TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/31 90/09/0030

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Veröffentlicht am 31.05.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §4 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

AC-GmbH gegen Landesarbeitsamt Wien vom 8. Jänner 1990, Zl. IIc/6702 b, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die nach ihren eigenen Angaben in ihrem Antrag in Wien am B-Markt (Stand 70) einen Obst- und Gemüsehandel betreibt, stellte am 8. März 1989 beim Arbeitsamt Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 128/1975 (AuslBG), für den türkischen Staatsangehörigen H für die Tätigkeit als "Hilfsarbeiter-Verkaufshelfer" mit einer Entlohnung von brutto S 1.800,-- pro Woche.

Den Akten über das erstinstanzliche Verfahren ist zu entnehmen, daß das Arbeitsamt in der Folge mehrere (vergebliche) Versuche unternahm, Ersatzkräfte bei einer "C-GmbH" (B-Markt Stand 56) zu vermitteln.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1989 wies das Arbeitsamt den von der Beschwerdeführerin eingebrachten Antrag "vom 26.5.1989" gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ab, und zwar mit der Begründung, daß H nicht dem Personenkreis der Leistungsbezieher bzw. Anspruchsberechtigten nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz angehöre, und in erster Linie diesen Personen die Möglichkeit einer Eingliederung in den Arbeitsprozeß angeboten werden solle.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen und machte geltend, daß es dem Arbeitsamt bisher nicht gelungen sei, befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte zu vermitteln. Die freie Arbeitsstelle stehe weiterhin zur Verfügung. Auch sei das Parteiengehör nicht gewährt worden.

Die Akten des Berufungsverfahrens enthalten wiederum Unterlagen über zwei Versuche, der "C-GmbH" Ersatzkräfte anzubieten; diese Personen seien aber von der "C-GmbH" wegen mangelnder Qualifikation abgewiesen worden. In einem Aktenvermerk vom 26. September 1989 hielt die belangte Behörde überdies folgendes fest:

"Um ca. 15 h wurde am B-Markt beim antragstellenden Marktstand ein Ortsaugenschein durchgeführt.

Im Marktstand Nr. 70 ist unter der Firmenbezeichnung KF die AC-GmbH etabliert und betreibt das Fleischhauergewerbe nebst Imbiß. Das Unternehmen ist lt. vorgelegtem Handelsregisterauszug unter HRB nnnn1 registriert.

Schräg vis-a-vis befindet sich auf Marktstand Nr. 56 die C-GmbH, ein Obst- und Gemüsestand. Dieses Unternehmen ist unter HRB nnnn2 registriert.

Als Auskunftsperson gab M , geb. 1.3.60, wh. Wien, X-Gasse 6/17, an, daß in der Fleischhauerei kein Personalbedarf bestehe, wohl jedoch im Obst- und Gemüsegeschäft."

Hierauf erließ die belangte Behörde am 10. Oktober 1989 einen Vorhalt unter Bezugnahme auf die für H beantragte Beschäftigungsbewilligung, in welchem sie der "C-GmbH vertreten durch RA Dr. W" folgendes zur Kenntnis brachte:

"...

Am 26.9.1989 wurde bei einer Amtserhebung am B-Markt, Wien, bei dem von Ihnen vertretenen Marktstand Nr. 70 festgestellt, daß an dem genannten Ort die AC-GmbH zur Zeit ein Fleischhauereigeschäft, welches unter der HRB Nr. n8.895 registriert ist, etabliert ist.

Ein Arbeitskräftebedarf an Verkäufern besteht bei diesem Unternehmen nicht. Als diesbezügliche Auskunftsperson trat Herr M , geb. 1.3.1960, StA: Türkei, wohnhaft Wien, X-Gasse 6/17, auf.

Sie haben Gelegenheit, zu obigen Feststellungen binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens ha. schriftlich Einwendungen anzubringen, ansonsten die Entscheidung aufgrund der derzeitigen Aktenlage erfolgt."

Darauf erwiderte Dr. W unter dem Betreff "Fa. C-GmbH, DN:

G, geb. 1.3.1970" wie folgt:

"Nach Rücksprache mit meiner Mandantin gebe ich Ihnen bekannt, daß diese einen Bedarf an Arbeitskräften wie bisher besitzt. Eine Erklärung dazu geben ausnahmslos der Geschäftsführer meiner Mandantin sowie ich als bevollmächtigter Rechtsvertreter ab."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 1990 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge und bestätigte den Bescheid des Arbeitsamtes. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen allgemein jene Grundsätze aus, die ihrer Meinung nach bei der Beurteilung der Bewilligungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG zu beachten seien. Laut Antrag suche die Beschwerdeführerin einen Verkaufshelfer für ihren Marktstand Nr. 70. Am Antragsformular habe die Beschwerdeführerin als Art des Betriebes einen Obst- und Gemüsestand angegeben. Wunschgemäß seien der Beschwerdeführerin beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehende Verkaufshelfer zugewiesen worden. An der Vermittlung dieser Personen bestehe - im Hinblick auf die für einen Großteil dieser Personen aus öffentlichen Mitteln zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - ein dringendes öffentliches Interesse; diesem Personenkreis sei primär die Eingliederung in den Arbeitsprozeß zu ermöglichen. Zu einer Einstellung sei es jedoch mangels Qualifikation nicht gekommen. Am 26. September 1989 sei ein Ortsaugenschein durchgeführt und feststellt worden, daß die Beschwerdeführerin im Marktstand Nr. 70 etabliert sei und zur Zeit ein Fleischhauereigeschäft betreibe. Das Unternehmen (AC-GmbH) sei laut vorgelegtem Handelsregisterauszug unter HRB n8.895 registriert. Ein Arbeitskräftebedarf an Verkäufern bestehe bei diesem Unternehmen nicht. Als diesbezügliche Auskunftsperson sei Herr M, geb. 1. März 1960, aufgetreten. Diese Feststellungen seien der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden. In ihrer Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin bekanntgegeben, daß ein Bedarf an Arbeitskräften wie bisher bestehe. Dem werde entgegengehalten, daß die Beschwerdeführerin bisher einen Verkaufshelfer für den Obst- und Gemüsehandel und nicht für eine Fleischhauerei gesucht habe. Es habe sich somit der Unternehmensgegenstand gegenüber dem Antrag geändert und werde von diesem nicht mehr erfaßt. Im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände werde daher die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung unter Bedachtnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG für H verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen. Bei Fehlen auch nur einer der beiden in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Voraussetzungen ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/09/0120, und die dort angeführte Vorjudikatur) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung mindestens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Diese Beweisführung erübrigt sich jedoch dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft ohne zwingenden Grund von vornherein abgelehnt wird (vgl. auch dazu die oben angführte Vorjudikatur).

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG 1950 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Die belangte Behörde geht einerseits davon aus, daß der Beschwerdeführerin beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehende Verkaufshelfer zugewiesen worden seien, zu einer Einstellung sei es jedoch "mangels Qualifikation" nicht gekommen. Nähere Ausführungen darüber, um welche Ersatzkräfte es sich dabei gehandelt haben sollte, enthält die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht. Den vorgelegten Akten ist dazu zu entnehmen, daß es offenbar mehrfach zu Versuchen gekommen ist, einer "C-GmbH" am Marktstand Nr. 56 Ersatzkräfte zuzuweisen, doch handelt es sich dabei offenbar - gemäß dem Inhalt des Aktenvermerkes der belangten Behörde vom 26. September 1989 - um eine von der Beschwerdeführerin verschiedene juristische Person. Anderseits stellt die belangte Behörde fest, in dem Unternehmen der Beschwerdeführerin am Marktstand Nr. 70, bei dem es sich um ein Fleischhauereigeschäft handle, bestehe gar kein Arbeitskräftebedarf. Diese von der belangten Behörde als entscheidungswesentlich behandelten Feststellungen hat sie auf Angaben eines Herrn M gestützt, den sie offenbar als den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin angesehen hat. Weder den vorgelegten Akten noch dem angefochtenen Bescheid ist jedoch ein Hinweis darauf zu entnehmen, wonach diese Annahme zutreffend wäre. Es kann daher die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, daß M "zur Beschwerdeführerin tatsächlich und rechtlich fremd" und seine "Privatansichten ... rechtlich unbeachtlich" seien, weder als unrichtig noch als unzulässige Neuerung erkannt werden.

Der Vorwurf der Beschwerde, daß der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, und zwar sowohl hinsichtlich des Angebotes von Ersatzkräften an die Beschwerdeführerin als auch hinsichtlich des bei der Beschwerdeführerin angeblich nicht vorhandenen Arbeitskräftemangels, ist daher begründet.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen und festzustellen haben, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin tatsächlich die Einstellung ihr angebotener tauglicher Ersatzkräfte abgelehnt hat. Zur Aufklärung dieses entscheidunsgwesentlichen Sachverhaltes wird es darüber hinaus notwendig sein, auf Grund einwandfreier, zur Gänze dem Parteiengehör unterzogener Beweismittel klarzustellen, ob tatsächlich am B-Markt zwei Handelsgesellschaften mit ähnlichem Firmenwortlaut tätig sind, wer für die beschwerdeführende Gesellschaft nach außen vertretungsberechtigt ist und für welche der beiden Gesellschaften nun tatsächlich ein Bedarf dafür besteht, die Arbeitskraft des H in Anspruch zu nehmen. Sollte dies im Ergebnis - wie dies im angefochtenen Bescheid angenommen wurde - nicht die Beschwerdeführerin, sondern eine von ihr rechtlich verschiedene "C-GmbH" sein, dann wäre der hier gestellte Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung allerdings schon aus diesem Grunde abzuweisen.

Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Dabei konnte mit Rücksicht auf dieses Verfahrensergebnis von der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990090030.X00

Im RIS seit

31.05.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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