TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/6 W278 2226662-11

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2021
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Entscheidungsdatum

06.12.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80
VwGVG §35

Spruch


W278 2226662-11/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter, über die Beschwerde zur Zahl XXXX über die Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung

A)

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.06.2020, 23.07.2020, 20.08.2020 und 14.09.2020 richtet wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. zu Recht erkennt:

Darüber hinaus wird der Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 04.06.2020 bis 27.11.2020 – ausgenommen die von Spruchpunkt A) I. erfasste Anhaltung in Schubhaft jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes (beginnend vom 24.06.2020 und zuletzt vom 14.09.2020) – gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 80 FPG stattgegeben und die Anhaltung in den genannten Zeiträumen für rechtswidrig erklärt.

III. Der Antrag auf Kostenersatz der belangten Behörde wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nach rechtskräftigem negativen Abschluss des Verfahrens stellte er am 30.01.2020 einen Folgeantrag.

2. Während des (ersten) Asyl- bzw. Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet wiederholt straffällig und wurde drei Mal von inländischen Landesgerichten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich in Untersuchungshaft bzw. Strafhaft. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängt.

3. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt, belangte Behörde oder BFA) vom 23.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zur beabsichtigten weiteren Vorgangsweise – Verhängung der Schubhaft – gewährt. Ihm wurde dabei ein konkreter Fragenkatalog zur Beantwortung und ausführlichen Stellungnahme übermittelt. Er machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und wirkte am weiteren Verfahren nicht mit.

4. Am 29.11.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Schubhaftbescheid erlassen und über ihn die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Im Anschluss an eine Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 03.12.2019 in Schubhaft überstellt.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (auch: BVwG) vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 23.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020, 09.10.2020 und 06.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

Die Erkenntnisse vom 09.10.2020 und 06.11.2020 wurden mit Erkenntnis des VfGH vom 07.10.2021, E 4080-4081/2020-22, behoben. Die übrigen Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

6. Am 20.11.2020 langte die verfahrensgegenständliche Beschwerde des BF im Wege seiner gewillkürten Vertretung ein. In dieser Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Schubhaft niemals als Standardmaßnahme angeordnet werden und dieser auch nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommen dürfe. Im konkreten Fall sei die höchstzulässige Schubhaftdauer bereits nach sechs Monaten überschritten worden, darüber hinaus sei dem BF seit August 2019 kein Parteiengehör gewährt worden. Die Unverhältnismäßigkeit der Dauer der Schubhaft werde damit begründet, dass im gegenständlichen Fall kein Anwendungsfall des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG vorliege, da bei konformer Interpretation der Rückführungsrichtlinie, die mangelnde Kooperationsbereitschaft des BF kausal für die Verzögerung der Abschiebemaßnahmen sein müsse. Die Abschiebung habe bisher maßgeblich jedoch deshalb nicht stattfinden können, da der Flugverkehr aufgrund der COVID-Pandemie seit März 2020 massiv eingeschränkt sei. Ebenso habe sich der BF während seines ersten Asylverfahrens lediglich drei Tage nicht an seiner Unterkunft aufgehalten und sei nicht aus der Grundversorgung entlassen worden, woraus zu schließen sei, dass sich der damals Minderjährige nicht dem Verfahren entzogen habe. Beantragt wurde die sofortige Entlassung des BF, da jede weitere Anhaltung jedenfalls rechtswidrig sei. Ein Antrag auf Kostenersatz wurde nicht erstattet.

7. Am 23.11.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt vor. In der zugehörigen Stellungnahme wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich im konkreten Fall bei der Anhaltung in Schubhaft nicht um eine Standardmaßnahme handle und die Schubhaft nicht auf den Zweck der Einstellungsänderung durch Haftdauer abziele. Der BF habe bereits das im August 2019 gewährte Parteiengehör nicht genutzt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der damals minderjährige BF in der Zeit von 27.08.2018 bis 30.09.2018 von der Asylunterkunft als abgängig gemeldet gewesen sei und er sich bereits davor seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen habe. Der BF habe bereits am 05.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn gestellt und sich diesem Verfahren durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen. Dem Vorbringen in der Beschwerde, wonach der internationale Flugverkehr mit März 2020 massiv eingeschränkt worden sei, sei zuzustimmen, im konkreten Fall sei der BF jedoch bereits für eine Charterabschiebung im Dezember 2020 eingebucht. Der BF habe seine zeitnahe Abschiebung durch Stellung eines Asylfolgeantrages am 30.01.2020 selbst vereitelt. Sowohl am 04.02.2020, als auch am 26.02.2020 seien Charterabschiebungen durchgeführt worden, auf die der BF nicht gebucht habe werden können, da das Verfahren zur Folgeantragstellung erst mit 13.03.2020 durch Entscheidung des BVwG rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Das Bundesamt merkte des Weiteren an, dass trotz der Unmöglichkeit von Charterabschiebungen die Möglichkeit der unterstützen freiwilligen Ausreise gegeben gewesen sei, die Fluchtgefahr des BF aufgrund seines Vorverhaltens nach wie vor vorliege und aufgrund seiner strafrechtlichen Delinquenz auch noch bis zu dem Abschiebetermin im Dezember 2020 die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig sei. Beantrag wurde die Abweisung der Beschwerde sowie den BF zum Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG zu verpflichten.

8. Das BVwG ersuchte am 23.11.2020 die Heimreisezertifikatabteilung des Bundesamts um Auskunft, ob nach dem 10.01.2020 (Entscheidung BVwG zum ersten Antrag auf internationalen Schutz) bzw. nach dem 30.01.2020 (Zeitpunkt Folgeantragstellung durch den BF) noch erfolgreiche Charterabschiebungen nach Afghanistan durchgeführt werden konnten und ob eine Abschiebung des BF möglich gewesen wäre, wenn keine Asylfolgeantragstellung erfolgt wäre. Die HRZ Abteilung des Bundesamtes beantwortete die Fragestellung wie folgt: -

„Am 04.02.2020 und am 26.02.2020 fanden erfolgreiche Charterabschiebungen nach AFGH statt. Bis Mitte März, wurden auch Einzelrückführungen nach AFGH durchgeführt. Bei XXXX ist jederzeit ein EU Laissez Passer, aufgrund der vorhandenen Tazkira, ausstellbar und somit wäre auch die Abschiebung vor den Flugbeschränkungen, ohne Folgeantrag, möglich gewesen. Durch den Folgeantrag hat der o.G die Abschiebung verzögert.“

9. Die Ausführungen der HRZ Abteilung wurde dem BF am 23.11.2020 im Wege seiner gewillkürten Vertretung zum Parteiengehör zugestellt und eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme bis 26.11.2020 eingeräumt.

10. Am 26.11.2020 langte eine Stellungnahme des BF ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Stellung eines Asylfolgeantrages gesetzlich nicht rechtswidrig sei und dadurch kein Abschiebungshindernis geschaffen wurde, welches vom BF zu vertreten wäre. Zusätzlich wurde mit der Stellungnahme beantragt, dass BVwG möge die Anhaltung des BF seit 04.06.2020 für rechtswidrig erklären.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2020 wurde die Beschwerde gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 04.06.2020 als unbegründet abgewiesen, ein positiver Fortsetzungsausspruch hinsichtlich der fortdauernden Anhaltung des BF getroffen und der BF zum Kostenersatz verpflichtet.

12. Einer gegen das Erkenntnis vom 27. November 2020 erhobenen Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) wurde mit Erkenntnis vom 07. Oktober 2021 stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis des BVwG aufgehoben, zumal der BF durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden sei. Begründend wurde dabei im Wesentlichen ausgeführt, die weitere Anhaltung des BF sei offenkundig auf die Covid-19 bedingten Flugverkehrsbeschränkungen zurückzuführen gewesen, sodass die Abschiebung sich daher aus vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen verzögert haben dürfte.

13. Der BF befand sich von 3. Dezember 2019 bis 14. Dezember 2020 in Schubhaft. Aktuell ist zur Zahl XXXX für den Haftzeitraum von 27.11.2020 bis 14.12.2020 eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

1. Zum bisherigen Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer wurde am 04.04.2016 in Ungarn und am 01.02.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt. Bereits am 05.04.2016 stellte der Beschwerdeführer in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwartete, sondern sich dem Verfahren entzog und nach Österreich weiterreiste. Der Beschwerdeführer stellte am 06.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gewährt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020, das mit 28.01.2020 dem BF und der belangten Behörde in gekürzter Ausfertigung zugestellt wurde, als unbegründet abgewiesen.

1.3. Am 30.01.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.02.2020 sowie am 26.02.2020 wurden erfolgreich Charterabschiebungen nach Afghanistan durchgeführt. Der BF hat durch die unbegründete missbräuchliche Asylfolgeantragstellung sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert und eine realistisch mögliche Abschiebung im Februar verhindert. Der Folgeantrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020 als unbegründet abgewiesen.

1.4. Aufgrund der COVID – 19 bedingten Flugverkehrsbeschränkungen wurden nach dem 26.02.2020 für die weitere Dauer der Anhaltung des BF keine weiteren Charterabschiebeflüge nach Afghanistan durchgeführt. Für die Überschreitung der Anhaltedauer in Schubhaft von sechs Monaten war diese Flugverkehrsbeschränkungen kausal. Die Beschränkungen des Flugverkehrs waren weder dem BF noch dem BFA zuzurechnen.

1.5. Der Beschwerdeführer hat mit Bescheid vom 20.12.2018 das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Asylgesetz verloren.

1.6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 23.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020, 09.10.2020 und 06.11.2020 wurde jeweils gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig war.

Die genannten Erkenntnisse vom 09.10.2020, XXXX , und 06.11.2020, XXXX , wurden mit Erkenntnis des VfGH vom 07.10.2021, E 4080-4081/2020-22, ersatzlos behoben. Die übrigen Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2020 wurde die Beschwerde gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 04. Juni 2020 als unbegründet abgewiesen, ein positiver Fortsetzungsausspruch hinsichtlich der fortdauernden Anhaltung des BF getroffen und der BF zum Kostenersatz verpflichtet.

Einer gegen das Erkenntnis vom 27. November 2020 erhobenen Erkenntnisbeschwerde wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 07. Oktober 2021 stattgegeben und die Entscheidung aufgehoben.

1.8. Der BF befand sich von 03. Dezember 2019 bis 14. Dezember 2020 in Schubhaft. Zum Entscheidungszeitpunkt befindet sich der BF nicht in Schubhaft. Aktuell ist zur Zahl XXXX für den Haftzeitraum von 27.11.2020 bis 14.12.2020 eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer ging im Inland zu keiner Zeit einer legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügte über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung. Der Beschwerdeführer hatte in Österreich im relevanten Zeitraum keine Familienangehörigen und auch sonst keine engen sozialen Bindungen oder Anknüpfungspunkte. Er verfügte in Österreich bis zu seiner Entlassung aus der Schubhaft am 14. Dezember 2020 über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit):

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

3.2. Seit dem 16.03.2020 besteht gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, die rechtskräftig und durchsetzbar ist. Zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung am 30.01.2020 bestand eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, nämlich aufgrund der Beschwerdeabweisung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020. Der BF stellte einen unbegründeten Folgeantrag kurz nach Zustellung der gekürzten Ausfertigung des abweisenden Erkenntnisses des BVwG betreffend den ersten Antrag auf internationalen Schutz – ohne Angabe von neuen Fluchtgründen – ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung seiner Abschiebung. Der BF hat sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert und er konnte nicht für eine realistische mögliche Charterabschiebung im Februar gebucht werden. Das Bundesamt hat das zweite Asylverfahren in zweieinhalb Wochen am 17.02.2020 abgeschlossen und auf eine möglichst kurze Anhaltung des BF in Schubhaft hingewirkt.

3.3. Der Beschwerdeführer war haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3.4. Der Beschwerdeführer war von 27.12.2017 bis 10.01.2018 in einem Quartier untergebracht und von 28.12.2017 bis 12.01.2018 dort gemeldet. Am 04.01.2018 wurde der Beschwerdeführer in einer anderen Asylunterkunft von der Polizei, welche von der Hausbesitzerin verständigt worden war, schlafend angetroffen und gemäß § 38 Abs. 5 SPG weggewiesen.

Von 10.01.2018 bis 29.10.2018 war der Beschwerdeführer in einem anderen Quartier in Niederösterreich untergebracht und von 12.01.2018 bis 06.11.12018 dort gemeldet. Von 27.09.2018 bis 30.09.2018 blieb der Beschwerdeführer unerlaubt von diesem Quartier fern und war abgängig. Er hat sich dadurch dem Verfahren entzogen.

3.5. Der Beschwerdeführer hat bereits zuvor in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer hat sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen.

3.6. Der Beschwerdeführer achtete die österreichische Rechtsordnung nicht. Weder die Verurteilungen noch die Inhaftierungen konnten den Beschwerdeführer zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Asylantragstellung am 06.04.2016 in Österreich von 22.06.2017 bis 24.07.2017, von 21.12.2017 bis 22.12.2017 und von 04.04.2019 bis 03.12.2019 in Justizanstalten in Österreich in Haft. Der Beschwerdeführer war seit dem 09.04.2019 bis zu seiner Entlassung aus der Schubhaft am 14. Dezember 2020 in Österreich behördlich ausschließlich in den jeweiligen Haftanstalten gemeldet.

3.7. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

(1) Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.07.2017, rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teilweise versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen (§§ 27 Abs. 1 achter Fall, Abs. 2a, 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 30 Abs. 1 achter Fall SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, wobei 6 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

(2) Mit Urteil eines Landesgerichts vom 15.01.2018, rechtskräftig seit 19.01.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. In Einem wurde die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 24.07.2017 auf fünf Jahre verlängert.

(3) Mit Urteil eines Landesgerichts vom 26.09.2019, rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung und des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 107 Abs. 1 StGB; §§ 27 Abs. 2a SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 Jahr verurteilt. Die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 15.01.2018 wurde auf fünf Jahre verlängert.

3.8. Seit dem 25.04.2019 besteht ein rechtskräftiges Waffenverbot für den Beschwerdeführer.

3.9. Am 28.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer aufgrund einer Ordnungswidrigkeit, nämlich dem unerlaubten Besitz eines Mobiltelefons im Polizeianhaltezentrum, eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet. Am 10.09.2020 wurde neuerlich eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet, da er wiederum unerlaubt im Besitz eines Mobiltelefons war. Schließlich erfolgte am 14.10.2020 abermals eine Disziplinierungsmaßnahme, wiederum wegen Besitzes eines Mobiltelefons.

3.10. Der Beschwerdeführer war nicht kooperativ. Er war von 21.12.2019 bis 22.12.2019, von 05.04.2020 bis 22.04.2020, von 06.06.2020 bis 07.06.2020 und von 10.09.2020 bis 11.09.2020 in Hungerstreik. Er trat von 15.09.2020 bis 16.09.2020 abermals in Hungerstreik.

3.11. Der Beschwerdeführer war nicht vertrauenswürdig.

3.12. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) wurde vom Bundesamt bei der Afghanischen Botschaft am 16.03.2020 angefordert und von dieser am 17.04.2020 zugesichert, dass aufgrund der vorhandenen Tazkira die Ausstellung eines EU Laissez Passer jederzeit möglich ist.

3.13. Für Oktober und November geplante Charterrückführungen nach Afghanistan sind nicht zustande gekommen. Für einen (vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht näher genannten) Termin im Dezember 2020 war eine Frontex-Charterrückführung nach Afghanistan geplant. Der BF wurde für diesen Termin gebucht.

B. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister (IZR), in das Zentrale Melderegister (ZMR) sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres. Einsicht genommen wurde zudem in das Erkenntnis des VfGH vom 07.10.2021, E 2080-2081/2020-22, mit welchem die Erkenntnisse des BVwG vom 09.10.2020, Zl XXXX , und vom 06.11.2020, XXXX , behoben wurden. Weiters wurde das Erkenntnis des VfGH vom 07.10.2021 zur Zahl E93/2021-16 der Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, sowie aus der verfahrensgegenständlichen Beschwerde und Stellungnahmen.

1. Zum bisherigen Verfahren:

Die Feststellungen zu den Punkten 1.1. bis 1.2 sind unstrittig und ergeben sich insbesondere aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das vorangehende Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend (GZen: XXXX ) und aus den Akten zu den asyl- bzw. fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers zu GZen XXXX und XXXX .

Die Feststellungen (1.3.) zur Asylfolgeantragstellung vom 30.01.2020, der mit Bescheid des Bundesamts wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und die Beschwerde gegen diesen Bescheid mit 13.03.2020 vom BVwG als unbegründet abgewiesen wurde, ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage. Dass am 04.02.2020 und am 26.02.2020 erfolgreich Charterabschiebungen nach Afghanistan und danach bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren Abschiebungen aufgrund der COVID-Situation durchgeführt werden konnten (1.4.), ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamts vom 23.11.2020 sowie aus der Anfragebeantwortung der HRZ Abteilung vom 23.11.2020. Dass der BF durch die unbegründete missbräuchliche Asylfolgeantragstellung am 30.01.2020, unmittelbar nach Zustellung der gekürzten Ausfertigung der abweisenden Entscheidung des BVwG vom 10.01.2020 zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz, sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert hat ergibt sich aus der Stellungnahme der HRZ Abteilung sowie des Bundesamts vom 23.11.2020 in Zusammenschau mit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG XXXX und BVwG XXXX .

Die Feststellung zu Punkt 1.5., dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat, ergibt sich zusätzlich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 20.12.2018, welcher im Haftprüfungsverfahren zu XXXX vorgelegt wurde.

Die Feststellungen zu Punkt 1.6. sind unstrittig und ergeben sich aus den dort genannten Akten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Entscheidung des VfGH vom 07.10.2021, E 4080-4081/2020-22, liegt in den Akten des BVwG zu XXXX ein.

Die in 1.7. genannten Entscheidungen liegen im Akt ein.

Die Anhaltedauer des BF ergibt sich aus der Anhaltedatei in Zusammenschau mit dem ZMR. In der Anhaltedatei ist als Beginn der Schubhaft der 03.12.2019 vermerkt. Dem ZMR ist zu entnehmen, dass der BF von dem eben genannten Tag bis 14.12.2020 im Polizeianhaltezentrum (PAZ) gemeldet war. Die anhängige Beschwerde für den Zeitraum von 27.11.2020 bis 14.12.2020 ergibt sich aus dem Akt des BVwG zu XXXX . Weder aus der Anhaltedatei, noch dem ZMR oder dem IZR ergibt sich eine aktuelle Anhaltung des BF in Schubhaft (1.8.).

2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen in Punkt 2. zur Identität des Beschwerdeführers sind unstrittig und beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes und insbesondere dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2020, XXXX (S. 13 und 14) und dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 10.01.2020, XXXX (vgl. zugehörige Verhandlungsschrift S. 18 bis 19.). Die Feststellungen zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers, zur Erwerbstätigkeit und den sozialen Kontakten ergeben sich zusätzlich aus dem Erkenntnis XXXX . Aus dem Behörden- und Gerichtsakten und einem aktuell eingeholten Versicherungsdatenauszug ergeben sich keine Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich. Auch die seit mehr als zwei Jahren bestehende Freundschaft zu einer Frau und deren Mutter, sowie die Patenschaft einer weiteren Frau stellten keine engen Bezugspersonen dar: Der Beschwerdeführer hat niemals mit seiner Freundin gemeinsam gelebt, noch besteht eine finanzielle Abhängigkeit, es fanden wechselseitige Besuche statt (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung unter „Termine im Haus“ sowie Verhandlungsschrift zu XXXX ).

Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit stand das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und der Beschwerdeführer hat eine Beschäftigung im Asylverfahren auch verneint. Aus dem Versicherungsdatenauszug des BF ergibt sich ebenso, dass er bislang keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen ist.

Die Feststellungen zu dem nicht vorhandenen gesicherten Wohnsitz ergeben sich im Wesentlichen aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Aufgrund des rechtskräftigen negativen Abschlusses der Asylverfahren bestand kein Versorgungsanspruch über die Grundversorgung mehr. Dies deckt sich auch mit dem vorliegenden Auszug aus der Betreuungsinformationssystem. Von einem gesicherten Wohnsitz im relevanten Zeitraum konnte daher nicht ausgegangen werden.

3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit):

Die Feststellungen zum Punkt 3.1. ergeben sich aus der dort zitierten Entscheidung.

Die Feststellungen zu Punkt 3.2. ergeben sich insbesondere aus der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG zur Zahl XXXX und der Einvernahme des Bundesamtes zur Folgeantragstellung. Die Folgeantragstellung erfolgte wenige Tage vor einer geplanten Charterabschiebung und der BF nannte im Zuge seiner Einvernahme keine neuen Fluchtgründe, sondern führte ausdrücklich selbst an, dass die Folgeantragstellung die einzige Möglichkeit für ihn sei, in Österreich zu bleiben. Aus seinen eigenen Angaben ergibt sich, dass die Antragstellung offenkundig ausschließlich zum Zweck der Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Das Bundesamt hat binnen zweieinhalb Wochen das Asylverfahren geführt und eine zurückweisende Entscheidung am 17.02.2020 erlassen, gegen die der BF Beschwerde einbrachte, über die das BVwG am 13.03.2020 abweisend entschieden hat. Das Bundesamt hat, nachdem die Schubhaft mittels Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten wurde, durch die zügige Verfahrensführung auf eine möglichst kurze Anhaltedauer des BF in Schubhaft hingewirkt. Dass im laufenden Asylverfahren das Bundesamt nicht an die Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates herantritt, kann diesem nicht zugerechnet werden. Die durch die offenkundig missbräuchliche Asylfolgeantragstellung verursachte Verfahrensverzögerung ist dem BF jedenfalls zuzurechnen.

Die Feststellungen in Punkt 3.3. gründen daher, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorgelegen wäre (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020 sowie medizinischen Unterlagen des PAZ vom 10.09.2020, vorgelegt in der Schubhaftprüfung zu GZ XXXX ). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung am 10.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht an, gesund zu sein (Verhandlungsschrift zu XXXX ). Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hatte, ist unzweifelhaft. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Feststellungen zu Punkt 3.4. zur Unterbringung von 27.12.2017 bis 10.01.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum Grundversorgungs-Informationssystem (im Folgenden: GVS) (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 28.12.2017 bis 12.01.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Die Feststellungen zum 04.01.2018 ergeben sich aus einer im Akt erliegenden Meldung der LPD Niederösterreich vom 04.01.2018 (in OZ 2 zu XXXX ).

Die Feststellungen zu Punkt 3.4. zur Unterbringung 10.01.2018 bis 29.10.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum GVS (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 12.01.2018 bis 06.11.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 18.06.2020.

Die Feststellungen zum Zeitraum vom 27.09.2018 bis 30.09.2018 und der unerlaubten Abwesenheit ergeben sich zum einen aus einer Meldung der LPD Niederösterreich vom 28.09.2018, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 27.09.2018 um 15:00 Uhr die Wohngemeinschaft verlassen hat und es seitdem keinen Kontakt mehr mit dem Beschwerdeführer gab (OZ 7 zu XXXX ). Der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 (siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zu XXXX , OZ 2 S. 17) ist zu entnehmen, dass die Fahndung am 30.09.2018 widerrufen wurde. Der Beschwerdeführer war in dieser Zeit nicht für die Behörde greifbar.

Die Feststellungen zum Asylverfahren in Ungarn (3.5.) waren aufgrund des entsprechenden Eurodac-Treffers und den Angaben des Beschwerdeführers festzustellen. Auch im IZR sind die Antragstellungen in Ungarn vermerkt. Dass der BF sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben, wonach er zwei Tage in Ungarn war, festzustellen. Diese Angabe stimmt auch mit den Zeitpunkten der Antragstellung in Ungarn (am 05.04.2016) und Österreich (am 06.04.2016) überein (Eurodac Treffer gemäß Anfrage Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister).

Dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtete, war aufgrund seiner Verurteilungen festzustellen (Punkt 3.6.). Dass ihn weder seine Verurteilungen noch die Inhaftierungen von weiteren Straftaten abhalten konnten, war aufgrund der Anzahl seiner Verurteilungen und Inhaftierungen festzustellen. Dass der Beschwerdeführer auch während seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum aufgrund von Ordnungswidrigkeiten diszipliniert werden musste, bestärkt diese Annahme. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den in den Akten einliegenden Urteilsausfertigungen (u.a. in OZ 3 in GZ XXXX . Die Zeiten in Anhaltung (Untersuchungshaft und Strafhaft) ergeben sich auch dem Einblick in das zentrale Melderegister.

Die Feststellungen in 3.7. basieren auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu Punkt 3.8. ergeben sich aus der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 („2. Vormerkung (Personeninformation)“; siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zur Zahl XXXX S. 18), in dem ein mit 25.04.2019 rechtskräftiges Waffenverbot eingetragen ist.

Die Feststellungen zu Punkt 3.9. ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Berichten (siehe Haftüberprüfung zu Akt zu XXXX , OZ 2 S. 101ff und den Bericht zur Disziplinierungsmaßnahme am 14.10.2020 im gegenständlicher Gerichtsakt, OZ 1).

Die Feststellungen zu Punkt 3.10. ergeben sich aus der Anhaltedatei. Sein gesamtes Verhalten wird seitens des Gerichts als unkooperativ qualifiziert, da der Beschwerdeführer einen unbegründeten Folgeantrag unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens stellte, um sein Verfahren erfolgreich zu verzögern. Auch die Asylantragstellung in Ungarn und unmittelbar darauffolgende Weiterreise nach Österreich sowie seine Entziehung während des Asylverfahren durch Abgängigkeit untermauern diesen Eindruck. Auch das mehrfache Eintreten in den Hungerstreik, spricht für das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu Punkt 3.11. ergeben sich bereits aus der Tatsache, dass der BF aufgrund seines Vorverhaltens (insbesondere die Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände) für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen kann.

Die Feststellungen zu Punkt 3.12. ergeben sich zum einen aus dem Zentralen Fremdenregister, in dem das HZR-Heimreisezertifikat Verfahren mit Erstellungsdatum 17.04.2020 vermerkt ist und zu aus einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.06.2020 (OZ 5 zu XXXX ). Aus dieser geht hervor, dass am 16.03.2020, drei Tage nach rechtskräftigem Abschlusses des zweiten Asylverfahrens, ein Verfahren bei der Afghanischen Botschaft gestartet worden sei, wobei am 17.04.2020 mitgeteilt worden sei, dass jederzeit eine Ausstellung des EU Laissez Passer möglich sei.

Ad Pkt. 3.13.: Der Beschwerdeführer sollte mittels Charterrückführung im Oktober nach Afghanistan abgeschoben werden. Diese und eine für November geplante Charterrückführung sind jedoch nicht zustande gekommen. Dass eine Charterrückführung für Dezember geplant und der BF für diese eingebucht war, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 23.11.2020.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

C. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchteil A)

1.1 Gesetzliche Grundlagen:

§§ 76 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Dass eine Überprüfung der Fortsetzung der Schubhaft nur bei aufrechter Schubhaft in Betracht kommt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.03.2014, 2013/21/0138, zur damaligen Rechtslage festgehalten, indem er ausführte, dass der (aufgrund der damaligen Rechtslage zuständige) Unabhängige Verwaltungssenat (nur) dann zur Feststellung der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft berufen ist, wenn er gemäß § 82 Abs. 1 FrPolG 2005 angerufen wurde und die Schubhaft im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch andauert. Diese vom UVS vorzunehmende Prüfung hatte unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen (VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0246).

In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen (VwGH 11.05.2021, Ra 2021/21/0066, RS).

1.3. Rechtlich folgt daraus:

Zu A) I. Teilweise Zurückweisung der Beschwerde aufgrund entschiedener Sache:

Der BF zog uneingeschränkt seine Anhaltung in Schubhaft ab dem 04.06.2020 in Beschwerde.

Hinsichtlich der Zeitpunkte der Erlassung der nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen rechtskräftigen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.06.2020, 23.07.2020, 20.08.2020 und 14.09.2020 lag jedoch jeweils eine bereits entschiedene Sache vor. Entsprechend der zitierten Judikatur des VwGH war die Beschwerde hinsichtlich dieser Zeitpunkte zurückzuweisen (vgl. VwGH vom 11.05.2021, Ra 2021/21/0066; insb. Spruchpunkte II. 1.2. und 1.3. sowie Rz 27 und 28).

Zu A) II. Teilweise Beschwerdestattgabe:

Allgemeine Voraussetzungen der Schubhaft

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Nachdem mit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020, zugestellt am 16.03.2020, eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestand, galt die zur Sicherung des Asylverfahrens verhängte Schubhaft gemäß § 76 Abs. 5 FPG ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Somit erfolgt die Anhaltung ab diesem Zeitpunkt auf Grundlage des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG.

Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung sind das Bestehen einer Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG.

Fluchtgefahr

Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des § 76 FG Abs. 3 hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben. Auch in der Beschwerde wird dem nicht substantiiert entgegengetreten. Es war daher im relevanten Zeitraum weiterhin von Fluchtgefahr auszugehen:

Während der gegenständlichen Schubhaft trat der Beschwerdeführer mehrmals in Hungerstreik, um seine Freilassung zu erwirken. Dabei handelte es sich um Handlungen, die darauf abzielten, die Abschiebung zu umgehen oder zu behindern. Diese Tatsache rechtfertigt die Annahme in Sinne des § 76 Abs. 3 erster Satz FPG, dass der Beschwerdeführer sich der Abschiebung entzogen oder sie wesentlich erschwert hätte. Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG lag somit vor.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorlag, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag und er sich während seines ersten Asylverfahrens bereits einmal entzogen hat und für die Behörden nicht greifbar war, war auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Der Beschwerdeführer stellte am 30.01.2020 einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die Rückkehrentscheidung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020 rechtskräftig und der Beschwerdeführer befand sich bereits in Schubhaft. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorlagen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprachen. Er verfügte im Inland über keine engen sozialen und beruflichen oder familiären Anknüpfungspunkte, hatte keinen gesicherten Wohnsicht und war auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden war, welches ihn vom Untertauchen bewahren hätte können. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG war daher gegenständlich ebenfalls erfüllt. Dies wurde weder in der Beschwerde noch der Stellungnahme des BF bestritten.

Es lag daher – weiterhin – Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 5 und Z 9 FPG vor.

Zur Dauer der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 FPG

§ 80 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet auszugsweise:

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

…“

3.1.2. Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:

a. mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,

b. Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

Zu prüfen ist somit, ob der Beschwerdeführer noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft in Schubhaft angehalten werden durfte und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden hätte können.

Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:

„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“

Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen handelt, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL. Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft auf 18 Monate verlängert werden, wenn zumindest eine der in den Z 1 bis 4 genannten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Zu prüfen ist daher, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.11.2020 wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden (Spruchpunkt I.). Zudem wurde die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 04.06.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II) und der BF zum Kostenersatz verpflichtet (Spruchpunkt III.). Der dagegen erhobenen Erkenntnisbeschwerde wurde mit Erkenntnis des VfGH vom 07.10.2021, E 93/2021-16 stattgegeben und das Erkenntnis vom 27.11.2020 vollinhaltlich behoben.

Begründend führte der VfGH aus, der BF sei durch die Entscheidung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden. Das BVwG habe kein für die Verlängerung der Schubhaft über die Dauer von sechs Monaten kausales Verhalten des BF dargelegt. Vielmehr sei offenkundig, dass die pandemiebedingten Einschränkungen des Flugverkehrs zu der Überschreitung der Schubhaftdauer geführt hätten. Die Abschiebung habe sich daher aus vom BF nicht zu vertretenden Gründen verzögert und § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG sei somit nicht erfüllt.

Unter Bedachtnahme auf die soeben wiedergegebene Judikatur des VfGH ist somit festzuhalten, dass die zulässige Anhaltedauer von sechs Monaten aufgrund von dem BF nicht zurechenbaren Umständen – namentlich den Einschränkungen im Flugverkehr aufgrund der COVID-19 Pandemie – überschritten wurde. Der Tatbestand des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG war sohin nicht als erfüllt anzusehen. Auch für eine Anwendbarkeit einer der übrigen Ziffern von leg cit. finden sich keine Hinweise.

Deshalb war die Anhaltung des BF ab dem die Sechsmonatsgrenze übersteigenden Zeitpunkt als rechtswidrig anzusehen.

Beantragt wurde die Rechtswidrigerklärung der Anhaltung in Schubhaft ab 04.06.2020. Wie festgestellt befand sich der BF seit 03.12.2019 in Schubhaft, am 04.06.2020 war sohin die sechsmonatige Anhaltedauer überschritten. Über die Anhaltung in Schubhaft von 27.11.2020 bis 14.12.2020 ist bereits eine weitere Beschwerde beim BVwG anhängig. Über die Zeitpunkte der Erlassung der Erkenntnisse des BVwG vom 24.06.2020, 23.07.2020, 20.08.2020 und 14.09.2020 wurde bereits rechtskräftig abgesprochen (vgl. rechtliche Beurteilung zu A) I.). Die darüberhinausgehende Anhaltung de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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