TE Vwgh Beschluss 2021/10/22 Ra 2021/02/0138

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Veröffentlicht am 22.10.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §46
B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs2 idF 2017/I/006
VStG §24
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des L in W, vertreten durch Mag. Barbara Belyus, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 60/13, gegen das am 19. Jänner 2021 mündlich verkündete und am 23. Februar 2021 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-031/049/13897/2020-15, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 10. September 2020 wurde dem Revisionswerber angelastet, dass er an näher angegebenen Tatorten in Wien am 15. August 2020 von 4:42 Uhr bis 4:44 Uhr mit einem Fahrrad trotz Rotlichtes der Verkehrssignalanlage nicht an der Haltelinie angehalten habe, dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels erhobenen Armes deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet habe, jeweils einen Gehsteig und einen selbständigen Gleiskörper trotz Verbotes in Längsrichtung befahren habe, trotz Dunkelheit das Fahrrad beim Lenken auf der Fahrbahn nicht beleuchtet habe, das Fahrrad ohne gelbe Rückstrahler oder gleichwertige Einrichtungen gelenkt habe und das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,58 mg/l) gelenkt habe. Dadurch habe er § 38 Abs. 5 StVO iVm. § 38 Abs. 1 lit. a StVO (Spruchpunkt 1.), § 97 Abs. 5 StVO (Spruchpunkt 2.), § 68 Abs. 1 StVO (Spruchpunkt 3.), § 8 Abs. 5 StVO (Spruchpunkt 4.), § 60 Abs. 3 StVO (Spruchpunkt 5.), § 66 Abs. 1 StVO iVm. § 1 Abs. 1 Z 5 Fahrradverordnung (Spruchpunkt 6.) und § 99 Abs. 1b StVO iVm. § 5 Abs. 1 StVO (Spruchpunkt 7.) verletzt und es wurden über ihn wegen sieben Verwaltungsübertretungen sieben Geldstrafen samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und zwar zu Spruchpunkt 1. bis 6. von jeweils nicht mehr als € 400,-- sowie zu Spruchpunkt 7. von € 800,--. Darüber hinaus wurde er zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

2        In der dagegen erhobenen Beschwerde bestritt er u.a. den Vorwurf der Alkoholisierung „vorerst nur unsubstantiiert“ und ersuch[t]e um Übermittlung des für den 15.08.2020 maßgeblichen Eichscheins“.

3        Das Verwaltungsgericht Wien wies mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis in der mündlichen Verhandlung vom 19. Jänner 2021 die Beschwerde als unbegründet ab, bestätigte ausdrücklich das bekämpfte Straferkenntnis und sprach aus, dass der Revisionswerber einen näher bestimmten Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht als unzulässig. Über den am 2. Februar 2021 gestellten Antrag des Revisionswerbers fertigte das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis am 23. Februar 2021 schriftlich aus.

4        Das Verwaltungsgericht ging u.a. davon aus, dass der Alkomattest - nicht wie in der schriftlichen Stellungnahme des Revisionswerbers behauptet von der Zeugin Asp. J - sondern entsprechend den Aussagen der befragten Zeugen und der Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vom Zeugen Mag. DI C, einer hierzu befugten Person, durchgeführt worden sei.

5        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, sieben verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin sieben voneinander unabhängige Spruchpunkte (vgl. zu geteilten Spruchpunkten z.B. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011, mwN). Mit der Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers und der Bestätigung aller sieben Spruchpunkte des Straferkenntnisses übernahm das Verwaltungsgericht den Spruch des mit der Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses der belangten Behörde. Durch die Übernahme dieser Spruchpunkte hat auch das Verwaltungsgericht getrennte Absprüche getroffen.

10       Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung aufgrund der durchgängigen Fahrradfahrt einen rechtlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Verwaltungsübertretungen sieht, steht dieser Auffassung entgegen, dass der Revisionswerber nicht wegen einer „durchgängigen Fahrradfahrt“ bestraft wurde, sondern wegen sieben voneinander unabhängigen Übertretungen im Zuge der genannten Fahrt. Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern eine der Übertretungen von einer anderen abhängig wäre und ein rechtlicher Zusammenhang bestünde.

11       Liegen somit - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. etwa VwGH 15.10.2019, Ra 2019/02/0109, mwN).

12       Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.

13       Diese Voraussetzungen treffen im vorliegenden Revisionsfall auf sämtliche Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme jener nach § 99 Abs. 1b iVm. § 5 Abs. 1 StVO zu.

14       Die Revision war daher - soweit sie die Verwaltungsübertretungen der Spruchpunkte 1. bis 6. des Straferkenntnisses betrifft - als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig zurückzuweisen.

15       Zum Tatvorwurf der Alkoholisierung erachtet der Revisionswerber die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht ohne entsprechenden Hinweis in der Anzeige nicht vom Vorliegen einer Ermächtigung des Meldungslegers zur Vornahme der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt hätte ausgehen dürfen (Hinweis auf VwGH 29.3.1989, 88/03/0118, VwGH 23.9.1994, 93/02/0319, VwGH 15.11.2000, 2000/03/0260, VwGH 24.10.2008, 2008/02/0187, und VwGH 26.2.2010, 2009/02/0315).

16       Die vom Revisionswerber genannten Entscheidungen sind schon deshalb nicht einschlägig, weil sie nicht zu dem hier angewendeten § 5 Abs. 2 StVO idF der 28. StVO-Novelle, BGBl. I Nr. 6/2017, ergingen. Die vom Revisionswerber angesprochene „Ermächtigung“ der Behörde ist gemäß dem klaren Gesetzeswortlaut dann nicht (mehr) notwendig, wenn es sich - wie im gegenständlichen Fall - um Organe der Bundespolizei handelt (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0293, m.w.N.). Das in der Revision zu dieser Rechtsfrage zitierte Erkenntnis VwGH 15.11.2000, 2000/03/0260, betraf zudem nicht die Ermächtigungsurkunde, sondern den Eichschein bezüglich des zur Atemluftuntersuchung verwendeten Alkomaten. Das Verwaltungsgericht wich daher bei der Frage der Ermächtigung des einschreitenden Organs zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

17       Die Zulässigkeit der Revision wird nach Hinweis auf das Erkenntnis VwGH 24.6.2003, 2003/11/0131, außerdem darauf gestützt, dass der Revisionswerber die Rechtmäßigkeit der Messung und die Richtigkeit deren Ergebnisses stets bestritten und die Einsichtnahme in den Eichschein verlangt habe, der aber nicht vorgelegt worden sei.

18       Hier legt der Revisionswerber nicht dar, dass eine solche Eichung nicht stattgefunden habe, er bestritt den Vorwurf der Alkoholisierung ausdrücklich nur unsubstantiiert mit dem Ersuchen um Übermittlung des Eichscheins. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit von Erkundungsbeweisen bestand daher für das Verwaltungsgericht keine Verpflichtung, entsprechende Ermittlungen anzustellen (vgl. VwGH 25.3.1992, 91/02/0134). Ein konkretes Bestreiten wie es dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis zugrunde lag, ist hier nicht ersichtlich, weshalb ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von dieser Judikatur nicht aufgezeigt wurde.

19       Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision betreffend den Tatvorwurf der Alkoholisierung vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Schritte im Zuge der Bedienung eines Alkomaten die wesentlichen sind, um beurteilen zu können, wer bei einem von mehreren Beamten gemeinsam durchgeführten Alkomattest als der durchführende Beamte im Sinne des Gesetzes gelte, und dazu auf die im Beschluss VwGH 4.3.2020, Ra 2020/02/0034, angesprochene Fehlerquelle infolge Haltens des Mundstücks und des Griffs am Schlauch durch den zu Untersuchenden verwiesen.

20       Nach dem vom Revisionswerber zu dieser Rechtsfrage zitierten Beschluss bestimmt das jeweils einschreitende Organ allein über die näheren Umstände der Durchführung der Atemluftprobe. Das in der Revision dazu erwähnte Assistieren einer Polizeischülerin durch Einschalten des Geräts und Hinhalten des Schlauchs steht demnach nicht mit der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhaltsannahme im Widerspruch, dass der Alkomattest vom Zeugen Mag. DI C durchgeführt worden sei. Dass die Polizeischülerin Anweisungen erteilt und den Ablauf der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt bestimmt hätte, behauptet die Revision nicht, sodass an der Durchführung des Alkomattests durch den Zeugen Mag. DI C kein Zweifel besteht.

21       In der Revision werden betreffend den Tatvorwurf der Alkoholisierung sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher hinsichtlich des Spruchpunktes 7. des Straferkenntnisses aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2021

Schlagworte

Ablehnung eines Beweismittels Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkomat Verfahrensrecht Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020138.L00

Im RIS seit

15.11.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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