TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/1 93/09/0096

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Veröffentlicht am 01.07.1993
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Firma B Gesellschaft m.b.H & Co. KG in X, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 2. März 1993, Zl. IIc/6702B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 22. Oktober 1992, eingelangt beim Arbeitsamt Angestellte am 2. November 1992, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die am 16. November 1967 geborene chinesische Staatsbürgerin Z. für die berufliche Tätigkeit als "kfm. Angestellte, Fremdsprachenkorresp. wie Standard-Chinesisch, Englisch".

In einem Schreiben vom 17. November 1992 an das Arbeitsamt Angestellte nannte der die beschwerdeführende Partei auch im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretende Rechtsanwalt - über schriftliche Aufforderung - mehrere Firmen in Hongkong, Singapur und Kuala Lumpur, mit denen die beschwerdeführende Partei in ständiger Geschäftsverbindung stehe (die beschwerdeführende Partei beziehe von diesen Firmen Stoffe für Damenoberbekleidung und für Sportbekleidung). Diese Firmen stünden im Eigentum von Chinesen, sodaß der geschäftliche Briefverkehr nur in Chinesisch durchführbar sei. Die beschwerdeführende Partei werde nunmehr auch Geschäftsbeziehungen zu Firmen aufnehmen, die ihren Geschäftssitz in den Sonderwirtschaftszonen der Volksrepublik China haben. Die Arbeitszeit der beantragten Ausländerin würde 40 Stunden pro Woche betragen.

Mit Bescheid vom 23. November 1992 lehnte das Arbeitsamt Angestellte den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Z. für die berufliche Tätigkeit als "Fremdsprachenkorrespondentin" gemäß § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe der beiden genannten Gesetzesstellen aus, auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der "Fremdsprachenkorrespondentinnen" Arbeitsuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im gegenständlichen Verfahren nicht befürwortet; das Ermittlungsverfahren habe darüber hinaus ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Bescheid trägt die Fertigungsklausel "Ihr Arbeitsamt T".

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, die Behörde erster Rechtsstufe sei bisher nicht in der Lage gewesen, befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte zu vermitteln; die freie Arbeitsstelle stehe weiterhin zur Verfügung. Die Behörde erster Rechtsstufe habe einen hektographierten Vordruck als "Bescheid" erlassen, und zwar mit einer vorgedruckten Begründung, die mit dem bisherigen Akteninhalt nicht in Einklang gebracht werden könne; die bloße Zitierung des Gesetzestextes sei keine Begründung. Die Behörde erster Rechtsstufe habe keine Behauptung aufgestellt und auch nicht "unter Beweis gestellt", daß für die weiterhin freie Arbeitsstelle auch nur eine Ersatzkraft zur Verfügung stehe, welche die Anstellungserfordernisse erfülle. Der Hinweis auf das Vorliegen von genügend Arbeitskräften sei kein Hinweis, daß diese Ersatzkräfte für die freie Dienststelle befähigt, geeignet und gewillt seien. Für die Durchführung von Arbeitsaufträgen sei die Beschäftigung der beantragten Ausländerin notwendig; es liege im öffentlichen Interesse, daß eine Arbeitskraft für die freie Dienststelle aufgenommen werde. Die Willenserklärung der Behörde erster Rechtsstufe erfülle nicht die Mindestvoraussetzungen eines Bescheides gemäß § 18 AVG. Die Behörde erster Rechtsstufe habe die besondere Qualifikation der beantragten Ausländerin vollkommen unberücksichtigt gelassen. Auf Grund ihrer bisherigen schulischen Ausbildung und praktischen Erfahrung sei die beantragte Ausländerin für die weiterhin freie Arbeitsstelle besonders qualifiziert. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides werde auf das Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 17. November 1992 überhaupt nicht eingegangen.

Daraufhin brachte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei mit schriftlichem Vorhalt vom 21. Jänner 1993 folgendes zur Kenntnis:

"Sie beantragten Frau Z als kaufmännische Angestellte mit englischen und chinesischen Sprachkenntnissen. Wir ersuchen um Übersendung eines Lehrzeugnisses und/oder entsprechender Dienstzeugnisse der beantragten Ausländerin zum Nachweis Ihrer Qualifikation als kaufmännische Angestellte.

Die in Ihrer Stellungnahme vom 17.11.1992 bezeichneten Kontrahenten Ihres Unternehmens führen durchwegs englische Firmen- bzw. Firmenzusatzbezeichnungen, weshalb angenommen werden darf, daß Geschäftskorrespondenzen mit den genannten Firmen auch in englischer Sprache abgewickelt werden könnten. In Kuala Lumpur ist nach Auskunft der malaysischen Botschaft Englisch die Geschäftssprache; dasselbe gilt für Singapur nach Auskunft des Konsulats der Republik Singapur.

Am zuständigen Arbeitsamt sind zur Zeit 2.608 kaufmännische Angestellte registriert. Unter diesen verfügen 912 Personen über englische Sprachkenntnisse. Wir ersuchen um Mitteilung, ob Sie an einer Zuweisung von Personen aus dem Vorgemerktenstand des Arbeitsamtes interessiert sind.

Sie haben Gelegenheit, zu den oben getroffenen Feststellungen innerhalb von vierzehn Tagen nach Erhalt dieses Schreibens schriftliche Einwendungen zu erheben, andernfalls die Entscheidung aufgrund der gegenwärtigen Aktenlage erfolgen müßte."

Zu diesem Vorhalt führte die beschwerdeführende Partei (durch ihren Vertreter) mit Schreiben vom 27. Jänner 1993 aus, aus den - diesem Schreiben beigelegten - Zeugnissen über das Studium der Rechtswissenschaft an der Anhui-Universität/VR China, der Sommerhochschule der Universität Wien und der International Christian University sei zu entnehmen, daß Z. in China Rechtswissenschaft studiert und dieses Studium an der Universität Wien fortgesetzt habe. Die beantragte Ausländerin spreche perfekt Chinesisch, sie beherrsche auch die englische und insbesondere nunmehr die deutsche Sprache. Die weiteren Ausführungen im Schreiben der belangten Behörde vom 21. Jänner 1993 müsse die beschwerdeführende Partei rundweg als Scherzbemerkung abtun. Auf demselben Bildungsniveau stünde die Ansicht, daß Austrian Airlines ein englisches oder amerikanisches Unternehmen wäre, mit welchem sohin nur auf englisch korrespondiert werde. Die weitere Ausführung im genannten Schreiben, daß die beantragte Ausländerin mit Chinesen auf Nichtchinesisch korrespondieren solle, sei eine Bemerkung und Unterstellung, die es nicht verdiene, beantwortet zu werden. Personen mit englischen Sprachkenntnissen alleine seien für die beschwerdeführende Partei unbeachtlich; derartige Personen seien auch niemals gewünscht worden. Nur solche Personen, die dieselben Anstellungserfordernisse wie die beantragte Ausländerin erfüllten, seien der beschwerdeführenden Partei als Ersatzkräfte zuzuweisen; Personen, die diese Anstellungserfordernisse nicht erfüllten, würden den Geschäftsbetrieb der beschwerdeführenden Partei bloß stören.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. März 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen stellte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides fest, daß die mit Verordnung für das Kalenderjahr 1992 (BGBl. Nr. 598/1991) bzw. 1993 (BGBl. Nr. 254/1992) festgesetzten Landeshöchstzahlen (§ 13a Z. 3 AuslBG) für das Bundesland Wien laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1992 weit überschritten seien, weshalb sowohl die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 als auch jene nach § 4 Abs. 6 AuslBG für eine allfällige Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung zu prüfen seien. Die beschwerdeführende Partei habe eine Beschäftigungsbewilligung für Z. als kaufmännische Angestellte mit englischen und chinesischen Sprachkenntnissen beantragt. Mit Schreiben vom 21. Jänner 1993 seien der beschwerdeführenden Partei kaufmännische Angestellte mit englischen Sprachkenntnissen aus dem Bestand an Vorgemerkten des Arbeitsamtes als Ersatzkräfte angeboten worden, weil vermutet worden sei, daß die Korrespondenz mit den (im Schreiben vom 17. November 1992 genannten) ausländischen Handelspartnern der beschwerdeführenden Partei auch in englischer Sprache abgewickelt hätte werden können. Das Wort "auch", das sich im Schreiben der belangten Behörde in der 5. Zeile von unten finde, dürfte im Zuge der Stellungnahme vom 27. Jänner 1993 überlesen worden sein, weil andernfalls der Vergleich mit den Austrian Airlines als Beispiel ins Leere gehen würde. Es dürfe angenommen werden, daß mit den Austrian Airlines AUCH in englischer Sprache korrespondiert werden könne. Mit keiner Zeile des Schreibens vom 21. Jänner 1993 sei "unterstellt" worden, daß die beantragte Ausländerin und ein in Hongkong lebender Chinese nicht in chinesischer Sprache korrespondieren sollten; eine Stellungnahme zu dieser Unterstellung erübrige sich. Mit keiner Zeile des Schreibens vom 21. Jänner 1993 sei in Abrede gestellt worden, daß es in Singapur und Malaysia (auch) eine chinesischsprachige Population gebe.

Sicherheitshalber sei ausdrücklich festgestellt, daß es der beantragten Ausländerin selbstverständlich frei stehe, auch mit Personen aus diesen Gebieten in chinesischer Sprache zu korrespondieren. Im Fischer Welt Almanach (Zahlen, Daten, Fakten "93; Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuchverlag 1992) heiße es in Spalte 377 unter dem Stichwort Hongkong: "Sprachen:

Englisch, Chinesisch", in den Spalten 452/453 unter dem Stichwort Malaysia: "Sprachen: 58 % Malaiisch (Bahasa Malaysia) als Amtssprache; Landessprachen: 9 % Chinesisch, 4 % Tamil, 3 % Iban; Englisch wichtige Verkehrs- und Bildungsspr.(ache)" sowie in Spalte 554 unter dem Stichwort Singapur: "Sprachen:

Englisch als Amts-, Verwaltungs- und Bildungsspr.(ache); Nationalsprache: Malaiisch; außerdem Chinesisch und Tamil."

Dieses Nachschlagewerk belege damit die mit Schreiben vom 21. Jänner 1993 geäußerte und von den nationalen Vertretungen der genannten Länder bestätigte Vermutung der belangten Behörde, daß Geschäftskorrespondenzen mit Handelspartnern aus den angeführten Gebieten AUCH in englischer Sprache abgefaßt und von den Adressaten verstanden werden könnten. Ersatzkräfte mit englischen Sprachkenntnissen aber, die seitens des Arbeitsamtes zur Verfügung gestellt hätten werden können, seien von der beschwerdeführenden Partei in ihrer Stellungnahme vom 27. Jänner 1993 kategorisch abgelehnt worden. Der für Z. vorgelegte Studiennachweis sei nicht geeignet, deren Befähigung als kaufmännische Angestellte zu belegen. Da die beschwerdeführende Partei in ihrem Schreiben vom 17. November 1992 auf eine mögliche Ausdehnung ihrer Handelsbeziehungen auf die Volksrepublik China hingewiesen habe, dürfe noch einmal die vom Vertreter der beschwerdeführenden Partei empfohlene Literatur (Fischer Welt Almanach) zitiert werden, wo in Spalte 233 Englisch als wichtige "internat.(ionale) Handelsspr.(ache)" angeführt werde. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin zu begründen. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch von der beschwerdeführenden Partei in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf Erteilung einer BB nach den Bestimmungen des AuslBG verletzt, wenn die positiven Voraussetzungen für die Stattgebung des Antrag auf Erteilung einer BB vorliegen."

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorab wird zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, der Erledigung der Behörde erster Instanz mangle der Bescheidcharakter (Fehlen der Unterschrift nach § 18 Abs. 4 AVG) und es sei auch nicht erkennbar, welches Arbeitsamt tätig geworden sei, zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0372, hingewiesen, in dem sachgleiche Einwendungen des Beschwerdevertreters in einem anderen Beschwerdefall mit ausführlicher Begründung als unzutreffend erkannt wurden. Dies gilt auch für die Behauptung, es liege ein Anwendungsfall des § 4 Abs. 8 AuslBG (Zuständigkeit des Bundesministers für Arbeit und Soziales) vor.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179, u.v.a.).

§ 4 Abs. 6 AuslBG in der hier anzuwendenden Fassung lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Zu § 4 Abs. 1 AuslBG

Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, es stehe der beschwerdeführenden Partei frei, mit Personen aus den von ihr angegebenen "Gebieten" (Singapur, Malaysia, Hongkong) in chinesischer Sprache zu verkehren. Die Geschäftskorrespondenz mit Handelspartnern aus diesen Gebieten könne aber (nicht nur in chinesischer, sondern) auch in englischer Sprache geführt werden. Sie hat sich dabei auf Äußerungen der Vertretungen dieser "Gebiete" sowie auf ein Lexikon berufen. Zur Verfügung stehende Ersatzkräfte mit englischen Sprachkenntnissen seien jedoch von der beschwerdeführenden Partei kategorisch abgelehnt worden.

Zu dem auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützten Versagungsgrund ist folgendes zu bemerken:

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist vorrangig (das heißt vor der zweiten - negativen - Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG) zu prüfen, ob die "Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes" (erste Tatbestandsvoraussetzung nach der zitierten Bestimmung) die konkrete Beschäftigung des beantragten Ausländers zuläßt. Diese wird immer dann zu bejahen sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder ein im gegebenen Zusammenhang einem Inländer gleichzustellender oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die Beschäftigung zu den vom antragstellenden Arbeitgeber gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich nur dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 87/09/0279, sowie das Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0030 und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat damit zum Ausdruck gebracht, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigung dann zuläßt, wenn der Arbeitgeber seine Nachfrage nach einer Arbeitskraft für eine bestimmte Beschäftigung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht aus dem Arbeitskräfteangebot bestimmter Personen (Inländer, gleichgestellte oder begünstigte Ausländer) decken kann. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof immer auf die Bedeutung der Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere des Arbeitsrechtes, hingewiesen. Auch für das Arbeitsrecht gilt die Vertragsfreiheit, die neben der Abschluß- und Beendigungsfreiheit vor allem die auf die inhaltliche Ausgestaltung abzielende Gestaltungsfreiheit umfaßt (vgl. dazu z. B. Spielbüchler in Spielbüchler/Floretta (Herausgeber), Arbeitsrecht Band I3, Seite 75), soweit sie nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften eingeschränkt ist. Unbeschadet des durch das AuslBG bewirkten Eingriffes in die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0057, vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0085, und vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0148), die sich primär auf die Abschlußfreiheit auswirkt, hat es der Verwaltungsgerichtshof (vor dem Hintergrund der obigen Überlegungen) als Recht jedes Arbeitgebers bezeichnet, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten des Betriebes des Arbeitgebers ihre Grundlage, gehören sie zu den (gesetzlich) zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die von der Behörde bei der Prüfung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 leg. cit. zugrunde zu legen sind (vgl. in diesem Sinne z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/09/0177, sowie vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0161). Das Erfordernis der sachlichen Begründetheit des Anforderungsprofiles beugt der Möglichkeit vor, durch beliebig aufgestellte Behauptungen eine scheinbar begründete Ablehnung von Ersatzkräften wegen deren Nichteignung hintanzuhalten, während in Wahrheit ausschließlich ein Interesse an dem in Aussicht genommenen Ausländer besteht, das eine ernsthafte Prüfung der Beschäftigung vorhandener Ersatzkräfte von vornherein ausschließt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 88/09/0142).

Im Beschwerdefall hat die beschwerdeführende Partei über behördliche Aufforderung das von ihr aufgestellte Anforderungsprofil (Kenntnis von Standard-Chinesisch und Englisch) für die beantragte Ausländerin damit begründet, sie stehe mit bestimmten Firmen mit dem Sitz in den oben genannten "Gebieten" (in denen jedenfalls auch Chinesisch gesprochen wird), deren Eigentümer Chinesen seien, in Geschäftsbeziehungen bzw. wolle solche aufnehmen. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid weder davon ausgegangen, diese Geschäftsbeziehungen würden in Wahrheit nicht bestehen, noch konnte sie die Feststellung treffen, die Abwicklung der Geschäftskorrespondenz in chinesischer Sprache sei mit den genannten Firmen ausgeschlossen oder müsse zumindest als völlig außerhalb des üblichen liegende Randerscheinung eingestuft werden, die nur aus einer (subjektiven) Vorliebe der beschwerdeführenden Partei heraus erklärt werden könne. Auf dem Boden dieser Sach- und Rechtslage kann aber dem von der beschwerdeführenden Partei aufgestellten Anforderungsprofil, das auch auf die Kenntnis von Standard-Chinesisch abstellte, in diesem Punkt nicht schon deshalb die sachliche Berechtigung abgesprochen werden, weil in den genannten Gebieten die Geschäftskorrespondenz jedenfalls auch in englischer Sprache abgewickelt werden könnte. Die belangte Behörde hat daher durch ihre Vorgangsweise das von der beschwerdeführenden Partei als erforderlich bezeichnete Anforderungsprofil, dem nach der Lage des Falles nicht von vornherein die sachliche Berechtigung abgesprochen werden kann, zu Unrecht nur zum Teil anerkannt und ist davon ausgehend zur irrigen Ansicht gelangt, die beschwerdeführende Partei habe die Stellung geeigneter Ersatzkräfte (die nur über englische Sprachkenntnisse verfügten) von vornherein und unbegründet abgelehnt.

Zur Auffassung der belangten Behörde, der vorgelegte Studiennachweis der beantragten Ausländerin sei nicht geeignet, ihre Befähigung für die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte zu belegen, ist darauf hinzuweisen, daß der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 22. Oktober zwar auf "kfm. Angestellte, Fremdsprachenkorresp." lautete, die Behörde erster Instanz von der beruflichen Tätigkeit als Fremdsprachenkorrespondentin ausgegangen ist und die beschwerdeführende Partei dieser Auslegung ihres mehrdeutigen Antrages weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde entgegengetreten ist. Ausgehend von der Tätigkeit einer Fremdsprachenkorrespondentin geht jedoch der auf die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte abgestellte Einwand der belangten Behörde ins Leere.

Sie hat damit ihren Bescheid, bezogen auf § 4 Abs. 1 AuslBG, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, die deshalb von Bedeutung ist, weil die belangte Behörde ihre Entscheidung auch nicht auf den zweiten von ihr herangezogenen Versagungstatbestand (hier: nach § 4 Abs. 6 AuslBG) stützen konnte.

Zu § 4 Abs. 6 AuslBG

Die Anwendung des nach dieser Gesetzesstelle erschwerten Verfahrens für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung setzt voraus, daß entweder eine Kontingentüberschreitung oder eine Überschreitung der Landeshöchstzahl vorliegt und daß es an einer einhelligen Befürwortung durch den Vermittlungsausschuß fehlt.

Zu der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der Landeshöchstzahl - infolge der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1993 ist die für dieses Kalenderjahr geltende Verordnung maßgebend - hat der (noch 1992 erlassene) erstinstanzliche Bescheid eine einschlägige Feststellung naturgemäß nicht enthalten. Die belangte Behörde wäre nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei vom Ergebnis ihrer diesbezüglichen Beweisaufnahme (insbesondere der Ermittlung der Zahl der vergebenen und auf die Höchstzahl anrechenbaren Beschäftigungsbewilligungen) in Kenntnis zu setzen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Ausgehend von diesen Erwägungen stellen die Ausführungen in der Beschwerde zur Tatsachenfrage der Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht etwa unzulässige Neuerungen, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Hinweise auf der belangten Behörde im Rahmen der Tatsachenfeststellung unterlaufene relevante Verfahrensmängel dar, weil im Beschwerdefall die Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht unbestritten geblieben ist und das hier gegebene Unterbleiben der Gewährung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid somit auch insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es erübrigen sich weitere Erwägungen zur Frage, ob und unter Bezugnahme auf welche Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG die beschwerdeführende Partei allenfalls für ihren Antrag auch wichtige Gründe im Sinne dieser Gesetzesstelle in Anspruch nehmen kann.

Der angefochtene Bescheid kann daher auch nicht auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt werden.

Eine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt nicht in Betracht, wenn der angefochtene Bescheid an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes leidet. Dies gilt auch für die vorliegende Fallkonstellation, bei der die inhaltliche Rechtswidrigkeit eines herangezogenen Versagungstatbestandes nur dann für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von Bedeutung ist, weil ein anderer von der Behörde herangezogener Versagungstatbestand mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist. Der angefochtene Bescheid war daher aus den oben genannten Gründen - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993090096.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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