TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/25 91/02/0134

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

ABGB §2;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art7 Abs1;
StVO 1960 §19 Abs6;
StVO 1960 §19 Abs7;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §5 Abs2a;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litb;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 25. April 1991, Zl. MA 70-11/719/90/Str., betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 25. April 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 26. September 1989 um 4.00 Uhr in Wien 9, Alserbachstraße 37, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges 1. den Vorrang eines im Fließverkehr befindlichen Lenkers eines ebenfalls dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges nicht beachtet zu haben, sondern derart aus der Parkstellung ausgebogen zu sein, daß er diesen Lenker zum unvermittelten Bremsen und Auslenken seines Fahrzeuges genötigt habe, 2. das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1. nach § 19 Abs. 6 in Verbindung mit § 19 Abs. 7 StVO 1960 und zu 2. nach § 5 Abs. 1 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt wurden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 1. Oktober 1991, Zl. B 653/91-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe seine Verteidigungsrechte dadurch beeinträchtigt, daß sie die Zeugen Revierinspektor H. und Revierinspektor St. in der Weise vernommen habe, daß sie ersterem vor seiner Vernehmung den Inhalt der Aussage des letzteren und letzterem vor seiner Vernehmung den Inhalt der Anzeige zur Kenntnis gebracht habe. Es sei der Beschwerdeführer dadurch der Möglichkeit beraubt worden, allfällige Widersprüche in den Aussagen dieser Zeugen aufzuzeigen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil es dem behaupteten Verfahrensmangel jedenfalls an der erforderlichen Relevanz (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG) mangelt. Denn diese beiden Zeugen waren nicht Augenzeugen des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Fahrverhaltens. Ihre Aussagen beschränkten sich daher auf die Vorgänge anläßlich der Ausforschung des Beschwerdeführers und der Vornahme der Atemluftprobe. Diese Vorgänge sind aber, wie im folgenden noch darzustellen sein wird, für die Tatbildmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers ohne rechtliches Gewicht.

Es erübrigt sich daher, auf dieses Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Auch durch die Unterlassung der vom Beschwerdeführer beantragten Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Beurteilung der Alkohlbeeinträchtigung des Beschwerdeführers wurden Verfahrensvorschriften nicht verletzt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Bestimmung des § 5 Abs. 4a StVO 1960 dargelegt hat, kommt als einziges Beweismittel zur Entkräftung des Ergebnisses einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 die Bestimmung des Blutalkoholgehaltes in Betracht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/02/0014).

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch durch den Hinweis, der Tatbestand des § 19 Abs. 6 in Verbindung mit § 19 Abs. 7 StVO 1960 erfüllt auch wäre, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Zusammenstoßes der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge sein Fahrzeug bereits zum Stillstand gebracht hätte, in schlüssiger Weise dargetan, daß die vom Beschwerdeführer ebenfalls beantragte Beiziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen zum Beweis des genannten Umstandes nicht erforderlich war. Auch in der Unterlassung der Einholung dieses Beweismittels liegt daher kein eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkender Verfahrensverstoß.

Eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides meint der Beschwerdeführer darin zu erblicken, daß er im Anschluß an die Untersuchung seiner Atemluft nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, sich einer Blutabnahme bzw. einer Vorführung zu einem Amtsarzt zu unterziehen. Damit verkennt der Beschwerdeführer die zufolge Art. 140 Abs. 7 B-VG auf den vorliegenden Fall anzuwendende Rechtslage vor der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, Zl. G 274/90-13 und andere, erfolgten Aufhebung von Teilen des § 5 Abs. 4a und 4b StVO 1960. Denn zufolge § 5 Abs. 4b leg. cit. alte Fassung hatten nach einer Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2a lit. b die Organe der Straßenaufsicht auf Verlangen des Untersuchten eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes nur zu veranlassen, wenn die Untersuchung der Atemluft einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 bis 0,5 mg ergeben hat. Im vorliegenden Fall ergab die Untersuchung der Atemluft dagegen Werte von 0,84 mg/l und 0,87 mg/l. Auch wenn der Beschwerdeführer eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes verlangt hätte, hätte somit keine Verpflichtung der intervenierenden Sicherheitswachebeamten bestanden, eine solche auch tatsächlich zu veranlassen. Es bestand daher auch keine Verpflichtung der Sicherheitswachebeamten, den Beschwerdeführer auf eine derartige Möglichkeit hinzuweisen. Abgesehen davon wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich als Kraftfahrzeuglenker über die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges bestehenden Rechtsvorschriften laufend zu informieren. In der Unterlassung einer entsprechenden Belehrung des Beschwerdeführers liegt daher keinesfalls der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Verhältnis zu anderen, besser informierten Kraftfahrzeuglenkern.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, das Ergebnis der Untersuchung seiner Atemluft sei deshalb nicht gültig zustande gekommen, weil vor dieser Untersuchung keine Mundspülung vorgenommen worden sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof, gestützt auf die Verwendungsrichtlinien für Atemalkoholanalysegeräte, wiederholt ausgesprochen hat, ist eine solche nur erforderlich, wenn seit dem letzten Alkoholkonsum nicht wenigstens 15 Minuten verstrichen sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/02/0132). Da im vorliegenden Fall dieser Zeitraum rund 45 Minuten betrug, war eine Mundspülung nicht erforderlich.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedeutet es auch keinen relevanten Verfahrensverstoß, daß die belangte Behörde keine Ermittlungen darüber anstellte, ob das Gerät, mit dem der Alkoholgehalt der Atemluft des Beschwerdeführers gemessen wurde, "behördlich geprüft und genehmigt" war. Denn der Beschwerdeführer behauptete im Verwaltungsstrafverfahren (ebenso wie auch in der Beschwerde) keineswegs, daß eine solche Prüfung (gemeint offenbar: Eichung) nicht stattgefunden habe, er stellte dies vielmehr lediglich in Zweifel. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit von Erkundungsbeweisen bestand daher für die belangte Behörde keine Verpflichtung, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Im übrigen hatte die Behörde auch von Amts wegen keine Veranlassung, an der Funktionstüchtigkeit des Gerätes nur deshalb zu zweifeln, weil auf dem Ausdruck über das Meßergebnis eine unrichtige Uhrzeit angegeben war. Die belangte Behörde hebt in diesem Zusammenhang zu Recht hervor, daß bereits in der Anzeige dargelegt wurde, dieser Mangel sei nur dadurch zustande gekommen, daß anläßlich des Überganges von Sommerzeit auf Normalzeit eine entsprechende Umstellung des Gerätes unterlassen worden war.

Schließlich geht auch das Verjährung behauptende Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere. Sämtliche im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltenen Tatbestandselemente sind bereits in der Anzeige enthalten, welche dem Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist, nämlich am 30. Oktober 1989 mit der Aufforderung zur Rechtfertigung zur Kenntnis gebracht wurde. In diesem Vorgang liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A).

Warum der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei in seinem Punkt 1 hinsichtlich des angelasteten Tatbestandes nicht ausreichend konkretisiert und individualisiert, ist für den Verwaltungsgerichtshof mangels näherer Ausführungen nicht erkennbar. Im Punkt 2 des Straferkenntnisses bedurfte es jedenfalls der Angabe der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers ebensowenig wie der Bezeichnung einer längeren Zeitspanne, während er das Fahrzeug lenkte, sowie des Grades seiner Alkoholbeeinträchtigung, weil es sich bei diesen Tatumständen nicht um Tatbestandsmerkmale der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 handelt.

Schließlich bildet die Einfügung des Kennzeichens jenes Kraftfahrzeuges, dessen Vorrang durch den Beschwerdeführer verletzt wurde, in den Spruch des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde keine Abänderung des Tatvorwurfes gegenüber dem erstbehördlichen Straferkenntnis, weil die Idividualisierung des durch die Vorrangverletzung behinderten Kraftfahrzeuges keine Tatbestandsvoraussetzung der Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 6 und 7 StVO 1960 bildet.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als nicht berechtigt. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Ablehnung eines Beweismittels Alkotest Voraussetzung Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkomat Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkotest Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Tatbild Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes Vorrangberechtigter Verhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991020134.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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