TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/29 W282 2248625-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W282 2248625-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX und hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft bis 27.11.2021 zu Recht:

A)       

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX 2021 bis 27.11.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und Abs. 6 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 3 u. 4 VwG-AufwErsV hat die Beschwerdeführerin dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag auf Kostenersatz der Beschwerdeführerin wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Zum Verfahrensgang:

1.1 Die BF – eine nigerianische StA. - reiste zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2020 in das Bundesgebiet ein, nachdem ein ihr gewährter italienischer Aufenthaltstitel bereits im Jahr 2019 abgelaufen war. Die BF entzog sich hiermit der italienischen Justiz, da sie im Jahr 2018 rechtskräftig in zweiter Instanz vom Berufungsgericht Napoli mit Urteil vom XXXX 20214, rechtkräftig seit 14.2.2018, zur Zahl XXXX in ihrer Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 8 Jahren und einer Geldstrafe von 30tsd Euro verurteilt worden ist. Die BF verbrachte 2 Tage in Untersuchungshaft, womit ein Strafrest von 7 Jahren 11 Monaten 28 Tagen verbleibt; die BF hat diese Haftstrafe in Italien nie angetreten.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass die BF im Jahr 2008 mit Mittätern in Italien eine große Menge Suchtgift, nämlich „120,569 Gramm Heroin [..] und 243,247 Gramm Kokain“ zur Veräußerung an Dritte besessen hat und damit das Verbrechen des illegalen Handels mit Drogen und psychotropen Stoffen iSd Art. 110 des italienischen Strafgesetzbuches verwirklicht hat.

Gegen die BF besteht ein europäischer Haftbefehl aufgrund dieser Verurteilung. Weiters besteht eine Fahndung der US-amerikanischen Bundespolizei FBI via Interpol hinsichtlich der BF.

1.2. Die BF wurde am 01.07.2021 vom Beamten des LKA Wien bei einer Geldübergabe am Wiener Hauptbahnhof festgenommen und wurde am 02.07.2021 über die Untersuchungshaft verhängt; diese wurde zuerst in der JA Klagenfurt, dann in der JA-Josefstadt in Wien vollzogen. Die BF stand im Verdacht als Teil einer Tätergruppe gewerbsmäßige Betrugshandlungen vollzogen zu haben, die darin bestanden einem Opfer unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (Beziehungsabsichten, „Love-Scamming“) hohe Geldbeträge herauszulocken. Die Rolle der BF war hierbei jene des Geldkuriers; sie erhielt pro Übergabe ca. 1.500,- €. Die BF zeigte sich bei ihrer Beschuldigteneinvernahme hierzu geständig. Die BF wurde ungeachtet dessen von diesem strafrechtlichen Vorwurf am XXXX 2021 vom LG für Strafsachen Wien zur Zl. XXXX freigesprochen.

1.3. Die BF wurde am XXXX 2021 aufgrund dieses Urteils mangels Fortsetzung der Auslieferungshaft an die italienischen Behörden aus der Justizanstalt kurzfristig enthaftet, da die italienischen Behörden nicht fristgerecht auf die Auslieferungsanfrage geantwortet hatten. Die BF wurde aufgrund eines vom Bundesamt erlassenen Festnahmeauftrags festgenommen. Hiernach wurde die BF in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) verbracht, wo sie einvernommen wurde. Dabei gab sie an, sich seit ca. 2 Jahren im Bundesgebiet aufzuhalten. Sie wolle zwar nicht nach Nigeria zurück, werde dort aber weder verfolgt oder sonst bedroht, lediglich in ihr Heimatdorf könnte sie wegen eines Familienstreits nicht zurück.

1.4. Mit verfahrensggst. Mandatsbescheid vom XXXX 2021 wurde über die BF die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängt. Die BF wurde seit XXXX 2021 im PAZ Rossauer Lände in Wien in Schubhaft angehalten.

1.5. Am 24.11.2021 langte die ggst. Schubhaftbeschwerde gemäß § 22a Abs.1 Z 3 BFA-VG beim BVwG ein. Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungahme.

1.6. Am 25.11.2021 wurde die BF nachmittags erneut im PAZ im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme einvernommen. Auch bei dieser Einvernahme gab die BF an, nicht verfolgt zu werden, es gebe lediglich familiäre Probleme in ihrem Heimatdorf. Am Ende dieser Einvernahme teilte das Bundesamt der BF mit, dass gegen die eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen werde.

1.7. Am Morgen des 26.11.2021 stellte die BF aus dem Stande der Schubhaft im PAZ einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag folgte das Bundesamt der BF einen umfangreich begründeten Aktenvermerkt aus, in dem festgehalten ist, dass das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 6 FPG davon ausgehe, dass die Asylantragstellung in Verzögerungs- bzw. Vereitelungsabsicht zur Durchsetzung der noch zu erlassenden aufenthaltsbeenden Maßnahme gestellt wurde.

1.8. Am 27.11.2021 wurde die BF aus gesundheitlichen Gründen aus der Schubhaft in eine Krankenanstalt entlassen, nachdem bei einer Untersuchung durch den Amtsarzt des PAZ ein Verdacht auf innere Blutungen hervorgekommen war. Die BF ist seit 27.11.2021 haftunfähig. Die BF befindet sich somit zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Schubhaft.

2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

2.1 Die BF ist nicht österreichische Staatsangehörige, sie Staatsangehörige Nigerias, weiters ist sie volljährig und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Sie ist weder Asylberechtigte, noch subsidiär Schutzberechtigte. Die BF war bis 27.11.2021 haftfähig.

2.2. Die BF reiste zu nicht mehr feststellbarem Zeitpunkt um den Jahresbeginn 2020 von Italien aus illegal in das Bundesgebiet ein. Die BF war im Besitz eines italienischen Aufenthaltstitels, der im März 2019 nicht verlängert wurde und ablief. Die BF lebte in der Folge in Wien in der Wohnung mit der Adresse XXXX , XXXX Wien. Es handelt sich hierbei um die Wohnung des Ex-Freundes der BF. Die BF war dort – wie auch sonst – aus Eigenem niemals behördlich gemeldet.

2.3 Die BF ist in Italien wegen Suchtgifthandels mit einer großen Menge Suchtgift rk. vorbestraft. Die BF hat sich dem Vollzug ihrer Freiheitsstrafe durch die Ausreise nach Österreich entzogen. Die BF wurde in zweiter Instanz vom Berufungsgericht Napoli (Italien) mit Urteil vom XXXX 20214, rechtkräftig seit 14.2.2018, zur Zahl XXXX in ihrer Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 8 Jahren und einer Geldstrafe von 30tsd Euro verurteilt. Die BF hat diese Freiheitsstrafe bis dato nicht verbüßt und wird sie mittels eines europäischen Haftbefehls von den italienischen Behörden gesucht. Weiters besteht via Interpol eine Personenfahndung des FBI hinsichtlich der BF.

2.3. Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet über keinen nennenswerten Grad der sozialen Verankerung. Sie hat keinen gesicherten Wohnsitz, keine sozial verfestigten Kontakte im Bundesgebiet und ging nie einer legalen Erwerbstätigkeit zur Bestreitung ihrer Existenzmittel nach. Die BF ging illegalen Beschäftigungen nach, um Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

2.4. Die BF war im Bundesgebiet mit Ausnahme ihrer Aufenthalte in Justizanstalten bzw. Polizeianhaltezentren niemals behördlich gemeldet. Die BF verfügt über die Zusage einer Wohnmöglichkeit bei XXXX (in Folge „G.M.“), XXXX , XXXX . Die BF war an dieser Adresse niemals behördlich gemeldet. Eine sozial verfestigte persönliche Beziehung zu G.M. besteht nicht. Eine Person dieses Namens hat die BF weder während ihrer mehrmonatigen Untersuchungshaft, noch bis dato während ihrer Anhaltung in Schubhaft besucht.

3. Zu den Voraussetzungen der Anhaltung in Schubhaft und zur Fluchtgefahr:

3.1 Gegen die BF lief bis 26.11.2021 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme beabsichtigter Erlassung eines Einreiseverbots. Am 26.11.2021 stellte die BF einen Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft, nachdem ihr am Vortag mitgeteilt worden war, dass gegen sie zeitnah eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wird. Festgestellt wird, dass die BF diesen Antrag auf internationalen Schutz nur gestellt hat, um die Durchsetzung der kurz vor der Erlassung stehenden aufenthaltsbeenden Maßnahme zu vereiteln bzw. zu verzögern.

3.2 Die BF war bis auf Justizanstalten bzw. Polizeianhaltezentren niemals behördlich gemeldet. Die BF hat sich bisher ausschließlich im Verborgenen im Bundesgebiet aufgehalten und unangemeldet in der Wohnung ihres Ex-Freundes in Wien XXXX , XXXX Unterkunft genommen, wobei dieser Ex-Freund mutmaßlich Teil der Tätergruppe ist, hinsichtlich derer gemeinsamer Straftaten die BF angeklagt aber in Folge freigesprochen wurde.

3.3. Die BF ist im hohem Maße vertrauensunwürdig und nicht zuverlässig. Die BF hat offensichtlich ihre – aktenkundige - erhebliche strafrechtliche Verurteilung in Italien vor ihrer eigenen Rechtsvertretung verschwiegen. Die BF ist nicht ausreisewillig. Die BF hat ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet durch illegale Beschäftigungen bzw. Geldkurierdienste bestritten, auch wenn sie hierfür im strafrechtlichen Sinn nicht belangt werden konnte. Die BF hat eine sehr hohe Motivation sich dem behördlichen Zugriff - wie schon bisher – zu entziehen. Es besteht hoher Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr.

3.4 Heimreisezertifikate (HRZ) werden von der nigerianischen Botschaft regelmäßig ausgestellt. Zur Erlangung ist ein Interview vor einer Delegation der nigerianischen Botschaft notwendig, diese Delegationstermine finden regelmäßig in Polizeianhaltezentren in Wien statt. Die BF war bereits für einen Delegationstermin am 30.11.2021 im PAZ vorgesehen. Charterabschiebungen nach Nigeria finden laufend in ein- bis zweimonatigem Rhythmus statt. Die nigerianischen Behörden akzeptieren im Rahmen von Sonderchartern auch Personen, die den verpflichtenden PCR-Test auf COVID-19 verweigern. Mit einer Abschiebung der BF ist somit innerhalb weniger Wochen bei Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung zu rechnen.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zur im Spruch angeführten GZ, sowie in den Beschwerdeschriftsatz und die Stellungnahme der belangten Behörde. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem „Zentrales Fremdenregister“ und der Anhaltedatei des Bundeministeriums für Inneres und dem Schengener Informationsystem (SIS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Zur Haft(un)fähigkeit:

Dass die BF bis 27.11.2021 haftfähig war, ergibt sich aus der Anhaltedatei des BMI, dass die BF aufgrund ihres Gesundheitszustandes am 27.11.2021 in ein Krankenhaus gebracht und damit aus der Schubhaft entlassen wurde, ergibt sich aus dem Gutachten des Amtsarztes des PAZ vom 27.11.2021 und dem diesbezüglichen Entlassungsschein des PAZ (OZ 19).

Zur BF und ihren persönlichen Umständen:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer ergeben sich aus dem Behördenakt und den darin erliegenden Berichten/Anzeigen der einschreitenden Polizeibeamten und des BFA. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung der BF in Italien wegen Drogenhandels ergeben sich zweifelsfrei aus dem Behördenakt und dem SIS-Auszug, wobei der auf Deutsch übersetze europäische Haftbefehl gegen die BF im Behördenakt einliegt (OZ 7, AS 59f). Dass die BF diese Tatsache offenbar sogar ihrer Rechtsvertretung verschwiegen hat, ergibt sich daraus, dass in der Beschwerde die Behauptung aufgestellt wird, die BF sei gänzlich strafrechtlich unbescholten. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Vorwürfen im Bundesgebiet, hinsichtlich derer die BF jedoch freigesprochen wurde (Urteil LG f Strafsachen Wien, OZ 7), ergeben sich aus dem umfangreichen Abschlussbericht der Kriminalpolizei, der im Behördenakt (OZ 3) einliegt.

Dass der Aufenthaltstitel der BF für Italien abgelaufen ist, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben in ihrer Einvernahme (OZ 5, AS 29f). Hinsichtlich der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die BF führe ein sozial verfestigte Beziehung zu G.M., der als Zeuge (Z) beantragt werde, bedarf es weder eines persönlichen Eindrucks von der BF noch des Z um diese unzutreffend zu entlarven: Die BF konnte bei ihrer Einvernahme die korrekte Adresse ihres „Freundes“ nicht angeben, dies obwohl sie angibt seit zwei Jahren mit dieser Person liiert zu sein und diese Person heiraten zu wollen, was für sich genommen schon zeigt, dass sich die BF offenkundig am Wohnsitz dieser Person bis dato nicht länger aufgehalten hat. Auch kann die BF in ihrer Einvernahme nicht erklären, warum sie sich dauerhaft in der Wohnung ihres (nach eigenen Angaben:) Ex-Freundes aufgehalten hat, wenn sie doch eine sozial verfestigte Beziehung mit G.M. führte. Weiters geht aus dem Ermittlungsbericht der LPD Kärnten hervor, dass sich die BF zumindest in den dort inkriminierten Tatzeiträumen durchgehend in Wien aufgehalten hat, zumal die BF nach ihrer Festnahme auch genaue Angaben hinsichtlich möglicher Geldverstecke in der Wohnung ihres (untergetauchten) Ex-Freundes machen konnte, wobei dieser noch immer als Teil einer Tätergruppe als Beschuldigter hinsichtlich jener strafrechtlichen Vorwürfe geführt wird, hinsichtlich derer die BF zwischenzeitlich freigesprochen wurde.

Weiters gab die BF in der Einvernahme vom 25.11.2021 an (OZ 21), dauerhaft bei ihrem Ex-Freund in Wien XXXX und nicht in XXXX gewohnt zu haben. Ergänzend ist festzuhalten, dass die BF an der Adresse des G.M. niemals gemeldet war. Abschließend ist noch zu ergänzen, dass eine Person mit diesem Namen die BF weder in der mehrmonatigen Untersuchungshaft noch bis dato in der Schubhaft besucht hat (Besucherliste der Justizanstalten OZ 14, Anhaltedatei). Es bedarf somit daher weder der Einvernahme der BF noch des Z um festzustellen, dass die Behauptung einer sozial verfestigen Beziehung zwischen der BF und dieser Person nicht zutrifft, sondern eine Schutzbehauptung darstellt. Es mag durchaus sein, dass ein Freundschaftsverhältnis besteht, wobei angesichts der Daten aus dem Zentralen Melderegister zur in der Beschwerde genannten Adresse in XXXX der BF durchaus eine bloße Wohnmöglichkeit dort zuzugestehen ist. Eine sozial verfestigte Beziehung der BF, die sie vom erneuten Untertauchen abhalten könnte, ist aber schon angesichts der Angaben der BF selbst und der Aktenlage schlichtweg widerlegt. Weiter bestärkt wird dieser Eindruck auch durch die Tatsache, dass auf dem Befund & Gutachten des Amtsarztes des PAZ (OZ 19) der zur Entlassung der BF aus der Schubhaft in eine Krankenanstalt geführt hat, auf Wunsch der BF festgehalten wurde, dass „Angehörige“ nicht von der Entlassung zu verständigen sind. Im Angesicht der Tatsache, dass die BF mit dem Verdacht auf innere Blutungen in ein Krankenhaus in Wien gebracht wurde, ist die behauptete enge Bindung der BF an G.M. umso weniger glaubhaft, wenn die BF angesichts dieses sehr ernsten Gesundheitszustandes keine Verständigung dieser Person wünscht.

Hinsichtlich der Angaben zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes ist auf die Angaben der BF selbst abzustellen, wenn diese angibt sich durch illegale Beschäftigung (Putzdienste) über Wasser gehalten zu haben. Auch hierin liegt ein Widerspruch zu den Angaben in der Beschwerde: Es ist in keiner Weise einsichtig, warum die BF illegal als Putzfrau arbeiten sollte und in weiterer Folge nach dem Ermittlungsbericht der LPD Kärnten als Geldkurier fungieren sollte (wenngleich man ihr diesbezüglich keinen strafrechtlichen Vorsatz nachweisen konnte) wenn sie doch von ihrem Freund – mit dem sie ihren Angaben eine intensive Beziehung führt und den sie heiraten möchte - finanziell unterstützt werden kann, wie in der Beschwerde vorgebracht.

Dass die BF darüber hinaus ebenfalls keine sozial verfestigen Kontakte hat, ergibt sich aus ihren eigenen Angaben bei ihrer Einvernahme, die Tatsache, dass sie nicht legal erwerbstätig war überdies aus einem Versicherungsdatenauszug.

Zusammengefasst war den Aussagen der BF bzw. den Behauptungen in der Beschwerde – mit Ausnahme der bloßen Wohnmöglichkeit in bei G.M. - kein Glauben zu schenken und steht vielmehr fest, dass es sich hierbei um Schutzbehauptungen handelt bzw. die Beziehung zu G.M. deutlich überhöht dargestellt wird. Aus diesen Gründen und aufgrund der rk. strafrechtlichen Verurteilung in Italien wegen Drogenhandels, wobei sich die BF der Verbüßung ihrer erheblichen Haftstrafe durch Flucht nach Österreich entzogen hat, war festzustellen, dass die BF in keiner Weise vertrauenswürdig ist.

Die BF hat fallbezogen fast zwei Jahre im Verborgenen im Bundesgebiet gelebt, ohne weiter aufzufallen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es der BF in Angesicht der nahenden Abschiebung oder ihrer Verbringung nach Italien zur Verbüßung ihrer erheblichen Haftstrafe ein Leichtes sein wird, erneut unterzutauchen. Diesbezüglich hat die BF auch ein hohes Interesse daran, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen, da sie entweder nur die Abschiebung nach Nigeria – wohin sie nicht zurückmöchte – oder eine mehrjährige Strafhaft in Italien erwartet.

Die Feststellung, dass die BF bereits am 30.11.2021 für die Vorführung vor eine Delegation der nigerianischen Botschaft vorgesehen war, ergibt sich aus der ergänzenden Stellungnahme des Bundesamtes vom 25.11.2021 (OZ 13). Aus den regelmäßigen Information der Abt. B/II- Rückervorbereitung des Bundesamtes zu HRZ-Verfahren und Charterplanung ergibt sich, dass Nigeria regelmäßig nach Delegationsterminen problemlos HRZ ausstellt (OZ 11), wobei sich dies mit dem amtswegigen Wissen des BVwG deckt. Dass Charterabschiebungen nach Nigeria regelmäßig stattfinden ist amtsbekannt, aus der erwähnten Mitteilung OZ 11 ergibt sich, dass der nächste Charter nach Nigeria Ende November 2021 geplant ist. Es besteht somit kein Zweifel daran, dass eine zeitnahe Abschiebung der BF mit Eintritt der Durchsetzbarkeit einer Rückkehrentscheidung möglich gewesen wäre.

Zum Antrag auf internationalen Schutz vom 26.11.2021:

Hinsichtlich des am 26.11.2021 gestellten Antrag auf internationalen Schutz teilt das BVwG uneingeschränkt die Ansicht des BFA, dass dieser ausschließlich in der Absicht gestellt wurde, dass Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu verzögern bzw. die Durchsetzung einer solchen Entscheidung zu verhindern (AV OZ 18). Dies ergibt sich ohne jeden Zweifel schon aus den eigenen Angaben der BF: Sie gab sowohl bei ihren Einvernahmen am XXXX 2021 als auch am 25.11.2021 vor dem Bundesamt ausdrücklich an, in Nigeria keine Verfolgung oder Bedrohung zu fürchten, es gebe lediglich ein Familienproblem in ihrem Heimatdorf. Den Antrag auf internationalen Schutz stellte die BF – obwohl sie bereits eine Woche in Schubhaft angehalten wurde – erst nachdem ihr am Ende der Einvernahme vom 25.11.2021 eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Aussicht gestellt wurde. Weiters befand sich die BF nach ihren eigenen Angaben seit Jänner 2020 im Bundesgebiet und hätte den Asylantrag bei berechtigter Furcht vor Verfolgung während dieses langen Zeitraums bereits jederzeit stellen können.

Weiters befand sich die BF seit Juli 2021 in Justitzhaft, auch hier hätte sie jederzeit Zugang zur Asylantragstellung gehabt, zumal der BF hier schon klar sein musste, dass ihr die Abschiebung nach Nigeria drohen wird. Die Behauptungen der BF in der Erstbefragung zu ihrem Asylantrag vom 26.11.2021 bestärken diesen Eindruck: Die BF behauptete – aktenwidrig – sie habe in Italien einen Asylstatus gehabt, was aber bereits durch die negative EURODAC Abfrage wiederlegt ist. Als Fluchtgrund gab sie lediglich an, ihr Vater habe in ihrem Heimatdorf vor vielen Jahren Diebe verraten, die dann das Haus der Familie in Brand gesteckt hätten. Schon dadurch wird objektiviert, dass der BF keine reale Bedrohung oder Verfolgung von staatlicher Seite droht (wie sie im Übrigen selbst angibt) und die BF diesen Vorfall aufbauscht bzw. nun zur Konstruktion eines Fluchtgrundes zur Vereitelung der Erlassung der ihr bereits angekündigten Rückkehrentscheidung nutzt. Dies wird insb. offenkundig, als die BF auch bei der Einvernahme am 25.11.2021 erneut explizit nur einen „Familienstreit“ in ihrem Heimatdorf angab und auf die Frage ob sie verfolgt oder bedroht werde, dies explizit vereinte. Es ist absolut lebensfremd und in keiner Weise glaubwürdig, dass eine Person, die tatsächlich in berechtigter Angst vor Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat wäre, bei zwei Einvernahmen und expliziter Nachfrage nach einer möglichen Verfolgung oder Bedrohung diese – ohne erkennbaren Grund - verschweigen sollte, würde sich doch die Angabe von Fluchtgründen – wenn sie der Wahrheit entsprächen – hier doch geradezu aufdrängen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG hat der Fremde das Recht das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides anzurufen, wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde. Für diese Beschwerden gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 22a Abs. 2 leg. cit. hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

Nach § 22a Abs. 3 leg. cit hat, sofern die Anhaltung noch andauert, das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, wenn eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, vom Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

3.1. Rechtsgrundlagen:
§§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur allgemein:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.2 Zum konkreten Fall:

3.2.1 Zum Sicherungszweck:

Die Anordnung der Schubhaft erfordert zu allererst das Vorliegen eines bestimmten Sicherungsbedarfs iSd § 76 Abs. 2 FPG. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesamt die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt. Von XXXX 2021 bis 26.11.2021 war hierbei aus Sicht des BVwG der Sicherungszweck „Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“ bis 26.11.2021 gegeben.

Mit Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 26.11.2021 änderte das Bundesamt die Rechtsgrundlage der Schubhaft auf § 76 Abs. 6 FPG ab, da das Bundesamt zur Recht davon ausging, dass der am 26.11.2021 gestellte Asylantrag der BF nur der Verzögerung der Erlassung der angekündigten aufenthaltsbeendenden Maßnahme dient. Der BF wurde ein sehr umfangreich und ausführlich begründeter Aktenvermerk über die Aufrechterhaltung der Schubhaft in einer ihr verständlichen Sprache ausgefolgt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sich die Verzögerungsabsicht der BF im Einklang mit der Judikatur des VwGH (VwGH 18.2.2021, Ra 2021/21/0025, VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0079, Rn. 14) im ggst. Fall bereits klar und offenkundig aus der Verfahrenshistorie und den Angaben der BF ihren Einvernahmen ergibt, in denen sie eine Verfolgung nur wenige Stunden vor der Antragstellung noch ausdrücklich vereinte, wobei hierzu auf die ausführliche Beweiswürdigung zu diesem Umstand zu verweisen ist.

Weiters setzt die Anwendung von § 76 Abs. 6 FPG auch nicht eine bereits erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme voraus, sondern erfasst beide Sicherungszweckvarianten des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG, also die Asylantragstellung während der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, als auch – nach deren Erlass – die Sicherung der Abschiebung (VwGH 11.05.2021 Ra 2021/21/0116, Rn. 14).

Zwar handelt es sich beim ggst. Antrag auf internationalen Schutz um den Erstantrag der BF, da entgegen ihren Behauptungen aufgrund des Negativ-Ergebnisses der EURODAC Datenbank feststeht, dass sie in Italien keinen Asylstatus hatte, jedoch wird schon bei objektiver und oberflächlicher Bewertung des vorgebrachten Fluchtgrundes der BF klar, dass dieser Antrag keinerlei Aussicht auf Erfolg hat und die BF das bisher als „Familienstreit“ bezeichnete Problem in ihrem Heimatdorf nun zu einem Fluchtgrund überhöht, um ihre Abschiebung nach Nigeria (als Folge der unmittelbar bevorstehenden Erlassung ein Rückkehrentscheidung) zu vereiteln bzw. zu verzögern.

Somit ging das Bundesamt hinsichtlich des am 26.11.2021 gestellten Antrags auf internationalen Schutz der BF zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendung von § 76 Abs. 6 FPG, die Aufrechterhaltung der Schubhaft aus diesem Grund bis zur Entlassung wegen Vorliegen der Haftunfähigkeit am 27.11.2021 war daher rechtens.

3.2.2 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Aufgrund des Kriteriums des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG nahm das Bundesamt im angefochtenen Bescheid Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf an. Wie im Folgenden zu zeigen ist, zu Recht:

Die BF ist im Bundesgebiet wie festgestellt auf keine nennenswerte Weise sozial ober beruflich verankert. Die illegal ausgeübte Erwerbstätigkeit der BF als Reinigungskraft, die sie zugestanden hat, kann naturgemäß nicht als berufliche Verankerung gewertet werden. Weiters hat die BF keinen gesicherten Wohnsitz, und sie verfügt über keine Mittel zur Sicherung ihres Unterhalts. Zwar ist der BF eine bloße Wohnmöglichkeit bei ihrem Bekannten in Friedberg durchaus zuzugestehen, es ist für das Gericht aber ebenso offensichtlich, dass diese bloße Wohnmöglichkeit keinen iSd § 76 Abs. 3 Z 9 FPG gesicherten Wohnsitz darstellt. Die BF hat es geschafft sich 2 Jahre lang im Verborgenen aufzuhalten und sich behördlich niemals aus Eigenem angemeldet, was naturgemäß auch für die Adresse dieser bloßen Wohnmöglichkeit gilt, wobei sich aus den Angaben der BF durchaus schließen lässt, dass ihr die melderechtlichen Verpflichtungen bekannt waren. Sie gibt sogar ergänzend an, ihr Freund habe ihr gesagt, sie „solle sich erst nach einer Heirat anmelden“. Wie also die Wohnmöglichkeit bei einer Person, die die BF in ihrer Verletzung melderechtlicher Vorschriften auch noch bestärkt haben soll, einen gesicherten Wohnsitz darstellen soll, ist nicht ersichtlich. Selbiges gilt für die sozial verfestigte Verankerung: Wie ausführlich beweisgewürdigt, ergibt sich schon aus der Aktenlage bzw. den lückenhaften Angaben der BF selbst, dass eine iSd § 76 Abs. 3 Z 9 FPG soziale verfestigte Beziehung mit G.M. nicht vorliegt, zumal die BF mit diesem – nach ihren eigenen Angaben - nicht zusammengewohnt hat, sie die genaue Adresse dieser Person nicht kennt, obwohl sie angibt, G.M. nach zweijähriger Beziehung heiraten zu wollen und von diesem bis dato während der Haftaufenthalte auch niemals besucht worden ist, obwohl sie sehr wohl Besuche anderer Personen ebendort empfangen hat. Dem Bundesamt ist im Angesicht dieser Fakten daher nicht entgegenzutreten, wenn es mangels sozialer Verankerung und fehlendem gesicherten Wohnsitz vom Vorliegen des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ausgeht.

Hinzutritt ein im ggst. Fall hoher Sicherungsbedarf, da die BF es bis dato bereits zwei Jahre geschafft hat, sich im Verborgenen im Bundesgebiet aufzuhalten und sich dem Zugriff der Behörden und auch der Justiz – trotz aufrechtem europäischen Haftbefehls - zu entziehen. Es ist angesichts der Lage des Falles für das Gericht nicht ersichtlich, warum dies der BF nicht erneut im Falle der Entlassung aus der Schubhaft oder in ein gelinderes Mittel gelingen sollte.

Die BF hat dabei fallbezogen auch ein sehr hohes Interesse sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen, erwartet sie doch entweder die Abschiebung in ihr Herkunftsland, in das sie nicht zurückmöchte oder aber die Auslieferung an Italien zur Verbüßung ihrer fast achtjährigen Haftstrafe, wobei hiernach ebenfalls eine Abschiebung nach Nigeria wahrscheinlich ist. Aus welcher Motivation (Vereitelung der Abschiebung oder der Auslieferung) konkret sich die BF dem Zugriff der Behörden entziehen sollte spielt dabei keine Rolle, es kommt letztlich nur darauf an, ob (wie im ggst. Fall) hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass sich die BF dem behördlichen Zugriff (aus welchem Grund auch immer) entziehen wird. Weiters hat die BF nun einen objektiv unbegründeten Asylantrag gestellt, um die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (vorerst) zu vereiteln.

Es liegt somit fallbezogen Fluchtgefahr und auch ein hoher Sicherungsbedarf vor.

3.2.3 Zur Verhältnismäßigkeit:

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Gemäß §76 Abs. 2a FPG ist ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden bei dieser Bemessung miteinzubeziehen.

Die BF ist im Bundesgebiet zwar strafgerichtlich unbescholten, jedoch ist bei unionsrechtkonformer Auslegung von §76 Abs. 2a FPG kein Grund dafür erkennbar, warum hierbei nur ein im Inland gesetztes strafrechtlich relevantes Verhalten einzubeziehen wäre. Vielmehr ist im Hinblick auf die RückführungsRL und der Einbeziehung von strafgerichtlichen Verurteilungen in anderen Schengen Staaten gemäß § 53 Abs. 5 FPG iVm § 73 StGB bei Einreiseverboten davon auszugehen, dass auch iSd §76 Abs. 2a FPG in anderen Mitgliedsstaaten erfolgte strafgerichtliche Verurteilungen relevant sind. Die BF ist in Italien 2018 letztlich rechtkräftig wegen Suchtgifthandel mit einer großen Menge Suchtgift zu einer erheblichen Haftstrafe von 8 Jahren und einer Geldstrafe von 30tsd Euro verurteilt worden, wobei sie sich in Folge der italienischen Strafjustiz entzogen hat, weshalb bereits im Jänner 2019 gegen sie ein europäischer Haftbefehl erlassen wurde. Es besteht daher fallbezogen ein deutlich gesteigertes öffentliches Interesse an der gesicherten Aufenthaltsbeendigung der BF.

In Hinblick auf die Umstände des konkreten Falles (zweijähriger Aufenthalt im Verborgenen) und des deutlich erhöhten Sicherungsbedarfs, da der BF entweder die Verbüßung ihrer langjährigen Haftstrafe in Italien oder die Abschiebung in ihr Herkunftsland droht, wobei nachvollziehbar erscheint, dass die BF beides nicht möchte, kann das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen keine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung erkennen, da die reale Gefahr des erneuten Untertauchens der BF besteht.

Das Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung wurde vom Bundesamt jedenfalls ohne Verzögerung betrieben und hätte auch in der zeitnahen Erlassung einer Rückkehrentscheidung resultiert, hätte die BF dies nicht durch ihre missbräuchliche Asylantragstellung vereitelt. Im Hinblick auf die bis zur Asylantragstellung zeitnah mögliche Vorführung der BF vor eine Delegation der nigerianischen Botschaft nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung war auch von einer zeitnahen Ausstellung eines HRZ für die BF auszugehen, welches mit Eintritt der rechtlichen Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch in einer raschen Abschiebung der BF im Rahmen der nächstfolgenden Charterabschiebung münden hätte können. Auch die Asylantragstellung am 26.11.2021 ändert daran nichts, zumal die Abführung dieses Verfahrens angesichts der objektiv unbegründeten Fluchtgründe auch keine lange Zeitspanne in Anspruch genommen hätte. Letztlich kommt es darauf aber nicht mehr an, da die BF ohnehin am 27.11.2021 aus gesundheitlichen Gründen aus der Schubhaft entlassen wurde.

Ebenso ist die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ggü. der BF für das BVwG durchaus nachvollziehbar: Zum einen mangelt es ihr angesichts der Tatsache, dass sie sich der Verbüßung ihrer Haftstrafe in Italien entzogen hat und fast zwei Jahre lang im Bundesgebiet untergetaucht ist, an der persönlichen Vertrauenswürdigkeit. Zum anderen fehlt es der BF – wie festgestellt - an einem gesicherten Wohnsitz, der eine Wohnsitzauflage samt periodischer Meldeverpflichtung sinnvoll ermöglichen würde, da kein Grund ersichtlich ist, warum die BF nach zwei Jahren des Lebens im Verborgenen nunmehr im Angesicht ihrer Abschiebung bzw. der immer noch jederzeit möglichen Auslieferung an Italien einer solchen Verpflichtung plötzlich nachkommen sollte. Ebenso mangelt es der BF an Vermögenswerten oder Barmitteln, die als Sicherheitsleistung hinterlegt werden könnten.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellte daher eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte. Das Verfahren hat zum Entscheidungszeitpunkt keine andere Möglichkeit ergeben, als eine gesicherte Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin im konkreten Fall zu gewährleisten.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft bis zum Entscheidungszeitpunkt war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm
§ 76 Abs. 2 Z 2 u. Abs. 6 FPG als unbegründet abzuweisen.

Der Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG entfällt, da die BF zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Schubhaft angehalten wird.

3.3 Zur Kostenentscheidung (Spruchpunkte II. und III.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren ist die belangte Behörde obsiegende Partei, weshalb ihr Aufwandersatz im gesetzlichen bzw. beantragten Umfang gemäß § 35 VwGVG iVm
§ 1 Z 3 u. 4 VwGAufwErsV iHv € 426,20 zuzusprechen war. Der BF als unterlegene Partei gebührt hingegen kein Kostenersatz, weshalb ihr Antrag abzuweisen war.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Darüber hinaus entsprachen die Bestreitungen bzw. Behauptungen in der Beschwerde schon aufgrund der klaren Aktenlage und der gegenteiligen Angaben der BF bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt, offenkundig nicht den Tatsachen. Es bedurfte daher weder der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung noch der Einvernahme des beantragten Zeugen.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylantragstellung Fluchtgefahr gelinderes Mittel Gesundheitszustand Haftbefehl Haftfähigkeit Haftstrafe Kostenersatz öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2248625.1.00

Im RIS seit

07.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten