TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 L510 2239637-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §51
NAG §52
NAG §53
NAG §54
NAG §55 Abs3

Spruch


L510 2239637-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2021, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet – von Deutschland kommend – ein und ist seit 18.10.2019 durchgehend mit Hauptwohnsitz hier gemeldet.

2. Am 12.12.2019 stellte die bP beim Amt der XXXX einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“.

Mit Bescheid vom 23.01.2020, GZ.: XXXX , wurde der Antrag der bP abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die bP habe der Behörde keine Nachweise über ausreichende Existenzmittel erbringen können.

Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgericht Wien vom 31.07.2020, GZ.: XXXX , die Beschwerde der bP als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien aus, dass der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden könne, wenn sie davon ausgehe, dass der Aufenthalt der bP zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG könne daher nicht als erfüllt angesehen werden. Die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK sei im vorliegenden Fall ebenfalls nicht geboten.

3. Mit Schreiben vom 22.10.2020 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme bezüglich dem Nichtvorliegen der Voraussetzung für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht und forderte diese auf, innerhalb einer zweiwöchigen Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, andernfalls das Verfahren ohne nochmalige Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt werde.

Die bP ließ die Frist zur Stellungnahme ungenutzt verstreichen.

4. Mit Bescheid vom 08.01.2021, Zl. XXXX , wies das BFA die bP gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I.) und erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt II.).

Begründend führte das BFA aus, die bP gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und habe der Aufenthaltsbehörde zu keinem Zeitpunkt einen Nachweis über ihre ausreichenden, permanenten finanziellen Mittel erbringen können. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, dass sie in Zukunft auch keine ausreichenden Existenzmittel haben werde und damit zu einer Belastung für den österreichischen Staat werde bzw. über kurz oder lang immer mehr zu einer Belastung für eine Gebietskörperschaft werde. Den persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stünden die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber. In einer Abwägung sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den privaten Interessen der bP.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die bP führt den im Spruch angeführten Namen und das dort genannte Geburtsdatum. Sie ist türkische Staatsangehörige und verfügt über einen bis 31.08.2021 gültigen türkischen Reisepass. Die bP wurde in Deutschland geboren und verfügt dort über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.

Seit 01.10.2019 ist die bP als ordentliche Studierende der Universität XXXX für das XXXX gemeldet.

Seit 18.10.2019 ist sie in Österreich durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet. Während ihres Studiums hat die bP das Bundesgebiet immer wieder verlassen und ist nach Deutschland gereist, um den Aufenthaltsbestimmungen in Österreich (max. drei Monate) Folge zu leisten. Dort hielt sich die bP aufgrund des bestehenden Aufenthaltsrechts in Deutschland regelmäßig im Kreise ihrer Familie auf. Zuletzt reiste die bP am 25.06.2020 nach Österreich ein und konnte danach keine weitere Ausreise aus dem Bundesgebiet festgestellt werden. Die bP hält sich somit seit mehr als drei Monaten durchgehend in Österreich auf.

Am 12.12.2019 stellte die bP erstmals persönlich beim Amt der XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung – Student“. Der Antrag der bP wurde durch mündliche Verkündung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien am 31.07.2020 rechtskräftig abgewiesen. Die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs 2 Z 4 NAG konnten nicht als erfüllt angesehen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die bP zukünftig auf staatliche Sozialhilfeleistungen zurückgreifen wird und sohin zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft wird. Eine vorgenommene Interessenabwägung führte zu dem Ergebnis, dass von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels gegenüber den privaten Interessen der bP an der Erteilung auszugehen ist.

Mit Bescheid über Ausbildungsförderung (BAföG) vom 22.10.2019 wurde der bP für die Zeit von 10.2019 bis 09.2020 eine Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 641,- Euro (351,- Euro als monatlicher Zuschuss und 290,- Euro als monatlich unverzinstes Darlehen) zugesprochen. Einen Bescheid betreffend weitere Ausbildungsförderung ab 10.2020 gibt es nicht. Urkunden über eine erfolgte weitere Beantragung von BAföG wurden nicht vorgelegt.

Der Mutter der bP wird für diese laufend Kindergeld bezahlt. Dieses wird der bP monatlich in der Höhe von 200 Euro zur Verfügung gestellt. Weiters ist ein Sparguthaben in der Höhe von 600,- Euro vorhanden. Die bP hat keinen Kredit zu bezahlen.

Die bP ist seit XXXX 2020 mit dem deutschen Staatsbürger XXXX , geb. XXXX , verheiratet. Mit diesem lebt die bP in XXXX , im gemeinsamen Haushalt. Die monatliche Miete beträgt 589,12 Euro und wird von der bP an den Vermieter überwiesen. Der Ehemann der bP zahlt die Hälfte der Miete in Höhe von 294,56 Euro monatlich.

Der Ehemann der bP ging zuletzt von 01.12.2020 bis 28.02.2021 einer geringfügigen Beschäftigung nach. Eine spätere Beschäftigung konnte nicht festgestellt werden. Von 03.03.2020 bis 22.03.2020, 13.08.2020 bis 31.10.2020 und 25.12.2020 bis 28.02.2021 war er bei der Österreichischen Gesundheitskasse versichert. Es konnte kein aktueller Krankenversicherungsschutz des Ehemannes der bP festgestellt werden. Eine Meldung des Ehemannes beim Arbeitsmarktservice wurde nicht in Vorlage gebracht.

Der Ehemann der bP beantragte am 11.04.2020 beim Magistrat XXXX eine Ausstellung der Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG. Eine Ausstellung der Anmeldebestätigung erfolgte bisher nicht.

Die bP verfügt abgesehen von ihrem Ehemann über keine Familienangehörigen in Österreich. In Deutschland leben die Eltern und die Schwester der bP, sowie Onkel und Tanten und deren Familien. Die bP spricht sehr gut Deutsch und ist strafrechtlich unbescholten. Sie ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs 1 Z 15 NAG oder Nachweise über tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen durch die Eltern wurden nicht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Die o. a. Feststellungen wurden im Verfahren nicht bestritten. Insbesondere wurden berücksichtig:

Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 02.09.2020

Niederschriftliche Einvernahme der bP vor dem Verwaltungsgericht Wien

Bescheid des BFA vom 08.01.2021

Beschwerdeschriftsatz

Auszüge ZMR, SA, GVS, IZF (bP und Gatte)

Auszüge betreffend Ehemann ZMR, IZF, AJ-WEB Auskunftsverfahren

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben vor dem Verwaltungsgericht Wien und den vorgelegten Bescheinigungsmitteln sowie den im bekämpften Bescheid getroffenen Feststellungen, welchen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurden.

Dass die bP nicht selbsterhaltungsfähig ist, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 02.09.2020, XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. (Ausweisung):

1.1. Gemäß § 66 Abs 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als 3 Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind, für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthaltes weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichzulage in Anspruch nehmen müssen, oder als Hauptzweck ihres Aufenthaltes eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschulde oder Bildungseinrichtung absolvieren und ebenso über die ausreichenden Existenzmittel sowie den Krankenversicherungsschutz verfügen.

Gemäß Absatz 2 bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs 1 Z 1 dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1.       wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

Gemäß § 53 Abs 1 NAG haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

Gemäß § 54 Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt.

Gemäß Absatz 2 ist das Vorliegen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts von EWR-Bürgern bzw. dessen Angehörigen nachzuweisen.

Gemäß § 55 Abs 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen gemäß § 55 Abs 3 NAG hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen.

1.2. Das BFA stützte gegenständlich seine Rückehrentscheidung auf § 66 Abs 1 FPG nachdem der bP eine beantragte Aufenthaltsbewilligung „Student“ nicht erteilt wurde und die Behörde aufgrund des fehlenden, weiteren Aufenthaltsrechts der bP für Österreich gemäß § 55 Abs 3 NAG verständigt und mit der Prüfung zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen betraut wurde. In der Beschwerde führt die bP aus, sie sei seit 30.09.2020 mit ihrem deutschen Lebensgefährten verheiratet. Sie sei somit Angehörige eines EWR-Bürgers, der in Österreich sein unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehme. Sie sei eine begünstigte Drittstaatsangehörige, selbsterhaltungsfähig und über ihre Eltern in Deutschland gesetzlich krankenversichert.

Die bP ist türkische Staatsangehörige und seit 30.09.2020 mit einem deutschen Staatsbürger verheiratet, weshalb sie eine begünstigte Staatsangehörige iSd § 2 Abs 3 Z 11 FPG und eine Angehörige iSd § 54 iVm § 52 Abs 1 Z 2 NAG ist. Gemäß § 54 Abs 1 NAG ist sie daher zum Aufenthalt für mehr als drei Monate im Bundesgebiet berechtigt, wenn es sich bei ihrem Ehegatten um einen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger iSd § 51 NAG handelt.

Das Unionsrecht vermittelt drittstaatsangehörigen Personen ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörigen von Unionsbürgern durch die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG). Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei dem einem Drittstaatsangehörigen auf diese Weise vermittelten Aufenthaltsrecht jedoch nicht um eine eigenständige Rechtsposition, sondern um eine abgeleitete Rechtsstellung, die vom aufrechten Bestand eines Aufenthaltsrechts des Unionsbürgers selbst im betreffenden EU-Aufnahmestaat abhängig ist (EuGH 05.05.2011 C-434/09 McCarthy Rn 42 mwN; EuGH 08.05.2013 C-529/11 Alarape Rn 34 und andere). Der EuGH hat ferner darauf hingewiesen, dass dieses Aufenthaltsrecht "nach Art 14 Abs 2 dieser Richtlinie Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen nur so lange zusteht, wie sie diese Voraussetzungen erfüllen" (EuGH, aaO). Diese Richtlinie wurde in Österreich durch die §§ 51 ff NAG umgesetzt.

Der Ehegatte der bP ist nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG. Wie in der Beschwerde richtig ausgeführt wird, kommt einer solchen Anmeldebescheinigung jedoch ohnehin nur deklarative Wirkung zu und ist diese nicht konstitutiv für die Begründung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts von Unionsbürgern (vgl. VwGH 10.03.2021, Ra 2020/22/0256).

Es konnte jedoch auch ansonsten kein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht des Ehegatten in Österreich festgestellt werden. Ein Aufenthalt des Ehegatten zum Zweck einer Ausbildung gemäß § 51 Abs 1 Z 3 NAG wurde von der bP nicht vorgebracht und ergibt sich ein solcher auch nicht aus dem übrigen Verwaltungsverfahrensakt. Auch das Vorhandensein von ausreichend Existenzmittel sowie ein umfassender Krankenversicherungsschutz des Ehegatten gemäß § 51 Abs 1 Z 2 NAG wurde von der bP nicht vorgebracht, insbesondere wurden keine diesbezüglichen Bescheinigungsmittel in Vorlage gebracht. Der Ehegatte war zuletzt von 25.12.2020 bis 28.02.2021 bei der Österreichischen Gesundheitskasse versichert. Eine Arbeitnehmerschaft iSd § 51 Abs 1 Z 1 NAG liegt ebenfalls aktuell nicht vor, da der Ehegatte lediglich bis 28.02.2021 einer geringfügigen Beschäftigung nachging und eine spätere Beschäftigung nicht festgestellt werden konnte. Dem Ehegatten bleibt seine Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer auch nicht gemäß § 55 Abs 2 erhalten, da keine der dort aufgezählten Tatbestände feststellbar waren. So wurde weder eine Arbeitsunfähigkeit, eine ordnungsgemäße Arbeitslosigkeitsmeldung beim Arbeitsmarktservice oder eine Berufsausbildung des Ehegatten von der bP nachgewiesen.

Da eine unionsrechtliche Aufenthaltsberechtigung des Ehegatten der bP nicht feststellbar war, kommt auch der bP gemäß § 54 Abs 1 NAG kein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten zu. Das Vorhandensein der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 66 Abs 1 erster Halbsatz FPG konnte ebenso wenig festgestellt werden, ergibt sich aus dem Verwaltungsverfahrensakt doch deutlich, dass die bP nicht zur Arbeitssuche eingereist ist, sondern um hier zu studieren.

Vielmehr ist anzunehmen, dass die bP zukünftig auf staatliche Sozialhilfeleistungen zurückgreifen wird und sohin zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft wird, wobei diesbezüglich auf die Ausführungen im rechtskräftigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, GZ: XXXX , verwiesen sei.

Der bP kommt damit kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu.

2.1. Gemäß § 66 Abs 2 FPG hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen, soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden.

Da der bP kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt und sie sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist gegenständlich gem. § 66 Abs 2 FPG die Zulässigkeit einer Ausweisung zu prüfen.

Gemäß § 66 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben:

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben:

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben. Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine „hinreichend starke Nahebeziehung“ besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

2.2. Unstrittig führt die bP seit 30.09.2020 eine Ehe zu einem deutschen Staatsangehörigen und wird seit 18.10.2019 auch ein gemeinsamer Wohnsitz in Österreich begründet.

Die bP wurde jedoch in Deutschland geboren und ist dort aufgewachsen. Sie verfügt über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis für Deutschland und hat sich dort auch entsprechend integriert. Ihr gesamtes familiäres Umfeld, ihre Eltern, ihre Schwester sowie Tanten und Onkel, befindet sich in Deutschland.

Die bP reiste auch bis zum 25.06.2020 immer wieder nach Deutschland um einen illegalen Aufenthalt (bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten) in Österreich zu vermeiden. Sie war zwar jedenfalls bis Ende September 2020 legal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig, da sie jedoch kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von ihrem Ehegatten ableiten konnte, ist sie seither illegal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig, was einen schweren Verstoß gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften darstellt.

Überdies muss bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Bezug auf die Integration eine „außergewöhnliche Konstellation“ vorliegen, damit eine Ausweisung unverhältnismäßig ist (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0260). Im gegenständlichen Fall hat die bP keine derartigen wesentlichen integrationsbegründenden Umstände oder Anknüpfungspunkte dargetan und konnten somit keine Umstände erkannt werden, wonach sie eine tiefgreifende Verfestigung im Bundesgebiet aufweist.

Zudem ist die bP zur Zeit nicht selbsterhaltungsfähig.

Hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit ist auszuführen, dass dies nach Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420, VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029), da der VwGH davon ausgeht, dass es von einer Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Die bP vermochte auch nicht darzulegen, inwiefern die Ehe nicht in Deutschland fortgesetzt werden könnte, insbesondere da ihr Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und beide Ehegatten über Familie in Deutschland verfügen. Als die bP immer wieder nach Deutschland reiste, wurde die regelmäßige Kommunikation via Telefon und soziale Medien zwischen der bP und ihrem Ehegatten aufrecht gehalten, was ebenfalls nicht unzumutbar ist. Hinzu kommt, dass aktuell beim Ehegatten der bP kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 NAG feststellbar war. Es ist daher nicht auszuschließen, dass auch dieser bei einer negativen Entscheidung seines Antrages auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung, gemäß § 66 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wird. Ein iSd Art 8 EMRK schützenswertes Privat- und Familienleben ist im vorliegenden Beschwerdefall – nicht zuletzt auch angesichts des Umstandes, dass etwaige maßgebliche familiäre oder private Anknüpfungspunkte der bP nicht einmal in der Beschwerde dargelegt werden konnten – auszuschließen, sodass die Ausweisungsentscheidung nicht das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK verletzt.

Ergänzend ist zu betonen, dass ihr eine Rückkehr in das Bundesgebiet auch nicht dauerhaft verunmöglicht wird, zumal gegen sie auch kein Aufenthaltsverbot iSd § 67 FPG verhängt wurde. Bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen steht ihr wieder ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht offen bzw. steht es ihr weiterhin frei, sich für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, in Österreich aufzuhalten. Ebenso ist es ihr möglich, bei Nachweis ausreichender Existenzmittel den Aufenthalt im Bundesgebiet dauerhaft fortzuführen und ihr Familienleben zu ihrem Ehegatten weiterhin in Österreich auszuleben.

Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Ausreise der bP mit ihren gegenläufigen privaten- und familiären Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet ist bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der bP ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Ausweisung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die Beschwerde war somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Durchsetzungsaufschub):

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden und war spruchgemäß zu entscheiden.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vollständig erhoben. Es kam kein Sachverhalt hervor, der einer Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte. Es wurde bereits eine Einvernahme und die entsprechende rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien mitberücksichtigt. Zudem wurden die Beschwerdeangaben mitberücksichtigt und zugunsten der bP ausgelegt. In der Beschwerde wurde, abgesehen von der Hochzeit mit ihrem deutschen Lebensgefährten, kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet. Dass die bP ihren deutschen Lebensgefährten heiratete, wird dem gegenständlichen Verfahren auch als Feststellung zugrunde gelegt. Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, was bei einer nochmaligen Anhörung - außer einer bloßen Wiederholung des bisherigen Vorbringens - an entscheidungsrelevantem Sachverhalt hätte hervorkommen können.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und eine Verhandlung entfallen konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausweisung Durchsetzungsaufschub Interessenabwägung öffentliche Interessen Selbsterhaltungsfähigkeit Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L510.2239637.1.00

Im RIS seit

03.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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