Entscheidungsdatum
07.10.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W235 2162481-4/4E
W235 2162484-3/5E
W235 2162483-3/4E
W235 2215344-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , 2. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 3. mj. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , und 4. mj. XXXX , geb. XXXX , 3. und 4. gesetzlich vertreten durch: XXXX , alle StA. Armenien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2021, Zl. 409793106-170101513 (ad 1), Zl. 409793204-170101521 (ad 2), Zl. 471827706-170101564 (ad 3) und Zl. 1211537404-181053727 (ad 4), beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers, des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin. Alle vier Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Armeniens.
1.2. Für die zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Erstbeschwerdeführerin stellten ihre Mutter am 29.01.1999 mündlich (unter Angabe der Identität XXXX ) und ihr Vater am 18.06.1999 schriftlich (unter Angabe der Identität XXXX ) jeweils einen Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 AsylG 1997. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2000, Zl. 99 01.377-BAG, gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen, weil sowohl der Asylantrag des Vaters als auch jener der Mutter der Erstbeschwerdeführerin abgewiesen worden waren. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 14.06.2000, Zl. 216.717/0-IX/26/00, gemäß §§ 10, 11 AsylG 1997 ab.
Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin stellte am 09.01.2001 einen weiteren Asylerstreckungsantrag für die damals minderjährige Erstbeschwerdeführerin, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.04.2001, Zl. 01 00.502-BAG, gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.11.2001, Zl. 216.717/1-IX/26/01, gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen, weil der Asylantrag der Mutter der Erstbeschwerdeführer abgewiesen worden war. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde infolge Zurückziehung der Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren mit Beschluss vom 27.02.2003, Zl. 2002/20/0008, eingestellt.
1.3. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am XXXX in Armenien geboren.
Am 05.03.2007 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für den minderjährigen Zweitbeschwerdeführer (unter Angabe des Namens XXXX ) Anträge auf internationalen Schutz. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.04.2008, Zl. 07 02.341-BAG und Zl. 07 02.342-BAG, wurden der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer weder der Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG noch der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuerkannt und sie wurden unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.
1.4. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich geboren.
Der Vater des Drittbeschwerdeführers stellte für diesen am 23.09.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG (unter Angabe des Namens XXXX ). Mit Bescheid vom 18.12.2008, Zl. 08 09.069-BAG, wies das Bundesasylamt den Antrag des minderjährigen Drittbeschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab und wies ihn unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien aus.
1.5. Die gegen die unter Punkt 1.3. und 1.4. angeführten Bescheide erhobenen Beschwerden wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 02.02.2009, Zl. E11 216.717-3/2008, Zl. E11 319.071-1/2008 und Zl. E11 403.818-1/2009, gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 2 AsylG als unbegründet ab. Die Behandlung der gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden der Erst-, des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 16.06.2009, U 425-427/09, ab.
1.6. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 16.07.2009 erneut für sich und den (damals) minderjährigen Zweit- sowie den minderjährigen Drittbeschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 16.10.2009, Zl. 09 08.436-EAST Ost, Zl. 09 08.437-EAST Ost und Zl. 09 08.438-EAST Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Unter einem wurden die drei Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 13.11.2009, Zl. E14 216.717-4/2009, Zl. E14 319.071-2/2009 und Zl. E14 403.818-2/2009, wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.
2.1. Am 24.01.2017 beantragte die Erstbeschwerdeführerin abermals für sich (unter Verwendung der Identität XXXX ) und für den damals minderjährigen Zweitbeschwerdeführer sowie für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer (unter Angabe der Namen XXXX ) die Gewährung internationalen Schutzes.
2.2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung brachte die Erstbeschwerdeführerin jeweils Kopien der Datenseite der Reisepässe in Vorlage und gab im Wesentlichen an, sie seien am XXXX .2016 aus XXXX mit dem Flugzeug über Moskau nach Wien mit einem gültigen spanischen Touristenvisum geflogen. Ihr mitgereister Ehemann [Anm.: gemeint: Lebensgefährte] habe ihren Reisepass samt dem Visum mitgenommen, als er wieder aus Österreich ausgereist sei. Der Aufenthalt ihres „Ehemannes“ sei ihr nicht bekannt. Sie habe die Grundschule in XXXX von September 1991 bis Mai 1999 sowie ein Jahr die Hauptschule in XXXX besucht und verfüge über eine Berufsausbildung als Ballettlehrerin. In Österreich würden sich, abgesehen von den mit ihr mitgereisten Zweit- und Drittbeschwerdeführer, ihre Eltern und zwei Schwestern aufhalten.
2.3. Der Erstbeschwerdeführerin wurde weiters am 24.01.2017 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Spanien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 25.01.2017 unter Hinweis auf die spanischen Schengen-Visa (gültig von 24.11.2016 bis 24.05.2017) ein auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Spanien.
Am 09.02.2017 stimmten die spanischen Behörden diesem Ersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO ausdrücklich zu (vgl. AS 91 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 16.02.2017 wurde der Erstbeschwerdeführerin, dem Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Spanien angenommen wird.
2.4. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 01.03.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Rechtsberaters und einer Vertrauensperson an, dass sie sich gesund fühle und derzeit nicht in ärztlicher Behandlung sei. Sie nehme Schmerzmittel gegen Gelenksschmerzen. Wegen eines gebrochenen Knochens habe sie auch eine Beinoperation gehabt. Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer seien gesund und würden keine Medikamente nehmen. Die Frage, ob sie im Bereich der Europäischen Union Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung bestehe, verneinte die Erstbeschwerdeführerin, gab jedoch an, dass sich in Österreich ihre Eltern, zwei Schwestern und ein Onkel väterlicherseits mit seiner Familie aufhalten würden. Sie lebe mit dem Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Schwester. Von ihrer Familie bekomme sie Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld je nach Bedarf. Ihr Mann, der der Vater des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers sei, sei nicht in Armenien und sie wisse nicht, wo er sich aufhalte. Er wolle nicht nach Österreich, weil er schon einmal abgeschoben worden sei. Die Erstbeschwerdeführerin habe zwar keinen Kontakt zu ihrem Mann, aber sie hätten sich nicht getrennt. Konfrontiert mit dem Umstand, dass geplant sei, die Anträge gemäß § 5 AsylG wegen der Zuständigkeit Spaniens zurückzuweisen, gab sie an, ihre ganze Familie sei in Österreich. Die Erstbeschwerdeführerin könne etwas Deutsch, habe aber Probleme mit den Knochen und würde bei der Verpflegung des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers von ihrer Familie unterstützt werden. Diese beiden Beschwerdeführer würden in Österreich die Schule besuchen. Ihre Familie sei bereit, sämtliche Kosten für die Beschwerdeführer zu übernehmen. In Spanien hätten sie niemanden. Die Erstbeschwerdeführerin ersuche um eine Prüfung des Verfahrens in Österreich. Sie sei bereit einen Beruf zu erlernen und zu arbeiten.
3.1. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2017 wurden die Anträge der drei Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zuständig ist (Spruchpunkte I.). Gleichzeitig wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkte II.).
3.2. Der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2017 gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schreiben vom 30.06.2017 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die spanischen Behörden darüber in Kenntnis, dass die Beschwerdeführer ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung erhoben haben und sohin die Überstellungsfrist bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gehemmt ist.
3.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2017, wurde die Beschwerde gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
Eine für den 18.09.2017 geplante Überstellung der Beschwerdeführer scheiterte, da die Festnahme negativ verlief (vgl. AS 475 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Am 20.10.2017 konnten die Beschwerdeführer an der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Wohnadresse nicht angetroffen werden. Die Bewohnerin der Wohnung gab an, dass ihr die Beschwerdeführer nicht bekannt seien Die beiden Schwestern der Erstbeschwerdeführerin gaben an, die Erstbeschwerdeführerin befinde sich in Wien und ihnen seien keine Kontaktdaten bekannt. Die Ladung für den 31 .10.2017 wurde einer Schwester der Erstbeschwerdeführerin ausgefolgt.
Zum Ladungstermin am 31.10.2017 wurde diese Schwester der Erstbeschwerdeführerin vorstellig; die Beschwerdeführer erschienen jedoch nicht. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin wurde eine Bestätigung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX .10.2017 in Vorlage gebracht, wonach sie „wegen Krankheit“ vom XXXX .10.2017 bis XXXX .11.2017 nicht in der Lage wäre, ihren Beruf auszuüben (vgl. AS 631 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Bei einer Nachschau an der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Wohnadresse am 31.10.2017 um 11:00 Uhr und um 20:00 Uhr sowie am 01.11.2017 um 9:20 Uhr durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes konnten die Beschwerdeführer nicht angetroffen werden. Die Eltern und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin gaben an, die Erstbeschwerdeführerin sei in den Morgenstunden mit den Zweit- und Drittbeschwerdeführern nach Traiskirchen gefahren, weil sie einen Termin hätten.
Daher wurde die für den 02.11.2017 geplante Überstellung der Beschwerdeführer nach Spanien storniert (vgl. AS 635 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Bei dem Zustellversuch einer Ladung für den 14.11.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes konnten die Beschwerdeführer am 06.11.2017 um 16:00 Uhr nicht an der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Wohnadresse angetroffen werden. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin gab an, er wisse nicht, wann sie zurückkämen. Sie wären in Wien und würden sich nur ab und zu in XXXX aufhalten. Eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin gab an, nicht zu wissen, wo sich die Erstbeschwerdeführerin aufhalte (vgl. AS 703 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Am 07.11.2017 wurde der damalige Rechtsvertreter der Erstbeschwerdeführerin per E-Mail ersucht, den Beschwerdeführern die Ladung für den 14.11.2017 zur Kenntnis zu bringen.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 14.11.2017 ohne den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer vorstellig. Sie gab an, die beiden Beschwerdeführer seien krank und die Mutter der Erstbeschwerdeführerin passe auf sie auf. Am gleichen Tag erschienen der Lebensgefährte und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin samt Ehemann vor der Verwaltungsbehörde (vgl. AS 715 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Die für den 16.11.2017 geplante Überstellung der Beschwerdeführer wurde storniert, weil eine gemeinsame Festnahme der Erstbeschwerdeführerin mit den beiden (damals) minderjährigen Beschwerdeführern nicht möglich war.
Am 06.12.2017 wurden die Beschwerdeführer an der im Zentralen Melderegister aufscheinenden Adresse amtlich abgemeldet.
Nachschauen an dieser Adresse sowie an den Adressen der beiden Schwestern der Erstbeschwerdeführerin zwecks Vollziehung eines Festnahmeauftrages verliefen am 17.12.2017 um 7:00 Uhr und um 20:15 Uhr sowie am 18.12.2017 um 9:54 Uhr respektive um 10:10 Uhr negativ (vgl. AS 901 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Mit Schreiben vom 18.12.2017 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den spanischen Behörden mit, dass die für den 19.12.2017 geplante Überstellung storniert wird und die Überstellung verschoben werden muss, weil die Beschwerdeführer flüchtig sind. Daher wird die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert (vgl. AS 919 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
4.1. Die Viertbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren.
Gemäß § 17a Abs. 2 AsylG wurde für die Viertbeschwerdeführerin am 06.11.2018 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit Schreiben vom 06.11.2018 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die spanische Dublinbehörde von der Geburt der Viertbeschwerdeführerin in Kenntnis (vgl. AS 15 im Akt der Viertbeschwerdeführerin).
4.2. Am 23.11.2018 wurden alle vier Beschwerdeführer und der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin festgenommen. Die Erstbeschwerdeführerin hyperventilierte im Zuge der Festnahme und wurde in das Landeskrankenhaus XXXX gebracht, wo sie ambulant medizinisch versorgt und am gleichen Tag entlassen wurde.
Die Beschwerdeführer wurden zunächst dem Polizeianhaltezentrum XXXX und später dem Polizeianhaltezentrum Wien XXXX übergeben. Der (im damaligen Zeitpunkt noch minderjährige) Zweitbeschwerdeführer konnte während der Festnahmehandlung untertauchen.
Die Erstbeschwerdeführerin verweigerte am gleichen Tag die Übernahme der Bescheide vom 23.11.2018 über die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG und die Übernahme einer Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG (vgl. AS 1157 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin wurde am 24.11.2018 aus der Anhaltung ohne Verhängung der Schubhaft entlassen. Die Beschwerdeführer kamen ihrer Meldeverpflichtung seit dem 25.11.2018 (22:00 Uhr) nicht mehr nach und waren unbekannten Aufenthalts.
Im Rahmen der Festnahmehandlung wurden am 23.11.2018 Aufenthaltstitel der Erstbeschwerdeführerin und ihres Lebensgefährten für Polen im Scheckkartenformat sichergestellt.
Daraufhin richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.11.2018 unter Hinweis auf den bis 31.01.2021 gültigen polnischen Aufenthaltstitel der Erstbeschwerdeführerin betreffend die Beschwerdeführer und den Lebensgefährten der Erstbeschwerdeführerin auf Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 3 Dublin-III-VO gestützte Aufnahmegesuche an Polen (vgl. AS 1339 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Mit Schreiben vom 03.12.2018 stimmte die polnische Dublin-Behörde dem Aufnahmegesuch betreffend die Erstbeschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu und ersuchte um Übermittlung der Geburtsurkunden hinsichtlich der minderjährigen Beschwerdeführer (vgl. AS 1357 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Am 07.12.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Geburtsurkunde der Viertbeschwerdeführerin und Kopien der Reisepässe der Zweit- und Drittbeschwerdeführer an Polen (vgl. AS 1359 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Mit Schreiben vom 11.12.2018 stimmte die polnische Dublinbehörde der Überstellung der drei minderjährigen Beschwerdeführer gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO ebenfalls zu (vgl. AS 161 im Akt des Zweitbeschwerdeführers).
4.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019 gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie sei derzeit nicht in ärztlicher Behandlung. Sie nehme Beruhigungsmittel sowie Medikamente gegen Schmerzen und gegen nervöse Herzprobleme. Die Frage nach Neuigkeiten hinsichtlich ihrer familiären Verhältnisse verneinte sie und gab an, es sei alles gleich geblieben. Der Zweitbeschwerdeführer sei ein erfolgreicher Schüler und wolle seine Ausbildung hier abschließen, weil er sehr gut Deutsch spreche. Der Drittbeschwerdeführer könne zwar Deutsch schreiben, Armenisch könne er aber nur sprechen. Alle drei minderjährigen Beschwerdeführer seien gesund. Allerdings seien sie sehr ängstlich und hätten Angst vor der Polizei wegen des Polizeieinsatzes. Ihr Mann und der Zweitbeschwerdeführer würden nicht gemeinsam bei ihr und dem Dritt- sowie der Viertbeschwerdeführerin wohnen. Die Erstbeschwerdeführerin habe keine behördliche Meldeadresse und habe sich bei ihrer Mutter in XXXX aufgehalten.
Befragt nach den polnischen Aufenthaltstiteln führte sie aus, sie hätten einen Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt, nachdem das Verfahren hier negativ geworden sei. Ihr Mann habe bereits einen Aufenthaltstitel für Polen gehabt. Sie habe die Heiratsurkunde vorlegen müssen und daraufhin auch einen Aufenthaltstitel bekommen. Konfrontiert mit dem Umstand, dass geplant sei, die Beschwerdeführer nach Polen zu überstellen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer gingen in die Schule und sie wolle das Sorgerecht auf eine ihrer Schwestern übertragen. Die Erstbeschwerdeführerin selbst sei seit 1999 in Österreich und sogar in die Schule gegangen. In Polen hab sie keine Chance eine Arbeit zu finden, und sie sowie die minderjährigen Beschwerdeführer würden die Sprache nicht kennen. Die ganze Familie der Erstbeschwerdeführerin befinde sich in Österreich; in Polen hab Sie niemanden. Sie habe psychische Probleme und brauche die Hilfe ihrer Mutter und ihrer Geschwister.
Der (damals noch) minderjährige Zweitbeschwerdeführer gab im Rahmen seiner eigenen niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom gleichen Tag in Anwesenheit seines Vaters als gesetzlicher Vertreter im Wesentlichen an, er sei gesund und nehme keine Medikamente. Er lebe mit seinem Vater zusammen, wolle in Österreich weiter in die Schule gehen und hier an einer Universität studieren. Seine Muttersprache sei Armenisch, aber er spreche auch sehr gut Deutsch sowie Russisch und auch gut Englisch. In Polen müsse er die polnische Sprache lernen. Der Zweitbeschwerdeführer habe sich in Österreich integriert und Freunde gefunden.
5.1. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019 wurden der Erstbeschwerdeführerin, dem Zweitbeschwerdeführer und dem Drittbeschwerdeführer Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte I.) und gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG Anordnungen zur Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebungen nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sind (Spruchpunkte II.).
Mit Bescheid vom 09.01.2019 betreffend die Viertbeschwerdeführerin wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ihren Antrag auf internationalen Schutz vom 06.11.2018 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO zuständig ist (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Viertbeschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.).
5.2. Nachdem den erhobenen Beschwerden mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2019 gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.04.2019 die gegen die vier Bescheide erhobene Beschwerde bezüglich der Erst- bis Drittbeschwerdeführer gemäß § 57 AsylG und § 61 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 FPG sowie bezüglich der Viertbeschwerdeführerin gemäß § 5 AsylG und § 61 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 FPG als unbegründet ab und ließ die Revision zu.
Begründend wurde hierbei angeführt, dass die vormals bestehende Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung der am 24.01.2017 gestellten Anträge in Österreich durch die Erteilung eines polnischen Aufenthaltstitels an die Erstbeschwerdeführerin gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO als Sonderzuständigkeitsnorm auf Polen übergegangen sei und dass hinsichtlich des Zweit- und Drittbeschwerdeführers Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO zur Anwendung gelange. Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erst am 23.11.2018 von dem an die Erstbeschwerdeführerin ausgestellten Aufenthaltstitel für Polen erfahren habe, sei es der Behörde erst ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen, den inzwischen eingetretenen Zuständigkeitsübergang auf Polen geltend zu machen und ein entsprechendes (unter Anwendung des Art. 24 Dublin III-VO) Konsultationsverfahren mit Polen einzuleiten. Da Polen mit Schreiben vom 03.12.2018 und vom 11.12.2018 dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zugestimmt habe, sei die Überstellungsfrist im Sinne von Art. 29 Dublin III-VO noch offen, möge auch die auf 18 Monate verlängerte seinerzeitige Überstellungsfrist im Hinblick auf das erste Konsultationsverfahren (mit Spanien) bereits abgelaufen sein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die Anordnungen zur Außerlandesbringung hinsichtlich der Parteien zu Recht auf § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gestützt. Eine Revision sei zur Klärung der Frage zulässig, ob zwecks Effektuierung der praktischen Wirksamkeit der in Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO begründeten Zuständigkeit Polens § 61 Abs. 1 Z 2 FPG - wie vom Bundesverwaltungsgericht dargelegt - zu interpretieren sei. Allenfalls könnte auch unionsrechtlich nicht klar sein, ob die „entwickelte Sichtweise“, dass die im Jahr 2017 in Österreich gestellten Anträge, für die Spanien zuständig gewesen sei, nun in die Zuständigkeit Polens fielen und diese Zuständigkeit im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 24 Dublin III-VO geltend zu machen sei, zutreffend sei.
5.3. Am 30.04.2019 wurde Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2019 erhoben, der mit Beschluss vom 02.05.2019 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Mit Schreiben vom 03.05.2019 wurden die polnischen Behörden abermals über das mit aufschiebender Wirkung erhobene Rechtsmittel informiert und darauf verwiesen, dass die Frist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erst zu laufen beginnt, nachdem eine Entscheidung ergangen ist.
Mit Erkenntnis vom 04.03.2020, Ro 2019/21/0008 bis 0010, behob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit es die Erstbeschwerdeführerin, den Zweit- sowie den Drittbeschwerdeführer betraf. Mit Verweis auf die
Begründung dieser Entscheidung wurde das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.04.2019 sodann – von einem anderen Senat des Verwaltungsgerichtshofes – im Hinblick auf die Viertbeschwerdeführerin ebenfalls behoben (siehe VwGH vom 07.05.2020, Ro 2019/18/0004).
5.4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.01.2021 wurden die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019 gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
In der Folge wurden die polnischen Behörden mit Schreiben vom 05.02.2021 darüber informiert, dass keine aufschiebende Wirkung mehr besteht (vgl. AS 1931 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
6.1. Nach Zulassung der Verfahren wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2021 gemäß § 68 Abs. 2 AVG die Bescheide des Bundesamtes vom 05.06.2017 von Amts wegen aufgehoben.
6.2. Im Rahmen der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2021 gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie fühle sich psychisch und physisch in der Lage die Befragung zu absolvieren; ihr Vater sei jedoch vor drei Tagen verstorben. Sie fühle sich gesund, sei derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Auch der Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin seien nicht in ärztlicher Behandlung und würden keine Medikamente nehmen. Weiters gab sie an, dass die Viertbeschwerdeführerin keinen Kindergarten besuche. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin - bestehend aus ihrer Mutter, ihren Schwestern und den Kindern ihrer Schwester sowie einem Onkel mit dessen Familie - lebe in Österreich. Die Erstbeschwerdeführerin wohne mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern bei ihrer älteren Schwester und deren Kindern. Die Muttersprache des Drittbeschwerdeführers sei quasi Deutsch und der Zweitbeschwerdeführer besuche eine Handelsakademie. Die Erstbeschwerdeführerin habe in Österreich kein Einkommen, wolle sich aber mit einem Nagelstudio selbständig machen. Sie bekomme Unterstützung von der Caritas. Die Erstbeschwerdeführerin habe Integrationsschritte gesetzt, da sie hier zur Schule gegangen sei und eine Ballettschule sowie einen Sprachkurs besucht habe. Die Beschwerdeführer seien in Österreich integriert. Die Schulbildung der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer würde im Fall einer Außerlandesbringung zerstört werden und die Erstbeschwerdeführerin pflege ihre krebskranke Mutter. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes, die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer zurückzuweisen und die Beschwerdeführer nach Polen auszuweisen, erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass ihr Lebensmittelpunkt Österreich sei und sie in Polen niemanden habe. Eine Person, die für die Probleme ihres Mannes verantwortlich sei, würde sich in Polen aufhalten, dazu möge man ihrem Mann befragen. Freiwillig werde sie nicht nach Polen gehen.
Der Zweitbeschwerdeführer gab im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom gleichen Tag in Anwesenheit seiner Mutter als Vertrauensperson im Wesentlichen an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage die Befragung zu absolvieren; er sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Seine ganze Familie lebe in Österreich und er lebe mit der Erstbeschwerdeführerin, dem Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin und seiner Tante zusammen. Er besuche eine Handelsakademie in Österreich, habe die deutsche Sprache gelernt, sei Mitglied in einem Boxverein und habe hier Freunde. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes, die Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen und die Beschwerdeführer nach Polen auszuweisen, erklärte der Zweitbeschwerdeführer, dass er sich hier beheimatete fühle und sich nicht vorstellen könne nach Polen zu gehen.
Im Zuge dieser Einvernahmen wurden zwei Nachweise über absolvierte Nageldesignkurse der Erstbeschwerdeführerin und eine Schulbestätigung des Drittbeschwerdeführers betreffend den Jahrgang 2020/2021 vorgelegt.
7.1. Mit dem nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2021 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung ihres Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Erstbeschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig ist.
Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin armenische Staatsangehörige sei. Sie verfüge über Deutschkenntnisse, eine Berufsausbildung zur Ballettlehrerin und eine abgeschlossene Ausbildung zur Nageldesignerin. Die Erstbeschwerdeführerin sei als voll erwerbsfähig anzusehen und würde über maßgebliche familiäre Beziehungen in Österreich verfügen. Wahrscheinlich leide sie an Polyarthrosen bei sportbedingter Hypermobilität. Eine der Überstellung nach Polen im Wege stehende Krankheit habe nicht festgestellt werden können. Es habe ein polnischer Aufenthaltstitel sichergestellt werden können. Die polnischen Behörden hätten einer Übernahme der Erstbeschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO zugestimmt. Die vormals aufgrund des spanischen Visums bestehende Zuständigkeit Spaniens sei durch die Erteilung eines polnischen Aufenthaltstitels gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO als Sonderzuständigkeit auf Polen übergegangen. Eine besondere Integrationsverfestigung der Erstbeschwerdeführerin in Österreich könne nicht festgestellt werden. Sie lebe mit den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern bei ihrer Kernfamilie in einem Haushalt und werde finanziell unterstützt.
Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich im Verfahren keine Hinweise auf körperliche Krankheiten oder psychische Störungen ergeben hätten. Es sei zwar kein Eurodac-Treffer zu Spanien vorgelegen, aber aufgrund der Visa-Abfrage sei zunächst die Zuständigkeit Spaniens festgestanden. Aufgrund des sichergestellten polnischen Aufenthaltstitels sei ein Konsultationsverfahren mit Polen eingeleitet worden und die polnischen Behörden hätten der Übernahme der Erstbeschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO zugestimmt. Die polnischen Behörden hätten mitgeteilt, dass die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO übernommen würden. Die Feststellungen zum Familienleben würden auf den nicht anzuzweifelnden Angaben der Erstbeschwerdeführerin beruhen. Betreffend die Lage im Mitgliedstaat wurde ausgeführt, dass diese Feststellungen auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren würden.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergebe, dass Art. 12 Abs. 1 iVm Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Unter Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen hätten sich im gegenständlichen Verfahren keine Hinweise ergeben, dass durch eine Außerlandesbringung in unzulässiger Weise in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privatlebens eingegriffen werde. Insbesondere vermöge die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet kein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Recht auf Achtung des Privatlebens zu begründen. Auch sei anzunehmen, dass der Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet seit 2017 nur durch den zeitweiligen faktischen Abschiebeschutz möglich gewesen wäre und sie zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen habe können, dass ihr Aufenthalt in Österreich dauerhaft wäre. Polen sei bereit, die Erstbeschwerdeführerin einreisen zu lassen und ihren Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Polen treffenden Verpflichtungen der Erstbeschwerdeführerin gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Weder systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber, noch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK in Polen habe substanziiert geltend gemacht werden können. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es ergebe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO. Das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse werde durch die Missachtung melderechtlicher Vorschriften verstärkt. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständlichen Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
7.2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2021 wurden die Anträge des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers sowie der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde die Außerlandesbringung des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers sowie der Viertbeschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig ist.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sowie die Viertbeschwerdeführerin Staatsangehörige Armeniens seien. Sie seien unbescholten und würden über maßgebliche private und familiäre Beziehungen in Österreich verfügen. Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer würden über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen und seien Schüler. Alle drei Beschwerdeführer würden an keinen schweren psychischen Störungen oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leiden. Die polnischen Behörden hätten mitgeteilt, den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer sowie die Viertbeschwerdeführerin gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO zu übernehmen. Es werde festgestellt, dass die drei Beschwerdeführer Familienbezug in Österreich hätten.
Darüber hinaus ergingen in den jeweiligen Begründungen der Bescheide der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer inhaltlich gleichlautende Ausführungen wie in dem die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid.
8. Gegen die oben angeführten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 21.05.2021 im Wege ihres nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde ausgeführt, dass Polen nicht zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sei. Die Aufenthaltstitel seien bereits abgelaufen. Die Familie lebe schon seit etwa fünf Jahren in Österreich, spreche Deutsch und sei integriert. Zu Polen bestehe kein Nahebezug. In Polen drohe den Beschwerdeführern eine Kettenabschiebung in ein Land, in dem sie seit Jahren nicht mehr gewesen seien und wo ihnen eine humanitäre Notlage drohe. Polen übernehme die Zuständigkeit nicht mehr, weshalb die Zuständigkeit von Österreich zu akzeptieren wäre.
9. Mit Beschluss vom 02.06.2021 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.
Zu A) Zurückverweisung:
1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
1.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.
Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.
Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).
1.3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) […]
Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Art. 19 Übertragung der Zuständigkeit
(1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1.
[…]
Art. 20 Einleitung des Verfahrens
[…]
(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ei