TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/4 96/02/0273

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Veröffentlicht am 04.10.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. April 1996, Zl. UVS-03/P/30/00408/95, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. April 1996 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei am 18. April 1994 um 15.45 Uhr an einem näher umschriebenen Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkws an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe es unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. c StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus folgenden

Gründen als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. c StVO immer dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat; dies ist nicht nur dann der Fall, wenn ein Unfallsbeteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt, sondern auch dann, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO gegeben ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0033).

Eine Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO - die Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes nach einem Verkehrsunfall durch einen Unfallbeteiligten - kann durch die unterschiedlichsten Verhaltensweisen begangen werden. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift liegt nicht nur beim Verlassen der Unfallstelle vor Eintreffen der von einem Unfallbeteiligten herbeigerufenen Polizei oder Gendarmerie, sondern etwa auch beim Alkoholgenuß nach dem Unfall oder beim Nichtbelassen des Fahrzeuges an der Unfallstelle (das Belassen wird immer dann notwendig sein, wenn dies zur Feststellung des Sachverhaltes dienlich ist oder dienlich sein kann, vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0009) vor. Es ist daher von besonderer Bedeutung, daß das Verhalten einer solchen Übertretung für schuldig erkannten Person, welches als Unterlassung der Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung qualifiziert wird, eindeutig umschrieben wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dies im Spruch des Straferkenntnisses zu erfolgen, eine Umschreibung in der Begründung genügt nicht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 93/02/0324). Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren sei folgendes bemerkt: Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. März 1993, Zl. 92/03/0033) ist die Berufungsbehörde, wenn der Bescheidspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, weil z.B. wie im vorliegenden Fall nicht alle Tatbestandsmerkmale genannt werden, verpflichtet, dies in ihrem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen, da sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, wobei die Berichtigung eines Tatbestandsmerkmales durch die Berufungsbehörde voraussetzt, daß innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG eine entsprechende Verfolgungshandlung hinsichtlich dieses Merkmales erfolgt ist. Auch ist die Behörde nicht verpflichtet, weitere Ermittlungsschritte in Hinsicht auf die Anschrift eines vom Beschuldigten nominierten Entlastungszeugen zu pflegen, wenn auch der Beschuldigte nicht in der Lage ist, die nunmehrige Adresse dieses Zeugen anzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0116). Weiters entspricht es AUCH der hg. Rechtsprechung nach § 4 Abs. 1 StVO, daß Verstöße gegen diese Vorschrift auch fahrlässig begangen werden und Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, daß dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personen- oder Sachschaden zu erkennen vermocht hätte, wobei der Lenker eines Fahrzeuges bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die Gefahr besteht, daß es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (vgl. zur Beschädigung eines Außenspiegels bei "knappem" Vorbeifahren das hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/03/0274). Dabei kann noch zusätzliche Bedeutung haben, daß ein beteiligter Fahrzeuglenker darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß sein Fahrverhalten die Ursache für einen Verkehrsunfall gewesen sein könne (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0156).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Umsatzsteuer für den Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil es sich beim insoweit zuerkannten Betrag um einen pauschalierten handelt, der die Umsatzsteuer miteinschließt.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Ablehnung eines Beweismittels Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Identitätsnachweis Inhalt des Spruches Diverses Meldepflicht Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes Nachtrunk Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996020273.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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