TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/08/0337

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

L65003 Jagd Wild Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1175;
ABGB §883;
AVG §68 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
BSVG §3 Abs2;
BSVG §44 Abs1 Z1;
JagdG NÖ 1974 §27 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §27 Abs4;
JagdG NÖ 1974 §51 Abs5;
VwGG §48 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Mai 1995, Zl. 120.133/1-7/95, betreffend Versicherungspflicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mP: Sozialversicherungsanstalt der Bauern), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem die Pflichtversicherung betreffenden Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist mit anderen Mitglied des Vereins "Jagdgesellschaft X". Am 15. Jänner 1992 wurde zwischen der Stadtgemeinde Stockerau und dem genannten Verein ein Pachtvertrag abgeschlossen, der auszugsweise lautet:

"I.

Die Verpächterin verpachtet der Pächterin die gesamte Jagdnutzung auf den in dem Bescheid über die Feststellung des Eigenjagdgebietes der Stadtgemeinde Stockerau angeführten Grundparzellen mit einem Gesamtausmaß von 518 ha 90 a 65 m2 zuzüglich der Grundparzellen im Gesamtausmaß von 20 ha 43 a 75 m2 für die der Stadtgemeinde Stockerau das Vorpachtrecht zuerkannt wurde.

II.

Die Pachtzeit beginnt am 1. Jänner 1993 und endet mit der derzeitigen Jagdperiode am 31.12.2001. Das Pachtjahr ist ident mit dem Kalenderjahr.

III.

Der Pachtschilling beträgt ...

IV.

Die Pächterin haftet als Gesamtschuldner zur ungeteilten Hand aller Mitglieder der Jagdgesellschaft X für die volle und zeitgerechte Bezahlung des Jagdpachtschillings. Die Pächterin haftet weiters grundsätzlich für alle Zuwiderhandlungen gegen die durch das Pachtverhältnis begründeten Verpflichtungen, dies gilt auch dann, wenn diese von Jagdbediensteten oder von Jagdgästen begangen werden.

V.

...

XV.

Im übrigen richtet sich der Vertrag nach den jagdrechtlichen Vorschriften des NÖ. Jagdgesetzes. Die Verantwortung für die Einhaltung aller Bestimmungen des NÖ Jagdgesetzes sowie der hiezu erlassenen Verordnungen und behördlichen Verfügungen trifft die Pächterin allein und zur Gänze.

XVI.

..."

Dieser Vertrag enthält die Beurkundung der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 5. Mai 1992, daß die Verpachtung der Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. März 1992 zur Kenntnis genommen worden sei.

Dieser Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. März 1992 ist an die Stadtgemeinde Stockerau zu Handen des Bürgermeisters adressiert und enthält folgenden Spruch:

"Bescheid

Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg nimmt zur Kenntnis, daß Sie ihr Eigenjagdgebiet auf die Dauer der Jagdperiode vom 1.1.1993 bis 31.12.2001 an die Jagdgesellschaft X, bestehend aus den Mitgliedern (es folgen die Namen und Adressen von 12 Personen, darunter auch die des Beschwerdeführers mit dem Zusatz "(Jagdleiter)") verpachten. Der jährliche Pachtschilling beträgt S 50.000,--.

Sie sind verpflichtet, die folgenden Verfahrenskosten innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen:

..."

Nach der Zustellverfügung wurde dieser Bescheid dem Verein "Jagdgesellschaft X" zu Handen von dessen Obmann zugestellt.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 10. August 1994 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer "als Pächter bzw. Mitpächter der/des Jagdgebietes im Revier Stadtgemeinde Stockerau gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) in der Unfallversicherung pflichtversichert" sei und gemäß § 30 Abs. 6 BSVG in Verbindung mit § 29 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern Beiträge zur Unfallversicherung zu entrichten habe. Der Beginn der Pflichtversicherung wurde mit 1. Jänner 1993 festgesetzt. Nach der wesentlichen Begründung dieses Bescheides sei die Anstalt aufgrund der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 19. Jänner 1994 "überzeugt", daß die Verpachtung der Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau nach NÖ Jagdgesetz an die "Jagdgesellschaft X", vertreten durch den Beschwerdeführer als Jagdleiter, erfolgt sei und nicht an die juristische Person "Verein Jagdgesellschaft X", vertreten durch deren Obmann. Die schriftliche Vertragsurkunde vom 15. Jänner 1992, womit eine Verpachtung an die juristische Person "Verein Jagdgesellschaft X" versucht worden sei, sei zwar der Jagdbehörde vorgelegt worden; die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg habe aber die Verpachtung an den Verein "mit Bescheid vom 23. März 1992 offensichtlich nicht genehmigt", weil dies nach dem NÖ Jagdgesetz nicht möglich sei. Es seien aber die Mitglieder der Jagdgesellschaft X, vertreten durch den Beschwerdeführer als Jagdleiter, von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg als Jagdgesellschaft im Sinne des NÖ Jagdgesetzes anerkannt und die Verpachtung an diese Gesellschaft genehmigt worden. Solche Gesellschaften nach dem NÖ Jagdgesetz seien keine juristischen Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG, sondern Gesellschaften nach bürgerlichem Recht. Dies bedeute, daß nach dem NÖ Jagdrecht, welches "in diesem Verfahren (laut ähnlichem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof) zu berücksichtigen" sei, nicht der Verein Jagdgesellschaft X als juristische Person der Pächter sei, zumindest im Außenverhältnis, sondern die Jagdgesellschaft X.

Die im genannten Bescheid zitierte Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt vom 19. Jänner 1994 lautet:

"Zu Ihrer Anfrage vom 29.12.1993 teilen wir mit, daß nach den Bestimmungen des NÖ Jagdgesetzes die Verpachtung einer Genossenschafts- oder Eigenjagd nur an eine einzelne physische Person bzw. an zwei oder mehrere physische Personen, wenn sie gemeinsam pachten (Jagdgesellschaft), möglich ist.

Die Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau wurde demnach mit Bescheid vom 23.3.1992 ... für die Jagdperiode vom 1.1.1993 bis 31.12.2001 an die Jagdgesellschaft X, bestehend aus den im Bescheid angeführten Mitgliedern, verpachtet."

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 10. August 1994 Einspruch, in dem er im wesentlichen die Auffassung vertrat, daß die Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau an den Verein "Jagdgesellschaft X", vertreten durch dessen Obmann, verpachtet sei. Dieser Verein sei bei der Sicherheitsdirektion für das Land Niederösterreich eingetragen. Es handle sich daher um eine juristische Person. Die einzelnen Mitglieder eines derartigen Vereins seien aufgrund des Umstandes, daß sie zur Ausübung der Jagd auf dem von der Gesellschaft gepachteten Jagdgebiet berechtigt seien, nicht automatisch in der Land- und Forstwirtschaft selbständig erwerbstätig. Demgemäß entfalle die Voraussetzung für die Versicherungspflicht. Es werde daher beantragt, den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben.

In einem Vorlagebericht beharrte die mitbeteiligte Partei darauf, daß die "Pächtergesellschaft" eine solche "gemäß § 27 NÖ Jagdgesetz" und daher keine juristische Person im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG sei. Es handle sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Allfällige (gemeint offenbar: anderslautende) Schrifturkunden mögen verfaßt und unterschrieben sein, sie hätten "in der Rechtsordnung keine Auswirkung erlangt". Nur die Rechtsordnung könne beantworten, auf wessen Rechnung und Gefahr eine Tätigkeit gehe. Die mitbeteiligte Partei sei daher "überzeugt", daß die Bewirtschaftung des gegenständlichen Reviers auf Rechnung und Gefahr aller Mitglieder der Pächtergesellschaft erfolge.

Nach Erstattung einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers wies der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 12. Dezember 1994 den Einspruch des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung dieses Bescheides vertrat auch der Landeshauptmann von Niederösterreich die Auffassung, die Pächtergesellschaft sei eine solche nach § 27 des NÖ Jagdgesetzes und daher keine juristische Person. Sie besitze daher keine Parteifähigkeit und sei als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zu qualifizieren. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (gemeint: jener vom 23. März 1992 über die Kenntnisnahme des Pachtvertrages) sei auch an die juristische Person "Jagdgesellschaft X" übermittelt und (damit) amtlich zum Ausdruck gebracht worden, daß der Pachtvertrag zwischen dem Eigentümer des Reviers und der juristischen Person nicht genehmigt sei. Gemäß § 26 Abs. 2 des NÖ Jagdgesetzes seien nämlich juristische Personen nur zur Pachtung von Jagdeinschlüssen oder eines Genossenschaftsjagdgebietes unter 115 ha rechtsfähig und dies gelte gemäß § 51 Abs. 2 des NÖ Jagdgesetzes auch bei Verpachtung der Eigenjagden. Dafür spreche auch die Äußerung der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 19. Jänner 1994. Es sei daher davon auszugehen, daß die Bewirtschaftung des gegenständlichen Reviers auf Rechnung und Gefahr "aller Mitglieder der Pächtergesellschaft" erfolge, zumal "diese als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht im Sinne des NÖ Jagdgesetzes zu qualifizieren" sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid insoweit Berufung, als darin über die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers entschieden worden sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers betreffend die Feststellung der Unfallversicherung nach dem BSVG ab 1. Jänner 1993 keine Folge gegeben und den Einspruchsbescheid aus seinen als zutreffend erachteten Gründen bestätigt. Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens begründet die belangte Behörde ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg mit Bescheid vom 23. März 1992 zur Kenntnis genommen habe, daß die Stadtgemeinde Stockerau ihr Eigenjagdgebiet auf die Dauer der Jagdperiode vom 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 2001 an die Jagdgesellschaft X, bestehend aus näher bezeichneten Mitgliedern (darunter auch dem Beschwerdeführer) verpachtet habe. Dieser Bescheid sei dem Verein "Jagdgesellschaft X" zu Handen des Vereinsobmannes zugestellt worden. Bezüglich der Unfallversicherungspflicht dieses Vereins als Jagdpächter sei bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 1968 ausgesprochen worden, daß dieser als juristische Person nicht versicherungspflichtig sei. Dieser Bescheid beziehe sich allerdings auf einen anderen Sachverhalt und auf einen anderen Pachtvertrag, sodaß nun unabhängig von diesem eine neuerliche Entscheidung in der gegenständlichen Sache zu fällen sei. Nach Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes der Bauern geführt werde, schloß sich die belangte Behörde den Ausführungen der Vorinstanzen in bezug darauf an, daß es sich bei der Jagdgesellschaft X als Pächterin des Eigenjagdgebietes nicht um den unter demselben Namen eingetragenen Verein, sondern um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handle. Gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz NÖ Jagdgesetz seien die im Sinne der §§ 26 und 27 zur Pachtung eines Genossenschaftsjagdgebietes nicht zugelassenen bzw. hievon ausgeschlossenen Personen oder Jagdgesellschaften auch zur Pachtung von Eigenjagdgebieten nicht zugelassen bzw. hievon ausgeschlossen.

Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. seien zur Pachtung einer Genossenschaftsjagd nur eine einzelne physische Person (unter näher im Gesetz angeführten Voraussetzungen) oder zwei oder mehrere physische Personen, wenn sie gemeinsam pachten (Jagdgesellschaft § 27), zugelassen. Gemäß § 26 Abs. 2 leg. cit. seien Gemeinden, agrarische Gemeinschaften, sonstige juristische Personen oder eine Mehrheit von Personen ohne Gesellschaftsvertrag unter der Voraussetzung, daß ihnen die Befugnis zur Eigenjagd zustehe, nur zur Pachtung eines Jagdeinschlusses oder eines das Ausmaß von 115 ha nicht erreichenden Genossenschaftsjagdgebietes nach Maßgabe der Bestimmungen des § 14 zugelassen.

Es habe daher schon von Gesetzes wegen keine Verpachtung an den Verein als juristische Person erfolgen können. Ob der Ausschluß juristischer Personen von der Pachtfähigkeit ohne sachliche Argumente erfolgt und damit § 26 NÖ Jagdgesetz als verfassungswidrig anzusehen sei bzw. (ob) im vorliegenden Fall sachliche Ausschlußgründe vorlägen, habe die Berufungsbehörde nicht zu prüfen. Das Eigenjagdgebiet der Stadtgemeinde Stockerau sei an die einzelnen Mitglieder des Vereins als physische Personen verpachtet worden. Diese Jagdgesellschaft, bestehend aus den einzelnen Mitgliedern des Vereins, sei als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zu qualifizieren, die als solche keine Rechtspersönlichkeit besitze. Rechtsträger einer solchen Gesellschaft seien daher die einzelnen Gesellschafter als natürliche Personen. Damit erfolge die Bewirtschaftung des gegenständlichen Reviers auf Rechnung und Gefahr aller Mitglieder der Pächtergesellschaft.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, worin er unter anderem auch den Antrag stellte, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG und § 87 Abs. 2 VfGG an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Die verwaltungsgerichtliche Beschwerde führte der Beschwerdeführer dahin aus, daß er auf seiner Auffassung beharrte, daß die Verpachtung der Eigenjagd an den Verein erfolgt sei. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne nicht ohne Wissen und Willen der Gesellschafter gegründet werden. Er sei daher zu Unrecht in die Pflichtversicherung einbezogen worden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 27. November 1995, B 2167/95-9, die Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei mit Berichterverfügung vom 4. Jänner 1996 unter anderem aufgefordert zu folgender Frage Stellung zu nehmen:

"1. Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß es sich bei der "Jagdgesellschaft X" als Pächterin des Eigenjagdgebietes nicht um den unter demselben Namen eingetragenen Verein, sondern um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handle (als deren Mitglied der Beschwerdeführer versicherungspflichtig sei). Von Gesetzes wegen könnte eine Verpachtung an den Verein als juristische Person nicht erfolgen.

Demgegenüber leiden gem. § 26 Abs. 5 des NÖ Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 6500, Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde, mit welchen eine unter Verletzung der Vorschriften der Abs. 1 und 2 zustande gekommene Verpachtung einer Genossenschaftsjagd (also auch eine solche an eine juristische Person) genehmigt wurde, zwar an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler, bis zu ihrer Behebung gem. § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG scheint jedoch ein solcher Bescheid (und damit auch ein solcherart rechtswidrig genehmigter Pachtvertrag) volle Wirksamkeit zu entfalten.

2. Vertritt man aber die Auffassung, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23.3.1992 habe nicht den schriftlichen Pachtvertrag vom 15.1.1992 (abgeschlossen mit dem "Verein") zur Kenntnis genommen, sondern einen (anderen?) Pachtvertrag mit der Jagdgesellschaft X, bestehend aus den in diesem Bescheid genannten Mitgliedern (darunter auch dem Beschwerdeführer), sohin einer Jagdgesellschaft iS des § 27 des NÖ Jagdgesetzes, so scheint dieser Bescheid nur unter der Voraussetzung überhaupt Rechtswirkungen entfalten zu können, daß eine Jagdgesellschaft iS des § 27 NÖ Jagdgesetz besteht, mit der ein solcher Pachtvertrag abgeschlossen worden sein könnte. Nun scheint aber § 27 Abs. 1 NÖ Jagdgesetz einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag über eine Jagdgesellschaft als Voraussetzung für deren rechtliche Existenz vorzuschreiben, der den Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 und 3 leg. cit. entspricht. Ein solcher Gesellschaftsvertrag wurde aber im Verfahren nicht festgestellt, die Existenz eines solchen Gesellschaftsvertrages wird auch in der Beschwerde bestritten.

3. Es dürfte daher der schriftliche Pachtvertrag vom 15.1.1992, sei es, daß er durch den - diesfalls mit Nichtigkeit bedrohten - Bescheid vom 23.3.1992 genehmigt worden sein sollte, sei es, daß er mangels ausdrücklicher Bezugnahme dieses Becheides auf diesen Pachtvertrag bisher überhaupt nicht wirksam ist, keine geeignete Rechtsgrundlage für die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers sein.

Ein anderer schriftlicher (vgl. § 51 Abs. 1 NÖ Jagdgesetz) Pachtvertrag bzw. eine Jagdgesellschaft iS des § 27 NÖ Jagdgesetz (als deren Mitglied der Beschwerdeführer in Betracht käme) als geeignete Pächterin scheint aber nicht zu existieren, sodaß der Bescheid vom 23.3.1992 insoweit ins Leere ginge und die gegenständliche Eigenjagd als weiterhin auf Rechnung der Stadtgemeinde Stockerau (und nicht auf jene des Beschwerdeführers, als Voraussetzung für dessen Versicherungspflicht) geführt, anzusehen wäre."

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und schloß sich "nach neuerlicher Würdigung der vorliegenden Fakten" der in der Berichterverfügung vertretenen Auffassung an, daß die gegenständliche Jagd nicht auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers betrieben werde.

Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern erstattete eine Stellungnahme, in der sie sich im wesentlichen mit der Frage beschäftigt, ab wann eine "Sozietät" entstehe. Aus Punkt IV. des Pachtvertrages, wonach alle Mitglieder der Jagdgesellschaft neben der Sozietät zur ungeteilten Hand für den Pachtschilling hafteten, gehe hervor, daß die "Mitglieder als natürliche Personen" zugestimmt hätten. Die Gesellschaft habe auch bei der Jagdbehörde Mitglieder abgemeldet. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, mit dem die Verpachtung genehmigt worden sei, sei zwar dem Obmann der "Sozietät" zugestellt worden, im Spruch seien jedoch als Pächter nicht der Verein, sondern die Mitglieder "der juristischen Person" als "Mitpächter und ein vom Obmann unterschiedlicher Jagdleiter" genannt worden. Die "Sozietät" habe diese Vorgangsweise nicht bekämpft und somit "zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Jagdgesellschaft im Sinne des NÖ Jagdgesetzes ist, sonst hätte sie nicht pachten können, was aber Vertragswille zwischen der Eigentümerin und den Mitgliedern war". Unter Bedachtnahme auf diese Umstände ergebe sich, daß sich "die Sozietät" zwar als Verein auffasse, sich auch im Vereinsregister habe anmelden lassen, aber "nach dem materiellen Recht kein Verein ... sondern eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht im Sinne des NÖ Jagdgesetzes" sei. Es liege "ein Errichtungsvertrag mit Organbestimmungen vor".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Frage, ob der Beschwerdeführer seit 1. Jänner 1993 in der Unfallversicherung nach dem BSVG pflichtversichert ist, ist nur dann zu bejahen, wenn die Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau an eine Jagdgesellschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Mitglied der Beschwerdeführer ist, verpachtet worden wäre (zur Führung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vgl. die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1967, Slg. 7067/A, und vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197, sowie ferner vom 26. Jänner 1993, Zl. 91/08/0034).

Gemäß § 51 Abs. 1 des NÖ Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 6500-0, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 6500-8, ist die Verpachtung eines Eigenjagdgebietes, in die allfällige Jagdeinschlüsse einzubeziehen sind, oder eines Teiles eines solchen sowie eine allfällige Unterverpachtung oder Weiterverpachtung eines Eigenjagdgebietes von dem Eigenjagdberechtigten unter Vorlage des entsprechenden Vertrages binnen acht Tagen nach Vertragsabschluß der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen und von dieser zur Kenntnis zu nehmen, sofern im Sinne der Abs. 2, 3 und 4 keine Bedenken dagegen bestehen.

Gemäß § 51 Abs. 2 leg. cit. sind die im Sinne der §§ 26 und 27 zur Verpachtung eines Genossenschaftsjagdgebietes nicht zugelassenen bzw. hievon ausgeschlossenen Personen oder Jagdgesellschaften auch zur Pachtung von Eigenjagdgebieten nicht zugelassen bzw. hievon ausgeschlossen.

Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. sind zur Pachtung nur entweder eine einzelne physische Person (unter näher genannten Voraussetzungen) oder zwei oder mehrere physische Personen, "wenn sie gemeinsam pachten (Jagdgesellschaft § 27)" zugelassen.

Gemäß § 26 Abs. 2 leg. cit. sind unter anderem juristische Personen oder eine Mehrheit von Personen ohne Gesellschaftsvertrag unter der Voraussetzung, daß ihnen die Befugnis zur Eigenjagd zusteht, nur zur Pachtung eines Jagdeinschlusses oder eines das Ausmaß von 115 ha nicht erreichenden Genossenschaftsjagdgebietes nach Maßgabe der Bestimmungen des § 14 zugelassen. Gemäß § 26 Abs. 5 leg. cit. leiden Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde, mit welchen eine unter Verletzung der Vorschriften der Abs. 1 und 2 zustande gekommene Verpachtung einer Genossenschaftsjagd genehmigt wurde, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

Gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. haben zwei oder mehrere physische Personen, die beabsichtigen, ein bestimmtes Jagdgebiet gemeinsam zu pachten, schriftlich einen Gesellschaftsvertrag abzuschließen (Jagdgesellschaft). § 27 Abs. 2 bis 9 regeln die nähere Gestaltung des Gesellschaftsvertrages, die bei der Aufnahme oder beim Ausscheiden eines Gesellschaftsmitgliedes einzuhaltende Vorgangsweise, die Haftung der Mitglieder der Jagdgesellschaft udgl.

Mit dem - oben wiedergegebenen - Bescheid vom 23. März 1992 nahm die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg zur Kenntnis, daß die Stadtgemeinde Stockerau ihr Eigenjagdgebiet auf die Dauer der Jagdperiode vom 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 2001 an die "Jagdgesellschaft X", bestehend aus näher bezeichneten Mitgliedern, verpachtet habe.

Würde man davon ausgehen, daß sich dieser Spruch - gemäß der auf diesem Vertrag beigesetzten Beurkundung vom 5. Mai 1992 - auf den Pachtvertrag vom 15. Jänner 1992 bezieht, dann hätte die Behörde die Verpachtung an den Verein "Jagdgesellschaft X" (somit an eine juristische Person) zur Kenntnis genommen. Da die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Nö Jagdgesetz für die Verpachtung an juristische Personen unbestrittenermaßen nicht vorliegen, litte dieser Bescheid zwar an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler im Sinne des § 26 Abs. 5 NÖ Jagdgesetz in Verbindung mit § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG, würde aber dessenungeachtet bis zu seiner Nichtigerklärung in Verbindung mit dem Pachtvertrag die Rechtswirkung entfalten, daß das strittige Eigenjagdgebiet an den Verein (und nicht an eine sonstige Jagdgesellschaft, deren Mitglied der Beschwerdeführer war) verpachtet worden ist. Unter diesen Voraussetzungen käme somit eine Versicherungspflicht des Beschwerdeführers unbestrittenermaßen nicht in Betracht.

Wenn man aber davon ausgeht, daß, entgegen der - diesfalls unrichtigen - Beurkundung vom 5. Mai 1992, die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg nicht den genannten Pachtvertrag, sondern einen anderen Pachtvertrag mit der "Jagdgesellschaft X" zur Kenntnis nehmen wollte, so fehlte es diesfalls sowohl am Erfordernis eines schriftlichen Pachtvertrages als auch an einer Jagdgesellschaft i.S.d. § 27 Abs. 1 leg. cit. als möglicher Pächterin und Adressatin dieses Bescheides. Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei bedürfte nämlich die wirksame Errichtung einer solchen Jagdgesellschaft gemäß § 27 Abs. 1 NÖ Jagdgesetz der Schriftlichkeit:

Der Oberste Gerichtshof hat in SZ 60/40 zu einer ähnlichen Bestimmung des Salzburger Jagdgesetzes die Auffassung vertreten, daß die Rechtsfolgen der Nichteinhaltung der gesetzlich vorgesehenen (Schrift-)Form in jedem Einzelfall nach dem Zweck der Norm geprüft werden müßten. Die Ausübung des Jagdrechtes sei aus gesamtwirtschaftlichen Rücksichten jagdrechtlichen Regelungen unterworfen. Da überdies jedes Mitglied einer Jagdgesellschaft das Recht auf Ausübung der Jagd habe, sähen die jagdpolizeilichen Vorschriften unter anderem auch eine Beschränkung der Mitgliederzahl einer Jagdgesellschaft vor, um entsprechende Mißstände auszuschließen. Dem entspreche auch die im Jagdgesetz vorgesehene Einflußmöglichkeit der Bezirksverwaltungsbehörde auf die Errichtung einer Jagdgesellschaft. Diese Einflußmöglichkeit zu sichern, sei unter anderem der Zweck der Formvorschrift im Zusammenhang mit der Pflicht zur Vorlage einer schriftlichen Vertragsausfertigung, in der die Mitglieder der Jagdgesellschaft anzuführen seien, und der gesetzlichen Anzeigepflicht. Die Gründung einer Innengesellschaft mit einer gegenüber dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag erweiterten Gesellschafterzahl könnte den Gesetzeszweck vereiteln und zur Umgehung des Gesetzes führen. Daraus zog der Oberste Gerichtshof den Schluß, daß ein Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Jagdgesellschaft ohne die im Salzburger Jagdgesetz angeordnete Schriftlichkeit rechtsunwirksam sei.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, der dieser Auffassung beipflichtet, gelten diese Überlegungen auch im vorliegenden Fall: Gemäß § 27 Abs. 3 des NÖ Jagdgesetzes hat der Gesellschaftsvertrag sämtliche Mitglieder der Jagdgesellschaft mit Namen, Geburtsdaten, Beruf und Wohnsitz, den bestellten Jagdleiter sowie das Jagdgebiet zu enthalten. Im Gesellschaftsvertrag muß die Verpflichtung vorgesehen werden, Mitglieder aus der Jagdgesellschaft auszuschließen, denen die Jagdkarte rechtskräftig verweigert oder entzogen worden ist oder die nicht im Besitz einer gültigen Jagdkarte sind. Gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Zahl der zur Jagdpachtung zuzulassenden Mitglieder der Jagdgesellschaft in der Weise zu beschränken, daß in Jagdgebieten mit einem Flächenausmaß bis zu 300 ha, wenn jedoch in dem Jagdgebiet Rot- oder Gamswild als Stand- oder Wechselwild vorkommt, bis zu 450 ha der Jagdgesellschaft nicht mehr als drei Mitglieder angehören; für weitere angefangene 100 ha, bei Vorkommen von Rot- oder Gamswild für weitere angefangene 150 ha ist je ein weiteres Gesellschaftsmitglied zuzulassen.

Diese Bestimmungen zeigen, daß die Anordnung der Schriftlichkeit in § 27 Abs. 1 des NÖ Jagdgesetzes sicherstellen soll, daß die Bezirkshauptmannschaft im Falle der Verpachtung in der Lage ist, ihren Verpflichtungen im Sinne des § 27 Abs. 4 NÖ Jagdgesetz nachzukommen, sowie ferner, daß nicht mehr Mitglieder, als im schriftlichen Pachtvertrag genannt sind, Mitglieder der Jagdgesellschaft sind. Dieser Zweck wird aber nur dann erreicht, wenn ein nicht schriftlich abgeschlossener Gesellschaftsvertrag als rechtsunwirksam (im Sinne der Entscheidung SZ 60/40) angesehen wird (zu diesen Zwecken des § 27 vgl. auch die bei Gürtler/Döltl, Das Niederösterreichische Jagdrecht, 79, abgedruckten Gesetzesmaterialien).

Eine "Jagdgesellschaft X", deren Mitglieder die zwölf im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. März 1992 genannten Personen, darunter auch der Beschwerdeführer, sein könnten, ist somit - mangels eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages - rechtlich nicht existent. Soweit daher der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. März 1992 intendiert, die Verpachtung der Eigenjagd der Stadtgemeinde Stockerau an eine solche Jagdgesellschaft zur Kenntnis zu nehmen, verfehlt er sein Ziel:

Es fehlt für eine wirksame Kenntnisnahme sowohl an einem entsprechenden Pachtvertrag als auch an einer Jagdgesellschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 des NÖ Jagdgesetzes, die möglicher Pächter aufgrund eines solchen Pachtvertrages sein könnte.

Die bescheidmäßige Kenntnisnahme der vorliegenden Art vermag weder die rechtliche Existenz einer Jagdgesellschaft zu begründen noch einen fehlenden Pachtvertrag zu substituieren.

Es erweist sich sohin, daß unter keiner der in Betracht kommenden Deutungsmöglichkeiten des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. März 1992 der Beschwerdeführer als (Mit-)Pächter der gegenständlichen Eigenjagd anzusehen ist.

Die Einbeziehung des Beschwerdeführers in die Unfallversicherung nach dem BSVG ab 1. Jänner 1993 erfolgte deshalb zu Unrecht; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit (§ 44 Abs. 1 BSVG) war das auf den Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren abzuweisen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995080337.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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