglich von Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfegesetz; auch sie habe keine Anträge nach diesem Gesetz gestellt. Darüber hinaus legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung des ihre Eltern behandelnden praktischen Arztes Dr. C vor, in der dieser den Gesundheitszustand der Mutter der Beschwerdeführerin, der auch im Zeitraum 1983 bestanden habe, sowie den des Vaters der Beschwerdeführerin näher beschrieb. Der behandelnde Arzt wies in dieser Bestätigung darauf hin, daß die Mutter der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1974 Hilfe benötige, die ihr von ihrem Ehemann nicht geleistet werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 1989 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und des § 20b Abs. 1 und Abs. 6 Z. 2 GG 1956 führte sie in der Begründung weiters aus, es sei unbestritten, daß die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz von Wien nach G und somit mehr als 20 km außerhalb ihres Dienstortes verlegt habe. Strittig sei lediglich die Frage, ob der von ihr angegebene Grund für die Verlegung des Wohnsitzes, nämlich die Betreuung ihrer Eltern, von ihr selbst zu vertreten sei oder nicht. Die Betreuung ihrer Eltern bestehe nach den Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin darin, daß sie sich zweimal täglich zu ihren Eltern begebe, um bei den notwendigsten Lebensverrichtungen zu helfen. Ihre Eltern könnten sich, da ihr Vater "Ausgleichsrentner" sei und die Mutter kein Einkommen beziehe, eine Heimhilfe finanziell nicht leisten. Dem hielt die belangte Behörde unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach für das Wohnen in einer 20 km übersteigenden Entfernung vom Dienstort unabweislich notwendige Gründe vorliegen müßten, die Einrichtung des Hilflosenzuschusses nach § 105a ASVG entgegen. Zweck des Hilflosenzuschusses sei es, dem Pensionisten, der nicht in der Lage sei, die notwendigen Verrichtungen selbst zu besorgen, den durch die Inanspruchnahme anderer Personen entstehenden Mehraufwand zu ersetzen (vgl. z.B. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 22. Oktober 1987, 10 Ob S 59/87). Hilflosigkeit im Sinne des § 105a ASVG liege immer dann vor, wenn der Pensionist nicht in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Dabei kämen jeweils nur jene Verrichtungen in Frage, die nicht allgemein von dritten Personen besorgt würden. Der Umstand, daß im Einzelfall die notwendigen Dienstleistungen von einem nahen Angehörigen geleistet würden, sei für die Gewährung des Hilflosenzuschusses ohne Bedeutung.

Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin erklärt, daß ihr Vater - der Pensionist sei - keinen Hilflosenzuschuß beziehe und einen solchen bisher noch nie beantragt habe. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen, daß er auf Grund seines Gesundheitszustandes noch dazu in der Lage sei, die im Haushalt anfallenden notwendigen Verrichtungen selbst zu besorgen. Wäre er dazu jedoch nicht in der Lage, könnte mit Hilfe des Hilflosenzuschusses jedenfalls annähernd der Mehraufwand bestritten werden, der durch die Inanspruchnahme anderer Personen entstünde.

Was die Mutter der Beschwerdeführerin betreffe, die nach ihren Angaben kein eigenes Einkommen beziehe, sei auf die Bestimmungen des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, insbesondere auf die §§ 1, 2, 7 und 33, hinzuweisen. Bei Vorliegen der im § 33 Abs. 2 leg. cit. genannten Voraussetzungen sei Pflegebedürftigen auf Antrag Pflegegeld zu gewähren. Der Anspruch bestehe auch dann, wenn etwa der Ehegatte eine Pension beziehe.

Im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin erklärt, daß ihre Mutter keinerlei Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfegesetz beziehe und bisher auch keinen Antrag gestellt habe.

Zusammenfassend sei daher nochmals festzuhalten, daß der von der Beschwerdeführerin genannte Grund für die Verlegung des Wohnsitzes nicht zwingend sei. Die erforderliche Betreuung ihrer Eltern in dem von ihr angegebenen Umfang hätte nämlich ohne weiteres durch eine andere Person erfolgen können, wobei mit Hilfe eines Hilflosenzuschusses oder allenfalls von Leistungen nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz annähernd der Mehraufwand bestritten werden könnte. Die finanzielle Situation der Eltern der Beschwerdeführerin wäre daher keineswegs von vornherein ein unüberwindbares Hindernis für eine angemessene Betreuung durch andere Personen gewesen. Die Entscheidung der Beschwerdeführerin, die Betreuung selbst durchzuführen und daher den Wohnsitz von Wien in die Nähe ihrer Eltern nach G zu verlegen, habe sie daher selbst zu vertreten, weshalb der Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausgeschlossen sei. Dabei solle nich unerwähnt bleiben, daß die Übernahme der Betreuung der Eltern sehr wohl menschlich anzuerkennen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956 ist der Beamte vom Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausgeschlossen, solange er aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohnt.

Die Beschwerdeführerin hält der Bejahung des Ausschlußtatbestandes des § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956 durch die belangte Behörde Nachstehendes entgegen:

Es sei Tatsache, daß ihre Eltern die Hilfe und Pflege, derer sie bedürften, von der Beschwerdeführerin erhielten und nicht von der öffentlichen Hand Unterstützungsleistungen (Hilflosenzuschuß nach § 105a ASVG bzw. Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfegesetz) in Anspruch nähmen, die für eine entgeltliche Pflege durch Dritte ausreichen würde. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei die nicht erfolgte Inanspruchnahme der genannten Unterstützungsleistungen ohne Bedeutung. Die Beschwerdeführerin leitet dies zum einen aus § 143 ABGB ab; die danach bestehende Unterhaltsverpflichtung des Kindes gegenüber seinen Eltern könne in Geld, aber auch (zumindest bei beiderseitigem Einvernehmen) in Form häuslicher Verpflegung geleistet werden, was zweifellos auch Betreuungserfordernisse mitumfasse. Es liege also grundsätzlich (bei dieser Form der Unterhaltsgewährung) eine rechtliche Verpflichtung vor. Leistungen in Form des Hilflosenzuschusses bzw. eine Sozialhilfeleistung seien völlig anders konstruiert als Leistungen auf Grund einer Unterhaltsverpflichtung und nicht mit diesen deckungsgleich. So könne ein Sozialhilfeanspruch ohne Unterhaltsanspruch, aber auch umgekehrt ein Unterhaltsanspruch ohne Sozialhilfeanspruch bestehen. Dies schließe eine "abstrakte Ablehnung" der Berücksichtigung der Unterhaltspflicht entgegen der Auffassung der belangten Behörde aus. Dazu komme, daß die Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand von einem generell ermittelten Mindeststandard ausgingen, während sich der familienrechtliche Unterhaltsanspruch an individuellen Maßstäben orientiere. Schließlich komme auch ein moralischer Gesichtspunkt zum Tragen, der zweifellos in der Eltern-Kind-Beziehung besonderes Gewicht habe und im Rahmen des § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956 zu berücksichtigen sei. Zum anderen seien die finanziellen Auswirkungen auf die öffentliche Hand in ihrer Gesamtheit (ohne Rücksicht, welche Körperschaft die einzelnen Kosten treffe) zu berücksichtigen. Es sei sinnwidrig, der Nichtinanspruchnahme staatlicher Fürsorgeleistungen und damit der Alternative der Betreuung durch ein Kind entgegenzutreten, wenn dies im Ergebnis die öffentliche Hand finanziell stärker belaste (wesentlich höhere Ausgaben durch Hilflosenzuschuß und/oder Sozialhilfeleistungen anstelle des geringeren Fahrtkostenzuschusses).

Darüberhinaus stehe im Beschwerdefall keineswegs fest, daß Ansprüche der Eltern gegenüber der öffentlichen Hand überhaupt gegeben seien. Insbesondere wäre ein zur Deckung des Betreuungsbedarfes der Mutter der Beschwerdeführerin allein in Frage kommender Anspruch auf Sozialhilfe selbst bei Nachweis der gesetzlich erforderlichen Hilfsbedürftigkeit wegen der die Beschwerdeführerin treffenden Unterhaltspflicht im Hinblick auf § 2 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz zu verneinen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang, die belangte Behörde habe sich mit einer hypothetischen Argumentation begnügt, ohne eigene Erhebungen zum Grad der Hilfebedürftigkeit ihrer Eltern gepflogen zu haben.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Strittig ist im Beschwerdefall nur die Frage, ob die belangte Behörde das Vorliegen des den Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausschließenden Tatbestandes nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956 annehmen durfte oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beamte ein Wohnen außerhalb der 20 km-Zone (gerechnet vom Dienstort) dann nicht selbst zu vertreten, wenn - unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles - hiefür unabweislich notwendige Gründe vorliegen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. Februar 1992, Zl. 90/12/0260, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1992, Zl. 88/12/0123, ausgesprochen hat, ist dies dann der Fall, wenn dem Beamten zu der von ihm gewählten Möglichkeit zur Begründung eines Wohnsitzes außerhalb der 20 km-Zone KEINE ZUMUTBARE HANDLUNGSALTERNATIVE offensteht. Ob dies der Fall ist, kann jeweils nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die unter Mitwirkung des Beamten von der Dienstbehörde zu erheben sind und einer sorgfältigen (Gesamt)Würdigung durch die Dienstbehörde zu unterziehen sind.

Eine zumutbare Handlungsalternative fehlt nicht nur in jenem Fall, in dem der Beamte mit seiner Wohnungswahl einer Rechtspflicht nachkommt. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin - entgegen ihrer Auffassung - keine Rechtspflicht nach dem ABGB trifft, die Sorgepflicht gegenüber ihren Eltern persönlich zu erbringen (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1992, Zl. 90/12/0260), spielt daher im Beschwerdefall keine Rolle. Schon in seiner bisherigen Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof FAMILIÄRE UMSTÄNDE (wie z.B. die Erkrankung der Ehegattin des Beamten) als Motiv für einen nicht vom Beamten zu vertretenden Wohnsitzwechsel angesehen (beginnend mit dem Erkenntnis vom 30. Juni 1977, Zl. 575/77; vgl. ferner die Erkenntnisse vom 27. April 1982, Zl. 81/12/0176, sowie vom 14. November 1983, Zl. 83/12/0005) und desgleichen WIRTSCHAFTLICHEN GRÜNDEN, wenn sie sich IM VERMÖGEN DES BEAMTEN auswirkten (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1978, Zl. 80/78 = VwSlg. 9682/A) sowie SOZIALEN GRÜNDEN (vgl. dazu das zur vergleichbaren Rechtslage nach der Wiener Besoldungsordnung ergangene Erkenntnis vom 26. Februar 1992, Zl. 90/12/0271) Bedeutung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zuerkannt.

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde im Ergebnis davon ausgegangen, daß die erforderliche Betreuung der Eltern der Beschwerdeführerin in dem von ihr angegebenen Umfang ohne weiteres durch eine andere Person hätten erfolgen können, wobei der dadurch bedingte finanzielle Mehraufwand mit Hilfe des Hilflosenzuschusses (dies betrifft den Vater der Beschwerdeführerin) oder allenfalls von Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfegesetz (dies betrifft die Mutter der Beschwerdeführerin) hätte bestritten werden können, sodaß die Beschwerdeführerin ihre Entscheidung, die Betreuung persönlich durchzuführen und deshalb ihren Wohnsitz nach G zu verlegen, selbst zu vertreten habe.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind bei der Beurteilung der (unter dem Gesichtspunkt des § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956) zumutbaren Handlungsalternativen (hier: Betreuung der Eltern durch Heimhilfe statt Eigenbetreuung der Beschwerdeführerin) finanzielle Zuwendungen (an ihre Eltern) wie der Hilflosenzuschuß nach § 105a ASVG oder Leistungen nach den Sozialhilfegesetzen (hier: § 33 NÖ Sozialhilfegesetz) miteinzubeziehen und nicht von vornherein unbeachtlich. Derartige Leistungen dienen nämlich bestimmungsgemäß dazu, einen durch die erforderliche Pflege durch Inanspruchnahme Dritter erhöhten Aufwand finanziell abzudecken und damit eine weitere Lebensführung zu sichern.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid allerdings ausschließlich darauf gestützt, daß die Eltern der Beschwerdeführerin bisher weder derartige Leistungen bezogen noch beantragt haben und derartige Ansprüche offenbar nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen.

Die belangte Behörde hat es allerdings unterlassen, KONKRET zu prüfen, ob sich aus der Inanspruchnahme derartiger Leistungen unzumutbare finanzielle Belastungen der Beschwerdeführerin ergeben könnten. Dies hätte bei der Gewährung von Leistungen an die Mutter nach § 33 NÖ Sozialhilfegesetz der Fall sein können, könnte doch die Beschwerdeführerin nach Maßgabe der sie nach § 143 ABGB treffenden Unterhaltspflicht nach § 42 NÖ Sozialhilfegesetz vom Sozialhilfeträger herangezogen werden (nach § 42 Abs. 1 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-9, haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten). Träfe dies zu, wäre zu prüfen gewesen, ob eine derartige Inanspruchnahme die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hätte (vgl. dazu das Erkenntnis vom 24. Juni 1992, Zl. 88/12/0123, wo dies im Falle einer Belastung von mehr als 10 Prozent des Nettoeinkommens bejaht wurde) oder nicht. Erst danach hätte beurteilt werden können, ob im Beschwerdefall für die Beschwerdeführerin zu der von ihr gewählten Lösung eine zumutbare Handlungsalternative bestanden hat, die die Gebührlichkeit eines Fahrtkostenzuschusses nach § 20b Abs. 6 Z. 2 GG 1956 ausgeschlossen hätte oder nicht. Die mögliche Gewährung des Hilflosenzuschusses an den Vater der Beschwerdeführerin ändert nichts an diesem Ergebnis, weil diese Leistung jedenfalls nicht der Mutter der Beschwerdeführerin zugute kommt und deren Pflegebedürftigkeit bereits den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Fahrtkostenzuschuß (unter den oben dargestellten Voraussetzungen) auslösen kann.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie in Verkennung der Rechtslage diese Frage nicht geprüft hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenaufwand gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Beschwerdefall gemäß dem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989120047.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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