TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/18 92/01/0866

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Veröffentlicht am 18.03.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §17 Abs4 Z2;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/0867

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerden 1. der S,

2. der L, 3. des B, die Zweit- und Drittbf vertreten durch die Erstbf als gesetzliche Vertreterin, 4. des R, alle in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des BMI vom 11.8.1992, Zl. 4.285.904/2-III/13/90 (zu 1. bis 3.) und Zl. 4.285.067/2-III/13/90 (zu 4.), betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 11. August 1992 wurde einerseits hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführer und andererseits hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Nationalität, von denen der Viertbeschwerdeführer am 25. Oktober 1989 und die übrigen Beschwerdeführer am 6. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist sind - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, in Ansehung des erstgenannten Bescheides von den Erst- bis Drittbeschwerdeführern (zur hg. Zl. 92/01/0866) und in Ansehung des zweitgenannten Bescheides vom Viertbeschwerdeführer (zur hg. Zl. 92/01/0867) erhobenen Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen Zusammenhanges die Verbindung dieser Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber erwogen:

Daß ein Asylwerber durch einen Bescheid wie die angefochtenen - entsprechend dem von den Beschwerdeführern jeweils bezeichneten Beschwerdepunkt gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG - in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf "Feststellung der Flüchtlingseigenschaft" auch auf dem Boden des (bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwendenden) Asylgesetzes 1991 verletzt sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0834, zum Ausdruck gebracht. Ein Hinweis auf dieses Erkenntnis genügt aber gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch hinsichtlich der Rüge der Beschwerdeführer, es fehle die deutliche Bezeichnung des Gegenstandes der Erledigung der belangten Behörde jeweils im Spruch des angefochtenen Bescheides, woraus sich ergibt, daß dieser Umstand im Hinblick darauf, daß sich der Gegenstand der Erledigung jeweils zweifelsfrei der Bescheidbegründung entnehmen läßt, keine zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führende Rechtswidrigkeit darstellt.

Die Erstbeschwerdeführerin hat ihren Asylantrag vom 7. November 1989 anläßlich ihrer niederschriftlichen Befragung am 10. November 1989 damit begründet, ihr Heimatland wegen politischer Gründe, in erster Linie aber "wegen der Gründe meines Gatten" (des Viertbeschwerdeführers) verlassen zu haben. Dieser habe an Demonstrationen teilgenommen und werde seit dieser Zeit von der Miliz gesucht. Nach seiner Flucht habe sich schon die Miliz bei ihr nach seinem Aufenthalt erkundigt. Da auch sie Schwierigkeiten befürchte und ohne ihren Mann nicht leben möchte, habe sie sich zur Flucht mit ihren Kindern (den Zweit- und Drittbeschwerdeführern) entschlossen. Andere Gründe könne sie nicht vorbringen. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte sie vor, deshalb geflüchtet zu sein, "weil wir von der serbischen Geheimpolizei verfolgt und geschlagen wurden, ebenso auch meine Kinder". "Bei der Demonstration in Kosovo" seien über 100 Frauen und Kinder getötet worden. Sie möchte daher nicht mehr nach Kosovo zurückkehren.

Der Viertbeschwerdeführer hat zur Begründung seines Asylantrages vom 25. Oktober 1989 anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 4. November 1989 angegeben, aus politischen Gründen aus seinem Heimatland geflüchtet zu sein. Am 27. und am 28. März 1989 habe er an örtlich näher bezeichneten Demonstrationen teilgenommen. Dort habe er "Parolen getragen" und Flugzettel verteilt. Es sei von der albanischen Bevölkerung für eine freie Republik Kosovo demonstriert worden. Nach der Demonstration bzw. während dieser seien die Miliz und die Polizei eingeschritten, und die Demonstrationsteilnehmer seien "in alle Richtungen" geflüchtet. Er habe sich zunächst zu Hause versteckt gehalten, wobei seine Gattin immer dann, wenn die Miliz gekommen sei, erklärt habe, daß er nicht zu Hause sei. Da er aus Angst nicht mehr länger habe zu Hause bleiben können, sei er mit seiner Familie zu seinen Großeltern nach G geflüchtet. Er sei aber nach einiger Zeit auch dort von der Miliz gesucht worden, wobei seine Gattin die Beamten immer wieder habe "vertrösten" können. Da er den Druck nicht mehr ausgehalten habe, habe er sich zur Flucht entschlossen. Er möchte in sein Heimatland nicht mehr zurückkehren, weil er mit einer mehrjährigen Strafe zu rechnen hätte. Da die wirtschaftliche Lage in seinem Heimatland "gut" (richtig wohl: nicht gut) sei und er mit dem Regime in Jugoslawien nicht einverstanden gewesen sei, möchte er seine Gattin und Kinder nachkommen lassen, um ihnen in Österreich eine bessere und sichere Zukunft zu bieten. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte er vor, deshalb geflüchtet zu sein, weil er von der serbischen Geheimpolizei stets verfolgt worden sei. Er, seine Frau und seine Kinder seien geschlagen worden. Ein Beweis dafür seien die Narben an seinem Kopf. Weiters sei er von der Polizei am Fuß verwundet worden. Seine Verwandten seien aus politischen Gründen im Gefängnis. Bei den beiden von ihm genannten Demonstrationen, an denen er teilgenommen habe, seien über 100 Frauen und Kinder getötet worden. Aus diesem Grund möchte er nicht mehr nach Kosovo zurückkehren.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit dieses Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit. - wie in den beiden anderen dort angeführten, jedoch ebenfalls nicht vorliegenden Fällen - seine Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, war für die belangte Behörde jeweils auf Grund der Aktenlage auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der Berufung nicht erkennbar und wird im übrigen auch von den Beschwerdeführern gar nicht behauptet. Das bedeutet aber, daß die belangte Behörde die in den Berufungen behaupteten neuen Tatsachen ihren Bescheiden nicht zugrunde legen durfte; dadurch, daß sie sich dessen ungeachtet jeweils mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt und dieses nicht als glaubwürdig erachtet hat, sind daher die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt. Aus diesem Grunde traf die belangte Behörde auch keine weitere Ermittlungspflicht, weshalb die unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 erhobene Verfahrensrüge, es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, darauf hinzuwirken, daß die von ihr angenommenen "Widersprüche" zwischen den Angaben der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung aufgeklärt würden, und es wäre daher deren ergänzende Einvernahme unerläßlich gewesen, nicht berechtigt ist. Geht man aber jeweils vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz, also von den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin am 10. November 1989 und des Viertbeschwerdeführers am 4. November 1989, aus, so kann der belangten Behörde - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 seien und ihnen demnach nicht gemäß § 3 leg. cit. Asyl gewährt werden könne.

Hinsichtlich der Erst- bis Drittbeschwerdeführer wurden im erstinstanzlichen Verfahren überhaupt keine individuell gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen geltend gemacht. Das Beschwerdevorbringen, die Erstbeschwerdeführerin habe angegeben, daß sie die staatlichen Milizen, als diese wiederholt in ihre Wohnung gekommen seien, wegen politischer Aktivitäten gesucht hätten, ist - abgesehen davon, daß selbst dies ohne Hinzutreten weiterer Umstände für eine Asylgewährung nicht ausgereicht hätte - aktenwidrig. Ihnen hätte Asyl nur im Wege der Ausdehnung gemäß § 4 Asylgesetz 1991 gewährt werden können, was aber zur Voraussetzung gehabt hätte, daß sie einen solchen Antrag gestellt hätten und dem Viertbeschwerdeführer Asyl gewährt worden wäre.

Was den Viertbeschwerdeführer anlangt, so ist der belangten Behörde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0102, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586) darin beizupflichten, daß im Zusammenhang mit der Teilnahme an verbotenen Demonstrationen stehende polizeiliche Maßnahmen, wie die Festnahme oder Anhaltung, nicht als Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind. Daß ihn darüber hinausgehende Maßnahmen, die als relevante Verfolgungshandlungen zu qualifizieren wären, erwartet hätten, wenn er sich den staatlichen Behörden seines Heimatlandes gestellt hätte, hat er nicht dargetan.

Da sich somit die Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010866.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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