TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/16 95/01/0378

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Veröffentlicht am 16.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §45 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1995, Zl. 4.345.957/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Februar 1995, mit dem der am 13. und 14. Februar 1995 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers, eines bosnischen Staatsangehörigen, der am 8. Februar 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, abgewiesen worden war, abgewiesen (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) und die Anträge auf Feststellung, daß der Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, sowie auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 7 Abs. 4 leg. cit. abgewiesen (Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides).

Nach der Beschwerdeerklärung richtet sich die vorliegende Beschwerde gegen diesen Bescheid zwar in seiner Gesamtheit, nach Darstellung des Beschwerdepunktes sowie Ausführung der Beschwerdebegründung jedoch lediglich gegen dessen Spruchpunkt 1, wobei Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 14. Februar 1995 zu seinen Fluchtgründen befragt, folgendes angegeben:

"Ich wurde in Maglaj geboren und wohnte im Dorf Kopice. In Kopice wuchs ich auf und lebte dort bis zum Schluß. Ich habe in Bosnien keinerlei Verwandte mehr. Ich habe lediglich eine Schwester, die in Österreich lebt. Da ich meine Schwester schon seit 3 Jahren nicht mehr gesehen habe, entschloß ich mich dazu, nach Österreich zu kommen. Zu Beginn des Krieges meldete ich mich als Freiwilliger bei der Territorialverteidigung. Ich verteidigte mit anderen Maglaj. Ich wurde zweimal verwundet und hatte keine Lust, noch länger zu kämpfen. Ich wollte nicht im Krieg fallen, ohne meine Schwester nochmals gesehen zu haben. Bis vor einem Monat verteidigte ich als Freiwilliger bei der Territorialverteidigung Maglaj. Ich wollte bereits schon früher Bosnien verlassen, doch es war mir nicht möglich, durch die Grenzen zu kommen. Erst jetzt mit dem Konvoi war mir dies möglich. In Bosnien ist alles zerstört - man kann sich dies nicht vorstellen. Ich wollte nicht sterben und meine letzte Familienangehörige, nämlich meine Schwester, nochmals sehen und mit ihr zusammen leben.

Auf die Frage: Haben Sie noch weitere Angaben zu machen,

oder andere Fluchtgründe zu nennen?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?

Antwort: Ja."

In der Berufung gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Februar 1995 machte der Beschwerdeführer u.a. auch Verfahrensverletzungen geltend, insbesondere, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht im Sinne des § 37 AVG in Verbindung mit § 16 AsylG 1991 angesichts der kriegerischen Ereignisse in seinem Heimatland und der von ihm dargelegten Todesfurcht sich um eine nähere Konkretisierung dieser Angaben bemühen hätte müssen, dies insbesondere vor dem Hintergrund einer systematisch in seinem Heimatland durchgeführten Gruppenverfolgung. Schon aus der relativen Kürze der niederschriftlichen Vernehmung lasse sich schließen, daß die Behörde der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht die vom Gesetz geforderte Gründlichkeit zugewandt habe. Die erkennende Behörde hätte auch von Amts wegen Ermittlungen über die in seiner näheren Heimat Maglaj und Kopice herrschenden Umstände anstellen müssen. Dabei hätte sie festgestellt, daß Kopice Ende 1992/Anfang 1993 von Serben eingenommen und die gesamte moslemische Bevölkerung entweder vertrieben oder ermordet worden sei. Er habe sich nach Maglaj flüchten können, wo er sich freiwillig der Territorialverteidigung angeschlossen habe. Dabei sei er zweimal schwer verwundet worden. Auch sei er im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens vom Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in Kenntnis gesetzt worden, ebensowenig habe er die Möglichkeit gehabt, hiezu vor Erlassung des bekämpften Bescheides erster Instanz innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde hat der Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers die im erstinstanzlichen Bescheid zusammengefaßten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die maßgebenden Erwägungen der Beweiswürdigung und die Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesasylamt hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers vollinhaltlich zugrundegelegt und diese Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt auch des angefochtenen Bescheides erhoben, wozu sie - ohne diese inhaltlich wiederholen zu müssen - berechtigt war (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045). Den vom Bundesasylamt als zusätzlichen Abweisungsgrund herangezogenen Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 erachtete die belangte Behörde im Hinblick auf die nicht vorliegende Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als "obsolet".

In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer neuerlich geltend, er befinde sich aus wohlbegründeter Furcht vor aslyrechtlich relevanter Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen bereits angesichts der "notorischen Verhältnisse in Bosnien, insbesondere die systematische Vertreibung und Ermordnung der moslemischen Bevölkerung aus religiösen und ethnischen Gründen" vorlägen. Des weiteren macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe das erstinstanzliche Verfahren als mangelfrei erachtet und den festgestellten Sachverhalt übernommen, ohne eigene Erhebungen und Überlegungen anzustellen, weshalb ihr die Mangelhaftigkeit des Verfahrens selbst zuzurechnen sei. Insbesondere habe die Behörde keine Ermittlungen über die konkreten Verhältnisse in der Heimat des Beschwerdeführers angestellt, sie habe ihre Anleitungs- und Aufklärungspflicht sowie das Recht auf Parteiengehör verletzt. Bei Gewährung des Parteiengehörs und Vorhalt der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wäre der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, zweckentsprechendes Vorbringen zu erstatten und Beweise bzw. Bescheinigungsmittel anzubieten.

Der Verfahrensrüge ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der für den Umfang der Ermittlungspflicht im Asylverfahren maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheint. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine, über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803, und die daran anschließende Judikatur). Da sich in den oben wörtlich wiedergegebenen erstinstanzlichen Angaben trotz mehrfacher Nachfragen keine Hinweise auf einen Sachverhalt finden lassen, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung in Frage kommt, liegt der behauptete Verfahrensmangel (weder in erster noch in zweiter Instanz) nicht vor. Da die belangte Behörde aber auch demzufolge das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 zutreffend als nicht gegeben erachtete, war sie gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. verpflichtet, (lediglich) die Ermittlungsergebnisse des Verfahrens erster Instanz ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen. Ausgehend davon erweist sich aber auch die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Qualifikation des von ihr zugrunde zu legenden Sachverhaltes als frei von Rechtsirrtum, da der Beschwerdeführer anläßlich seiner Erstvernehmung als Anlaß und Motiv für seine Flucht lediglich Kriegsmüdigkeit und den Wunsch, seine Schwester nochmals zu sehen, vorgebracht hat. Voraussetzung zur Erlangung von Asyl im Sinne des § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist eine vom Asylwerber zu behauptende, individuell ihn betreffende Verfolgungsgefahr aus einem der in Artikel 1 Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Stellt er eine derartige Behauptung nicht auf, können auch notorische Umstände grundsätzlich asylrelevanter Natur in seinem Heimatland nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

Aus diesem Grunde war die Beschwerde als unbegründet im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010378.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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