TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/26 89/16/0186

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Veröffentlicht am 26.01.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21 Abs2;
BAO §21;
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §20;
GrEStG 1955;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der R GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 3. August 1989, 227/11-9/Wb-1989, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exkekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 21. April 1987 (in der Folge stets: erster Kaufvertrag) erwarb die Beschwerdeführerin von der EV AG 123/29870 Anteile an einer inländischen Liegenschaft (in der Folge stets: Liegenschaftsanteil), mit denen das Wohnungseigentum an einem Bürolokal untrennbar verbunden ist, um den Gesamtkaufpreis von 1,225.000 S. Im Punkt III. des ersten Kaufvertrages wurde vereinbart, mit dem Gesamtkaufpreis seien auch Einrichtungsgegenstände im Wert von 10.000 S abgegolten. Nach Punkt VII. des ersten Kaufvertrages sollte Stichtag für den Übergang von Nutzungen und Lasten der 1. Mai 1987 sein.

Mit Bescheid vom 19. Juni 1987 setzte das Finanzamt im Sinn des Punktes IX. des ersten Kaufvertrages gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer gemäß § 14 Abs 1 Z 2 lit b GrEStG 1955 fest.

Mit Stornovereinbarung vom 5. Mai 1988 (in der Folge stets: Stornovereinbarung) wurde der erste Kaufvertrag vollständig zur Auflösung gebracht. Im § 1 der Stornovereinbarung wurde festgehalten, die Beschwerdeführerin habe den im ersten Kaufvertrag genannten Gesamtkaufpreis von 1.225.000 S bereits an die EV AG bezahlt. Nach § 2 der Stornovereinbarung erfolge die Aufhebung des ersten Kaufvertrages rückwirkend. Über die Rückabwicklung sei eine gesonderte Vereinbarung getroffen worden (vgl Punkt IV. des zweiten Kaufvertrages).

Mit Kaufvertrag vom 5. Mai 1988 (in der Folge stets: zweiter Kaufvertrag) erwarb eine mit der Beschwerdeführerin wirtschaftlich verbundene GmbH (in der Folge stets: GmbH) von der EV AG den Liegenschaftsanteil. Der zweite Kaufvertrag ist mit Ausnahme der Punkte IV., VII. und X. (Aufsandungserklärung) wortgleich mit dem ersten Kaufvertrag. Im Punkt IV. des zweiten Kaufvertrages wurde festgehalten, der erste Kaufvertrag sei durch Vereinbarung storniert bzw rückwirkend aufgehoben worden. Die Verrechnung des Kaufpreises habe daher zwischen der GmbH und der Beschwerdeführerin im kurzen Weg zu erfolgen. Die seinerzeitige Kaufpreiszahlung der Beschwerdeführerin gelte sohin als für Rechnung der GmbH vorgenommen. Nach Punkt VII. des zweiten Kaufvertrages sollte Stichtag für den Übergang von Nutzungen und Lasten (ebenfalls) der 1. Mai 1987 sein, wobei festgehalten wurde, die Schlüsselübernahme bzw Übernahme des Bürolokals durch die GmbH sei bereits erfolgt.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1988 setzte das Finanzamt im Sinn des Punktes IX. des zweiten Kaufvertrages gegenüber der GmbH Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Z 3 GrEStG 1987 fest.

Unter Hinweis auf die Stornovereinbarung und den zweiten Kaufvertrag beantragte die Beschwerdeführerin am 17. Juni 1988, die mit Bescheid vom 19. Juni 1987 ihr gegenüber festgesetzte Grunderwerbsteuer nach § 11 GrEStG 1987 abzuändern. Auf Vorhalt des Finanzamtes führte sie zur Begründung aus, die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag seien aus wirtschaftlichen Gründen abgeschlossen worden. Nach Erwerb des Liegenschaftsanteiles durch sie habe sich nämlich herausgestellt, daß dieser nicht für ihre betrieblichen Zwecke sondern für solche der GmbH verwendet werde. Um eine saubere Trennung zwischen ihren Agenden und den der GmbH herbeizuführen, seien die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag abgeschlossen worden.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Abänderung der Grunderwerbsteuer mit der Begründung ab, bei der Stornovereinbarung handle es sich um ein offenkundiges Scheingeschäft im Sinn des § 23 BAO.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, die Stornovereinbarung stelle keineswegs ein Scheingeschäft dar, weil diese von den Vertragspartnern gewollt gewesen und daher rechtsverbindlich sei. Wie bereits auf Vorhalt des Finanzamtes ausgeführt, seien die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag aus wirtschaftlichen Gründen abgeschlossen worden. Diese wirtschaftlichen Gründe hätten sich erst nach Abschluß des ersten Kaufvertrages ergeben, weswegen die EV AG ersucht worden sei, unter Stornierung des ersten Kaufvertrages einen zweiten mit der GmbH abzuschließen. Es wäre der EV AG freigestanden, dieses Ersuchen abzulehnen.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Punkt IV. des zweiten Kaufvertrages vor, in der Vereinbarung über die Verrechnung des Kaufpreises zwischen der GmbH und ihr sei im Abschluß der Stornovereinbarung ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes zu erblicken; durch die Stornovereinbarung werde nämlich bloß die Grunderwerbsteuer für den Weiterverkauf des Liegenschaftsanteiles durch sie an die GmbH umgangen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte die Beschwerdeführerin zunächst ihre bisherigen Ausführungen. Weiters wies sie darauf hin, im Abschluß der Stornovereinbarung könne nicht sowohl ein Scheingeschäft als auch ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes erblickt werden. Es liege aber ohnedies weder ein Scheingeschäft noch ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes vor. Vielmehr hätten massive wirtschaftliche Gründe zur Stornovereinbarung und zum Abschluß des zweiten Kaufvertrages geführt. Denn es sei vor allem aus handels- und einkommensteuerrechtlicher Sicht nicht gleichgültig, ob sich der Liegenschaftsanteil und damit das Bürolokal in ihrem oder im Betriebsvermögen der GmbH befände. Die Vereinbarung über die Verrechnung des Kaufpreises zwischen ihr und der GmbH sei schon wegen des bestehenden Naheverhältnisses einfacher und somit zweckmäßiger gewesen, als die Rückerstattung seitens der EV AG mit anschließender neuerlicher Bezahlung durch die GmbH. Es gehe schließlich nicht an, wirtschaftlich verbundene Unternehmungen doppelt mit Grunderwerbsteuer zu belasten.

Die belangte Behörde forderte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das hg Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. April 1984, 82/16/0165, Slg Nr 5876/F, auf, einen glaubhaften Nachweis dafür zu erbringen, wann, für welchen Zeitraum und auf welche Weise die EV AG jene Verfügungsmacht über den Liegenschaftsanteil wiedererlangt habe, die sie vor Abschluß des ersten Kaufvertrages gehabt hätte.

Da sich die Beschwerdeführerin in Beantwortung des Vorhaltes der belangten Behörde im wesentlichen auf die Wiederholung ihrer bisherigen Ausführungen beschränkte, wobei sie behauptete, die EV AG habe der Stornovereinbarung freiwillig zugestimmt und weiters die Meinung vertrat, das hg Erkenntnis vom 2. April 1984 sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, wurde sie von der belangten Behörde nochmals - unter Hinweis, sie hätte den Vorhalt nicht ausreichend beantwortet - aufgefordert, folgende Fragen zu beantworten:

"1)

Hat die EV AG durch den Abschluß der Stornovereinbarung jene Verfügungsmacht über den Liegenschaftsanteil wiedererlangt, die sie als Eigentümerin vor Abschluß des ersten Kaufvertrages innegehabt hat?

2)

Hat die EV AG auf Grund der Stornovereinbarung ihre ursprüngliche (freie) Rechtsstellung wieder erlangt und somit die rechtlichen Möglichkeiten zurückerhalten, ein für sie erfüllbares neues Verpflichtungsgeschäft nach ihrem Belieben abzuschließen?

3)

Wurde die EV AG durch den Abschluß des Stornovertrages in die Lage versetzt, den Liegenschaftsanteil

a)

nach ihren finanziellen Vorstellungen,

b)

an sie genehme Käufer zu veräußern und somit

c)

auf eigene Rechnung selbst zu verwerten?

4)

Für welchen Zeitraum hatte die EV AG nach Abschluß der Stornovereinbarung die freie Verfügungsmöglichkeit über den Liegenschaftsanteil bzw welchen Einschränkungen war sie diesbezüglich unterworfen?"

In Beantwortung des nochmaligen Vorhaltes der belangten Behörde behauptete die Beschwerdeführerin zunächst, es werde von ihr keine Auskunft, sondern vielmehr eine Interpretation der dem Finanzamt ordnungsgemäß angezeigten Verträge verlangt. Aus diesen Verträgen sei zweifelsfrei ersichtlich, daß die EV AG ihrem Ersuchen um Stornierung des ersten Kaufvertrages zugestimmt habe. Zu den an sie gestellten Fragen führte die Beschwerdeführerin folgendes aus:

"1) und

2)

Die entsprechenden Unterlagen und Hintergrundinformationen zu diesem Rechtsgeschäft haben Sie erhalten. Die Fragen sind so gestellt, daß eine Antwort nicht mit einer Auskunftserteilung enden kann, sondern zwingend mit der Beurteilung des Rechtsgeschäftes enden muß und wiederholen wir unsere Auffassung:

Nachdem die EV AG zur Rückgängigmachung des ersten Kaufvertrages weder verpflichtet war, noch dazu gezwungen werden konnte, sondern darüber frei entschieden hat, kann davon ausgegangen werden, daß mit Unterfertigung der Stornovereinbarung die Verfügungsmacht auf die EV AG übergegangen ist; es hat die EV AG schon auf Grund dieser Entscheidungswahlmöglichkeit Verfügungsmacht erhalten.

3)

Da die Rückgängigmachung des ersten Kaufvertrages von der Entscheidung der EV AG abhängig war, hätte die EV AG die Zustimmung zur Rückgängigmachung und zum Abschluß eines neuen Kaufvertrages sicherlich von neuen und geänderten finanziellen Vorstellungen etc abhängig machen können. Offenbar hat aber der der EV AG vorgeschlagene Käufer, die GmbH, den finanziellen und anderen Vorstellungen der EV AG entsprochen. Die EV AG hat ein derartiges Ansinnen nicht vorgebracht.

4)

Die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag wurden Zug um Zug abgeschlossen und waren die Abschlüsse von der Zustimmung und von der Entscheidung der EV AG abhängig. Daraus ist für die EV AG eine Verfügungsmöglichkeit und keine Einschränkung ersichtlich."

Die belangte Behörde richtete an die EV AG die selben Fragen wie in ihrem nochmaligen Vorhalt an die Beschwerdeführerin. In Beantwortung dieser Fragen führte die EV AG folgendes aus:

"1) und

2)

Die Verfügungsmöglichkeit über den Liegenschaftsanteil und die Erlangung der ursprünglichen Rechtsstellung infolge des Abschlusses der Stornovereinbarung ergibt sich formell grundsätzlich im Zeitpunkt der Unterfertigung der Vereinbarung.

3)

und

4)

Der Verkauf der Liegenschaftsanteile an die Beschwerdeführerin erfolgte mit dem ersten Kaufvertrag. Im Herbst 1987 wurde an uns die Frage herangetragen, ob es möglich wäre, den ersten Kaufvertrag zu stornieren. Als Ersatzkäufer wurde die GmbH vorgeschlagen. Diesem Ersuchen sind wird mit der Stornovereinbarung und dem zweiten Kaufvertrag nachgekommen. Wir haben, nachdem der Ersatzkäufer unseren bereits ursprünglichen Preisvorstellungen gerecht wurde, keine Veranlassung gesehen, auch wenn das möglich gewesen wäre, neuerliche Überlegungen hinsichtlich einer anderen Kaufpreishöhe oder eines weiteren Kaufinteressenten anzustellen oder andere Kaufbedingungen, als ursprünglich mit der Beschwerdeführerin vereinbart waren, auszuhandeln. Der Ersatzkäufer war ohnehin ein, um in Ihrer Diktion zu antworten, "uns genehmer Käufer" und hatten wir daher keine Bedenken, die Stornovereinbarung und den zweiten Kaufvertrag nacheinander zu unterfertigen. Die Beschwerdeführerin ist nach rechtsgültig abgeschlossenem ersten Kaufvertrag an uns mit der Frage um Stornierung heran getreten. Die Abschlüsse der Stornovereinbarung und des zweiten Kaufvertrages erfolgten auf Grund unserer freien Entscheidung und haben wir es nicht nötig, Vereinbarungen, die wir freiwillig schließen, einzugehen, wenn wir uns damit Einschränkungen unterwerfen würden."

In der Folge legte die Beschwerdeführerin ein an die EV AG gerichtetes Schreiben vom 29. September 1987 vor, das im wesentlichen folgendes beinhaltet:

"Wir erlauben uns, mit folgendem - vielleicht etwas

ungewöhnlichem - Ersuchen an Sie heranzutreten. Wir haben vor wenigen Monaten ein Bürolokal von Ihnen erworben. Der Kauf dieses Bürolokals von Ihnen hätte jedoch nicht durch uns, sondern durch die GmbH vorgenommen werden sollen. Wir dürfen Sie höflich um eine kurze Mitteilung ersuchen, ob Sie damit einverstanden wären, den (ersten) Kaufvertrag zwischen Ihnen und uns zu stornieren und gleichzeitig einen (zweiten) Kaufvertrag zwischen Ihnen und der GmbH abzuschließen. Im Fall Ihres Einverständnisses würde Ihnen die R-Firmengruppe (darunter sind offenkundig mit der Beschwerdeführerin wirtschaftlich verbundene Unternehmungen gemeint) die entsprechenden Vertragsentwürfe zusenden und einen Termin zwecks Unterfertigung dieser Verträge mit Ihnen vereinbaren. Selbstverständlich wird die R-Firmengruppe alle Ihnen damit entstehenden Kosten übernehmen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab, wobei sie unter Hinweis auf § 20 Abs 1 GrEStG 1955 (§ 11 Abs 1 GrEStG 1987) sowie das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 2. April 1984 und das hg Erkenntnis vom 23. Februar 1989, 88/16/0187, ausführte, aus dem Vorbringen in der Berufung und im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gehe in Ausübung der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung hervor, es habe nie ernsthaft die Absicht bestanden, jemals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Liegenschaftsanteil an die EV AG in Form eine Rückkaufvertrages rückzuübertragen. Die GmbH habe nämlich bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Stornovereinbarung und des zweiten Kaufvertrages über den Liegenschaftsanteil (Bürolokal) verfügt und dieses Wirtschaftsgut auch dringend benötigt. Von der Herstellung eines rechtlichen und tatsächlichen Zustandes, wie er vor Errichtung des ersten Kaufvertrages bestanden hätte, könne daher keine Rede sein. Mit Ausnahme der Einsparung der Grunderwerbsteuer für den ersten Kaufvertrag habe es keine triftigen Gründe gegeben, der EV AG für eine, nicht einmal feststellbare Zeitspanne die unbeschränkte Verwertungsbefugnis, die auch eine Nutzung einschließe, hinsichtlich des Liegenschaftsanteiles zu übertragen. Bei einem - wie im vorliegenden Fall - GLEICHZEITIGEN Abschluß einer Stornovereinbarung und eines neuen (zweiten) Kaufvertrages sei die Rückübertragung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis unglaubhaft. Es gebe auch keine Zeitspanne, in der die EV AG wieder über dem Liegenschaftsanteil verfügen hätte können.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Abänderung der mit Bescheid vom 19. Juni 1987 ihr gegenüber festgesetzten Grunderwerbsteuer verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Weder aus den Verwaltungsakten, noch aus dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde und der Gegenschrift ist erkennbar, ob die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens § 20 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit Abs 4 GrEStG 1955 oder § 11 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit Abs 4 GrEStG 1987 in der Fassung vor der Novelle BGBl Nr 682/1994 angewandt wissen wollen. Beide Parteien zitieren bzw erwähnen laufend beide Bestimmungen.

Gemäß § 12 Abs 2 erster Satz GrEStG 1987 in der bereits erwähnten Fassung sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden Bestimmungen anzuwenden. Daher ist auch die Frage, ob in der Stornovereinbarung eine Rückgängigmachung des mit dem ersten Kaufvertrag verwirklichten Erwerbsvorganges zu erblicken ist, nach § 20 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit Abs 4 GrEStG 1955 zu beurteilen. Dies ist freilich für die Lösung des vorliegenden Falles ohne rechtliche Bedeutung, weil die genannten Bestimmungen - mit Ausnahme der in § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 in der bereits erwähnten Fassung auf drei Jahre erweiterten Frist - übereinstimmen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 1 GrEStG 1955 wird die Steuer auf Antrag unter anderem nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. Ist im Fall des Abs 1 die Steuer bereits festgesetzt, so ist nach § 20 Abs 4 GrEStG 1955 auf Antrag die Festsetzung entsprechend abzuändern.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl die bereits von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse vom 2. April 1984 und 23. Februar 1989 sowie die vom 25. Oktober 1990, 89/16/0146 und 11. April 1991, 90/16/0087), ist ein Erwerbsvorgang nicht im Sinn des § 20 Abs 1 Z 1 GrEStG 1955 rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt - DER FORM NACH aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt.

In dem eben zitierten Erkenntnis vom 23. Februar 1989 hat der Verwaltungsgerichtshof weiters dargelegt, daß es sich bei § 20 GrEStG 1955 um eine Begünstigungsbestimmung handelt, weswegen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat selbst einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Nach § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen läßt. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, somit, ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, 88/16/0241).

In diesem Sinn kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig erkannt werden, wenn sie unter Berücksichtigung der unbestrittenen Tatsachen, daß

-

zwischen der Beschwerdeführerin und der GmbH enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen,

-

die Beschwerdeführerin an die EV AG unter gleichzeitiger Nennung der GmbH als (neuen) Käufer mit dem Ersuchen herangetreten ist, den ersten Kaufvertrag zu stornieren, wobei alle damit verbundenen Kosten von der R-Firmengruppe getragen werden,

-

die GmbH über den Liegenschaftsanteil (Bürolokal) bereits vor Abschluß der Stornovereinbarung bzw des zweiten Kaufvertrages verfügt hat und dieses Wirtschaftsgut von ihr auch dringend benötigt worden ist,

-

die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag am selben Tag abgeschlossen worden sind,

-

nach Punkt IV. des zweiten Kaufvertrages der von der Beschwerdeführerin bereits entrichtete Kaufpreis nicht von der EV AG zurückgezahlt, sondern zwischen der GmbH und der Beschwerdeführerin verrechnet worden ist,

-

nach Punkt VII. des zweiten Kaufvertrages Stichtag für den Übergang von Nutzungen und Lasten der 1. Mai 1987 gewesen ist, wobei die Schlüsselübernahme bzw Übernahme des Bürolokals durch die GmbH bereits erfolgt ist sowie

-

die Stornovereinbarung und der zweite Kaufvertrag aus wirtschaftlichen Gründen, die sich erst nach Abschluß des ersten Kaufvertrages ergeben haben, abgeschlossen worden sind,

in freier Beweiswürdigung zu dem Schluß gelangt ist, daß der erste Kaufvertrag durch die Stornovereinbarung nicht mit der Wirkung rückgängig gemacht worden ist, daß dadurch die EV AG ihre freie Verfügungsmacht über den Liegenschaftsanteil wiedererlangt hätte. Wie sich aus dem Gesamtbild der Verhältnisse im Zusammenhang mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin ergibt, sollte der zunächst von ihr erworbene Liegenschaftsanteil und damit das Bürolokal nicht ihren betrieblichen Zwecken, sondern solchen der GmbH dienen. Es war daher ein neuerlicher (steuerpflichtiger) Erwerbsvorgang erforderlich, um so den Liegenschaftsanteil zweifelsfrei als zum Betriebsvermögen der GmbH gehörig ansehen zu können. Die Stornovereinbarung diente daher nicht dazu, der EV AG ihre ursprüngliche (freie) Rechtsstellung wieder einzuräumen, sondern um Grunderwerbsteuer einzusparen. Die Beschwerdeführerin hat schließlich auch nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen einerseits die EV AG ein Interesse an der Wiedererlangung ihrer ursprünglichen Rechtsstellung gehabt haben sollte, anderseits, warum sie selbst der EV AG eine derartige Rechtsstellung einräumen hätte sollen. Wird - wie im vorliegenden Fall - ein außergewöhnlicher und in seinem Verlauf nicht üblicher Sachverhalt behauptet, wäre es Sache der Beschwerdeführerin gewesen, die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung der EV AG hinsichtlich des Liegenschaftsanteiles insbesondere bei Inanspruchnahme der Begünstigungsbestimmung des § 20 GrEStG 1955 darzulegen und unter Beweis zu stellen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Sinn des § 21 BAO beruft, wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl das bereits erwähnte Erkenntnis vom 25. Oktober 1990) hingewiesen, wonach die Tatbestände des Grunderwerbsteuergesetzes in der Hauptsache an die äußere zivil- bzw formalrechtliche Gestaltung anknüpfen und daraus abgabenrechtliche Folgen ableiten. Bei solchen Tatbeständen ist daher schon aus dem Tatbestandsmerkmal heraus bei Beantwortung der Frage, ob der Sachverhalt unter eine Norm subsumiert werden kann, eine entsprechende formalrechtliche Beurteilung geboten und nur in diesem tatbestandsmäßig vorgegebenen Rahmen für die wirtschaftliche Betrachtungsweise Raum.

Was die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, daß nach Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG nur der angefochtene Bescheid (Berufungsentscheidung) nicht jedoch der Bescheid des Finanzamtes der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt. Es erübrigt sich daher, auf die diesbezüglichen Ausführungen einzugehen.

Mit der Behauptung, die belangte Behörde hätte insofern eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme getroffen, als sie den ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt mit dem den bereits mehrfach erwähnten hg Erkenntnis vom 2. April 1984 zugrundeliegenden Sachverhalt gleichgestellt habe, zeigt die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die belangte Behörde ist nämlich keineswegs davon ausgegangen, beide Sachverhalte seien ident, sondern hat sich bloß auf die in diesem Erkenntnis vertretene Rechtsansicht gestützt. Hinsichtlich des Sachverhaltes ist die belangte Behörde von den unbestrittenen Ausführungen der Beschwerdeführerin ausgegangen. Von einer aktenwidrigen Sachverhaltsannahme kann daher keine Rede sein.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung Begünstigungstatbestand Beweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1989160186.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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