TE OGH 2021/11/30 5Ob206/21m

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Veröffentlicht am 30.11.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. R* K*, 2. S* K*, beide vertreten durch Dr. Michael Seifner, öffentlicher Notar in Mattersburg, wegen Einverleibung eines Wohnungsgebrauchsrechts ob EZ * KG *, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 23. August 2021, AZ 13 R 154/21a, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mattersburg vom 24. Juni 2021, TZ 1719/2021, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       Das Erstgericht wies den Antrag auf Einverleibung eines Wohnungsgebrauchsrechts zu Gunsten der Antragsteller ab.

[2]       Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[3]       Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof im Weg über das Rekursgericht vorlegte und den dieses unter Anschluss des Rechtsmittelakts an den Obersten Gerichtshof weiterleitete.

[4]       Dem Obersten Gerichtshof kommt jedoch derzeit keine Kompetenz zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu.

[5]             1.1. Im Grundbuchsverfahren kann der Beschluss des Rekursgerichts nur nach Maßgabe der §§ 62, 63 und 66 AußStrG angefochten werden (§ 126 Abs 2 GBG).

[6]             1.2. Der Revisionsrekurs ist daher – außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht nach § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG).

[7]             1.3. Besteht ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG (iVm § 126 Abs 1 GBG) auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist dabei – auch im Verfahren außer Streitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS-Justiz RS0042410 [T28]; RS0042515 [T10]; RS0042450 [T8]; RS0109332 [T1]).

[8]            1.4. Wenn eine durch die Entscheidung der zweiten Instanz beschwerte Partei in einem Rechtsmittel geltend machen will, dass eine den Obersten Gerichtshof nicht bindende unzulässige Bewertung oder offenkundige Unterbewertung vorgenommen worden sei, steht ihr die Möglichkeit offen, ungeachtet der Bewertung durch das Gericht zweiter Instanz ein außerordentliches Rechtsmittel zu erheben. Schließt sich der Oberste Gerichtshof dieser Beurteilung an, steht der abweichende Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz der inhaltlichen Behandlung des Rechtsmittels nicht entgegen (5 Ob 146/21p).

[9]            2.1. Der Entscheidungsgegenstand in Grundbuchsachen ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Natur (RS0123020; RS0117829 [T2]). Das gilt – entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber – auch für die Einverleibung eines Wohnungsgebrauchsrechts (vgl 5 Ob 174/16y). Nach der Entscheidung 5 Ob 55/94 ist zwar das Ausgedingsrecht nicht rein vermögensrechtlicher Natur. Die diese Beurteilung rechtfertigenden Überlegungen lassen sich auf ein gewöhnliches Wohnungsgebrauchsrecht aber nicht übertragen.

[10]           2.2. Nach Auffassung des Rekursgerichts übersteigt der Entscheidungsgegenstand hier insgesamt 30.000 EUR nicht. Ist der Wert – wie hier – nicht zwingend vorgegeben, kann das Gericht zweiter Instanz den Wert des Entscheidungsgegenstands zwar nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, die Bewertung hat sich am objektiven Wert der Streitsache zu orientieren (RS0118748 [T1]). Das Gericht zweiter Instanz darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; ist eine solche Fehlbeurteilung offenkundig, dann ist der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RS0118748).

[11]           2.3. Die Revisionsrekurswerber zeigen eine solche offenkundige Überschreitung des dem Rekursgericht eingeräumten Ermessensspielraums bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands nicht auf. Sie machen geltend, dass im Dienstbarkeitsvertrag für die Zwecke der Meldung nach dem Schenkungsmeldegesetz der Wert des mit diesem Vertrag eingeräumten Wohnrechts sowie die für dessen Ermittlung herangezogenen Parameter (Richtwertmietzins und Nutzfläche) angegeben seien und der so errechnete Kapitalwert 30.000 EUR um ein Vielfaches übersteige. Dabei lassen die Revisionsrekurswerber allerdings außer Betracht, dass die Dienstbarkeitsberechtigten nach den getroffenen Vereinbarungen zwar kein Entgelt im engeren Sinn zu zahlen haben, aber auf die Dauer der Ausübung dieser Dienstbarkeit zu sämtlichen mit dem Dienstbarkeitsgegenstand im Zusammenhang stehenden Aufwendungen jedweder Art, und zwar nicht nur allen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten, sondern auch den Erhaltungs- und Instandsetzungskosten einen nach bestimmten Faktoren „angemessenen“ Beitrag zu leisten haben. Vor diesem Hintergrund ist eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zumindest nicht offenkundig.

[12]           3.1. Der Oberste Gerichtshof ist daher an die Bewertung des Rekursgerichts gebunden.

[13]            3.2. Der Entscheidungsgegenstand übersteigt demnach 30.000 EUR nicht und das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Ohne Abänderung dieses Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher jedenfalls unzulässig.

[14]            3.3. Ob der Rechtsmittelschriftsatz der Antragsteller, der keinen ausdrücklichen Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG enthält, zu verbessern ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T14]).

Textnummer

E133765

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00206.21M.1130.000

Im RIS seit

10.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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