TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/7 W159 2235825-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2021
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Entscheidungsdatum

07.10.2021

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3

Spruch


W159 2235825-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde zu den Spruchteilen I. bis IV. wird stattgegeben und diese ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Das vorliegende Verfahren beginnt mit dem Ersuchen einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, da der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt habe. Der Beschwerdeführer, geb. am XXXX , StA. Bosnien-Herzegowina habe seinen ersten Aufenthaltstitel Familienangehöriger am 12.07.2016 mit Gültigkeit vom 29.6.2016 bis 29.06.2017 aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin erhalten und habe diesen Aufenthaltstitel bis dato inne. Am 06.06.2019 habe der Beschwerdeführer einen Zweckänderungsantrag auf Rot-Weiß-Rot Karte plus gestellt und bekanntgegeben, dass er seit November 2018 geschieden sei. Bei Überprüfung der Unterlagen sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer lediglich ein A2 Zeugnis aus 2019, jedoch keine Integrationsprüfung A2 vorweisen habe können.

Am 28.01.2020 wurde der Beschwerdeführer verständigt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt sei und er innerhalb von 14 Tagen den beiliegenden Fragenkatalog schriftlich beantworten möge.

Am 05.02.2020 teilte der Beschwerdeführer mit, er habe die Verständigung bekommen und er wolle die benötigten Dokumente, persönlich bringen und die Fragen beantworten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte mit, dass der Beschwerdeführer die Dokumente sowie die Fragen postalisch oder via Mail nachreichen solle.

Der Beschwerdeführer gab schriftlich an, er sei am 17.01.2016 ins Bundesgebiet eingereist, um seine Freundin XXXX zu besuchen. Er habe sich am 21.01.2016 in XXXX hauptgemeldet und habe am 12.07.2016 den Aufenthaltstitel Familienangehöriger erhalten. Er habe die öffentliche Einrichtung zweite Grundschule sowie die Berufsschule Öffentliche Anstalt Technische Schule in Brcko absolviert und den Beruf eines Automechanikers erlernt. In Österreich lebe er zurzeit alleine, er habe keine nahen Angehörigen, lediglich seine Ex-Frau, XXXX sei in Österreich aufhältig. Seine Eltern, seine Großmutter und Geschwister würden im Heimatland leben.

Er habe das Goethe-Zertifikat A2, sowie einen Deutschkurs am 18.05.2019 beim XXXX abgeschlossen. Der Beschwerdeführer würde seit 29.07.2016 bis heute als Reinigungskraft bei XXXX arbeiten und monatlich durchschnittlich 1.600 € verdienen. Sein Mietzins würde in etwa 400 € betragen.

Der Beschwerdeführer gab an, er habe sich in Österreich integriert, Freundschaften geschlossen und könne seinen Lebensunterhalt durch Arbeit abdecken.

Mit Gz. XXXX wurde dem Beschwerdeführer ein Straferkenntnis der LPD Wien zugestellt. Er habe am 19.10.2019, um 04.50, in XXXX das Fahrzeug mit dem Kennzeichnen XXXX in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft on 0,84 mg/l ergeben. Der Beschwerdeführer habe die Rechtsvorschrift § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs. 1 StVO verletzt. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von 1.600,-€, falls uneinbringlich eine 14 tägige Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2020, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. gem. § 52 Abs. 5 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung entlassen, unter Spruchteil II. festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei, unter Spruchteil III. gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Zi 0 FPG ein befristetes Einreiseverbot in Höhe von 3 Jahren erlassen und unter Spruchteil IV. gem. § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und unter Spruchpunkt V. einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ein Drittstaatsangehöriger sei, seine Identität feststehen würde und er geschieden sei. Er halt sich seit dem 21.01.2016 durchgehend behördlich gemeldet im Bundesgebiet auf. Aus dem Sozialversicherungsauszug habe entnommen werden können, dass der Beschwerdeführer seit 29.07.2016 als Arbeiter tätig sei. Er habe keine weiteren Integrationsmaßnahmen gesetzt bzw. hätten nicht festgestellt werden können, da er lt. Ermittlungsverfahren der MA 35 keine Integrationsprüfung abgelegt habe. Der Beschwerdeführer sei geschieden, es hätte kein schützenswertes Privatleben festgestellt werden können und es sei keine tiefer greifende Integration in Österreich erkennbar. Aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat könne unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines Sachverhalts erkannt werden, der gegen eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat stünde.

In der rechtlichen Beurteilung wurde zunächst zu Spruchteil I. festgehalten, das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 9 Integrationsgesetz aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten seien, nicht rechtzeitig erfüllt wurden. Des Weiteren wurde auf das Straferkenntnis Bezug genommen und erläutert, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen rechtstreuen Menschen handle, welcher sich an die österreichischen Rechtsvorschriften halte. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er zukünftig keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit darstellen würde. Es könne aufgrund dieses Umstandes von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Es würden die Tatbestandsvoraussetzung des § 52 Abs. 5 FPG für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen. Der Beschwerdeführer habe keine Familienleben nach Art. 8 EMRK vorweisen können. Bezüglich des Privatlebens wurde angegeben, dass der Beschwerdeführer in keinster Weise integriert sei, weil er über keine verfahrensrelevanten nennenswerten wirtschaftlichen, sozialen, familiären oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet verfüge und eine relevanten Integrationsleistungen vorzuweisen habe.

Im Spruchteil II. wurde die Rückkehrentscheidung insbesondere damit begründet, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Zu Spruchteil III. wurde festgehalten, dass mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werde können. Das Einreiseverbot wurde mit der angeführten Verwaltungsübertretung und der damit entstandenen Geldstrafe von mind. 1.000.-€ oder primären Freiheitsstrafe begründet. Im Spruchteil IV. wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Im Spruchteil V. wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung aberkannt, da die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei.

Der Beschwerdeführer erhob, vertreten durch XXXX , gegen alle Spruchteile fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Grundsätzlich wurde angeführt, dass bis heute nicht über die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer habe am Goethe-Institut in Bosnien und Herzegowina die Deutschprüfung A2 mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen. Er stehe auch in einem aufrechten Dienstverhältnis bei der Arbeitgeberin XXXX .

Bedauerlicher Weise habe der Beschwerdeführer, entgegen seiner Gewohnheiten am 19.10.2019 etwas mehr Alkohol konsumiert, als er eigentlich wollte. An diesem Tag habe er das erste Mal in seinem Leben unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug gelenkt. Es sei kein Schaden verursacht worden.

Dazu wurde angeführt, dass die im Spruch getroffenen Feststellung die Begründung nicht tragen würden. Die Behörde habe es unterlassen, sich mit dem wesentlichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Teilerkenntnis vom 23.10.2020, GZ. XXXX den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wurde Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).

Aufgrund der in § 18 Abs. 5 BF-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht sei der Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorbringen ein reales Risiko der Verletzung von Art. 8 EMRK geltend gemacht. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es dabei um „vertretbare Behauptungen“ handelt. Im vorliegenden Fall könne somit eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erst nach weiteren Ermittlungen getroffen werden, weswegen die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zuzuerkennen gewesen sei.

Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache nunmehr der Gerichtsabteilung W 159 zugewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 05.08.2021 an, an welcher der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters, XXXX , hierfür anwesend XXXX , erschien, die belangte Behörde war entschuldigt nicht erschienen.

Der Beschwerdeführer brachte einen befristeten Mietvertrag, eine Deutschkursanmeldung sowie eine Lohnbestätigung Firma XXXX in Vorlage.

Befragt gab er an, er halte seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er wolle keine Korrekturen oder Ergänzungen anbringen.

Der Beschwerdeführer gab an, er sei Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, komme aus der Republika Srpska (Teilrepublik), sei Serbe und orthodoxen Glaubens. Er sei am XXXX in XXXX in Bosnien geboren worden. Die ersten fünf Jahre habe er in XXXX verbracht. Aufgrund des Krieges sei die Familie dann nach XXXX geflüchtet. Dort sei er von 1990/1991 bis zu seiner Ausreise am 17.01.2016 aufhältig gewesen. Er würde sich seit 17.01.2016 in Österreich aufhalten.

Der Beschwerdeführer erzählte, er sei durchgehend in Österreich gewesen. Seit zweieinhalb Jahren sei er überhaupt nicht mehr nach Bosnien gefahren. Er stehe in keinem guten Kontakt zu seiner Familie. Vorher sei er in fünf Jahren zwei Mal auf Urlaub nach Bosnien gefahren. Er sei nach Österreich gekommen, um zu seiner Ex-Frau zu ziehen und sie zu heiraten.

Befragt zu seiner Schulbildung, erklärte der Beschwerdeführer er habe acht Jahre die Pflichtschule besucht und dann Automechaniker gelernt. Danach habe er in der Maschinenindustrie in Bosnien gearbeitet. Er habe auch im Gemüse- und Obstgroßhandel gearbeitet und auch Gartensteine verlegt. Diesen Beruf habe er auch hier ausüben wollen, sei jedoch mit der deutschen Sprache anfänglich nicht gut zur Recht gekommen. Jetzt arbeite er seit dem 27.07.2016 für die Firma XXXX in einem Pensionistenheim in der Reinigung. Er sei der Vertreter der Chefin und habe auch während den Lockdowns gearbeitet.

Seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester würden noch in Bosnien leben. Er stehe in keinen Kontakt zu seinen Eltern, seit etwa zweieinhalb Jahren. Seine Eltern hätten ihn bei der Aufteilung ihres Vermögens nicht berücksichtigt, weil er nicht in Bosnien aufhältig sei. Er würde jedoch mit seinem jüngeren Bruder telefonieren. Er habe weder Haus- noch Grundbesitz in Bosnien.

Befragt erzählte der Beschwerdeführer, er habe seine Ex Frau über Facebook am 24.12.2015 kennengelernt. Er habe sie XXXX am Standesamt geheiratet. Der Beschwerdeführer brachte die Heiratsurkunde in Vorlage. Seine Frau sei österreichische Staatsbürgerin gewesen, sie sei in Österreich geboren worden, die Familie stamme jedoch aus Serbien. Die Ehe sei am 13.11.2018 geschieden worden. Der Beschwerdeführer brachte den Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen nach §55a Ehegesetz vor.

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er zurzeit eine Freundin habe. Sie würde auch in Österreich arbeiten und sei kroatische Staatsangehörige. Er würde noch nicht mit ihr zusammenleben. Er habe keine Kinder. Seine Ex-Frau habe einen Sohn aus der vorangegangen Ehe.

Er habe sich hier in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut und habe auch österreichische Freund. Verwandte würden keine in Österreich wohnen. Er sei kein Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Institutionen.

Er sei zwischenzeitlich zweimal zur Integrationsprüfung A2 angetreten, habe sie jedoch nicht bestanden. Er habe am Samstag den nächsten Termin und habe dafür auch einen Vorbereitungskurs über die Dauer von einem Monat gemacht.

Auf die Frage des Richters: „Wie kam es dazu, dass Sie am 19.10.2019 ein Kraftfahrzeug furch einen durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,84 mg/l pro Atemluft entspricht 1,68 Promille) gelenkt haben?“ Erzählte der Beschwerdeführer: „Zuerst bin ich mit einem Freund auf einen Kaffee gegangen. Danach sind wir zu einem Freund zu einer Feier gegangen und zwar zu einer Feier des Hausschutzpatrons. Da wird die Familie und Freunde eingeladen. Es kam dann auch Bier und Schnaps dazu. Ansonsten trinke ich nicht. Seit diesem Zeitpunkt trinke ich überhaupt nichts mehr. Ich habe eine hohe Strafe bezahlt und seither fahre ich nicht mehr Auto.“

Der Beschwerdeführer gab an, er wolle nicht nach Bosnien zurückkehren, er stehe in keinen Kontakt zu seinen Eltern und wüsste nicht wohin er gehen sollte. Sein Plan sei es, eine Wohnung zu nehmen, außerhalb von XXXX , vielleicht auch ein Haus und eine Familie zu gründen. Er habe hier auch einen Kredit aufgenommen, diesen wolle er zurückzahlen. Er zahle regelmäßig die Kreditraten. Er sei auch nie beim AMS gemeldet gewesen und sei in den fünf Arbeitsjahren nur neun Tage im Krankenstand gewesen. Sein Arbeitgeber sei sehr zufrieden mit ihm. Er habe auch geholfen, in dem Pensionistenheim in welchem er arbeite, Diebstähle aufzuklären.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, gehört der Volksgruppe der Serben an, ist orthodoxen Glaubens und wurde am XXXX in XXXX in Bosnien geboren. Der Beschwerdeführer ist seit dem 17.01.2016 durchgehend in Österreich aufhältig. Seine Eltern sind zwar in Bosnien aufhältig, doch ist der Kontakt zu ihnen seit zweieinhalb Jahren abgebrochen. Der Beschwerdeführer hat auch keinen Besitz mehr in Bosnien.

Der Beschwerdeführer lernte seine nunmehrige Ex-Frau am 24.12.2015 über Facebook kennen und ist nach Österreich gekommen, um mit seiner Ex-Frau zusammenzuziehen und sie zu heiraten. Die Ehe wurde jedoch einvernehmlich am 13.11.2018 geschieden.

Der Beschwerdeführer besuchte acht Jahre die Pflichtschule und erlernte danach den Beruf des Automechanikers. Er arbeitete in der Maschinenindustrie in Bosnien. Er arbeitete auch im Gemüse- und Obstgroßhandel und verlegte Gartensteine. Seit dem 27.07.2016 arbeitet der Beschwerdeführer für die Firma XXXX in einem Pensionistenheim in der Reinigung. Er ist der Vertreter der Chefin und arbeitete auch während des Lockdowns.

Der Beschwerdeführer verdient in etwa 1.500 € netto monatlich. Er ist ein verläßlicher Arbeitnehmer. Sein Arbeitgeber ist sehr zufrieden mit ihm. Er hat in Österreich einen Kredit aufgenommen und bezahlt regelmäßig seine Raten.

Er hat sich hier in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut und hat auch österreichische Freunde.

Er ist bemüht die Integrationsprüfung A2 zu absolvieren.

Der Beschwerdeführer ist einmal betrunken mit dem Auto gefahren. Nach diesem Vorkommnis bezahlte er die Verwaltungsstrafe, trinkt nicht mehr und fährt nicht mehr mit dem Auto, er besitzt keinen Führerschein mehr.

Im Strafregisterauszug scheint keine Verurteilung des Beschwerdeführers auf.

Aufgrund des Inhaltes der gegenständlichen Entscheidung war es nicht erforderlich, Länderfeststellungen zu treffen.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt zur XXXX und durch die mündliche Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 05.08.2021 sowie durch Einvernahme in die vorgelegten Dokumente (Reisepass, Heiratsurkunde, Scheidungsbeschluss, Lohnbestätigung, Arbeitsbestätigung).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und der Identität des Beschwerdeführers sind der Beschwerdeverhandlung am 05.08.2021 und dem vorgelegten Reisepass zu entnehmen, Die Angaben zur Heirat, Scheidung sowie dem bestehenden Arbeitsverhältnis sind den vorgelegten Dokumenten zu entnehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich während der Verhandlung von dem eher einfacheren Denken und Handeln des Beschwerdeführers überzeugen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Angaben und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen zu den obigen personenbezogenen Feststellungen gelangen konnte.

Was den persönlichen Eindruck betrifft, so konnte der Beschwerdeführer vermitteln, dass er von einfachem Gemüt ist. Er lernt aus seinen Fehlern und versucht diese zukünftig zu vermeiden. Es wird eine positive Zukunftsprognose abgegeben.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht strafgerichtlich verurteilt wurde, kann dem diesbezüglichen Strafregisterauszug entnommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ überschriebene § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit zu Bosnien und Herzegowina sohin Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechtes ist gemäß Abs. 2 leg. cit. nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen.

In die Interessenabwägung ist auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Der VwGH hat zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479), der Beschwerdeführer ist aber schon mehr als 5 ½ in Österreich aufhältig.

Im vorliegenden Fall spricht für die Integration des Beschwerdeführers der Umstand, dass der Beschwerdeführer beruflich gut in Österreich verankert ist. Der Beschwerdeführer arbeitet schon länger in ungekündigter Stellung in einer Vertrauensposition. Der Beschwerdeführer ist mehr als 5 ½ Jahre in Österreich aufhältig. Er hat eine Freundin, Zukunftspläne und auch finanzielle Verpflichtungen in Form eines Kredites, welchen er regelmäßig tilgt. Der Beschwerdeführer ist außerdem bemüht die Integrationsvereinbarungen des Moduls I. zu erfüllen. Außerdem ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer sich einen Freundeskreis, auch aus Österreichern aufgebaut hat. Sein Kontakt zu seiner Familie in Bosnien ist auf seinen jüngeren Bruder beschränkt. Auch sonst hat er kaum noch Bindung an seinen Herkunftsstaat.

Der mit „Einreiseverbot“ überschriebene § 53 FPG lautet wie folgt:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

Bei der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).

Ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (§ 53 Abs. 3 FPG).

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof fordert (z.B: jüngst VwGH vom 30.04.2020 Ra 2019/20/0399) eine genaue Auseinandersetzung mit den Umständen einer strafgerichtlichen Verurteilung. Umgelegt auf das Verwaltungsstrafvergehen des Beschwerdeführers, anerkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer aus jenem Fehlverhalten gelernt, dem Alkohol abgeschworen und den Führerschein „abgegeben“ hat, sodass ein Fehlverhalten im betrunkenen Zustand ein Fahrzeug lenken für ihn kein Thema mehr ist und die konkrete Gefährdung weggefallen ist. Beim Beschwerdeführer liegt ein einmaliges, lediglich verwaltungsrechtlich zu ahnendes Fehlverhalten vor, das keine Folgen nach sich gezogen hat und im Zusammenhang mit der Feier eines im serbischen Kulturkreis besonders bedeutenden Festes steht. Der Beschwerdeführer ist nicht strafrechtlich verurteilt, er hat sich bis zu jenem Zeitpunkt wohlverhalten. Ohne das alkoholisierte Lenken von Kraftfahrzeugen (auch an hohen Festtagen) verharmlosen zu wollen, ist letztlich bei Berücksichtigung aller Umstände von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen, sodass der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Vielmehr stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die jüngste Judikatur des Verwaltungsgerichthofes (basierend auf der Judikatur des EGMR).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Interessenabwägung Resozialisierung Rückkehrentscheidung Unbescholtenheit Voraussetzungen Wegfall der Gründe Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2235825.1.00

Im RIS seit

05.01.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2022
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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