TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/5 L518 2214045-1

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Veröffentlicht am 05.10.2021
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Entscheidungsdatum

05.10.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46a

Spruch


L518 2214045-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. ARMENIEN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Partei (idF bP) stellte am 02.10.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz unter Angabe der Personalien XXXX .

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie als Abkömmling von Eltern aus einer Mischehe (Vater war Aserbaidschaner und Mutter Armenierin) befürchte, von Armeniern getötet zu werden.

Mit Bescheid der belangten Behörde (idF: bB), des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, damals Bundesasylamt vom 12.1.2004, FZ. 03 30.011-BAG wurde der der Asylantrag der bP gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat wurde gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AGH) vom 14.10.2008, GZ. E11 246.116-0/2008-11E, wurde die Beschwerde gem. §§ 7,8 Asylgesetz 1997 als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters der bP vom 3.12.2008 wurde beim Verfassungsgerichtshof ein Antrag auf Erteilung der Verfahrenshilfe sowie Beistellung eines Verfahrenshilfeanwaltes beantragt.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 9.12.2008, GZ U 930/08-2, wurde Verfahrenshilfe bewilligt.

Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters der bP vom 22.1.2009 wurde Beschwerde gegen das Erkenntnis des AGH beim Verfassungsgerichtshof erhoben.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.10.2010, GZ U 930/08-13, wurde die Entscheidung des AGH wegen Willkür (Verweisung) behoben.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16.08.2010, Zl. E11 246.116-0/2008-30E, zugestellt am 01.10.2010 wurde die Beschwerde gem. §§ 7,8 Asylgesetz 1997 wiederum als unbegründet abgewiesen. Festgestellt wurde, dass die Identität der bP mangels Vorliegen entsprechender Dokumente nicht feststeht. Die armenische Staatsangehörigkeit und ein Aufenthalt der bP in Armenien vor der Ausreise wurden hingegen aufgrund ausführlicher Ausführungen festgestellt. Hinsichtlich der Fluchtgründe wurde der bP die Glaubwürdigkeit versagt.

Mit Mitteilung des AGH vom 15.10.2010 wurde der bB mitgeteilt, dass das Asylbeschwerdeverfahren der bP mit am 01.10.2010 erfolgten Zustellung der Entscheidung des AGH ohne Ausweisung abgeschlossen worden ist.

I.2. Neben diversen Unterlagen zur Straffälligkeit der bP ergibt sich aus den Vorakten der bB bzw. dem Fremdenakt auch das fremdenrechtliche Verfahren, in welchem die bP durchgängig angab, die von ihr angegebenen Personalien zu führen und keinen Reisepass vorlegen zu können.

Gegen die bP wurde mit 26.11.2007 von der BPD gemäß § 62 iVm § 60 FPG in der damals geltenden Fassung ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 15.01.2010 abgewiesen. Mit Bescheid der BPD vom 14.02.2011 wurde die bP gemäß dem damaligen § 53 FPG ausgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 25.05.2011 abgewiesen. Mit Bescheid des BMI vom 30.08.2011 wurde der Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 25.05.2011 aufgrund des Umstandes, dass gemäß der Richtlinie 2008/15/EG ein Instanzenzug zu einem unabhängigen Tribunal notwendig gewesen wäre, von Amts wegen für nichtig erklärt. Mit Bescheid des UVS vom 13.02.2012 wurde die Beschwerde der bP gegen die mit Bescheid der BPD vom 14.02.2011 erlassene Ausweisung abgewiesen.

Am 19.03.2012 erfolgte eine Anzeige gegen die bP wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäß § 120/1a FPG und wurde mit Bescheid vom selben Tag die Schubhaft von der BPD über die bP verhängt. Im Rahmen der Einvernahme zur Schubhaft am 19.03.2012 wurden Fotos und ein Fingerabdruckblatt angefertigt. Die bP beantwortete zudem am selben Tag im Rahmen einer Einvernahme zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats Fragen zum Aufenthalt in Armenien. Das Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikats wurde der bP vorgelegt, von ihr jedoch nicht ausgefüllt. Der BPD wurde mit Mail des für Heimreisezertifikate (HRZ) zuständigen Referates des BMI mitgeteilt, dass das HRZ-Ersuchen nicht vollständig sei. Da die bP die Befüllung des Formblattes verweigert habe, ergehe das Ersuchen um Befüllung durch einen Dolmetscher. Das mittels Dolmetscher befüllte Formblatt wurde nachgereicht. Mit Schreiben des für Heimreisezertifikate (HRZ) zuständigen Referates des BMI vom 04.05.2012 wurde mitgeteilt, dass laut E-Mail Mitteilung der Konsularabteilung der armenischen Botschaft vom XXXX .2012 eine Klärung der Identität bzw. eine HRZ Ausstellung für die bP nicht möglich sei. Zu diesem Schreiben der Botschaft wurde die bP am 09.05.2012 nochmals befragt und gab sie an, dass ihre Angaben zur Person korrekt wären. In der Folge wurde die bP am 14.05.2012 aus der Schubhaft entlassen, da kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden ist. Am 02.06.2012 wurde sie wiederum wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung festgenommen.

Im von der bB als „Asylakt“ vorgelegten Ordner findet sich auf AS 443 ein Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 30.11.2012, eingelangt bei der bB am 04.12.2012, wonach nach Durchführung einer Personenfeststellung am XXXX .2012 von Interpol Erevan mitgeteilt worden sei, dass die bP unter den Personendaten XXXX , Armenien, Staatsangehörigkeit Armenien identifiziert werden konnte.

I.3. Am 13.01.2015 stellte die bP erstmalig einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete mit der Begründung, selbst nicht im Besitz eines Reisedokuments zu sein. Ein Ersatzreisedokument sei ihr nicht ausgestellt worden, weshalb ihr eine Rückkehr nicht möglich sei. Mit Bescheid vom 03.02.2015 wurde dieser Antrag abgewiesen, da eine allfällig nicht mögliche Abschiebung auf Grund des Fehlens eines Reisedokuments) dem Verhalten der bP zurechenbar wäre, da sie sich geweigert hätte, das für die Ausstellung eines Heimreisezertifikats notwendige Formblatt auszufüllen und außerdem gegenüber den österreichischen Behörden unglaubwürdige, nicht nachvollziehbare Angaben zur Herkunft ihrer Person gemacht hätte.

Mit Schreiben vom 15.09.2016 wurde der JA, in welcher sich die bP zu diesem Zeitpunkt befand mitgeteilt, dass die bP „derzeit nicht abschiebbar“ sei.

Am 15.09.2016 stellte die bP einen weiteren Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete. Im beigelegten Schreiben wurde ausgeführt, dass die bP seit der Asylantragstellung 2003 Österreich nicht mehr verlassen hätte. Weder nach Aserbaidschan noch nach Armenien könne sie gehen und sei sie gerade staatenlos. Die Straftaten täten ihr leid. Mit Bescheid der bB vom 19.09.2016, zugestellt am 21.09.2016 in der JA, wurde dieser Antrag wiederum abgewiesen.

Mit Schreiben vom 09.05.2017 wurde dem für Flüchtlingsangelegenheiten zuständigen Referat des Landes über dessen Anfrage betreffend Grundversorgung mitgeteilt, dass ein tatsächliches Abschiebehindernis vorliege, da kein HRZ ausgestellt wurde, was darauf zurückzuführen sei, dass die bP ein Formblatt nicht ausgefüllt habe.

Mit Bescheid vom 19.06.2018 wurde eine Wohnsitzauflage gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG von der belangten Behörde verhängt, welche in der Justizanstalt, in welcher sich die bP zu diesem Zeitpunkt befand, zugestellt wurde.

I.4. Am 25.06.2018 stellte die bP aus der Strafhaft gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG. Ausgeführt wurde, dass die bP in Aserbaidschan geboren worden sei. Die Mutter stamme aus Armenien, der Vater aus Aserbaidschan. Beide Staaten würden die bP nicht anerkennen. Sie sei seit 15 Jahren in Österreich und habe niemanden in Armenien oder Aserbaidschan. Zudem sei sie Hepatitis C positiv und brauche eine Krankenbehandlung, die nur mit Versicherung möglich sei. Deshalb benötige sie einen Ausweis.

Mit Schreiben der bB vom 03.07.2018 wurde die bP zur Stellungnahme dazu aufgefordert, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte abzuweisen. Sie wurde zudem darauf hingewiesen bekannt zu geben, welche Schritte sie seit der letzten Abweisung eines gleichlautenden Antrags mit 06.10.2016 gesetzt hat, um ihre Identität nachzuweisen bzw. entsprechende Dokumente zu erlangen. Eine Kontaktaufnahme wäre ihr bei den Botschaften von Armenien und Aserbaidschan in Österreich zumutbar.

In der Stellungnahme vom 01.08.2018 wurde ausgeführt, dass die bP sich nach Haftende um ein Dokument von den Botschaften bemühen werde. Hingewiesen wurde darauf, dass sie 2012 in Schubhaft gewesen sei, als die bB Anfragen an die Botschaften Armenien, Aserbaidschan und Russland gestellt habe. Es hätte damals keine positive Antwort gegeben. Neben der Wiederholung der Ausführungen im Antrag wurde angegeben, dass sie auch suchtkrank sei und sich in einem Substitutionsprogramm befände. In Armenien / Aserbaidschan sei es ihr nict möglich, Substidol zu erhalten und sei es ihr nicht möglich, Medikamente dort zu finanzieren. Vorgelegt wurde ein anstaltsärztlicher Bericht vom 31.07.2018, wonach die bP an einer Hepatitis C Erkrankung leide uns sich in einem ärztlich überwachten Substitutionsprogramm mit retardierenden Morphinen befände.

I.5. Mit gegenständlichem, im Spruch genannten Bescheid wurde der Antrag auf Ausstellung der Karte für Geduldete gem. § 46a Abs 4 iVm Abs 1 Z 3 FPG idgF abgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bP nicht im Besitz eines Reisedokuments sei und die armenische Botschaft bislang aufgrund der mangelnden Bereitschaft der bP, die erforderlichen Dokumente auszufüllen, kein Heimreisezertifikat ausgestellt habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die bP bis dato Schritte unternommen hätte, um an der Ausstellung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken. Festzustellen sei vielmehr, dass die bP keine Nachweise erbracht hat, von sich aus mit der Vertretungsbehörde Kontakt aufzunehmen um einerseits die Identität nachzuweisen und andererseits in den Besitz eines Reisedokuments zu gelangen. Es sei daher festzustellen, dass die bP an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments notwendigen Schritten nicht mitgewirkt habe bzw. diese vereitelte. Es könne nicht festgestellt werden, dass der geltend gemachte Gesundheitszustand die bP an der Kontaktaufnahme mit der Vertretungsbehörde hindert.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Duldung gem. § 46a Abs 1 Z 3 FPG nicht vorliegen würden.

Die bB vertrete die Ansicht, dass eine allfällig nicht mögliche Abschiebung (aufgrund eines fehlenden Reisedokuments) dem Verhalten der bP zurechenbar wäre, da diese sich bislang geweigert habe, das für die Ausstellung des Heimreisezertifikats notwendige Formblatt auszufüllen und bislang gegenüber den österreichischen Behörden unglaubwürdige, nicht nachvollziehbare Angaben zur Herkunft und Person gemacht hätte sowie den Nachweis einer selbstständigen Kontaktaufnahme mit der Vertretungsbehörde schuldig geblieben wäre.

Die Abschiebung sei nicht unzulässsig und habe die bB von Amts wegen nicht festgestellt, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, von der bP nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Die bP wäre damit nicht geduldet und der gegenständliche Antrag abzuweisen.

I.6. Dagegen hat die bP durch ihre gewillkürte Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Ausgeführt wird lediglich, dass die bB die Tatsache der chronischen Hepatitis C Vorerkrankung der bP nicht entsprechend berücksichtigt habe und ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorliege.

I.7. Aufgrund einer entsprechenden Anforderung wurde dem LVwG Steiermark der gegenständliche Bescheid samt Beschwerde mit Schreiben vom 22.05.2019 übermittelt.

I.8. Mit Schreiben vom 04.03.2021 wurde eine Vollmacht zur Akteneinsicht (keine Vertretungs- und Zustellvollmacht) für eine Mitarbeiterin der Rechtsberatung übermittelt und Akteneinsicht sowie Ausfolgung einer Kopie des Bescheides vom 14.12.2018 beantragt.

Mit Schreiben vom 09.03.2021 wurden gegenständlicher Bescheid und die Beschwerde übermittelt und mitgeteilt, dass bei Bedarf – falls die Übermittlung nicht ausreichend ist - eine Akteneinsicht beim BVwG, Außenstelle Graz möglich ist.

I.9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen:

1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.

1.2. Die Identität der bP steht nicht fest.

I.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis vom 01.10.2010 rechtskräftig abgewiesen. Die mit Bescheid der BPD vom 14.02.2011 gegen die bP erlassene Ausweisung gemäß dem damals anzuwendenden § 53 FPG gilt gemäß § 125 Abs. 14 FPG als Rückkehrentscheidung weiter.

Seit ihrer Einreise im Jahr 2003 hat die bP Österreich nicht mehr verlassen. Die bP verblieb ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist unrechtmäßig.

Am 31.10.2018 wurde die bP aus der Haft entlassen. Seit Dezember 2018 ist sie in einem Fremdenheim gemeldet.

Die bB setzte keinerlei Schritte zur selbstständigen Erlangung eines Reisedokumentes des Heimatstaates. Sie hat ihre zumutbare Mitwirkungspflicht aus eigenem Verschulden verletzt. Sie hat im Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats das Formular zum Ansuchen nicht ausgefüllt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstreitig aus dem Akteninhalt.

Da die bP den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest, wobei darauf hinzuweisen ist, dass nicht übersehen werden darf, dass offensichtlich eine Personenabklärung bereits über Interpol 2012 erfolgt ist, wonach die bP unter einer anderen Identität in Armenien aufscheinen würde (AS 443 Fremdenakt).

Selbst wenn die bB im Bescheid von falschen Daten betreffend rechtskräftiger Entscheidung (sie zog die vom VfGH behobene Entscheidung und nicht die letzte Entscheidung, zugestellt am 01.10.2010 heran) über den Asylantrag sowie verhängter Ausweisung / Rückkehrentscheidung ausging, ändert dies letztlich nichts daran, dass diese Umstände vorliegen.

Die bP hat gerade nicht nachgewiesen, dass sie ihrer Verpflichtung gemäß § 46a FPG aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht nachkommen hätte können, vielmehr fehlt jeglicher Hinweis auf einen Versuch, diese Mitwirkungspflichten zu erfüllen.

Die Hindernisgründe für die Erlangung von Dokumenten liegen auch gerade im Einflussbereich der bP und sind die Gründe für die Nichtausreise und damit als Verletzung der ihr auferlegten Ausreiseverpflichtung von ihr zu vertreten.

2.3. Soweit auf den anstaltsärztlichen Befund vom 31.07.2018 verwiesen wird, aus dem sich ergibt, dass die bP unter Hepatitis C leidet und sich jedenfalls 2018 in einem Substitutionsprogramm befunden hat, ist festzuhalten, dass sich auch daraus nicht ergibt, dass es der bP persönlich oder einer von ihr bevollmächtigten Person nicht möglich gewesen wäre, sich an die Heimatbehörden, vor allem die Botschaft zwecks Erhalt von Dokumenten - insbesondere aus gesundheitlichen - Gründen zu wenden bzw. es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, das Formblatt für das Ansuchen um Ausstellung eines HRZ auszufüllen.

2.4. Grundsätzlich ist zu den Ausführungen, dass der Gesundheitszustand der bP beeinträchtigt wäre und sie Medikamente für ihrer Substitutionstherapie in Armenien nicht erlangen könnte auszuführen, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens der Antrag auf Erteilung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG („Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint) ist. Daran waren sowohl bB als auch BVwG gebunden und können keine darüberhinausgehenden Absprüche getätigt werden.

§ 46a Abs 1 FPG regelt, in welchen Fällen der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet zu dulden ist. Bei der Duldung handelt es sich um einen Auffangtatbestand für Personen, bei denen eine Abschiebung oder eine Rückkehrentscheidung unzulässig bzw unmöglich ist und eine Legalisierung ihres Aufenthaltes im Rahmen anderer Rechtsinstitute nicht möglich ist. Dabei sind zwei Grundtypen einer Duldung zu unterscheiden, und zwar die Duldung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen. Zur Duldung aus rechtlichen Gründen, bei der eine Unzulässigkeit der Abschiebung bzw Rückkehrentscheidung zur Duldung führt, sind drei Duldungstatbestände zu zählen (§ 46a Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 4 FPG), wohingegen ein Duldungstatbestand (§ 46a Abs 1 Z 3 FPG) der Duldung aus faktischen Gründen zuzurechnen ist (Anna Caroline Riedler, Rechtsfragen der Duldung gemäß § 46a FPG, 28.01.2021, migraLex 2020, 71).

Die Fälle des § 46a Abs. 1 Z 1, 2 und 4 FPG zielen letztlich auf Konstellationen ab, in welchen eine Abschiebung einer Person in einen anderen als ihren Herkunftsstaat geprüft wird, in welchen ein Schutzstatus aberkannt wird, in welchen eine Rückkehrentscheidung nachträglich unzulässig wird (Prüfung von § 55 AsylG) bzw. auf zu prüfende Umstände im Rahmen von Anträgen auf internationalen Schutz.

Die gesundheitlichen Aspekte sind daher im gegenständlichen Verfahren gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG nicht von Relevanz und erübrigt sich eine Auseinandersetzung damit.

II. 3. Rechtliche Beurteilung

3.1.Rechtliche Grundlagen

§ 46a FPG lautet:

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1.       deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2.       deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3.       deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4.       die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1.       seine Identität verschleiert,

2.       einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3.       an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen „Republik Österreich“ und „Karte für Geduldete“, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1.       deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2.       die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3.       das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4.       andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet.

§ 46 FPG lautet:

§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.       die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.       sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.       sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es allfällige Gebühren und Aufwandersatzleistungen an ausländische Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung zu entrichten und sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

(7) Befindet sich der Fremde in einer Krankenanstalt (§§ 1 und 2 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten – KAKuG, BGBl. Nr. 1/1957) und steht seine Abschiebung zeitnah bevor, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt auf Anfrage unverzüglich über den feststehenden oder voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung aus der Anstaltspflege zu informieren. Ändert sich der nach Satz 1 mitgeteilte Zeitpunkt, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt aus Eigenem zu informieren.

Aus den erläuternden Bemerkungen zum FrÄG 2017 ergibt sich Folgendes:

Zu Z 9 (§ 46a Abs. 1)

Die vorgeschlagene Änderung hat lediglich klarstellende Funktion. Schon bisher ergibt sich aus § 31 Abs. 1a Z 3, dass ein Fremder, dessen Aufenthalt geduldet ist, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, und zwar unabhängig davon, auf welcher Ziffer des § 46a Abs. 1 die Duldung jeweils beruht. Kehrseite eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist jedoch regelmäßig die Ausreiseverpflichtung des Fremden, mag diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nicht mittels Abschiebung vollstreckt werden können. Die vorgeschlagene Änderung soll diesen Zusammenhang deutlicher zum Ausdruck bringen, als dies bisher der Fall war. Sie ist zum Zwecke der Klarstellung auch insofern angezeigt, als nach der jüngeren Rechtsprechung die Duldung (bzw. das der Duldung zugrunde liegende Abschiebungsverbot oder Abschiebungshindernis) hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Fortbestand einer bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. auf die Zulässigkeit der Erlassung einer solchen Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, den Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 gleichgestellt bzw. angenähert wird (zB. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0101; 04.08.2016, Ra 2016/21/0209). Insofern wird auf die Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Änderungen in §§ 8 Abs. 3a, 9 Abs. 2 und 10 Abs. 1 AsylG 2005, § 21 Abs. 2a Z 3 BFA VG sowie § 52 Abs. 2 verwiesen.

Die durch die Duldung unberührt bleibende Ausreiseverpflichtung des Fremden fällt selbstverständlich dann weg, wenn die aufenthaltsbeendende Maßnahme, aus der sich die Ausreiseverpflichtung ergibt, gegenstandslos wird oder außer Kraft tritt. Dies ist nach geltendem Recht etwa der Fall, wenn dem Fremden nachträglich der Status eines Asylberechtigten zuerkannt (§§ 60 Abs. 3 Z 1 und 69 Abs. 3) oder ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 erteilt wird (§ 60 Abs. 3 Z 2).“

Judikatur:

Zur Rechtslage vor der Novelle des FPG durch das FrÄG 2017 hielt der VwGH zwar fest, dass es, sofern es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Fremde im Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates Falschangaben gemacht und dadurch dessen Ausstellung vereitelt hat, fehlt, es auch nicht ersichtlich ist, inwieweit eine persönliche Vorsprache aus eigener Initiative zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die genannte Botschaft hätte führen können. Aus dem Umstand, dass sich der Fremde hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat, woraus die Behörde eine Verletzung ihre Mitwirkungspflicht folgerte, lasse sich daher ebenso wenig die Beurteilung ableiten, die Abschiebung eines Fremden sei aus von ihm zu vertretenden Gründen tatsächlich unmöglich (vgl. VwGH 28.08.2012, 2011/21/0209).

Davon abweichend hielt der VwGH in seinem jüngeren Erkenntnis vom 07.03.2019, Ra 2018/21/0153, zur Rechtslage nach dem FrÄG 2017, fest, dass das Fehlen jeglicher Eigeninitiative zur Erlangung von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten einen vom Fremden zu vertretenden Grund für die Unmöglichkeit seiner Abschiebung darstellt. Im Weiteren legte er dar:

„Selbst wenn der Revisionswerber bereits seine richtige Identität angegeben haben sollte, konnte nämlich davon ausgegangen werden, dass eine persönliche Vorsprache bei der Botschaft - anders als die bloß schriftliche Kontaktaufnahme durch das BFA - möglicherweise zur Ausstellung eines Reisedokuments geführt hätte. Die Beurteilung, dass er die Unmöglichkeit seiner Abschiebung insgesamt im Sinn des § 46a Abs. 3 FPG selbst zu vertreten hat, erscheint daher zumindest nicht als unvertretbar.

Soweit die Revision unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters geltend macht, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zum Nachteil des Revisionswerbers auf eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht geltende Rechtslage (die Verpflichtung zur eigenständigen Einholung eines Reisedokuments nach § 46 Abs. 2 FPG idF des FrÄG 2017) berufen habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Neuregelung auf den Revisionswerber seit ihrem Inkrafttreten mit 1. November 2017 anzuwenden war; der zuvor gestellte Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete bzw. das noch anhängige (Rechtsmittel-)Verfahren vermochten daran nichts zu ändern. Die genannte Verpflichtung nach § 46 Abs. 2 FPG ist auch von jener nach § 46 Abs. 2a FPG zu unterscheiden, die die Erlangung eines Ersatzreisedokuments betrifft und lediglich die Auferlegung von Mitwirkungspflichten in Verbindung mit einer behördlichen Amtshandlung erlaubt (vgl. noch zur Rechtslage vor dem FrÄG 2017 grundlegend VwGH 23.3.2017, Ro 2017/21/0005, sowie - den Revisionswerber betreffend - VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0102). Im Übrigen konnte mangelnde Eigeninitiative schon bisher ein Anhaltspunkt für die Annahme sein, dass der Fremde das Erlangen von Identitäts- bzw. Heimreisedokumenten selbst verhindert habe (vgl. idS VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, Rn. 33).“

In der Entscheidung vom 17.05.2021, Zl. Ra 2020/21/0203 hielt der VwGH fest:


Gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, „vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen“ unmöglich erscheint. Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen gemäß § 46a Abs. 3 FPG jedenfalls vor, wenn er 1. seine Identität verschleiert, 2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder 3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt. Mit den letzten beiden Tatbeständen wird insbesondere an die Verpflichtung des Fremden nach § 46 Abs. 2a FPG angeknüpft, am Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken.

21 Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Verletzung der Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise durch den Revisionswerber als Grund dafür gesehen, dass die Voraussetzung des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG nicht erfüllt war. Diese Ansicht findet jedoch im Gesetz keine Deckung. § 46a Abs. 1 Z 3 FPG knüpft daran an, dass die Abschiebung - aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen - unmöglich ist. Eine Abschiebung kommt aber gemäß § 46 Abs. 1 FPG nur dann in Betracht, wenn eine freiwillige Ausreise nicht zeitgerecht erfolgt ist (Z 2), auf Grund bestimmter Tatsachen nicht zu erwarten ist (Z 3) oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. wegen Zuwiderhandlung gegen ein Aufenthalts- oder Einreiseverbot nicht in Betracht kommt (Z 1 und 4). Damit ist die Unterlassung einer dem Fremden zunächst offen gestandenen freiwilligen Ausreise Bedingung dafür, dass eine Abschiebung als Zwangsmaßnahme überhaupt zulässig - und notwendig - ist und sich in weiterer Folge die Frage einer Duldung wegen der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung stellen kann. In diesem Sinn ist die - aus welchem Grund auch immer erfolgte - Verletzung der Ausreiseverpflichtung eine indirekte Voraussetzung der Duldung und kein Umstand, der ihr für sich genommen entgegenstehen könnte. …

3.2. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Dem Akteninhalt sowie dem Vorbringen der bP war unstrittig nicht zu entnehmen, dass die bP versucht hätte, Reisedokumente zu erhalten, vielmehr hat sie nicht einmal dargelegt, in welcher Form diese Versuche geschehen sein sollten. Der bP wäre es auch möglich und zumutbar gewesen, das Formular zum Ansuchen um Ausstellung eines HRZ auszufüllen, was sie jedoch verweigerte.

Dem Vorbringen der bP waren keine nachvollziehbaren Gründe – auch im Hinblick auf ihren gesundheitlichen Zustand - dafür zu entnehmen, dass ihr die entsprechende Mitwirkung nicht möglich gewesen wäre. In ihrem Verhalten kann keine Mitwirkung zur Erlangung eines Reisedokuments erblickt werden. Schritte zur Effektuierung der gegen sie bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme setzte die bP nicht sondern erhellte sich vielmehr, dass die bP entgegen den gesetzlichen Bestimmungen und der ihr auferlegten Ausreiseverpflichtung in Österreich bleiben will.

Damit liegt gemäß § 46a Abs. 3 FPG ein von der bP zu vertretender Grund vor. Der bB ist zuzustimmen, dass die bP an den notwendigen Schritten zur Erlangung eines (Ersatz)Reisedokuments nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit mitgewirkt hat. Es besteht zudem kein Anhaltspunkt dafür, dass eine allenfalls erforderlich werdende Abschiebung aus tatsächlichen, von der bP nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint, vielmehr ist ihr Verhalten kausal für die bisher nicht erfolgte Ausreise. Die Voraussetzung des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, ist damit nicht erfüllt.

Es war daher die Beschwerde abzuweisen. Der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ist daher auf Basis dieses Tatbestandes nicht zu dulden.

4. Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Die Parteien haben zudem auch keine Verhandlung beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Duldung Mitwirkungspflicht Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L518.2214045.1.00

Im RIS seit

07.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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