Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0046Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerden 1. des A Z in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Oktober 1994, Zl. 4.330.210/2-III/13/92 und 2. der J A in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des BMI vom 27. Oktober 1994, Zl. 4.330.210/3-III/13/92, jeweils betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar iranischer Staatsangehörigkeit, reisten am 16. Jänner 1992 in das Bundesgebiet ein und stellten am darauffolgenden Tag den Asylantrag.
Dabei gab der Erstbeschwerdeführer im wesentlichen an, er gehöre der armenischen Minderheit im Iran an und habe deshalb vor drei Monaten seinen Arbeitsplatz verloren. Sein Arbeitgeber habe der mohammedanischen Religion angehört. Es sei fast unmöglich, als Christ im Iran zu leben. Man dürfe seine Religion nicht frei ausüben. Anläßlich eines als Picknick veranstalteten Familienfestes, bei dem auch Wein konsumiert worden sei, seien sie von Revolutionsgardisten überrascht worden. Dabei sei er verhaftet und zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Während seiner Haft sei er mit einer Peitsche derart geschlagen und mißhandelt worden, daß er einen Nierenschaden erlitten habe und zwei Monate habe ärztlich behandelt werden müssen. Er sei in der Haft auch gezwungen worden, schriftlich zu erklären, nie wieder in der Öffentlichkeit Alkohol zu konsumieren bzw. zu transportieren. Im Iran würden Christen als "unrein" angesehen und hätten gegenüber Mohammedanern keinerlei Rechte. Aufgrund des geschilderten Vorfalles lebten sie ständig in Angst, wieder bei Ausübung ihrer Religion in Schwierigkeiten zu geraten. Er habe auch aufgrund seiner christlichen Einstellung keine Möglichkeit mehr gehabt, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Die Lebenskosten seien zu hoch geworden, sodaß es sehr schwer für ihn gewesen sei, seine Familie zu versorgen.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat anläßlich der Asylantragstellung angegeben, sie gehöre ebenfalls der armenischen Minderheit an und sei von mohammedanischen Gruppen ständig unterdrückt worden. Sie habe verschleiert gehen müssen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit habe zeigen wollen. Außerdem sei es verboten worden, christliche Feste öffentlich zu feiern. Sie hätten dies immer nur leise und unauffällig tun können. Als sie eines Tages ihren Geburtstag in der eigenen Wohnung habe feiern wollen, seien Revolutionsgardisten erschienen und hätten alle Beteiligte festgenommen. Während der Festnahme seien sie ständig beschimpft worden. Nach Festhaltung über einige Stunden seien sie gezwungen worden zu unterschreiben, daß sie keine Feste mehr feiern würden. Dabei sei ihnen gedroht worden, widrigenfalls beim nächsten Mal eine höhere Geldstrafe zu bekommen und außerdem geschlagen und mißhandelt zu werden. Bis drei Monate vor der Flucht sei ihr Ehegatte bei einem mohammedanischen Arbeitgeber als Automechaniker und Lackierer beschäftigt gewesen, sei jedoch aufgrund seiner religiösen Einstellung gekündigt worden. Es sei nicht möglich, als Christ im Iran Kredit zu bekommen. Die Lebenskosten seien derart gestiegen, daß sie auch mangels eines Einkommens schwer dort weiter zu leben gehabt hätten. Christen würden im Iran als "unrein" angesehen, sodaß es ihnen auch nicht erlaubt sei, beim Einkaufen Waren anzufassen. Es sei auch unmöglich zu studieren, da Studienplätze nur für Angehörige der Mullahs vorgesehen seien.
Anläßlich seiner Erstvernehmung wiederholte der Erstbeschwerdeführer seine Darstellung, indem er angab, in seiner Heimat keiner politischen Organisation als Mitglied angehört zu haben, wohl gehöre er jedoch der armenischen Minderheit und dem gregorianischen Glaubensbekenntnis an. Er habe in einer Firma gearbeitet, aufgrund seiner Religionszugehörigkeit jedoch Probleme und Schwierigkeiten mit den muslemischen Arbeitskollegen gehabt, die ihn verspottet und beschimpft hätten. Etwa vor sieben Monaten (offenbar gemeint: vor Einvernahme) sei er dann entlassen worden. Aufgrund seiner Religionszugehörigkeit sei es unmöglich gewesen, eine weitere Arbeit zu finden. Er habe auch die Religion nicht ungehindert ausüben können, würde vielmehr wegen jeder Kleinigkeit gleich kontrolliert, notiert und verhaftet. Voriges Jahr (gemeint: 1991) seien sie zur Feier eines armenischen Festes aus der Stadt herausgefahren, wobei man Alkohol mitgenommen und gefeiert habe. Diese Feier sei jedoch verraten worden, es seien Revolutionswächter gekommen, hätten ihn verhaftet, mitgenommen, verhört, geschlagen und körperlich mißhandelt. Er sei eine Woche lang festgehalten worden. Er habe 20.000,-- Tuman bezahlen müssen, dann sei er wiederum freigekommen. Er habe eine schriftliche Erklärung abgegeben, daß er in der Öffentlichkeit keinen Alkohol mehr besitze oder konsumiere. Ebenfalls voriges Jahr (1991) sei die Geburtstagsfeier seiner Ehegattin, anläßlich derer auch Musik gespielt worden sei und die in der Wohnung seiner Ehegattin stattgefunden habe, verraten worden, es seien Revolutionswächter gekommen und hätten alles umgedreht und durchsucht. Alle Beteiligten seien für einen Tag mitgenommen und festgehalten worden. Es sei eben schwer im Iran zu leben, weil sie "unrein" seien und in den Augen der Moslems "nichts zählten". Der Lebensstandard sei so hoch, daß man sich das nicht mehr leisten könne. Deshalb wolle er in die USA auswandern, um dort frei zu leben und auch die Religion frei und ungehindert auszuüben, sowie seinem Kind eine Ausbildung bieten zu können, die es im Iran nicht gebe.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung im wesentlichen damit gleichlautend an, auch sie gehöre der armenischen Minderheit und dem gregorianischen Glaubensbekenntnis an, sie dürfe sich jedoch bei den Bekleidungsvorschriften keinen Fehler erlauben, schauten Haare am Kopf ein Stück vor, werde man von den Revolutionswächtern gleich festgenommen und auf die Station gebracht. Sie habe ihre Religion nicht frei ausüben dürfen, sei ständig kontrolliert und beobachtet worden. Voriges Jahr sei bei ihrem Geburtstag (23. August 1991) Musik gespielt und Alkohol ausgeschenkt worden, doch sei diese Feier verraten worden. Es seien Revolutionswächter gekommen, die alles durchsucht und alle Beteiligten für einen Tag mitgenommen und festgehalten hätten. Es sei von ihnen unter der Androhung von Schlägen verlangt worden, eine Bestätigung zu unterschreiben, keine derartige Feier mehr abhalten zu wollen. Sie seien aufgrund ihres Glaubens "unrein". Vor etwa elf Jahren seien ihre Mutter und ihr Bruder infolge eines von einem Moslem verschuldeten Verkehrsunfalles getötet worden, die Polizei habe jedoch nichts getan, die Angelegenheit vielmehr vom Tisch gefegt und auch über den Mann keine Strafe verhängt, sondern alles vertuscht. Auch beim Einkaufen würden Moslems grundsätzlich bevorzugt, Christen dürften keine Ware berühren. Auch sie wolle in die USA auswandern.
Mit Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Februar 1992 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und vom 11. Februar 1992 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllten.
In seiner gegen den ihn betreffenden abweislichen Bescheid der Sicherheitsdirektion gerichteten Berufung führte der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen ergänzend aus, er fühle sich aus religiösen Gründen verfolgt und in seiner Freiheit bedroht. Sein Elternhaus sei in Ahwaz gewesen. Während des iran-irakischen Krieges sei dieses zerstört worden. Seine Familie und er seien ohne Hab und Gut nach Teheran gegangen. Anstelle zur Schule gehen, habe er arbeiten müssen (Kinderarbeit). Vier Jahre habe er in einer Fabrik gearbeitet und sei in dieser Zeit nicht krankenversichert gewesen, weil er kein Moslem gewesen sei. Er habe immerzu Angst gehabt, krank zu werden und die Arbeit zu verlieren. Nach dem Militär sei er wieder in die Fabrik gekommen. Weil er aber immer noch Christ gewesen sei, habe er nach ein paar Monaten die Arbeit wieder - zugunsten eines moslemischen Arbeiters - verloren.
Später habe er Arbeit in einem Geschäft mit Video und Videokassetten gefunden, solche Geschäfte seien jedoch im Iran verboten. Sein Direktor sei deshalb ausgepeitscht, er selbst aber auf die Fahndungsliste gesetzt geworden. Da habe er den Staat verlassen. Er habe Bier gekauft und sei mit Freunden in den Park gegangen, um eine Party mit Musik zu feiern, doch sei die Polizei gekommen und habe ihn und seine Freunde auf die Polizeistation gebracht, wo sie eine Woche festgehalten worden seien. Dort seien sie auch gegeißelt worden. Im Iran sei es verboten Bier zu trinken, aber nur für einen Moslem; er aber sei Christ.
Auch die Zweitbeschwerdeführerin erhob gegen den sie betreffenden abweislichen Bescheid der Behörde erster Instanz Berufung, in der sie ihre bisherigen Angaben im wesentlichen bekräftigte und darüber hinaus ergänzte, auch sie habe im Iran fünf Jahre gearbeitet und sei während dieser Zeit nicht krankenversichert gewesen, weil sie kein Moslem gewesen sei. Christen erhielten wegen ihres Glaubens keine Versicherung. Später sei sie dann entlassen worden, weil sie während ihrer Arbeit einen Unterarm unbekleidet habe sehen lassen. Sie sei zur Polizei mitgenommen und dort geschlagen worden. Anläßlich ihres Geburtstages sei die ganze Familie zur Gratulation gekommen, es habe eine Party gegeben, die jedoch von der Polizei gestört worden sei, die alle für eine Nacht mit ins Gefängnis genommen hätte. Dabei hätten alle den Befehl erhalten, keine Party mehr zu machen, weil es verboten sei, daß Männer und Frauen zusammen eine Party haben. Im Iran besage ein Gesetz: Wer einen Menschen tötet, der muß ein Entgelt dafür bezahlen. Ein anderes Gesetz aber, wer einen Moslem tötet, bei dem ist die Strafe "zwanzig armenische Männer". Dies bedeute, ein Moslem sei zwanzig Mal mehr wert als ein Christ. Ein Moslem-Mann habe sie und ihre Familie mit dem Auto angefahren, dabei seien drei Personen ihrer Familie gestorben. Dieser Moslem habe von der Regierung jedoch einen Bescheid bekommen, daß er nur ein Kamel dafür bezahlen müsse. Dies bedeute, daß drei Personen mit einem Kamel gleichgesetzt würden. In so einem Staat könne sie nicht mehr leben.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab (Spruchpunkt 1 der angefochtenen Bescheide), bewilligte jedoch den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet jeweils bis 27. Oktober 1995 (jeweils Spruchpunkt 2 der angefochtenen Bescheide). Die belangte Behörde begründete die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 im wesentlichen damit, Beeinträchtigungen, denen armenische Christen im Iran ausgesetzt seien, seien asylrechtlich nicht beachtliche Diskriminierungen, welche sowohl für sich allein als auch in einer Gesamtschau mangels Intensität des Verfolgungseingriffes nicht den Tatbestand einer Verfolgung erfüllten. Allein die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Minderheit sei kein Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Zustände im Heimatland eines Asylwerbers müßten vielmehr auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers dort unerträglich wäre. Auch wirtschaftliche Gründe allein rechtfertigten die Anerkennung als Flüchtling nicht. Ein Recht auf Arbeit sei nicht einmal in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen. Auch die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden System bilde keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Der Begriff der Verfolgung verlange individuell gegen die Person des Asylwerbers gerichtete Handlungen, die dem Heimatstaat zurechenbar seien und aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe erfolgten. Das Bestehen eines islamisch-fundamentalistischen Regimes im Heimatland der Beschwerdeführer sei unbestritten, jedoch seien von diesen Gegebenheiten alle Bürger gleichermaßen betroffen. Bezüglich der Konsumation von Alkohol durch den Erstbeschwerdeführer und den daraus resultierenden Folgen, sowie bezüglich der Geburtstagsfeier, anläßlich derer ebenfalls Alkohol konsumiert und Musik gehört worden sei (dies betreffend auch die Zweitbeschwerdeführerin), werde festgehalten, daß dies keinesfalls unter die Fluchtgründe der Genfer Konvention subsumierbar sei. Beim Alkoholverbot handle es sich um eine Maßnahme, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral diene und somit als allgemein gültiges Recht anzusehen sei, das von allen Bürgern des Heimatlandes der Beschwerdeführer in gleichem Maße zu beachten sei. Auch der Wunsch nach Immigration könne die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention nicht rechtfertigen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung infolge des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Erstbeschwerdeführer hält der belangten Behörde insbesondere entgegen, er habe geschildert, daß aufgrund bereits geringfügiger Verstöße, die bei Anwendung internationaler Menschenrechte sanktionslos wären, seitens der Staatsmacht rigorose Strafen, nämlich Gefängnis und körperliche Mißhandlung, verhängt würden. Er habe unter religiös begründeten Diskriminierungen zu leiden gehabt. Dennoch kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie - auf Basis der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den aufgeworfenen Fragen von der abzugehen, auch die Beschwerdeausführungen keinen Anlaß bieten - zu dem Schluß gekommen ist, eine asylrelevante Verfolgung aus Konventionsgründen habe der Erstbeschwerdeführer insgesamt nicht geltend machen können.
Gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß einer der hier angeführten Gründe nicht vorliegt. Aus Belästigungen wegen des Transports alkoholischer Getränke kann eine Verfolgung aus religiösen Gründen nicht abgeleitet werden, stand doch der Alkoholkonsum in keinem unmittelbaren Verhältnis zur Religionsausübung. Eine diesbezügliche behördliche oder strafgerichtliche Verfolgung und Verurteilung ist nicht unter einen der Asylgründe des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu subsumieren, selbst wenn die verhängte Strafe nach Ansicht des Erstbeschwerdeführers gegen die Menschenrechte verstößt (vgl. u.a. auch hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 94/19/0064). Dasselbe gilt für die Abhaltung von Festen sowie den von beiden Beschwerdeführern geltend gemachten allgemeinen Diskriminierungen, denen sie als Angehörige der christlichen Minderheit in ihrem Heimatstaat ausgesetzt waren. Im übrigen ist der Erstbeschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß die von ihm geltend gemachten Mißhandlungen bereits ein Jahr vor seiner Ausreise erlitten wurden, daher zu dieser selbst in keinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mehr steht.
Insoweit beide Beschwerdeführer Verfahrensverletzungen, insbesondere Verletzung der Ermittlungs- und Manuduktionspflicht geltend machen, ist ihnen entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen von Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung des aus § 37 AVG i. V.m. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalte von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. u. a. hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zlen. 94/20/0672, 0673 und die dort wiedergegebene Judikatur). Da in den vorliegenden Beschwerdefällen über die bereits behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention in den Angaben der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz (§ 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991) nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen. Insoweit die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Beschwerde erstmals auf die Ausdehnung gewährten Asyls gemäß § 4 Asylgesetz 1991 verweist, ist ihr zu entgegnen, daß Gegenstand des von ihr angefochtenen Bescheides lediglich das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der §§ 1 Z. 1, 3 Asylgesetz 1991, nicht jedoch ein Antrag nach § 4 Asylgesetz 1991 gewesen ist. Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war daher nicht ein Antrag auf Ausdehnung des Asyls im Sinne des § 4 Asylgesetz 1991, sondern der von ihr (eigenständig) gestellte Antrag auf Asylgewährung gemäß §§ 1 Z. 1, 3 leg. cit. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde muß daher nicht eingegangen werden, ganz davon abgesehen, daß auch eine Antragstellung nach § 4 Asylgesetz 1991 nur dann erfolgversprechend gewesen wäre, wenn ihrem Ehegatten Asyl gewährt worden wäre.
Insofern die Beschwerdeführer darauf verweisen, Verfolgung wegen angeblicher Beleidigung des Islam befürchten zu müssen, ist auf dieses Vorbringen nicht Bedacht zu nehmen, weil es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufzugreifende Neuerung im Sinne des § 41 VwGG handelt.
Aus diesen Gründen waren beide Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995200042.X00Im RIS seit
03.04.2001