TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/25 89/16/0146

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Veröffentlicht am 25.10.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §21 Abs2;
BAO §21;
GrEStG 1955 §1 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §20 Abs1 Z2;
GrEStG 1955;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Juni 1989, Zl. GA 11-991/6/89, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 26. Juni 1987 erwarb die Beschwerdeführerin von den Eheleuten Josef und Helene H die Liegenschaft EZ nn KG X mit dem Grundstück Nr. n/1 Baufläche (Hotel-Restaurant "A") sowie die Liegenschaft EZ nm KG X mit dem Grundstück Nr. n/2 Garten (in Natur Baufläche) zum Gesamtkaufpreis von S 4,200.000,--. Hievon sollten S 700.000,-- auf das Grundstück Nr. n/2, weitere "rund" S 300.000,-- auf das Betriebsinventar, der Restkaufpreis auf das Grundstück Nr. n/1 entfallen.

Am 10. Juli 1987 schlossen die genannten Personen im Anhang zum erwähnten Kaufvertrag folgende schriftliche Vereinbarung:

"Teilweise Stornierung des vorstehenden Vertrages:

Die Vertragsteile, also die Ehegatten Josef und Helene H als Verkäufer und N als Käuferin vereinbaren hiemit die Auflösung dieses Kaufvertrages hinsichtlich der Liegenschaft EZ nn KG X mit dem Grundstück Nr. n/1 Baufläche mit ... 1775 m2 (Hotel-Restaurant "A") und wird informativ festgehalten, daß dieses Grundstück mit gesondertem Vertrag von einer GesmbH & Co KG erworben wird, was für die kreditweise Finanzierung des Kaufpreises sich als erforderlich erwiesen hat.

Demgemäß beantragen die Vertragsteile gem. § 20 (1) Zif 1 Grunderwerbsteuergesetz, daß für das Grundstück n/1 wegen der Vertragsaufhebung keine Grunderwerbsteuer festgesetzt wird.

Aufrecht bleibt allerdings der gegenständliche Kaufvertrag hinsichtlich der Liegenschaft EZ nm KG X mit dem Grundstück n/2 Garten (in Natur Baufläche) mit 972 m2 mit einem Kaufpreis von S 700.000,--, ..."

Gleichfalls am 10. Juli 1987 schlossen die Eheleute Josef und Helene H als Verkäufer mit der N-GesmbH & Co KG (bzw. bei Eintritt der in Punkt Zehntens dieses Vertrages näher dargelegten Bedingungen mit der N-GesmbH) als Käuferin einen (neuen) Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ nn KG X mit dem Grundstück Nr. n/1 zu einem Kaufpreis von S 3,500.000,--, wovon rund S 300.000,-- den Kaufpreisanteil für das Betriebsinventar des Hotel-Restaurants bilden sollte.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1988 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für den Kaufvertrag vom 26. Juni 1987 "gemäß § 7 Z. 3 GrEStG 1987" die Grunderwerbsteuer mit 3,5 Prozent von der Bemessungsgrundlage (S 3,200.000,--), das sind S 112.000,--, fest. Mit weiterem Bescheid vom 3. Februar 1988 gab es dem Antrag vom 10. Juli 1987 "um Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 11 Abs. (1) GrEStG 1987" nicht statt.

Gegen diese beiden Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

In der Folge wurden die Verkäufer Josef und Helene H von einem Organwalter der Berufungsbehörde niederschriftlich vernommen und gaben folgendes zu Protokoll:

"Der Kaufvertrag vom 26. Juni 1987 wurde bei Rechtsanwalt Dr. T ausgefertigt und in der Kanzlei von uns unterschrieben. Die nachfolgende Änderung erfolgte von Seiten der Käuferin N aus dem Grunde, weil die Bank als Kreditgeber für den Erwerb der Liegenschaft durch Frau N die Kreditzusage verweigerte. Diese Information haben wir weder von Frau N noch von ihrem Vertreter erhalten. Auf den Verkauf vom gleichen Tage an die Firma N-GesmbH & Co KG, haben wird keinerlei Einfluß gehabt, für uns war das ein und dieselbe Person. Wer uns verständigt hat, daß der erste Kaufvertrag geändert werden soll, können wir nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Wir haben auch den Kaufvertrag nicht als aufgelöst betrachtet, für uns war es lediglich eine Änderung des Namens des Käufers."

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1989 wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die "eine rechtliche Einheit bildenden Bescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 1. Februar 1988 und 3. Februar 1988" als unbegründet ab.

Dieser Bescheid wurde mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 12. Juni 1989 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil der gegenständliche Kaufvertrag vom 26. Juni 1987 gemäß § 12 Abs. 2 GrEStG 1987 noch nach den Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 zu versteuern sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Juni 1989 entschied die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland über die in gleicher Weise wie oben bezeichnete Berufung wie folgt:

"Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid gemäß § 289 Abs. 2 BAO abgeändert wie folgt:

Bemessungsgrundlage S 3,200.000,--

Grunderwerbsteuer gem. § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955

8 Prozent = S 256.000,--."

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde von der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 und vom Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1984, Zl. 82/16/0165 (Slg. Nr. 5876/F) aus und legte weiter dar, es komme nur darauf an, daß der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluß innegehabt hatte, durch einen der in § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 genannten Rechtsvorgänge wiedererlange. Gerade das sei aber zufolge der eindeutigen Aussagen der Verkäufer nicht der Fall gewesen. Für sie habe es sich nicht einmal um die Auflösung des Kaufvertrages, sondern um eine bloße Änderung des Namens des Käufers gehandelt, auf dessen Namhaftmachung sie keinerlei Einfluß gehabt hätten. Wie die Beschwerdeführerin zugebe, habe sie selbst die feste Absicht gehabt, das Grundstück zu erwerben. "Dadurch, daß ihr das nicht gelungen ist, kann die Vereinbarung über die Auflösung des ersten Kaufvertrages und gleichzeitigen Verkauf an die 'N-GesmbH & Co KG' nur zwischen der Bw. und der neuen Käuferin getroffen worden sein." Die Auflösung wäre sicher nicht erfolgt, wenn nicht der Abschluß des zweiten Vertrages gesichert gewesen wäre. Daß wirtschaftliche Motive (Kaufpreisfinanzierung) für die Vertragsgestaltung mitbestimmend gewesen seien, sei angesichts des dargelegten Ergebnisses ohne rechtliches Gewicht. In Ermangelung des Vorliegens einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges könne es keinesfalls zu einer Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer kommen. Da der gegenständliche Kaufvertrag noch nach den Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 zu versteuern sei, betrage die Grunderwerbsteuer entsprechend dem § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 8 v.H. der Gegenleistung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtbesteuerung des Erwerbsvorganges vom 26. Juni 1987, insoweit er durch die Vereinbarung vom 10. Juli 1987 aufgehoben wurde, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309, sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Daher ist auch die Frage, ob in der oben zitierten Vereinbarung vom 10. Juli 1987 eine Rückgängigmachung des am 26. Juni 1987 verwirklichten Erwerbsvorganges im Rechtssinne zu erblicken ist, nach § 20 Abs. 1 GrEStG 1955 und nicht, wie die belangte Behörde meint, nach § 11 Abs. 1 GrEStG 1987 zu beurteilen. Dies ist freilich für die Lösung des vorliegenden Falles ohne rechtliche Bedeutung, da die genannten Bestimmungen - mit Ausnahme der in § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 auf drei Jahre erweiterten Frist - übereinstimmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 wird die Steuer auf Antrag unter anderem nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird. Die Frage, ob im Beschwerdefall eine solche Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges vorliegt, wird von der belangten Behörde - wie erwähnt - unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. April 1984, Slg. Nr. 5876/F, verneint. Wie der Gerichtshof in diesem Erkenntnis dargetan hat, kommt es bei der rechtlichen Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges im Sinne des Gesetzes vorliegt, nur darauf an, daß der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluß innegehabt hatte, durch einen der in § 20 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist sohin nicht im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 rückgängig gemacht, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit des Schuldrechtes erlaubt - der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche (freie) Rechtsstellung nicht wiedererlangt.

Solch ein Fall liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch hier vor. Nach dem auch von der Beschwerdeführerin insoweit unbestrittenen Sachverhalt ist die teilweise Rückgängigmachung des Kaufvertrages vom 26. Juni 1987 nur deshalb erfolgt, um den Verkauf des streitgegenständlichen Grundstückes an die im voraus bestimmte neue Käuferin, die N-GesmbH & Co KG, zu ermöglichen. Die Auflösung des alten und der Abschluß des neuen Kaufvertrages erfolgten gleichsam uno actu; auch in der Beschwerde heißt es übrigens ausdrücklich, daß "der Abverkauf an die GesmbH & Co KG feststand". Hingegen haben die Verkäufer die Möglichkeit nicht wiedererlangt, das Grundstück einem Dritten zu verkaufen (vgl. hiezu, in einem ähnlich gelagerten Fall, das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1989, Zl. 88/16/0187).

Wenn die Beschwerdeführerin meint, die Wirksamkeit des ersten Kaufvertrages sei an die auflösende Bedingung der sofortigen Kaufpreiszahlung geknüpft gewesen und es sei der erste Kaufvertrag mangels Erfüllung dieser Bedingung "rückwirkend erloschen", ist ihr zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine AUFLÖSENDE Bedingung an der Entstehung der Grunderwerbsteuerschuld nichts zu ändern vermag (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1985, Zl. 84/16/0215, vom 7. September 1989, Zl. 89/16/0090, und vom 16. November 1989, Zl. 89/16/0165, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Umstand, daß die belangte Behörde das Vorliegen einer diesbezüglichen Vereinbarung nicht geprüft hat, vermag daher - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch keinen Verfahrensmangel zu begründen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) beruft, ist zu sagen, daß nach gleichfalls ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Tatbestände des Grunderwerbsteuerrechtes in der Hauptsache an die äußere zivil- bzw. formalrechtliche Gestaltung anknüpfen und daraus abgabenrechtliche Folgen ableiten. Bei solchen Tatbeständen ist daher schon aus dem Tatbestandsmerkmal heraus bei Beantwortung der Frage, ob der Sachverhalt unter eine Norm subsumiert werden kann, die entsprechende formalrechtliche Beurteilung geboten und nur in diesem tatbestandsmäßig vorgegebenen Rahmen für die wirtschaftliche Betrachtungsweise Raum (vgl. das Erkenntnis vom 1. Dezember 1987, Zl. 86/16/0122, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989160146.X00

Im RIS seit

25.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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