TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/25 92/09/0072

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Veröffentlicht am 25.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §13a Z3;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6;
AuslBG §4b idF 1990/450;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1992;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BAO §115 Abs2;
BAO §161;
BAO §183 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Cafe-R in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 29. Jänner 1992, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die beschwerdeführende Partei am 29. Oktober 1990 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe für die am 10. August 1970 geborene jugoslawische Staatsangehörige Kata I für die berufliche Tätigkeit als Köchin ohne spezielle Kenntnisse oder Ausbildung mit einer monatlichen Entlohnung in Höhe von S 7.000,-- netto die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 (AuslBG).

Dieser Antrag wurde vom genannten Arbeitsamt mit Bescheid vom 15. November 1990 unter Berufung auf § 4 Abs. 1 AuslBG wegen Nichtvorliegens eines unter Bedachtnahme auf die öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen bestehenden besonderen Bedürfnisses der inländischen Wirtschaft abgelehnt.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei vor, der krankheitsbedingte und - leider - endgültige Ausfall einer bewährten Küchenkraft zwinge sie dazu, eine neue Mitarbeiterin einzustellen. Trotz intensiver Bemühungen sei es ihr nicht gelungen, eine geeignete einheimische Küchenkraft zu finden. Die beschwerdeführende Partei könnte natürlich "die öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen ... der inländischen Wirtschaft" nicht beurteilen, sie wisse allerdings für ihren Betrieb und aus ihrer Erfahrung, daß der Arbeitsmarkt derzeit brauchbare einheimische Küchenkräfte kaum anzubieten vermöge. Sie ersuche daher nochmals um Erteilung der Arbeitsgenehmigung für die beantragte ausländische Arbeitskraft.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1990 teilte die Behörde erster Rechtsstufe der beschwerdeführenden Partei mit, sie könne ihr aus dem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die Tätigkeit, für die die beschwerdeführende Partei die Ausländerin beantragt habe, zur Verfügung stünden. Die beschwerdeführende Partei wurde eingeladen, einen Vermittlungsauftrag zu erteilen.

Auf dem angeschlossenen Formular kreuzte die beschwerdeführende Partei die Antwort "Ich wünsche keine anderen Kräfte anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin" an. Gleichzeitig mit diesem Formular sandte die beschwerdeführende Partei aber einen (dem obigen Schreiben beigelegten) "Vermittlungsauftrag" - lautend auf Koch/Köchin - an die Behörde erster Instanz zurück.

In ihrer (zum Schreiben der Behörde erster Instanz vom 21. Dezember 1990 abgegebenen) Stellungnahme vom 9. Jänner 1991 brachte die beschwerdeführende Partei vor, sie habe in der vergangenen Zeit immer wieder, sowohl telefonisch als auch durch persönliche Vorsprachen um Vermittlung einer Köchin oder eines Kochs ersucht. Die von der Behörde erster Instanz angekündigten Bewerber seien zum Teil zur Vorstellung gar nicht erschienen, andere hätten den Arbeitsplatz abgelehnt oder aus verschiedenen Gründen von der beschwerdeführenden Partei abgelehnt werden müssen. Es sei weiterhin das uneingeschränkte Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Besetzung des offenen Arbeitsplatzes durch einen fachlich und menschlich qualifizierten Bewerber vorhanden. Die beschwerdeführende Partei führe als Beispiel die Bewerbung des von der Behörde erster Instanz vermittelten Manfred F an; dieser sei von der beschwerdeführenden Partei am 1. November 1989 eingestellt worden und habe wegen mehrmaligen Nichterscheinens zur Arbeit bereits am 12. Februar 1990 entlassen werden müssen. Man könne sich leicht vorstellen, welche Belastung es für einen Familienbetrieb bedeute, wenn ein Arbeitsplatz durch längere Zeit überhaupt nicht oder nur kurzfristig besetzt werden könne. Die beschwerdeführende Partei bitte daher nochmals um Beschäftigungsbewilligung für die beantragte jugoslawische Staatsbürgerin. Sie entspreche fachlich und menschlich den Vorstellungen der beschwerdeführenden Partei und würde sehr gerne bei ihr arbeiten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1992 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 und in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage (§ 3 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1 und § 4b AuslBG) aus, im Falle der Beantragung eines Ausländers mit geringerem Integrationsgrad sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der im Gesetz genannten Reihenfolge für die Vermittlung auf den Arbeitsplatz zur Verfügung stünden, den der beantragte Ausländer einnehmen solle. An der Vermittlung dieser Personen bestehe - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse; diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen.

Es sei festgestellt worden, daß die beantragte Ausländerin nicht dem im § 4b AuslBG genannten Personenkreis angehöre. Derzeit sei jedoch eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte möglich, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden und somit nach den oben dargelegten Gründen der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Arbeitskraft im Rang vorgingen. Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.

Überdies sei für das Kalenderjahr 1992 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 13a Z. 3 AuslBG zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a AuslBG, nach dem der Anteil an unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländern 10 vH des österreichischen Arbeitskräftepotentials (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen dürfe, unter Bedachtnahme auf die örtliche Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien mit Verordnung vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991, das Höchstausmaß beschäftigter und arbeitsloser Ausländer zahlenmäßig mit 95.000 festgesetzt worden, wobei diese Zahl laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Jahresbeginn bei weitem überschritten sei. Dies impliziere, daß bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Fall die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 UND zusätzlich auch die des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen seien. Wie bereits zuvor dargelegt, seien die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei schon gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin zu begründen. Darüber hinaus seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung der beschwerdeführenden Partei vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde. Es sei daher wie im Spruche zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, unter Zugrundelegung der derzeit geltenden Richtlinien des AuslBG eine ausländische Arbeitskraft in ihrem Betrieb beschäftigen zu können (zu dürfen).

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde ihre ablehnende Entscheidung ausdrücklich nicht nur auf § 4 Abs. 1, sondern - insofern über die Behörde erster Instanz hinausgehend - auch auf § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 13a AuslBG "in der Fassung der Novelle vom 27.12.1991, BGBl. Nr. 684/1991".

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des genannten § 4 Abs. 1 AuslBG ist im § 4b AuslBG (in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 450/1990) festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Ausländer, bei denen berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen ...) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

Die belangte Behörde stützt ihre Ablehnung PRIMÄR darauf, daß die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Ausländerin nicht dem im Sinne des § 4b AuslBG begünstigt zu vermittelnden Personenkreis angehöre, derzeit eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte, die in Bezug von Arbeitslosengeld und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden, möglich sei und somit der beantragten Ausländerin im Rang vorgingen.

Daran ist im Sinne des § 4b AuslBG richtig, daß inländische und ausländische Arbeitssuchende, die Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben, soferne sie die objektiv berechtigten Anforderungen an den zu besetzenden Arbeitsplatz erfüllen, vorrangig zu vermitteln sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1991, Zl. 91/09/0036).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG, die im gegenständlichen Zusammenhang nur im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 erfolgte Einfügung des § 4b hinsichtlich der bevorzugt zu vermittelnden Personen zu modifizieren ist, muß auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt sein, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens eine der bevorzugt zu vermittelnden Personen entsprechend der im § 4b AuslBG enthaltenen Reihenfolge zur Verfügung steht, die bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0090).

Gemäß § 58 Abs. 2 des nach Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG anwendbaren AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Den dargelegten Anforderungen entspricht weder das von der belangten Behörde abgeführte Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides.

Nach der Aktenlage hat die beschwerdeführende Partei zwar ausdrücklich in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom 10. Jänner 1991 durch Ankreuzen auf einem Formular zu erkennen gegeben, keine anderen Kräfte anstelle der beantragten Ausländerin zu wünschen. Gleichzeitig mit diesem Formblatt erteilte die beschwerdeführende Partei aber einen Vermittlungsauftrag für eine(n) Koch/Köchin (den in Frage stehenden Arbeitsplatz). Bei dieser Sachlage wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, den eben aufgezeigten Widerspruch (EINERSEITS Beharren auf der Beschäftigungsbewilligung für die beantragte ausländische Arbeitskraft, verbunden mit Ablehnung einer Ersatzkraftstellung, ANDERERSEITS Erteilung eines Vermittlungsauftrages für Koch/Köchin) aufzuklären. Keinesfalls hätte sie dieses Verhalten ohne Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei als Ablehnung jeglicher Ersatzkraftstellung werten dürfen.

Im übrigen stützt die belangte Behörde ihre ablehnende Haltung nicht bloß auf die Ablehnung einer Ersatzkraftstellung durch die beschwerdeführende Partei, sondern auch darauf, daß die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales für Wien (durch Verordnung vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991) für das Jahr 1992 festgesetzte Landeshöchstzahl (von 95.000) laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Jahresbeginn bei weitem überschritten sei, bei Anträgen auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung daher in jedem Fall die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 und zusätzlich auch die des § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen seien und weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung der beschwerdeführenden Partei vorgebracht worden seien, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.

Die beschwerdeführende Partei bringt in diesem Zusammenhang vor, sie habe Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid bereits im Dezember 1990 ergriffen. Der angefochtene Bescheid sei erst im Jänner 1992 erlassen worden. Nach dem Rechtsempfinden der beschwerdeführenden Partei sei die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung maßgeblich, nicht aber eine in der Zwischenzeit geschaffene Rechtsnorm, die für Anträge zu gelten habe, die erst im Jahre 1992 gestellt würden. Es sei dem Beschwerdeführer nämlich ein Eingehen auf diese Gesetzesstelle zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung gar nicht möglich gewesen.

Im Beschwerdefall ist der angefochtene Bescheid tatsächlich erst nach mehr als einem Jahr nach Einbringung der Berufung erlassen worden (Berufung vom 18. Dezember 1990, Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 9. Jänner 1991, angefochtener Bescheid vom 29. Jänner 1992); daraus läßt sich jedoch entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei nicht ableiten, daß die "Rechtslage zur Einbringung der Berufung" maßgeblich ist. Der beschwerdeführenden Partei wäre bei einer Säumnis der Berufungsbehörde (der belangten Behörde) die Möglichkeit offengestanden, einen Devolutionsantrag bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde (hier: der Bundesminister für Arbeit und Soziales) einzubringen.

Die Behörden haben grundsätzlich das im Zeitpunkt ihrer Bescheiderlassung geltende Recht anzuwenden, soweit nicht besondere Bestimmungen anderes festlegen (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, vierte Auflage, Anm. 3 zu § 56 AVG, Seite 382, sowie die zu § 66 Abs. 4 AVG wiedergegebenen E. 158 ff, Seite 553 f), was aber hier nicht gegeben ist. Die belangte Bhörde ist daher als Berufungsbehörde - entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei - somit berechtigt gewesen, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die bereits genannte Verordnung, BGBl. Nr. 598/1991, mit der die Landeshöchstzahl für das Jahr 1992 für Wien mit 95.000 beschäftigten Ausländern festgesetzt worden ist, zu berücksichtigen. Es ist auch die Auffassung der beschwerdeführenden Partei unzutreffend, daß die erwähnte Verordnung, BGBl. Nr. 598/1991, nur für Anträge zu gelten habe, die erst im Jahre 1992 gestellt würden, findet sich doch weder im AuslBG selbst (§ 13a Z. 3 AuslBG) noch in der genannten Verordnung ein Hinweis für eine solche beschränkte Anwendbarkeit.

Es kann der belangten Behörde auch insoferne keine Verletzung des Parteiengehörs vorgeworfen werden, als sie der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht die Möglichkeit geboten hat, sich zu der nunmehr geänderten Gesetzeslage in irgendeiner Form zu äußern, weil das Parteiengehör nur zu Tatfragen (Sachverhaltsfragen) und nicht auch zu einer "geänderten Gesetzeslage" zu gewähren ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1989, Zl. 89/14/0117).

Allerdings hätte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides davon in Kenntnis setzen müssen, daß die Landeshöchstzahl für Wien für DAS JAHR 1992 überschritten sei, weil die beschwerdeführende Partei selbst nicht in der Lage ist, zu erkennen, ob die Landeshöchstzahl überschritten ist. Die Überschreitung der Landeshöchstzahl hat dann aber zur Folge, daß es zum (erschwerten) Überschreitungsverfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG kommt, d.h., daß in diesem Fall eine Beschäftigungsbewilligung nur noch erteilt werden darf, wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3, die jedenfalls gegeben sein müssen, und zusätzlich noch die Voraussetzungen nach Abs. 6 vorliegen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird hiezu lediglich ausgeführt, weder im Ermittlungsverfahren seien Gründe festgestellt noch in der Berufung der beschwerdeführenden Partei vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde. Die Behörde erster Instanz hat die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nur auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt und insoferne unrichtig begründet, als in diesem Zusammenhang nicht öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen für die Beschäftigungsbewilligung gegeben sein müssen, sondern solche Interessen nicht entgegenstehen dürfen. Die belangte Behörde hat - wie bereits erwähnt - die beschwerdeführende Partei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht von der Überschreitung der Landeshöchstzahl für Wien für das Jahr 1992 in Kenntnis gesetzt, sodaß diese auch nicht wissen konnte, daß im Beschwerdefall das (erschwerte Landeshöchstzahlüberschreitungs-)Verfahren gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG zur Anwendung kommt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Berufung u.a. vorgebracht, der krankheitsbedingte und - leider - endgültige Ausfall einer bewährten Küchenkraft zwinge sie dazu, eine neue Mitarbeiterin einzustellen. In der Beschwerde wird hiezu ergänzend vorgebracht, daß es sich bei dieser ausgeschiedenen Arbeitnehmerin um eine Ausländerin gehandelt habe, sodaß bei der gegebenen Sachlage das Vorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

Eine Verletzung des Rechtes auf Gewährung der Akteneinsicht hat im Beschwerdefall entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen schon deshalb nicht stattgefunden, weil die beschwerdeführende Partei nach der Aktenlage des Verwaltungsverfahrens dieses Recht im Zuge des Verfahrens gar nicht geltend gemacht hat.

Wie bereits vorher dargelegt, beruhen die zu den Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG getroffenen Aussagen nicht auf entsprechend konkreten Sachverhaltsfeststellungen und sind daher nicht nachprüfbar bzw. nicht in einem mängelfreien Verfahren im Sinne der §§ 58, 60 und 67 AVG erfolgt.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht geltend gemachte Stempelgebühren für den als Beilage vorgelegten angefochtenen Bescheid.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtliche Beurteilung Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Parteiengehör Rechtliche Würdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090072.X00

Im RIS seit

25.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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