TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/26 W116 2193489-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z6
FPG §55 Abs2
FPG §92 Abs1 Z5
FPG §94 Abs5
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W116 2193489-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. 1014709410-14527076, betreffend Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.08.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der beschwerdegegenständliche Bescheid zur Gänze behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.1.    Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, Araber und sunnitischer Moslem, stellte nach illegaler Einreise am 09.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.    Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.09.2014 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

1.3.    Am 28.04.2016 brachte das Landesamtes für Verfassungsschutz eine Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer wegen § 278b Abs. 2 StGB bei Staatsanwaltschaft ein.

1.4.    Einem Bericht von Neustart vom 11.07.2016 zu einer den Beschwerdeführer betreffenden Haftverhandlung vom selben Tag ist zu entnehmen, dass der bisherige Betreuer des Beschwerdeführers, Herr XXXX (in folge F), in einem im Vorfeld geführten Gespräch mitgeteilt hat, dass er ein sehr positives Bild vom Beschwerdeführer habe und über die diesem zur Last gelegten Straftaten verwundert sei. Der Beschwerdeführer habe sich immer sehr bemüht und keinerlei Zeichen einer möglichen Radikalisierung gezeigt. Er habe brav und bemüht versucht, Deutsch zu lernen, durchaus westliche Werte (trinke altersgemäß Alkohol) gelebt und sich mit Österreichern und Christen getroffen.

In einem Gespräch mit dem Beschwerdeführer habe der Verfasser des Berichts eher den Eindruck bekommen, dass der Beschwerdeführer durchaus sehr positive und humane Werthaltungen verinnerlicht habe. Was früher vielleicht gewesen sei, könne und wolle er nicht einschätzen. Der Beschwerdeführer würde sich – auch unter Bedachtnahme der schwerwiegenden Vorwürfe gegen ihn – durchaus „weltoffen“ und positiv wertorientiert zeigen. So habe der Beschwerdeführer etwa erklärt, das Leben sei für ihn von Wert und er nicht bereit, für andere (in Hinblick auch auf radikale Gruppen oder deren Gedanken) etwas aufzugeben („Ich bin hierhergekommen und möchte aus meinem Leben etwas machen […] Ich möchte gerne mein Studium machen [Zahnarzt], […] ich mach gerne Sport und habe eine Freundin, eine Christin […] ich bin religiös, aber nicht streng […] trinke auch mal Alkohol […]“). Weiters hielt der Verfasser fest, dass er bei einem Gespräch mit dem Beschwerdeführer keinerlei übliche Themen erkannt habe, die auf eine radikale Grundhaltung hindeuten würden. Abschließend führte der namentlich bekannte Bewährungshelfer aus, dass in Anbetracht des bisherigen Wohlverhaltens und der bisher gezeigten Einstellungen des Beschwerdeführers eine Enthaftung unter Anwendung gelinderer Mittel aus seiner Sicht durchaus denkbar erscheinen würde.

1.5.1.  Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18.11.2016, Zl. 4 Hv 78/16d - 84, wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen von Frühsommer 2012 bis Jahresende 2013 in Idlib und anderen Orten in Syrien sich als Mitglied der terroristischen Vereinigung Liwa al-Tawid Idlib (Tawhid Brigade in Idlib) in dem Wissen beteiligt (§ 278 Abs. 3) zu haben, dass er dadurch diese in ihrem Ziel, das syrische Regime unter Präsident Basher al-Assad zu stürzen und statt dessen einen radikal-islamistischen Gottesstaat (Kalifat) gemäß den Gesetzen der Scharia in Syrien zu errichten, und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs. 1 StGB, fördert, indem er sich der terroristischen Vereinigung Liwa al-Tawhid Idlib (Tawhid Brigade in Idlib) als Kämpfer anschloss, bei dieser eine militärische Ausbildung an Schusswaffen und für den Häuserkampf absolvierte, bei der Produktion von Propagandamaterial mitwirkte und an deren militärischen Operationen teilnahm.

Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG (nicht rechtskräftig) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 30 (dreißig) Monaten verurteilt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass es sich bei der Liwa al-Tawhid Idlib um eine terroristische Vereinigung gehandelt hat bzw. dass er mit dem Wissen und Willen gehandelt habe, sich an dieser zu beteiligen und dass er durch seine Beteiligung (Ausbildung an Schusswaffen, Häuserkampf und Produktion von Propagandamaterial, Wachtätigkeiten und Teilnahme an militärischen Operationen) deren Ziele, das syrische Regime zu stürzen und einen radikal-islamischen Staat zu errichten und deren strafbare Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Zieles als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs. 1 StGB zu fördern. Er habe sich auch bewusst der dreimonatigen Kampfausbildung unterzogen, um die Organisation durch seine dabei erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten als Kämpfer unterstützen zu können. Beweiswürdigend wurde zusammenfassend im Wesentlichen festgestellt, dass es im Hinblick auf seine offensichtliche Abneigung gegenüber Bashar al-Assad nachvollziehbar und lebensnah erscheinen würde, dass er sich einer Organisation angeschlossen hat, welche das Ziel hatte, das syrische Regime zu stürzen. Dies decke sich auch mit seiner Aussage zum Ziel der Gruppierung vor dem Landesamt für Verfassungsschutz (LVT). Weiters würden die bei ihm sichergestellten Dateien eindeutig von seinem Wissen um die Ausrichtung der Liwa al-Tawhid zeugen. Allein die Tatsache, dass er diese aufbewahrt und am 19.08.2015 – somit eineinhalb Jahre nach seiner Flucht – neuerlich gesichert habe, würden zweifelsfrei belegen, dass sie Ausdruck seiner Überzeugung seien und er gewusst habe, mit welchem Ziel er sich der Liwa al-Tawhid angeschlossen hat. Darüber hinaus hätten die beiden namentlich bekannten Zeugen übereinstimmend angegeben, dass er ihnen in der Asylunterkunft die Videos und Fotos, welche ihn in Kampfmontur und mit Waffen sowie Fahnen und Emblemen der Organisation zeigen, vorgespielt hat. Der Zeuge XXXX (in Folge G) habe das Wesen und Auftreten des Beschwerdeführers sehr glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, indem er ihn als sehr gläubigen, aber auch gewaltbereiten Menschen beschrieben hat, der sich sehr schnell aufregen würde. Der Zeuge habe ebenfalls glaubhaft dargelegt, dass er aufgrund der ihm vom Beschwerdeführer präsentierten Fotos und Videos sowie Erzählungen aus Syrien und dessen Gewaltbereitschaft, Angst vor ihm habe. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen sei auch vom fallbearbeitenden Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz bestätigt worden. Dieser habe ihn selbst einvernommen und anschließend dargelegt, dass die Aussagen absolut glaubwürdig gewesen seien und der Zeuge sehr detaillierte und konkrete Angaben zum Beschwerdeführer machen habe können.

Der Bericht des Vereins Neustart vom 11.07.2016 habe aufgrund der Entschlagung des Verfassers nicht hinterfragt werden können, sodass dessen Aussagekraft fraglich bleibe. Die Zeuginnen XXXX (in Folge W)und XXXX (in Folge V) und der Zeuge F hätten keine persönlichen unmittelbaren Wahrnehmungen hinsichtlich des anklagegegenständlichen Sachverhaltes gemacht und demzufolge übereinstimmend angegeben, dass ihnen der Beschwerdeführer diesbezüglich auch nichts erzählt habe. Insofern seien deren Einschätzungen bezüglich einer allfälligen Radikalität des Beschwerdeführers auch fragwürdig, zumal W selbst eingestanden habe, diese Einschätzung aufgrund neuer Informationen hinterfragen zu müssen. Dazu habe der Sachverständige ausgeführt, dass Psychologen falsch liegen würden und nichts mitbekommen könnten, insbesondere, wenn Patienten aufgrund des kulturellen Hintergrundes und der mangelnden Sprache unzugänglich seien. Hinsichtlich der Zeugin V sei der Eindruck entstanden, dass sie den Beschwerdeführer schützen wolle. Ihren Aussagen habe daher kaum Beweiswert zugemessen werden können. Die näheren Umstände der Beziehung zu seinem in Deutschland lebenden Bruder seien nicht verfahrensgegenständlich gewesen.

1.5.2.  In einem Schreiben des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 27.12.2016, das den strafrechtlichen Sachverhalt am 28.04.2016 zur Anzeige gebracht hatte, wurde zusammenfassend ausgeführt, dass aufgrund des bestehenden strafgerichtlichen Urteils vom 18.11.2016 davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Republik Österreich darstelle. Weiters würde es nicht unwesentlich erscheinen, dass wegen seiner Handlungen und Ausbildung die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gefährdet wären. Der Beschwerdeführer würde nach derzeitiger Faktenlage aufgrund seiner radikalen, ausbildungsbedingten Einstellung gegenüber Andersdenkenden, die innere und äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden. Überdies könne nicht ausgeschlossen werden, dass er in Syrien an Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder an terroristischen Taten beteiligt gewesen sei. Schließlich sei die Annahme gerechtfertigt, dass er als Mitglied einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b StGB durch seinen Aufenthalt im Ausland die innere und äußere Sicherheit der Republik gefährde.

1.5.3.  Mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 09.08.2017, Zl. 9 Bs 188/17s, wurde der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre herabgesetzt. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz wurde er am 09.08.2017 bedingt aus der Haft entlassen und ihm der Strafrest unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit und unter Anordnung von Bewährungshilfe bedingt nachgesehen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bloß der ordentliche Lebenswandel des Beschwerdeführers als mildernd anzusehen sei, nicht aber sein Wohlverhalten über einen längeren Zeitraum. Der Milderungsgrund nach § 34 Abs. 1 Z 18 StGB würde einen Wohlverhaltenszeitraum voraussetzen, der der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist (§ 39 Abs. 2 StGB) entspricht. Weiters würde kein reumütiges Geständnis vorliegen, zumal das Zugeben bloßer Tatsachen (Tatsachengeständnis) ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens nicht mildernd wirken würde (Tipold in Leukauf/Steininger, StGB § 34 Rz 26). Die subjektive Tatseite, die Kenntnis von der terroristischen Zielsetzung der Vereinigung, der er sich angeschlossen hat, habe er ausdrücklich in Abrede gestellt. Durch die Bagatellisierung, der ihm zur Last gelegten Beteiligungshandlungen, habe er nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen, sodass eine Berücksichtigung bei der Strafzumessung nicht möglich war. Seiner Minderjährigkeit sei durch § 5 Z 4 JGG Rechnung getragen worden. Als erschwerend würde bloß die Tatbegehung über einen längeren Zeitraum stehen. Der angenommene Erschwerungsgrund der „vierfachen Erfüllung des Tatbestandes“ habe in Folge der tatbestandlichen Handlungseinheit der Tathandlungen zu entfallen (RIS-Justiz RS0124155).

Bei einer Gesamtabwägung des vorliegenden Strafzumessungssachverhalts würde sich die vom Erstgericht verhängte Sanktion insbesondere vor dem Hintergrund als überhöht erweisen, dass sich der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit glaubhaft von radikalem Gedankengut distanziert habe. Die Strafe sei daher auf ein tat- und strafangemessenes Maß von zwei Jahren zu reduzieren. Eine auch nur teilweise bedingte Strafnachsicht würde bei der gegenständlichen schwerwiegenden und über einen längeren Zeitraum verübten Delinquenz schon aus generalpräventiven Gründen ausscheiden. Nachdem der Beschwerdeführer unbescholten sowie erstmals in Haft sei und sämtliche Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung erfüllen würde, sei ihm der Rest der Strafe von zehn Monaten und 15 Tagen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen, wobei gemäß §§ 50, 52 StGB Bewährungshilfe anzuordnen sei.

1.6.    Bei seiner Haftentlassung am 09.08.2017 wurde sein bereits seit 21.01.2017 ungültiger Konventionspass zum Zweck weiterer Ermittlungen sichergestellt und der Beschwerdeführer von der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens schriftlich in Kenntnis gesetzt.

1.7.    Am 21.08.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollmachtsbekanntgabe seines rechtlichen Vertreters sowie eine Stellungnahme vom 17.08.2017 ein. Darin wird zunächst mitgeteilt, dass nicht ersichtlich sei, zu welchem Beweiszweck der Konventionspass des Beschwerdeführers abgenommen worden sei. Die Behörde würde keine Begründung für die Abnahme angeben und der Beschwerdeführer würde ihn für die Beantragung sozialer Unterstützung (Mindestsicherung usw.) benötigen. Es wurde daher der Antrag auf unverzügliche Ausfolgung gestellt. Weiters wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhältig seien und dass er seine Bildungslaufbahn, welche er seit seiner Ankunft zielstrebig verfolgt habe und aus welcher er unerwartet herausgerissen worden sei, fortsetzen wolle. Im Rahmen der Stellungnahme wurde zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht wegen einer im Bundesgebiet verübten Straftat verurteilt worden sei, sondern weil er sich als 15-jähriger, nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration gegen Assad und der Suche der Teilnehmer durch dessen Truppen, einer näher genannten Widerstandsgruppe angeschlossen habe, um diese bei ihrem Widerstand gegen Assad zu unterstützen. Nachdem er sich bei der militärischen Ausbildung nicht besonders geschickt angestellt habe, sei er schließlich bis zur Auflösung der Gruppierung im Sommer 2013 einer Wachkompanie zugeteilt gewesen. Die Gruppierung sei wenig bekannt und unter dem Dach der Freien Syrischen Armee (FSA) gewesen. Die Bevölkerung, wie auch der Beschwerdeführer, sei davon ausgegangen, dass es sich um einen Teil der FSA gehandelt habe. Über die ideologisch religiöse Ausrichtung sei ihm nichts bekannt gewesen. Das Vorliegen einer salafistischen Ausrichtung bei Interessenten der Gruppierung habe der namentlich genannte Sachverständige bei der Hauptverhandlung am 04.11.2016 als unwahrscheinlich zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass 2012 die lokalen Faktoren viel wichtiger gewesen seien, als irgendeine religiöse oder ideologische Ausrichtung (PS 49 oben der ON 70). Er habe sich dieser Gruppierung in der alleinigen Absicht angeschlossen, den Widerstand gegen Assad zu unterstützen. Bezüglich der psychotherapeutischen Behandlung aufgrund seiner posttraumatischen Belastungsstörung habe der gerichtliche Sachverständige zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer als überzeugter Salafist nicht alleine im Raum mit einer Psychologin hätte sitzen dürfen bzw. nur im Beisein eines männlichen Dolmetschers. Vielmehr habe auch eine Frau gedolmetscht. Deshalb habe der Sachverständige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer kein salafistischer Handlanger sei. Es würde keine Hinweise für seine Teilnahme an militärischen Aktionen geben. Er habe sich auch im Bundesgebiet nichts zu Schulden kommen lassen, sich wohlverhalten und alles getan, um sich zu integrieren bzw. sich in keiner nur irgendwie gearteten Art und Weise religiös radikal gezeigt oder irgendein derartiges Verhalten gegen die Werte des Westens gesetzt. Es könne daher nicht vom Vorliegen eines Aberkennungsgrundes iSd. § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 bzw. von Tatsachen ausgegangen werden, die die Annahme rechtfertigen würden, dass durch seinen Aufenthalt die innere oder äußere Sicherheit Österreichs gefährdet wäre.

1.8.    Am 22.11.2017 fand vor der belangten Behörde in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine Einvernahme statt. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er in seiner ehemaligen Heimat mit allen Probleme haben würde und dass sie ihn umbringen würden. Das Assad-Regime und der IS hätten ihn haben wollen. Er habe auch auf Facebook gegen den IS geschimpft. Außerdem würden ihn die restlichen Personen der Liwa al-Tawhid verfolgen, weil er geflüchtet sei. Es würde dort noch immer Bürgerkrieg herrschen, sodass er auch durch eine Granate oder eine Explosion sterben könnte. Bezüglich Sachverhaltsrecherchen im Herkunftsstaat erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht wolle, dass solche durchgeführt werden. Er sei im Gefängnis genug befragt worden, das wolle er jetzt nicht mehr. Bezüglich einer konkreten Gefahr in Syrien teilte er mit, dass an erster Stelle das Assad-Regime, die syrische Regierung und an zweiter Stelle der IS stehen würde. Anhänger des IS seien noch überall, aber versteckt. Alle Einheiten bzw. Gruppierungen, die in Syrien noch am Gefecht beteiligt seien, würden ihn verfolgen. Dort sei noch immer Krieg. Er würde im Gebiet der syrischen Regierung, aber auch in anderen Gebieten, etwa der Freien Syrischen Armee, verfolgt werden, weil er geflüchtet sei. Dazu wurde seitens des rechtsfreundlichen Vertreters mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer auf einer Fahndungsliste gestanden sei. Auf konkrete Nachfrage, bejahte er, dass ihm mit Sicherheit durch die bereits erwähnten Kräfte in Syrien Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen würden. Er habe in Syrien keine Zukunft mehr. Auf Vorhalt seiner rechtskräftigen Verurteilung nach § 278b StGB in Bezug auf seinen Asylstatus gab er an, dass auf sein Leben (bzw. sein Verhalten) im Bundesgebiet geschaut werden sollte. Er habe hier immer nur gelernt und sei nicht radikal. Diesbezüglich könnte man jeden fragen. Er sei als siebzehnjähriger nach Österreich gekommen und hier aufgewachsen. Er habe hier eine Freundin und auch die Schule besucht. Seitens des rechtsfreundlichen Vertreters wurde dazu angemerkt, dass jeder (in seinem Umfeld) dazu befragt werden könnte, außer der Zeuge in der Gerichtsverhandlung, der nachweislich unrichtige Angaben gemacht hätte. Dies sei auch aus dem Gerichtsprotokoll bzw. der Einvernahme bei der Polizei ersichtlich. Seitens des einvernehmenden Beamten wurde auf die rechtskräftige Verurteilung hingewiesen. Der Rechtsvertreter erklärte daraufhin, dass sein Mandant weder radikal noch fanatisch sei. Der Beschwerdeführer habe sich nur einer Widerstandsgruppe angeschlossen und sei deswegen aus Syrien geflüchtet. Hinsichtlich eines allenfalls möglichen Lebens bei seinem Vater in der Türkei teilte er mit, dass in der Türkei ein fünfjähriges Einreiseverbot gegen ihn bestehe, weil er dort illegal eingereist sei. Eine Kontaktaufnahme mit den türkischen Behörden lehnte er ab, er wolle nicht, dass auch noch sein Vater Probleme bekomme. Seitens des rechtsfreundlichen Vertreters wurde ergänzend mitgeteilt, dass sein Mandant bemüht sei, sich nicht mehr in dem Umfeld aufzuhalten, welches zu seiner Verurteilung geführt habe. Er würde auch nicht in eine Moschee gehen. Seiner Ansicht nach solle niemand durch einen Moslem zu Schaden kommen. Der Rechtsvertreter habe dem Beschwerdeführer geraten, auch während der Haft keinen Kontakt mit Radikalen zu pflegen. Sein Cousin sei nach einer Inhaftierung wieder entlassen worden. Zu dieser Zeit sei der Beschwerdeführer in Haft und an der Sache nicht beteiligt gewesen. Gegen den Cousin würde es noch keinen Strafantrag geben. Abschließend erklärte der Beschwerdeführer, dass er in seinem Leben einen Fehler gemacht habe aber eine zweite Chance verdienen würde. Zudem sei er im Gefängnis gewesen und habe seine Strafe abgesessen. Er ersuche um eine zweite Chance.

1.9.    Mit Schreiben vom 23.11.2017 langte bei der Behörde eine Stellungnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BVT) ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach wie vor ein aufrechter Kontakt des Beschwerdeführers zu seinem Cousin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Auf seinem Facebookaccount sei mehrfach, zuletzt am 11.08.2017 ein gemeinsames Foto mit seinem Cousin gepostet gewesen. Dies würde sich auch aus seiner Frage an den Ermittlungsbeamten des LVT über den Ermittlungsstand bezüglich seines Cousins ergeben.

1.10.   Am 15.01.2018 ging beim Bundesamt erneut ein Antrag auf Ausfolgung des Konventionspasses sowie eine zweite Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 10.01.2018 ein. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, dass es in keiner Weise nachvollzogen werden könnte, falls die Behörde davon ausgehen sollte, dass durch den Beschwerdeführer die innere und äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet wäre, zumal er sich seit seiner Einreise keinerlei nur irgendwie gearteten Straftaten, zu Schulden kommen habe lassen. Er habe sich integriert und es könnte ihm in keiner Weise nur irgendetwas Radikales unterstellt werden. Die Angaben des Belastungszeugen im Strafverfahren seien unrichtig bzw. seien bereits in diesem Verfahren Beweise (Zeugen: W und seinen Betreuer F) dafür vorgelegt worden, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise irgendein radikal islamistisches Gedankengut vertreten oder verbreitet habe bzw. intolerant, radikal oder streng religiös aufgetreten sei. Es hätten ihm auch keine konkreten Kampfhandlungen zur Last gelegt werden können. Er sei letztendlich wegen seiner Mitgliedschaft in einer Widerstandsgruppe verurteilt worden, die für die Entmachtung des Staatspräsidenten gekämpft habe und damit nach den österreichischen Gesetzen eine terroristische Vereinigung darstellen würde. Er habe sich in keiner Weise irgendwo oder irgendwie streng religiös gezeigt oder radikal, sondern sei immer um Integration bemüht und tolerant gewesen und dies auch nach wie vor. Dies würden näher angeführte, bereits bei seiner Einvernahme bekannt gegebene Dokumente belegen. Davon abgesehen seien weder die Freie Syrische Armee noch die damals existierende Widerstandgruppe jemals außerhalb von Syrien in irgendeiner kämpferischen oder radikalen Art aufgetreten. Ferner sei die Frist von drei Jahren nach der vorgeworfenen Tat im Sinne des § 92 Abs. 5 FPG abgelaufen, selbst wenn man die Haftzeit außer Betracht lassen würde. Es sei daher aufgrund der Verurteilung von keinem Versagungsgrund auszugehen. Abschließend wurde nochmals auf die Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 17.08.2017 verwiesen bzw. wurden Personen angeführt, die bestätigen können, dass der Beschwerdeführer weltoffen und tolerant sei bzw. keine streng religiösen oder radikalen Ansichten vertreten würde.

2.       Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1.    Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, dem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt am 07.03.2018, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ebenso wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Syrien wurde gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Weiters beträgt die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß §°55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 und Z 9 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde sein Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 5 FPG abgewiesen (Spruchpunkt VIII.).

Zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem im Akt einliegenden Gerichtsurteil (vgl. LG für Strafsachen Graz, vom 18.11.2016, GZ: 4 Hv 78/16d) und die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe bzw. seine bedingte Haftentlassung aus der ebenfalls einliegenden Entscheidung (OLG Graz, vom 09.08.2017, GZ: 9 Bs 188/17s) ergeben würden. Das mit einer Gefährlichkeitsprognose befasste Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) habe die gerechtfertigte Annahme einer radikalen Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber Andersdenkenden und eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs nach dessen Haftentlassung bejaht (vgl. Bericht vom 27.12.2016 und Bescheid der LPD Steiermark, vom 26.01.2018, GZ: LV ST 0589/2016). Die Schlussfolgerung des LVT sei für die Behörde von besonderer Bedeutung, zumal es als Spezialbehörde Zugang zu Informationen habe, die der entscheidenden Behörde verwehrt seien. Auch wenn er sich seit seiner Einreise im Jahr 2014 in Österreich „wohlverhalten“ habe, könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass von ihm keine Gefahr für die Gesellschaft mehr ausgehen würde. Diesbezüglich sei der Beobachtungszeitraum zu kurz (schon deshalb sei das Wohlverhalten vom OLG Graz auch nicht als mildernd gewertet worden), zumal er bis Ende 2013 Mitglied der terroristischen Vereinigung gewesen sei, seine Haftdauer über 13 Monate betragen habe und seit seiner Haftentlassung noch nicht viel Zeit verstrichen sei (vgl. BVwG am 06.12.2016, W211 1428789-2/9E). Vor dem Hintergrund der bedeutenden Gefährdung der nationalen Sicherheit durch in entsprechenden Camps zum Kampf ausgebildeten und radikalisierten Personen sei jedenfalls ein angemessener Bewährungszeitraum in Freiheit erforderlich, um vom Wegfall einer Gefährdung sprechen zu können. Außerdem habe er laut Zeugenaussagen während seines Aufenthalts in der Asylunterkunft in Deutschfeistritz im Jahr 2014 Videos und Fotos vorgespielt, die ihn in Kampfmontur und mit Waffen sowie Fahnen und Emblemen der Organisation gezeigt hätten (vgl. Urteil des LG Graz, S 14). Ein Zeuge habe zudem (aus Sicht des LG Graz) glaubhaft angegeben, dass er den Beschwerdeführer als sehr gläubigen, aber auch gewalttätigen Menschen wahrgenommen habe, der ihm stolz erzählt habe, in Syrien gekämpft zu haben, und ihm auch diesbezügliche Videos gezeigt habe (Urteil des LG Graz, S 16). Weiters habe er laut Strafurteil noch im Jänner und August 2015 – und sohin über ein Jahr nach seiner Flucht – neuerlich Daten im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen wie dem IS gesichert und seien noch im Februar 2016 Bilder auf seinem Facebookaccount gewesen, die Panzer und Personen im Krieg zeigen (Verhandlungsmitschrift der HV vom 04.11.2016, S 16). Bei seiner Festnahme im Juni 2016 hätten sich noch eine Vielzahl von Dateien mit islamistischem Hintergrund in seinem Besitz befunden (Urteil des LG Graz, S 8). Diese Umstände würden nicht dafürsprechen, dass er sich nach seiner Ankunft in Österreich glaubhaft vom radikal-islamischen Gedankengut distanziert habe, wie dies vom OLG Graz im Urteil vom 09.08.2017 (GZ: 9 Bs 188/2017s) angenommen worden sei, sondern würden nahelegen, dass der Beschwerdeführer den „heiligen Krieg“ nach wie vor verherrlichen würde. Sein bisheriges „Wohlverhalten“ seit 2014 würde sich folglich auf das Nichtbegehen einer weiteren Straftat beschränken. Er sei militärisch ausgebildet und habe für eine terroristische Vereinigung an militärischen Aktionen teilgenommen (vgl. Urteile des LG und OLG Graz), die ihm zur Last gelegten Beteiligungshandlungen in der Strafverhandlung jedoch bagatellisiert (vgl. OLG Graz, S 3). Er habe keine Reue gezeigt, sich in Widersprüche verwickelt und bestritten, von der terroristischen Zielsetzung der Vereinigung in Kenntnis gewesen zu sein. Seine radikale Einstellung bzw. Gefährlichkeit für die Gesellschaft würde sich aus der Stellungnahme des LVT vom 23.11.2017 bzw. aus dem Bescheid der LPD vom 26.01.2018 ergeben. Aus den Einschätzungen des LVT würde eindeutig hervorgehen, dass er weiterhin Kontakt zu seinem ebenfalls wegen Terrorismusverdacht unter Beobachtung stehenden Cousin habe. In seinem Facebookaccount habe er mehrfach, zuletzt im August 2017 ein gemeinsames Foto mit seinem Cousin gepostet. Weiters habe er sich eindeutig gegen anonymisierte Ermittlungen des BFA ausgesprochen, bei seiner Einvernahme am 22.01.2017 die Unterschrift verweigert und die zugesagte Mitteilung des Aufenthaltsorts seines Vaters in der Türkei unterlassen. Nach Ansicht der Behörde wolle er damit eine Beleuchtung seines aktuellen Umfelds verhindern. Auf eine zeugenschaftliche Befragung der von ihm genannten Personen sei bewusst verzichtet worden, da nicht ersichtlich gewesen sei, inwiefern eine solche zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts iSd § 46 AVG zweckdienlich sein könnte. Seine freundschaftlichen Beziehungen und der Erstbericht von Neustart vom 22.12.2017, wonach er um Integration bemüht sei und in Gesprächen keine Anzeichen religiöser Radikalität zeigen würde, würden an der Gefährdungseinschätzung genauso wenig ändern, wie der Umstand, dass sich die terroristische Vereinigung, der er angehört habe, inzwischen aufgelöst hat. In Zusammenschau sei daher davon auszugehen, dass er aufgrund des sich aus seinem Gesamtverhalten ergebenden Persönlichkeitsbildes (noch immer) eine – sogar schwerwiegende – Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellen würde. Diese Einschätzung würde letztlich auch durch den Umstand erneuert werden, dass seitens der LPD Steiermark eine bescheidmäßige Meldeverpflichtung aufgrund seiner Einstufung als „Gefährder“ erlassen wurde (Ladungsbescheid GZ: LV ST 0589/2016, vom 26.01.2018).

2.2.    Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 05.03.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3.    Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 04.04.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde nach einer Wiederholung des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Einvernahme der beantragten Zeugen zeigen bzw. belegen würde, dass der Beschwerdeführer weder streng gläubig sei, noch mit der Scharia etwas am Hut habe. Das zuständige Landesgericht habe sich rein auf die Angaben des Zeugen G gestützt, der in Wahrheit aber völlig unglaubwürdig sei. Hätte sich die Behörde nicht einfach mit den Behauptungen des BVT begnügt, dass sein Cousin und dessen Familie radikal islamistisches Gedankengut vertreten würden, sondern hierfür auch Belege verlangt, insbesondere den Akt 3 HR 222/16b des LG für Strafsachen Graz beigeschafft, hätte sich gezeigt, dass sämtliche Behauptungen nur auf den völlig unglaubwürdigen Zeugen zurückgehen würden, bzw. dass diese Behauptungen durch keine weiteren nur irgendwie gearteten echten Anhaltspunkte irgendwie belegt werden. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Flucht auch kein nur irgendwie geartetes Verhalten gegen die Werte des Westens gesetzt und sei weder in irgendwelche Moscheen gegangen, wo radikales Gedankengut vertreten werde, noch sei er bei irgendwelchen derartigen Vereinen gewesen. Es würde auch keine Indizien für irgendeine Radikalisierung des Beschwerdeführers geben. Aus der gerichtlichen Verurteilung aufgrund der Mitgliedschaft in einer Rebellengruppe in Syrien, die es schon längst nicht mehr geben würde und die nur operativ in Syrien tätig gewesen sei, könne in keiner Weise ohne irgendein konkretes Indiz hierfür auf eine radikale oder extremistische Gesinnung des Beschwerdeführers geschlossen werden. Er sei vielmehr wegen einem aus jugendlicher Unerfahrenheit in Syrien begangenen Fehler in Österreich verurteilt worden. Im Bundesgebiet habe er keine Straftat verübt und er sei auch in keiner Weise auffällig geworden. Die Behörde würde ihm einfach eine angebliche Radikalität bzw. Gefährlichkeit unterstellen, obwohl er sich durch sein ganzes Verhalten in Österreich bis zu seiner Festnahme im Sommer 2016 nichts zu Schulden kommen habe lassen, oder sich irgendwie radikal oder streng religiös gezeigt habe. Letztendlich habe auch der Sachverständige darauf hingewiesen, dass weder die Liwa-Al-Tahwid Idlib noch andere damals tätige Widerstandsgruppen, insbesondere die ins Spiel gebrachte Al-Nusra-Front in irgendeiner Weise im Ausland tätig gewesen seien, sondern lediglich operativ im Kampf gegen Bashar Al-Assad agiert hätten bzw. agieren würden. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keinerlei „nachträgliche“ Asylausschlussgründe gesetzt habe, da er vom LG für Strafsachen Graz wegen der Mitgliedschaft bei einer als terroristisch eingestuften Widerstandsgruppe (Liwa-Al-Tahwid Idlib) als 15-jähriger in Syrien vor seiner Flucht verurteilt worden sei. Außerdem würde die in § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 angeführte Verurteilung, eine Verurteilung oder Begehung eines besonders schweren Verbrechens im Aufnahmestaat, somit in Österreich und nicht im Herkunftsstaat betreffen. Es könne nicht von einer konkreten Gefahr für den Staat Österreich ausgegangen werden, da die im Bürgerkrieg tätigen (auch islamistischeren) Oppositionsgruppen nur in Syrien operieren würden und dies niemals im Ausland gemacht hätten. Der Beschwerdeführer habe weder in Syrien mit dem IS (der erst nach seiner Flucht im Nordosten Syriens in Erscheinung getreten sei) noch in Österreich etwas damit zu tun gehabt und habe auch niemals irgendein radikales Gedankengut verherrlicht oder verbreitet, geäußert oder befürwortet. Dazu würde es keine Beweise geben. Es sei somit weder der Ausschlussgrund im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 noch jener nach Z 4 leg. cit. verwirklicht. Der Beschwerdeführer habe diese auch nicht nachträglich während seines Aufenthalts in Österreich gesetzt.

2.4.    Mit Schreiben vom 20.04.2018 wurde seitens des BFA eine Stellungnahme zur eingebrachten Beschwerde vom 03.04.2018 abgegeben. Darin wird zusammenfassend ausgeführt, dass aufgrund eines neuerlichen Bescheides der LPD Steiermark vom 26.03.2018, GZ: LV ST 0589/2016, erwiesen sei, dass die Gefahrenanalyse des LVT den Beschwerdeführer betreffend, sich in der Zwischenzeit keinesfalls geändert habe und er noch immer als Gefährder angesehen werde (vgl. S 2 f). Bezüglich der seitens des Beschwerdevertreters erwähnten Unmöglichkeit einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen würde im Umstand, dass das Informationsblatt durch die Behörde nicht übermittelt worden sei, lediglich ein banaler Kommunikationsfehler liegen. Dieser hätte mit einer kurzen Korrespondenz ausgeräumt werden können. Immerhin habe die Behörde sogar einer Fristerstreckung in Bezug auf die Dokumentenvorlage zugestimmt. Nach Ansicht der Behörde sei eine Einvernahme der angebotenen Zeugen nicht notwendig gewesen, da diese iSd § 46 AVG nicht geeignet gewesen wären, zu einer weiteren Klärung des Sachverhaltes beizutragen. Aus dem – von der Behörde nicht in Streit gestellten – Vorhandensein eines sozialen Umfeldes einen nachhaltigen Gesinnungswandel und eine Abkehr von religiös-extremistischen Vorstellungen abzuleiten, sei nach Ansicht der Behörde im Lichte des übrigen Beweisergebnisses nicht möglich. Da die Behörde berechtigterweise und gestützt durch die Ansicht des LVT von einer aktuell aufrechten Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich ausgehen würde, sei der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 somit eindeutig als erfüllt anzusehen. Aus den angeführten Gründen stelle die Behörde den Antrag, die Beschwerde im gegenständlichen Verfahren vollinhaltlich abzuweisen.

3.       Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

3.1.    Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 25.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

3.2.    Mit Schreiben vom 08.07.2021 wurde das LVT Steiermark für die im Verfahren zu treffende Gefährlichkeitsprognose um Stellungnahme ersucht, ob diesbezüglich aktuelle weitere relevante Informationen vorliegen würden.

3.3.    Mit Stellungnahem vom 21.07.2021 teilte das LVT nach neuerlicher Darstellung der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers Folgendes mit (auszugsweise im Original, anonymsiert):

„… Aufgrund der vorliegenden Tatsachen, konkret der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung, wegen des Verbrechens der „Terroristischen Vereinigung“ gem. § 278 b Abs. 2 StGB, sowie seiner offensichtlichen Ablehnung des österreichischen Rechtsstaates (sein Verhalten im strafgerichtlichen Verfahren sowie im Asylverfahren beim BFA) konnte nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass (der BF) einen verfassungsgefährdenden Angriff gem. § 6 Abs. 2 PStSG begehen werde, indem er erneut versuchen könnte, sich einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) anzuschließen oder eine terroristische Straftat (§ 278 c StGB) auszuführen.

Aus den erworbenen Erkenntnissen ließ sich auch schließen, dass er tief im arabisch dominierten Milieu verwurzelt ist und, aufgrund seines Lebenslaufes, fast auszuschließen ist, dass er sich von diesem entfernen wird.

Zudem sind augenscheinlich seine Mutter und Schwester, welche sich im österreichischen Bundesgebiet aufhalten, mit einer streng konservativen Kleidung (Hijab) unterwegs.

Mit Blick auf die Ausbildung des Betroffenen zum Häuserkampf und zum Töten, auf seine rechtskräftige Verurteilung und auf das nach Haftentlassung gesetzte konspirative Verhalten, war es zum Schutz der öffentlichen und der nationalen Sicherheit nach ho. Ansicht unbedingt erforderlich eine Beobachtung dieser Person vorzunehmen.

Aus der Sicht des LVT Stmk kann nicht vollends ausgeschlossen werden, dass von der Person nach wie vor ein entsprechendes Gefährdungspotenzial ausgeht.

Anmerkung:

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergibt sich durch Beobachtung von (dem BF), dass er sich auch nach Verbüßung seiner Strafe nicht geläutert gibt. Er versucht ganz offensichtlich, sein Verhalten zu verschleiern.

Worauf die Ausführungen des OLG Graz im Urteil vom 9.8.2017 beruhen, wonach sich der Angeklagte in der Zwischenzeit glaubhaft vom radikalen Gedankengut distanziert hat, entzieht sich der Kenntnis des LVT ST.

Gefährder-Ansprachen:

Im Sinne des § 49e SPG wurden durch Initiative des LVT ST Meldeverpflichtungen dem (BF) bescheidmäßig, 1 x wöchentlich über Monate, vorgeschrieben und auch umgesetzt. Zu jedem seiner Termin wurde er von seinem Rechtsanwalt begleitet.

Nach zahlreichen durchgeführten Ansprachen, gemäß § 49e SPG, wurde am 4.12.2019 versucht, eine persönliche Gefährderansprache mit (dem BF) bei ihm Zuhause vorzunehmen. Dabei ließ er den Ermittlungsbeamten nicht in seine Wohnung. Unverzüglich bei Gesprächsbeginn rief (der BF) mit seinem Mobiltelefon seinen Rechtsanwalt an, teilte ihm das Erscheinen der Polizei mit und hielt das Handy dem Beamten unmittelbar vor das Gesicht mit der Begründung, dass sein Anwalt das Gespräch mitverfolgen werde. Es wurden die Themen der Religionsausübung, Moscheebesuche und berufliche, sowie private Zielsetzungen erörtert.

Er zeigte sich weltoffen, wobei angemerkt wird, dass er sich im hohen Grade in der arabischen Community bewegt, bestreitet religiös zu sein (Anmerkung: Er wurde bei der EL Nur Moschee Graz augenscheinlich wahrgenommen; Die EL-Nur Moschee wird der Muslimbruderschaft zugeordnet) und meinte ein Engagement in einem Verein zu haben, (Anmerkung: soweit nicht feststellbar). Er bestätigte, regelmäßig mit seinem Vater, welcher sich im Grenzgebiet Türkei/Syrien aufhalten soll, in Kontakt zu stehen.

Am 12.11.2020 und 13.11.2020 (2x) wurde im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien, versucht mit (dem BF) eine Gefährderansprache vorzunehmen. Jedes Mal begaben sich zwei Beamte des ho. FB zum Wohnhaus XXX, des (BF), da (der BF) seit 04.06.2020 im 3. Stock, in der Wohnung Nr. 11 polizeilich gemeldet ist. Es wurde am Klingelbaum bei „XY“, geläutet, da laut ZMR in derselben Wohnung eine gewisse XY, 00.00.0000 geb., aufrecht gemeldet sei. Es wurde augenblicklich, ohne über die Gegensprechanlage Kontakt aufzunehmen, die Tür zur Wohnhausanlage geöffnet. Vor der Tür im 3. Stock wurde daraufhin mehrmals geläutet. Jedoch wurde den Beamten die Wohnungstür nicht geöffnet. Aufgrund des sofortigen Öffnens der Wohnhaustür wurde davon ausgegangen, dass sich jemand in der Wohnung aufgehalten habe. Es konnte kein Kontakt zu (dem BF) hergestellt werden.

Schlussendlich konnte (der BF) am 13.11.2020, in den Abendstunden, vor seiner Wohnung im Stiegenhaus angetroffen werden. Nach Deklaration vonseiten der Polizisten wurde (der BF) informiert, dass die Polizei, iSd Gefährderansprache im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien, Fragen an ihn hätte.

(Der BF) bat die Polizisten in die Wohnung, holte sein Handy, rief seinen Rechtsanwalt an, stellte auf Lautsprecher und teilte mit, dass die Polizei nun fragen könne.

Schon bei der ersten Frage, ob er regelmäßig in eine Moschee gehe, schaltete sich der Rechtsanwalt dazwischen und meinte, dass er mit dem Polizisten sprechen wolle.

Der Rechtsanwalt, Dr. K, gab an, dass derartige Fragen zwar schon beantworten werden, jedoch nur unter seiner Anwesenheit und in seiner Kanzlei – nicht im Zuge eines Wohnungsbesuchs. Er sei bereit – nach Terminvereinbarung – zusammen mit seinem Mandanten (dem BF) bei einer Befragung mitzuwirken.

Zur Wohnung kann angemerkt werden, dass sie – soweit einsehbar – einen ordentlichen Eindruck machte. IS Symbole waren vom Polizeistandort aus nicht ersichtlich.

Äußeres Erscheinungsbild: Gepflegt.

(Der BF) war selbst nicht unhöflich, jedoch auch nicht wirklich gesprächs- und kooperationsbereit.

Von seinen Ausbildern der Ausbildungsstätte im Schulungszentrum Z konnte am 4.10.2018 in Erfahrung gebracht werden, dass (der BF) ihnen gegenüber angeben habe, dass er bis jetzt noch nie gearbeitet habe. Er wolle in Österreich sowieso nie arbeiten. Er wolle lediglich an Ausbildungen und Schulungen teilnehmen.

Von der Ausbildungsleitung konnte sinngemäß in Erfahrung gebracht werden, dass ihn die Ausbildung selbst nicht besonders interessiert habe. Man hatte das Gefühl, er würde mitmachen, weil man das von ihm verlange. Zu Frauen wäre er grundsätzlich sehr abweisend gewesen. Er habe Frauen nie die Hand gegeben. (Der BF) habe sich sehr naiv gegeben, jedoch habe er genau gewusst was er tun musste, um das zu bekommen, was er wollte. (Der BF) habe keine Motivation für die Ausbildung gezeigt. Er hätte auf jedem Fall mehr tun können. Das Interesse an der Ausbildung hielt sich gering.

Conclusio:

Aufgrund des unkooperativen Verhaltens von (BF) gegenüber den Vertretern des Staates (Gericht, Verwaltung u. Polizisten) und dem Nichthandgeben von Frauen und des offensichtlichen Nichtintegrationsverhaltens, da er in den langen Jahren seines Aufenthaltes in Österreich nur wenige Monate tatsächlich einer Beschäftigung nachging, erscheint bei (dem BF) ein fundamental salafistisch geprägtes Verhalten gegeben zu sein. …

… Aufgrund der geschilderten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegebenen Ansicht des (BF), erscheint es, dass eine derartige Grundeinstellung mit den Rechts- sowie Gesellschaftsnormen der Republik Österreich in keiner Weise vereinbar erscheint und nachteilige Folgen für Österreich nicht von der Hand zu weisen sind.

(Der BF) bietet durch sein bisheriges Verhalten keine Gewähr, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt.

Ebenso kann nicht ausgeschlossen werden, dass (der BF) mit fremden Staaten bzw. Staatengebilden in solchen Beziehungen steht (regelmäßiger Kontakt mit seinem Vater in die Türkei), die Interessen der Republik Österreich schädigen könnte.“

3.4.    Am 09.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Verfahrensparteien eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch. Zu Beginn der Verhandlung gab der rechtliche Vertreter bekannt, dass der Cousin des Beschwerdeführers, XXXX (in der Folge A), mittlerweile rechtskräftig von den gegen ihn erhoben Vorwürfen freigesprochen wurde und legte dazu die Verhandlungsschrift über die Hauptverhandlung vor dem LG für Strafsachen Graz vom 06.05.2021 und vom 25. Mai 2021 sowie die gekürzte Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen Graz vom 25. Mai 2021 vor. Darüber hinaus legte er die Kopie einer Verfügung des Bundesgeneralsanwalts beim Bundesgerichtshof vom 27.11.2018 und eines Beschlusses des Bundesgerichtshofs, Ermittlungsrichter, vom 14. August 2018 vor, worin die gegen den Bruder des Beschwerdeführers, XXXX (in der Folge M), geführten Ermittlungen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nicht mehr weitergeführt werden, weil diese keine Erkenntnisse erbracht haben.
In der Folge wurde der Beschwerdeführer befragt, wobei er keinen Dolmetscher benötigte und in sehr gutem Deutsch antwortete. Dabei gab er an, dass er im ersten Jahr nach seiner Haftentlassung keinen gültigen Ausweis gehabt habe. Er sei dann zum AMS gegangen und habe gebeten, ob er irgendetwas machen könne. Er habe eine Ausbildung zum Schweißer bekommen. Diese habe sechs Monate gedauert. Danach habe ihn keiner angenommen, weil er keinen gültigen Ausweis hatte. Die Asylkarte habe er erst nach einem Jahr bekommen. Zum Schluss seiner Ausbildung, habe er Probleme mit seinem Ausbildungsleiter bekommen. Eigentlich sei ausgemacht gewesen, dass er fix nach der Ausbildung übernommen werde. Doch dann seien Artikel in den Zeitungen erschienen (diese wurden im Zuge der Beschwerde vorgelegt; Kleine Zeitung vom 28.01.2018 „Keine Abschiebung für verurteilten Jihadisten“, Krone vom 31.01.2018 „Jihadist kassiert Mindestsicherung!“), worin zu lesen gewesen sei, dass ein Asylant aus Syrien mit seinen Initialen und seiner Herkunft wegen Terrorismus verurteilt wurde und zurzeit eine Ausbildung als Schweißer in XY mache. Deshalb sei dem Ausbildungsleiter klar gewesen, dass das er sein müsse und deswegen habe er zu ihm gesagt: „Mach deine Ausbildung fertig, aber zu uns brauchst du dann nicht mehr kommen“. Er habe seine Ausbildung 2018 fertig absolviert. Der Beschwerdeführer legte ein Zertifikat für seine Ausbildung als Schweißer, sowie eine Kran-Führerausweis und eine Hubstapler- Führerausweis vor. Danach sei er wieder zum AMS gegangen. Sie hätten gesagt, dass er seine Ausbildung erhalten habe und sich jetzt eine Arbeit suchen solle. Das Problem sei aber wieder gewesen, dass er keinen Ausweis hatte und deshalb auch keine Arbeit bekommen habe. Er sei dann 2x beim BFA gewesen und habe einen Ausweis beantragt. Dies sei zunächst abgelehnt worden. Ein Jahr nach der Entlassung habe er endlich die Identitätskarte bekommen. Mit diesem Ausweis habe er dann endlich eine Arbeit bekommen. Diesbezüglich legte er einen Dienstvertrag mit einer Leiharbeitsfirma (Dienstbeginn 19.09.2018) und einer Überlassungsmitteilung zu einer namentlich genannten Firma als Lagerarbeiter (Beginn der Überlassung 19.09.2018) vor. Er habe seitdem immer gearbeitet. Allfällige Unterbrechungen stünden in Zusammenhang mit weiteren Ausbildungen. Er habe insgesamt 4 Ausbildungen zum Schweißer, Hausmeister, Betonbauer und Rettungssanitäter gemacht. Dann seien seine Schwester und seine Mutter zu ihm gekommen. Die Schwester leide an Multiple Sklerose. Sie hätten zunächst vom BFA subsidiären Schutz und schließlich vom BVwG Asylstatus zuerkannt bekommen (W116 2214927-1/4E und W116 2214926-1/4E). Sie hätten von 1.300 bis 1.400 Euro zu dritt in einer Wohnung leben müssen. Er habe immer versucht einen fixen Job zu bekommen, was aber nicht funktioniert habe. Für einen besseren Job wäre ein Strafregisterauszug notwendig gewesen. Ein solcher sei von der Leiharbeitsfirma nicht verlangt worden. Daher habe er weiter für die Leiharbeitsfirma gearbeitet. Kurz vor dem CORONA-Ausbruch sei er einen Monat lang zu Hause gewesen und habe Zeit gehabt, den Führerschein zu machen. Er habe eine Lehrstelle als Betonbauer bekommen und diese auch erfolgreich absolviert. Diesbezüglich legte er eine Seminarbestätigung der XXXX über den Besuch der Veranstaltung „Betonbau mit integriertem Deutsch-Sprachunterricht“ im Zeitraum von 16.10.2020 bis 26.03.2021, Montag bis Freitag von 07:30 bis 15:15, vor. Schließlich habe er noch die Ausbildung zum Rettungssanitäter erfolgreich absolviert. Diesbezüglich legte der Beschwerdeführer ein Zeugnis des Roten Kreuzes vom 26.06.2021 vor. Seit 02.08.2021 habe er eine fixe Stelle als Rettungssanitäter beim XXXX . Diesbezüglich legte er eine Kopie des Arbeitsdienstvertrages vor. Die Arbeit mache ihm richtig Spaß. Auf die Frage, wie er seine Freizeit verbringe, wenn er nicht gerade lerne, antwortete er, dass er in den kurzen Zeiten, als er keine Arbeit gehabt habe, freiwillig mit dem roten Kreuz als Rettungssanitäter unterwegs gewesen sei. Zu seinem Privatleben befragt, gab er an, dass er früher mehrere Freunde gehabt habe. Seit drei Monaten habe er aber eine (namentlich genannte) österreichische Freundin. Er sei viel mit ihr zusammen und lebe fast bei ihr. Seine Arbeit sei nur 15 Minuten von ihrer Wohnung entfernt. Sie sei Betreuerin in einem Heim für Behinderte und habe sehr viele Nachtschichten. Auf die Frage, was er mit seinen Freunden unternehme, antwortete er Party zuhause, Disco, Schwimmen und Campen. Auf die Frage, ob er in eine Moschee gehe, antwortete er, dass er nach dem Gefängnis, als er kein Geld bekommen habe, von einer glaublich türkischen Mosche etwas zu essen bekommen habe. Das sei vor vier Jahren gewesen. Er praktiziere seinen Glauben überhaupt nicht mehr. Früher habe er Tischtennis gespielt, dass sei dann aber wegen seiner Schwester und Mutter nicht mehr gegangen. Als Hobby sei er noch in einem Verein. Seine Schwester sei nicht konservativ, seine Mutter schon eher. Er habe mit seiner Schwester auch über das Kopftuch gesprochen und ihr gesagt, sie solle das machen, wie sie will, und dass es ohne Kopftuch für sie leichter wäre, weil sie gerade in Vorbereitung einer Krankenpflegeausbildung sei. Auch seine Mutter hätte nichts dagegen. Sein Vater lebe in der Türkei, sei Trainer einer türkischen Tischtennis-Mannschaft und bekomme Geld vom Staat. Diesbezüglich legte er Arbeits- und Mietvertrag sowie den Trainerausweis seines Vaters in Kopie vor (der anwesende Dolmetscher, der auch über gewisse Türkischkenntnisse verfügt, bestätigte, dass es sich dabei um die genannten Dokumente handelt). Er habe keinen Kontakt zu konservativ eingestellten Muslimen. Außer Whats-App nütze er auch keine sozialen Medien mehr.
In der Folge wurden XXXX (in der Folge T), österreichischer Staatsbürger, Stahlbautechniker, sowie XXXX (in der Folge S), ein auf Dauer zum Aufenthalt berechtigter ägyptischer Staatsbürger, Tankstellenunternehmer, als Zeugen einvernommen.
T gab an, dass der den Beschwerdeführer vor mehreren Jahren über ein Bekannte kennengelernt habe. Es sei damals eine intensive Bekanntschaft mit dem Beschwerdeführer gewesen. Seit Corona hätten sie keinen bis wenig Kontakt. Der Beschwerdeführer sei ein lässiger und freundlicher Typ und hilfsbereit. Sie seien in die Stadt gegangen, fortgegangen und hätten auch Fußball gespielt. Der Beschwerdeführer habe nicht über Religion geredet. Er selbst sei Christ. Die Religion habe in ihrer Beziehung keinen Stellenwert gehabt. Auf die Frage, wie er auf die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers reagiert habe, antwortete der Zeuge, dass sie echt gute Freunde gewesen seien. Er habe nicht damit gerechnet, dass das auf einmal so einen Verlauf nehmen würde. Es sei immer so lustig gewesen, wenn sie draußen gewesen seien. Nach der Haftentlassung hätten sie weiterhin Kontakt gehabt, aber nicht mehr im Ausmaß wie zuvor. Auf die Frage, wie er reagieren würde, wenn ihm jemand vorhalte, dass sich der Beschwerdeführer nur verstellt hätte, antwortete der Zeuge: „Nein. Ich habe mit dem BF etliche Tage und Nächte verbracht. So deutlich kann man sich nicht verstellen. So wie er bei mir war, war er wirklich.“ Er selbst spreche auch arabisch. Der Beschwerdeführer sei nie abweisend oder verachtend gegenüber Frauen gewesen, das sei Blödsinn. Er würde nicht mit ihm in eine Disco gehen, wenn er so wäre. Dann hätten sie den Beschwerdeführer nicht mitgenommen.
S gab an, den Beschwerdeführer 2014/2015 in der Caritasschule kennengelernt zu haben. In der Schule seien sie stark befreundet gewesen. Danach sei es zu den Problemen mit dem Gericht gekommen. Nachdem der Beschwerdeführer entlassen worden war, seien sie hin und wieder zusammengekommen. Er habe dem Beschwerdeführer auch geholfen. Der Beschwerdeführer sei in der Schule ganz normal gewesen. Ab und zu seien sie Abends fortgegangen oder sie hätten zuhause „gechillt“. Sie hätten beide Freundinnen gehabt; es seien Cousinen gewesen. Die Frage, ob er mitbekommen habe, dass der Beschwerdeführer religiös gewesen sei, verneinte der Zeuge. Er selbst sei Christ. Über seine Zeit in Syrien hätten sie nicht gesprochen. Zweimal seien sie gemeinsam in einer Disco gewesen, sonst eher was trinken oder in einer Shisha-Bar. Wegen Covid sei dann alles zu und ein Treffen schwierig gewesen. Zurzeit hätten sie keinen Kontakt. Die Frage, ob der Beschwerdeführer abweisend gegenüber Frauen gewesen sei, verneinte der Zeuge und gab an, dass er eine Freundin gehabt habe. Sie sei glaublich auch Christin gewesen.
Zu den vorgelegten Verhandlungsschriften des LG für Strafsachen Graz betreffend die Verhandlung gegen den Cousin des Beschwerdeführers brachte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass sich darin Schilderungen des Belastungszeugen G finden würden, welcher auch welcher der Hauptbelastungszeuge im Gerichtsverfahren gegen seinen Mandanten gewesen sei. Dieser habe auch im Verfahren gegen den Cousin des Beschwerdeführers widersprüchliche Aussagen gemacht. Weiters zeige sich in diesem Protokoll, was der eigentliche Grund für die Anzeige gegen den Beschwerdeführer gewesen sei (S 37). So sagt er auf Seite 37 des Protokolls: „Ich war sauer, weil er mich geschlagen hat. Damit ist (der Beschwerdeführer) gemeint.“ Weiters sagt er auf Seite 38, auf die Frage, ob er Frau Mag. W von ihrer beruflichen Verschwiegenheitspflicht entbindet: „Ich will nicht, dass sie aussagt. Ich habe ihr Sachen erzählt. Ich war damals nicht normal im Kopf“. Er weise deshalb noch einmal auf die Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen hin, weil dieser damals im Verfahren gegen den Beschwerdeführer der Einzige gewesen sei, der behauptet habe, er lebe nach der Sharia, würde täglich beten und sei grundsätzlich gewaltbereit. Auf die vollständige Verlesung des übergebenen Protokolls könne verzichtet werden.

Aus dem 2. Protokoll vom 25. Mai 2021 ergebe sich die Aussage der Zeugin XXXX (in der Folge P), Sozialpädagogin und Betreuerin des Beschwerdeführers und seines Cousins in Traiskirchen. Interessant sei insofern ihre Aussage auf S 4 des Protokolls, wo sie zu den beiden Folgendes angab: „Der Angeklagte kam gemeinsam mit seinem Cousin nach XY (Anm: in die Grundgetreuung). Sie fielen auf, weil sie deutlich gepflegter, gebildeter und gestylter waren. Sie haben einer Frau weder die Hand gereicht, noch in die Augen gesehen. Sie waren aber trotzdem sehr respektvoll. Als sie die Unterkunft dann verlassen haben, haben sie den Frauen sehr wohl die Hand gereicht, als auch in die Augen geschaut. Ich würde das Verhalten des Angeklagten als normales, jugendliches, Verhalten bezeichnen. Sie waren eher zurückgezogen und fast ein bisschen feige. Sie waren in der Minderheit. “

Aus dem Gerichtsurteil vom 25. Mai 2021, worin der Cousin des BF von allen Vorwürfen freigesprochen wurde, ergebe sich ausdrücklich, dass die Angaben des Zeugen G widersprüchlich, wogegen die Aussagen der anderen Zeugen glaubwürdig gewesen seien und die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen massiv erschüttert hätten. Dies zeige nach seiner Ansicht deutlich auf, was von dessen Aussagen im Verfahren gegen seinen Mandanten zu halten sei.

Die vorgelegte Abschrift des Generalbundesanwalts, Karlsruhe, vom 27.11.2018, sei Beweis dafür, dass in Deutschland auch der Bruder des Beschwerdeführers keinen weiteren Vorwürfen betreffend Beteiligung an terroristischen Vereinigungen mehr ausgesetzt sei. Dies ergebe sich insbesondere aus den Ausführungen auf Seite 3.

Das Abklärungsgespräch vom 22.03.2017 habe er vorgelegt, weil sich daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer keine Anzeichen einer extremistischen Weltanschauung aufweise. Aus dem Gesprächsprotokoll vom 25.05.2018 (DERAD) gehe hervor, dass im Zuge des Gesprächs mit dem Beschwerdeführer keine Anzeichen für eine extremistische Haltung gefunden worden seien. Das Fazit laute: „Aus Expertensicht DERADs wird der BF anhand der vorhandenen Informationen und des Gesamteindrucks im Rahmen einer extremistischen jihadistischen Ideologie weiterhin als unbedenklich und nicht gefährlich eingestuft.“

Weiters verweise er auf den Bericht von NEUSTART vom 11.07.2016, worin zum Ausdruck gebracht werde, dass in Anbetracht des bisherigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers und der bisher gezeigten Einstellungen eine Enthaftung unter Anwendung des gelinderen Mittels durchaus denkbar erscheine. Weiters verweise er auf die im Akt befindlichen Aussagen der Zeugin W vor dem LG für Strafsachen Graz am 04.11.2016 (AS 236 bis AS 240), worin diese zusammengefasst angibt, dass der BF ihrer Ansicht zwar Moslem, aber sicher eher ein weltoffener und kein fundamentalistischer sei. Auf die Frage, ob sie ausschließen könne, dass sie vom Beschwerdeführer getäuscht worden sei, gab sie ausdrücklich folgendes an: „So etwas kann ich nie ausschließen, aber ich kann es mir in keinster Weise vorstellen. Ich bin seit 18 Jahren im Traumabereich tätig und ich habe mit genügend Klienten gearbeitet. Ich habe diesbezüglich eine sehr gute Einschätzung“. Weiters verweise er auf die Aussagend des Zeugen E, Sozialpädagoge und Jugendbetreuer in Graz (AS 241 bis AS 243). Dieser habe angegeben, dass der Beschwerdeführer zwei Freunde habe, die Christen seien und auch eine christliche Freundin, dass er ein guter Tischtennis-Spieler gewesen sei, keine radikal-islamistischen Tendenzen gezeigt habe, auch Alkohol getrunken habe und sich nicht an den Ramadan gehalten habe. Er sei ein ganz normaler Jugendlicher gewesen, der versuchte, sich in Österreich eine Zukunft aufzubauen.
Abschließend beantragte der Vertreter der belangten Behörde die Abweisung der Beschwerde und der Beschwerdeführervertreter die Aufhebung des Bescheides. Der Aberkennungsgrund der Z 4 liege nicht vor. Entscheidend sei, ob der Beschwerdeführer eine Gefahr konkret für die Republik Österreich darstelle, ob es konkrete Anhaltspunkte gebe. Die Stellungnahme des LVT vom 21.07.2021 zeige neuerlich, dass es für die darin getroffene Gefahrenprognose keinerlei konkrete Anhaltspunkte gebe. Der BF habe sich in Österreich immer wohlverhalten, sich nichts zuschulden kommen lassen. Er sei auch bedingt vorzeitig entlassen worden und habe sich nachweislich immer um eine Fortbildung und Arbeit bemüht. Er habe eine Arbeit und sich sehr gute Sprachkenntnisse angeeignet. Er kümmere sich sowohl um seine Mutter, als auch seine kranke Schwester, die beide in Graz wohnen. In Syrien gebe es niemanden. Der Vater lebt in der Türkei. Der Beschwerdeführer sei voll integriert und gehe einer Arbeit nach, was für den BF sehr wichtig sei, vor allem auch, weil er jetzt in einer fixen Beziehung mit einer Österreicherin sei.
Im Anschluss an die Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet, die wesentlichen Entscheidungsgründe entsprechend protokoliert und eine Abschrift des Protokolls den Parteien des Verfahrens ausgehändigt.

3.5.    Mit Schreiben vom 11.08.2021 beantragte das BFA die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsbürger, Araber und sunnitischer Moslem. Er stellte am 09.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher ihn mit Bescheid vom 29.09.2014 zuerkannt wurde.

Der Beschwerdeführer hat sich im Alter von 15 bis 16 Jahren vom Frühsommer 2012 bis Jahresende 2013 in Idlib und in einem anderen Ort in Syrien als Mitglied an der terroristischen Vereinigung Liwa Al-Tawhid Idlib in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese in ihrem Ziel, das syrische Regime unter Präsident Assad zu stürzen und stattdessen an einem radikal-islamischen Gottesstaat (Kalifat) gemäß den Gesetzen der Sharia in Syrien zu errichten, und deren strafbaren Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten fördert, indem er sich dieser terroristischen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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