TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/6 G306 2190716-1

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Veröffentlicht am 06.10.2021
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Entscheidungsdatum

06.10.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs9 Z2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §55 Abs4

Spruch


G306 2190716-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , vormals XXXX , geb. XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2018, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides wird insoweit abgewiesen, als es zu lauten hat:

„Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG vom 28.07.2017 wird gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.“

II.      Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und diese behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 28.07.2017 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“.

2. Zum gegenständlichen Antrag wurde die BF am 28.03.2017 von Organen des BFA niederschriftlich einvernommen.

3. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme wurde der BF mitgeteilt – Verständigung von der Beweisaufnahme – dass ihr Antrag abgewiesen werden wird. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde der BF eine Frist von 14 Tagen gewährt. Eine Stellungnahme des oben ausgewiesenen Rechtsvertreters (im Folgenden: RV) langte am 04.09.2017 ein. Mit Schreiben vom 18.12.2017 wurde der BF neuerlich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt und diese zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.

Eine Stellungnahme langte nicht ein.

4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem RV der BF zugestellt am 14.02.2018, wurde der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 46 zulässig ist (Spruchpunkt III.) keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG gewährt (Spruchpunkt IV.) sowie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

5. Mit per Post am 14.03.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob die BF durch ihren RV gegen den oben im Spruch genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurde, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Behebung der Rückkehrentscheidung sowie Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG übermittelt und langten am 29.03.2018 ein.

7. Mit Beschluss vom 03.07.2018 wurde der BF vom BVwG zur GZ.: G306 2190716-1/2Z, die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt.

8. Am 25.09.2018 fand beim BVwG - Außenstelle Graz – eine mündliche Verhandlung statt an der die BF persönlich teilnahm. Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, nahm an der Verhandlung jedoch nicht teil.

9. Mit Erkenntnis des BVwG zu GZ.: G306 21907156-1/6E, vom 17.10.2018, wurde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der BF gemäß § 55 Abs. 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

10. Mit Erkenntnis des VwGH, Ra 2018/22/0282, vom 23.07.2021 wurde der außerordentlichen Revision der BF gegen das unter Punkt I.9. genannte Erkenntnis des BVwG stattgegeben und dieses zur Gänze aufgehoben.

11. Mit per E-Mail am 20.08.2021 beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz wurde seitens des RV der BF mitgeteilt, dass der BF mittlerweile, konkret am 30.09.2020, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ erteilt worden sei. Als Beilage wurde eine Ablichtung des besagten Aufenthaltstitels in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina.

Die BF verfügte bis zum 02.08.2012 über einen gültigen Aufenthaltstitel „Studierende“.

Die BF brachte zwar fristgerecht einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels für Studierende ein, jedoch wurde das Antragsverfahren am 15.06.2015 eingestellt.

Am 28.07.2017 stellte die BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

Am 30.09.2020 wurde der BF durch die zuständige NAG-Behörde ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus, gültig bis 30.09.2021 ausgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und abgehaltenen mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum) und zur Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde. Ferner ließ sich durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und anhand eines Sozialversicherungsauszuges ermitteln, dass die BF mittlerweile geheiratet hat und nunmehr den oben im Spruch genannten Nachnamen ( XXXX ) trägt.

Die Feststellungen zu den Aufenthaltstiteln und der Einstellung des seinerzeitigen Verlängerungsantragsverfahrens beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister. Dem besagten Fremdenregister kann zudem entnommen werden, dass der BF am 30.09.2020 ein bis zum 30.09.2021 gültiger Aufenthaltstitel erteilt wurde. Ferner hat die BF eine Ablichtung desselben in Vorlage gebracht (siehe OZ 20). Die BF hat auch fristgerecht einen Verlängerungsantrag gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Die BF als Staatsangehörige von BiH ist sohin Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG lautet wie folgt:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Antragstellung und amtswegiges Verfahren“ betitelte § 58 ASylG lautet:

„§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1.         der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2.         der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4.         einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5.         ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(5a) Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2.         bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3.         gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1.       das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2.         der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.       ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2.       die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

3.1.3.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF wurde am 30.09.2020 ein Aufenthaltstitel erteilt, und war der gegenständliche Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels iSd. § 55 AsylG demzufolge gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG als unzulässig zurückzuweisen. (vgl. VwGH 24.09.2020, Ra 2019/03/0048: wonach das BVwG die Rechtsache nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zu beurteilen hat.)

3.2. Zu Spruchpunkt II.:

3.2.1. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

„Für die Zurückweisungsfälle des § 58 Abs. 9 AsylG 2005 (vgl. ErläutRV1803 BlgNR 24. GP 49) wird im letzten Satz des § 10 Abs. 3 AsylG 2005 normiert, dass die den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen zurückweisende Entscheidung nicht mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist. Diese Einschränkung fehlt zwar in der korrespondierenden Bestimmung des § 52 Abs. 3 FrPolG 2005, wonach das BFA gegen einen Fremden eine Rückkehrentscheidung zu erlassen hat, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Dabei handelt es sich aber offenbar um ein Redaktionsversehen. Hintergrund für die diesbezügliche Änderung im § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idF. des FNG-AnpassungsG 2014 im Vergleich zu jener (nicht in Kraft getretenen) des FNG 2014, die inhaltlich dem geltenden § 52 Abs. 3 FrPolG 2005 entsprach, war nach den diesbezüglichen ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 17) nämlich, dass die Differenzierung zwischen den Rechtsfolgen bei abweisenden und zurückweisenden Entscheidungen "aus systematischen Gründen notwendig" ist. Damit war erkennbar gemeint, dass sich der Fremde in den Zurückweisungsfällen des § 58 Abs. 9 AsylG 2005 entweder in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG 2005 befindet oder bereits über ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 oder dem NAG 2005 verfügt und dass in diesen Konstellationen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die zur Ausreise in den Herkunftsstaat verpflichtet, nicht in Betracht kommt. Das hätte auch in § 52 Abs. 3 FrPolG 2005 seinen Niederschlag finden müssen.“ (vgl. VwGH 11.03.2021, Ra 2020/21/0389)

3.2.2. Im Lichte der zitierten Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 11.03.2021, Ra 2020/21/0389) ist im gegenständlichen Fall von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die BF abzusehen.

Sohin war der Beschwerde der BF insoweit stattzugeben und der angefochtene Bescheid – aufgrund des Wegfalles der für den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung, Nichtzuerkennung einer Frist zur freiwilligen Auseise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung notwendigen Grundlage (Rückkehrentscheidung) – im Ergebnis im Umfang der Spruchpunkte II. bis V. zu beheben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel individuelle Verhältnisse Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Ordnung Rechtsanschauung des VwGH Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G306.2190716.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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