TE Vwgh Erkenntnis 1994/4/21 93/09/0484

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Veröffentlicht am 21.04.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13a;
AuslBG §20;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §56;
B-VG Art140 Abs1;
MRK Art6 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/09/0483 E 21. April 1994

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des JN und der UN in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Vorarlberg vom 24. Mai 1993, Zl. III/6702-955872, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer stellten am 1. November 1992 beim Arbeitsamt Bregenz den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsbürger S.J. als Küchenhilfe bei einem Nettomonatslohn von DM 1.200,--. In einem Begleitschreiben zum Antrag wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, daß andere Arbeitskräfte nicht zu bekommen seien, und daß humanitäre und familiäre Gründe für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung sprächen.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, daß auf ihren Antrag vom Arbeitsamt überhaupt nicht eingegangen worden sei. Eine Überschreitung der Landeshöchstzahl sei nicht behauptet worden, die Landeshöchstzahl werde nicht einmal genannt, offenbar weil diese Landeshöchstzahl "ihrerseits an willkürlicher Festlegung" leiden würde.

Im Berufungsverfahren wurde den Beschwerdeführern über ihren Antrag eine Bescheinigung gemäß § 20b AuslBG für S.J. ausgestellt. Mit Vorhalt vom 29. April 1993 wurden die Beschwerdeführer vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verständigt. Dieser Vorhalt enthielt neben einer Wiedergabe der einschlägigen Normen des AuslBG die Feststellung, der Arbeitsmarkt lasse die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht zu, weil geeignete Vorzugspersonen iS des § 4b AuslBG zur Vermittlung zur Verfügung stünden. In Vorarlberg seien derzeit acht Küchenhilfen ohne Einstellzusage arbeitslos vorgemerkt, die bereit wären, für die Beschwerdeführer zu arbeiten. Die Beschwerdeführer hätten jedoch dem Arbeitsamt keinen Bedarf an Arbeitskräften in Form eines Vermittlungsauftrages gemeldet, weshalb den arbeitslos vorgemerkten Personen die Bewerbung bei den Beschwerdeführern nicht empfohlen werden könne. Sollte ein solcher Vermittlungsauftrag nicht binnen 14 Tagen erteilt werden, müßte davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeführer die Vermittlung von geeigneten Vorzugspersonen ohne triftigen Grund ablehne. Mit der gestiegenen Arbeitslosigkeit sei auch die Mobilität unter den Arbeitslosen gewachsen, was die "Inselsituation" des Kleinen Walsertales entschärfe. Zu den geltend gemachten sozialhumanitären Gründen werde den Beschwerdeführern entgegengehalten, daß diese nach dem AuslBG nicht in erster Linie zu berücksichtigen seien; ein Rechtsanspruch könne daraus nicht abgeleitet werden. Es lägen auch keine Gründe für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 6 AuslBG vor. Der Vermittlungsausschuß habe dem Antrag der Beschwerdeführer nicht einhellig zugestimmt, die Landeshöchstzahl sei überschritten.

Diesen Vorhalt beantworteten die Beschwerdeführer mit ihrer Eingabe vom 17. Mai 1993, in welcher sie ausführten, sich zu einer "Suchmeldung nach neuen Arbeitskräften" nicht veranlaßt zu sehen, zumal S.J. derzeit bei ihnen legal tätig sei (§ 20b AuslBG). Die Bereitschaft von sechs Arbeitskräften, für die Beschwerdeführer im Kleinen Walsertal zu arbeiten, sei unglaubwürdig und könne mangels näherer Angaben über diese Personen von den Beschwerdeführern nicht beurteilt werden. Ausdrücklich bezweifelt werde die Überschreitung der Landeshöchstzahl, wozu der Vorhalt weder die Landeshöchstzahl selbst noch die derzeitige Zahl aufrechter Beschäftigungsbewilligungen enthalte, sodaß er auch in diesem Punkt unzulänglich sei.

Hierauf erließ die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Mai 1993, mit welchem der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 864/1991 keine Folge gegeben wurde. Neben einer Darstellung der Rechtslage wurde dazu in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, der Arbeitsmarkt lasse die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht zu, weil geeignete Vorzugspersonen iS des § 4b AuslBG vorhanden seien. S.J. könne auf Grund der vorläufigen Berechtigung nach § 20b AuslBG nicht dem Kreis der Vorzugspersonen zugerechnet werden, weshalb den in Vorarlberg ohne Einstellzusage im Leistungsbezug befindlichen acht Küchenhilfen der Vorrang zu geben sei. Dem Antrag stehe somit § 4 Abs. 1 AuslBG entgegen. Eine Bekanntgabe der Namen der vorgemerkten Küchenhilfen komme "aus Gründen des Datenschutzes" nicht in Betracht; bei Erteilung eines Vermittlungsauftrages könnten sich die Beschwerdeführer jedoch von der Eignung dieser Bewerber überzeugen. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, der Bundesminister für Arbeit und Soziales habe mit Verordnung für Vorarlberg eine Landeshöchstzahl von 17.000 für 1993 festgesetzt. Mit Stichtag Ende April 1993 habe laut amtlicher Statistik die Zahl der auf diese Landeshöchstzahl anzurechnenden Ausländer 24.565 betragen, die Landeshöchstzahl sei daher weit überschritten. Der Vermittlungsausschuß habe dem Antrag der Beschwerdeführer nicht zugestimmt; die Beschwerdeführer hätten auch keine Gründe vorgebracht, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorlägen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 17. Mai 1993 sei nicht geeignet, an den Entscheidungsgrundlagen der belangten Behörde etwas zu ändern, weil schon im Vorhalt vom 29. April 1993 auf die Überschreitung der Landeshöchstzahl hingewiesen worden sei, die Beschwerdeführer aber keine Gründe für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorgebracht hätten. Der Antrag der Beschwerdeführer sei daher auch nach dieser Gesetzesstelle abzulehnen.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1246/93, ablehnte. Mit weiterem Beschluß vom 7. Dezember 1993 trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über Antrag der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In ihrer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde brachten die Beschwerdeführer erneut die in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof enthaltenen verfassungsrechtlichen Bedenken vor. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragen Beschäftigungsbewilligung verletzt und machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei insbesondere erneut die Ermittlung der Landeshöchstzahl als mangelhaft bekämpft wird. Bereits in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof haben die Beschwerdeführer auch die fehlende Vermittlungstätigkeit der belangten Behörde als rechtswidrig bemängelt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Ausführungen in der Beschwerde zum angeblich verfassungswidrigen Instanzenzug geben nicht Anlaß zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, weil dieser bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 1993, G 226/92-7, die Auffassung verworfen hat, daß mit verwaltungsrechtlichen Eingriffen in das Recht, Ausländer zu beschäftigen, "civil rights" verletzt würden.

Im übrigen ist zu den verfassungsrechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß zu deren Prüfung nur der Verfassungsgerichtshof zuständig ist, dessen Prüfung aber zur Ablehnung der Behandlung der Beschwerde geführt hat.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Bezüglich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG ist im § 4b AuslBG (in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990) festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Ausländer bei denen berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen ...) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege

erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die belangte Behörde hat die Versagung der Beschäftigungsbewilligung auf zwei Tatbestände, nämlich auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

              1.              Zur Versagung nach § 4 Abs. 1 AuslBG:

Bei Fehlen auch nur eines der beiden in § 4 Abs. 1 AuslBG genannten Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG, die im gegenständlichen Zusammenhang nur im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 erfolgte Einfügung des § 4b bezüglich der bevorzugt zu vermittelnden Personen zu modifizieren ist, muß auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt sein, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens eine der bevorzugt zu vermittelnden Personen entsprechend der in § 4b AuslBG enthaltenenen Reihenfolge zur Verfügung steht, die bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0090, sowie vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0072).

Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0379 und die dort angegebene Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, die Beschwerdeführer lehnten die Stellung von Ersatzkräften von vornherein grundlos ab. Dazu haben die Beschwerdeführer zutreffend darauf hingewiesen, daß zu einer neuen "Suchmeldung" kein Anlaß bestehe, weil nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erteilung eines (besonderen) Vermittlungsauftrages zusätzlich zum auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen bestimmten Ausländer gestellten Antrag nicht erforderlich ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1991, Zl. 91/09/0009, vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0312, vom 17. Juni 1993, Zl. 93/09/0026, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/09/0250).

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht davon Abstand genommen, den Beschwerdeführern konkrete Ersatzkräfte anzubieten. Es steht daher im Beschwerdefall auf Grund einer unrichtigen Vorgangsweise der belangten Behörde noch nicht fest, ob für die gewünschte Beschäftigung ein inländischer Arbeitssuchender oder ein diesem gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (im Sinne des § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Erst entsprechende Ermittlungen werden die Beurteilung der allfälligen Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Ablehnung gestellter Ersatzkräfte durch die beschwerdeführende Partei ermöglichen.

              2.              Zur Versagung nach § 4 Abs. 6 AuslBG:

Gemäß § 13a AuslBG kann der Bundesminister für Arbeit und Soziales u.a. zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a das für die einzelnen Bundesländer unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes bestimmte Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer durch Verordnung bis spätestens 30. November für das nächstfolgende Jahr festsetzen (Landeshöchstzahlen). Der Bundesminster für Arbeit und Soziales hat mit Verordnung BGBl. Nr. 738/1992 (und nicht, wie von der belangten Behörde unrichtig zitiert, mit BGBl. Nr. 598/1992) die Landeshöchstzahl für das Jahr 1993 für Vorarlberg mit 17.000 festgesetzt.

Die Anwendung des nach § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt und daß es an einer einhelligen Befürwortung des Antrags durch den Vermittlungsausschuß fehlt.

Daß der Vermittlungsausschuß den vorliegenden Antrag "nicht befürwortet" hat, wurde bereits im Bescheid des Arbeitsamtes festgestellt; dieser Umstand ist von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogen worden.

Anders verhält es sich mit der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der (infolge Erlassung des angefochtenen Bescheides in diesem Jahr maßgebenden) Landeshöchstzahl für 1993. Eine einschlägige Feststellung hat der erstinstanzliche Bescheid nicht enthalten, was die Beschwerdeführer mit Recht in ihrer Berufung gerügt haben. Den Vorhalt der belangten Behörde haben die Beschwerdeführer in ihrer Stellungnahme vom 17. Mai 1993 damit beantwortet, daß sie die diesbezüglichen Ermittlungen als unzulänglich bemängelten. Damit sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen gemäß § 45 Abs. 1 AVG keines Beweises. Im übrigen hat die Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Als Beweismittel kommt gemäß § 46 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die Feststellung der Überschreitung der mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgesetzten Landeshöchstzahl ist eine Sachverhaltsfeststellung und nicht etwa eine dem Parteiengehör nicht zu unterziehende rechtliche Beurteilung (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0059, vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0096, und vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0245).

Die Überschreitung der Landeshöchstzahl ist weder offenkundig noch besteht für ihr Vorhandensein eine gesetzliche Vermutung. Sie ist daher von der Behörde in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach den Grundsätzen der oben wiedergegebenen §§ 37, 45 Abs. 2 und 3 sowie 46 AVG zu ermitteln und festzustellen.

Die belangte Behörde hat versucht, ihren daraus folgenden Verpflichtungen dadurch zu entsprechen, daß sie im angefochtenen Bescheid ausführte, die Zahl der auf die Landeshöchstzahl von 17.000 anzurechnenden Ausländer habe zum maßgebenden Zeitpunkt 24.565 betragen, wofür als Beweismittel eine "amtliche Statistik" herangezogen worden ist. Sie hat jedoch nicht offengelegt, aus welchen Daten diese Statistik gespeist und auf welche Weise sie auf dem laufenden gehalten wird, sie hat vielmehr, ohne auf die Bestreitung durch die Beschwerdeführer einzugehen, die Zahl 24.565 dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, daß der in der Begründung des angefochtenen Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Er schließt keinesfalls eine derartige Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. dazu etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 327 f angeführte Judikatur, Pkt. 179b-184). Dieser Kontrolle unterliegt auch die im Beschwerdefall entscheidende Feststellung der belangten Behörde, die Landeshöchstzahl sei überschritten, infolgedessen sei der Antrag der Beschwerdeführer im gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erschwerten Verfahren zu prüfen.

Nun darf eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlußfolgerung liefern (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1978, Zlen. 1013,1015/76, und die bei Hauer-Leukauf aaO, S. 307 f angeführte Judikatur).

Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde erstmals im angefochtenen Bescheid zum Nachweis der Tatsache der Überschreitung der Landeshöchstzahl auf eine Urkunde, nämlich auf eine amtliche Statistik, berufen, sie hat aber dieses Beweismittel nicht offengelegt. Damit aber hat sie den Grundsatz verletzt, daß es in einem rechtsstaatlichen Verfahren keine geheimen Beweismittel geben darf, und daß auch in Urkunden Einsicht zu gewähren und der Partei Gelegenheit zur Stellungnahme dazu zu geben ist (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1966, Slg. 6990/A, und vom 16. Jänner 1984, Slg. 11285/A). Durch diese Vorgangsweise der belangten Behörde ist aber nicht nur den Beschwerdeführern die Möglichkeit verwehrt worden, konkret auf die von der belangten Behörde als Beweismittel verwertete Statistik einzugehen, sondern es ist dadurch auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz zu prüfen. Erst eine Offenlegung aller von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Beweismittel - insbesondere der amtlichen Statistik und des zu ihrer Erstellung angewandten Systems - wird eine Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes dahin ermöglichen, ob die von der belangten Behörde festgestellte Überschreitung der Landeshöchstzahl in den vorgenommenen Ermittlungen Deckung findet und - unter Berücksichtigung allfälliger von der antragstellenden Partei zu konkretisierender Einwendungen - das Ergebnis einer mängelfreien Beweiswürdigung darstellt (vgl. zu diesen Ausführungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, 93/09/0356, u.a.).

Die Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl ist daher im Beschwerdefall in einem iS der obigen Ausführungen mangelhaften Verfahren getroffen worden. Sollte die Feststellung der der Landeshöchstzahl gegenüberzustellenden Zahl beschäftigter und arbeitsloser Ausländer (§ 13a AuslBG) nicht auf ausreichend sicheren tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, dann stünde dies einer Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl und damit auch einer darauf gestützten Abweisung des Antrags auf Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG entgegen. Im übrigen ist auf das jeweils im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorhandene statistische Material zurückzugreifen.

Die Beschwerde zeigt daher relevante Verfahrensmängel auf, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993090484.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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