TE OGH 2022/4/20 1Ob15/22w

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Veröffentlicht am 20.04.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * A*, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 51.570 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2021, GZ 14 R 156/21w-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. August 2021, GZ 33 Cg 31/20a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Gegen den Kläger wird seit 2018 ein Abgabenverfahren geführt. Er behauptet in diesem Verfahren, dass das mit der Steuerprüfung befasste Finanzamt örtlich unzuständig sei, wirft diesem eine Reihe weiterer Verfahrensverletzungen vor und wendet sich gegen den von der Finanzbehörde vorläufig zugrundegelegten Sachverhalt. Zur näheren „Darlegung“ seiner Vorwürfe holte er zwei Privatgutachten ein, die er im Abgabenverfahren, das bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Amtshaftungsverfahren noch in erster Instanz anhängig war, vorlegte.

[2]            Mit seiner Amtshaftungsklage begehrt der Kläger den Ersatz der für die Gutachten aufgewendeten Kosten. Deren Einholung sei aufgrund der rechtlich unvertretbaren Vorgehensweise der Finanzbehörde – diese habe etwa zu Unrecht eine Betriebsprüfung statt einer Prüfung des Klägers als „Privatperson“ vorgenommen, sein rechtliches Gehör verletzt und sein Vorbringen übergangen, ihm unrichtige Auskünfte erteilt und eine Akteneinsicht verweigert, amtswegige Erhebungen unterlassen, das Verfahren verzögert und seine Entscheidungspflicht sowie das Amtsgeheimnis verletzt – erforderlich gewesen, um diese Fehler „aufzuzeigen“ bzw zu „dokumentieren“. Durch die Gutachten sei außerdem der von der Behörde (vorläufig) angenommene Sachverhalt (über dem Kläger möglicherweise zuzurechnende Bankkonten) widerlegt worden. Der Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten stehe als Rettungsaufwand zu.

[3]            Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Da die Gutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Abgabeverfahren nicht erforderlich gewesen wären, komme ein Ersatz ihrer Kosten als Rettungsaufwand nicht in Betracht. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4]            Mit seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine solche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[5]            1. Rettungsaufwand ist jener Aufwand, der entsteht, um die Gefahr einer Schädigung abzuwenden (vgl RIS-Justiz RS0023516). Er ist – bei Vorliegen der sonstiger Haftungsvoraussetzungen – ersatzfähig, wenn er zu diesem Zweck erforderlich (2 Ob 132/14x) und insoweit zweckmäßig war, als ein vernünftiger Durchschnittsmensch in der Lage des Gefährdeten die Maßnahme ebenfalls ergriffen hätte (RS0023055).

[6]            2. In erster Instanz leitete der Kläger seine Ersatzansprüche (ausdrücklich) nicht daraus ab, dass gegen ihn ein Abgabenverfahren eingeleitet wurde. Ob die Gutachten erforderlich und zweckmäßig waren, um wovon der Revisionswerber erkennbar ausgeht – (auch) die angeblich mangelhafte Begründung der das Steuerprüfungsverfahren einleitenden behördlichen Entscheidungen (Anordnung einer Außenprüfung gemäß § 147 BAO sowie eines Nachschauauftrags gemäß § 144 BAO) „aufzuzeigen“, ist daher nicht zu prüfen.

[7]            3. Der Rechtsmittelwerber steht – wie sich aus seinen Hinweisen auf den Inhalt der beiden Gutachten ergibt – auf dem Standpunkt, dass deren Einholung und Vorlage im Abgabenverfahren auch deshalb notwendig und zweckmäßig gewesen sei, weil er damit die Unzuständigkeit des mit der Abgabenprüfung befassten Finanzamts „aufgezeigt“ habe. Er legt aber nicht dar, inwieweit dadurch eine drohende ungerechtfertigte Abgabenfestsetzung oder ein sonst drohender Schaden abgewehrt werden hätte sollen. Auch in erster Instanz erstattete der Kläger dazu kein Vorbringen, obwohl die Beklagte darauf hinwies, dass sich seinem Vorbringen nicht entnehmen lasse, welcher Schaden ihm durch die behauptete Unzuständigkeit des Finanzamts entstehen könnte. Die Vorinstanzen verneinten eine Ersatzfähigkeit der Kosten der Gutachten, soweit mit diesen die behauptete Unzuständigkeit der Finanzbehörde „aufgezeigt“ werden sollte, als Rettungsaufwand, schon aus diesem Grund in unbedenklicher Weise.

[8]            4. Soweit der Revisionswerber erkennbar die Ansicht vertritt, die Gutachten hätten auch die Unrichtigkeit des von der Finanzbehörde angenommenen Sachverhalts – zur Zurechnung bestimmter Bankkonten – aufgezeigt, behauptete er in erster Instanz nicht, inwieweit diese zu einer konkreten Aufklärung dieser Frage beigetragen hätten. Vielmehr brachte er vor, dass weiter unklar sei, warum die Abfrage des Kontenregisters durch das Finanzamt zu anderen Ergebnissen geführt habe, als die Abfrage desselben Registers durch den Kläger. Dass abweichende Abfrageergebnisse bestanden, war auch ohne die beiden Gutachten evident. Da der Kläger auch in seiner Revision nicht darlegt, inwieweit diese zu einer konkreten Sachverhaltsklärung beigetragen hätten, zeigt er auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[9]            5. Auf die weiteren, in erster Instanz behaupteten Verfahrensfehler der Abgabenbehörde kommt der Kläger – der daraus auch keine drohenden, durch Einholung der beiden Gutachten abzuwendenden Nachteile ableitete – in dritter Instanz nicht zurück, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[10]           6. Der vom Kläger als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob Verfahrenskosten, „die nicht in einem Rechtsmittelverfahren (sondern in erster Instanz) aufgewendet wurden“ oder denen „keine Leistungen eines berufsmäßigen Parteienvertreters zugrundeliegen“, einen ersatzfähigen Rettungsaufwand darstellen können, kommt für die Revisionsentscheidung keine Relevanz zu. Zu ihrer abstrakten Beantwortung ist der Oberste Gerichtshof nicht berufen (vgl RS0111271 [T2]).

[11]           7. Aus der in der Revision ins Treffen geführten Entscheidung zu 1 Ob 231/16a ist für den Kläger nichts zu gewinnen, weil dort bloß dargelegt wurde, dass nur ein zur Schadensabwehr angemessener Aufwand ersatzfähig sein kann. Die Angemessenheit der vom Kläger für die beiden Gutachten aufgewendeten Kosten ist hier aber nicht zu beurteilen, sondern die Berechtigung des Anspruchs dem Grunde nach.

[12]           8. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E134876

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00015.22W.0420.000

Im RIS seit

25.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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