TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2003/11/0131

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;
95/02 Maßrecht Eichrecht;

Norm

AlkomatV 1994 §1 idF 1997/II/146;
AVG §45 Abs2;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
MEG 1950 §36 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der E in O, vertreten durch Dr. Brüggl & Dr. Harasser, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. August 2001, Zl. IIb2-3-7-1- 702/3, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung begleitender Maßnahmen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In Erledigung der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen ihren Mandatsbescheid vom 14. Februar 2001 entzog die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel mit Bescheid vom 21. Mai 2001 der Beschwerdeführerin die ihr von der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel erteilte Lenkberechtigung der Klasse B gemäß § 26 Abs. 2 FSG für fünf Monate, gerechnet ab 19. Februar 2001 (dem Zeitpunkt der Zustellung des Mandatsbescheids) (Spruchpunkt 1.), ordnete gemäß § 28 Abs. 8 FSG an, dass sich die Beschwerdeführerin einem Lenkerverhaltenstraining für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker zu unterziehen habe (Spruchpunkt 2.), und ordnete gemäß § 26 Abs. 8 FSG die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 FSG vor der Wiederausfolgung des Führerscheines an (Spruchpunkt 3.). Einer allfälligen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe laut Anzeige des Gendarmeriepostens Kitzbühel vom 21. Jänner 2001 an diesem Tag um 9.37 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw in K. in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, wobei sie einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht habe. Die um 10.01 Uhr mittels Alkomat vorgenommene Atemluftuntersuchung habe einen Alkoholgehalt von 0,9 mg/l ergeben.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 20. August 2001 als unbegründet abgewiesen, wobei der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert wurde, dass die Entziehungsdauer gemäß § 26 Abs. 2 FSG mit sechs Monaten festgesetzt wurde. Auf Grund des Verschuldens der Beschwerdeführerin an einem Verkehrsunfall sei die Entziehungszeit auf sechs Monate zu verlängern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Mit Erkenntnis vom 14. März 2003, G 2003/02-8 ua, hat der Verfassungsgerichtshof den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juli 2002, Zl. A 2002/27-1,

§ 26 Abs. 2 sowie die Wortfolgen "oder Abs. 2" und ", bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8" in § 26 Abs. 8 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (sowohl § 26 Abs. 2 als auch die in § 26 Abs. 8 enthaltenen Wortfolgen in der Fassung (zuletzt) der 2. Führerscheingesetznovelle BGBl. I Nr. 94/1998),

in eventu

§ 26 Abs. 2 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I

Nr. 120/1997 (§ 26 Abs. 2 in der Fassung (zuletzt) der 2. Führerscheingesetznovelle BGBl. I Nr. 94/1998),

als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte nach der Aktenlage am 24. August 2001) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 25/2001 sowie der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001 maßgeblich.

Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen

und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Sonderfälle der Entziehung

§ 26.

...

(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.

..."

1.2. § 99 StVO 1960 lautet in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999 (auszugsweise):

"§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 16 000 S bis 80 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt,

obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der

im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

(1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 12 000 S bis 60 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

(1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 8 000 S bis 50 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

..."

2. Die belangte Behörde stützt die Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin auf eine von ihr angenommene erstmalige Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960, im vorliegenden Fall § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 (Alkoholgehalt der Atemluft mehr als 0,8 mg/l).

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher jedenfalls, dass die Beschwerdeführerin die ihr angelastete Übertretung überhaupt begangen hat.

Die Beschwerdeführerin hat im gesamten Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) bestritten, dass das sie belastende Messergebnis richtig zu Stande gekommen sei und hat ausdrücklich die Beibringung des Eichscheines für das verwendete Gerät der Firma Siemens verlangt. Die belangte Behörde hat sich dem gegenüber im angefochtenen Bescheid damit begnügt festzuhalten, der relevante Atemalkoholmesswert von mehr als 0,8 mg/l Alkohol in der Atemluft stehe auf Grund des Akteninhaltes fest und sei bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend den Einwendungen der Beschwerdeführerin ein Überprüfungsprotokoll des verwendeten Alkomaten beigebracht worden, welches keinen Hinweis auf eine Mangelhaftigkeit des Alkomaten zum gegenständlichen Verwendungszeitpunkt zulasse. Demnach sei am 24. August 2000 "eine eichamtliche Abnahme des Gerätes erfolgt".

Was die "Eichung" des bei der Messung verwendeten Gerätes der Marke Siemens (vgl. dazu § 1 Z. 1 der Alkomatverordnung BGBl. II Nr. 789/1994 idF BGBl. Nr. 146/1997) anlangt, so trifft es zunächst zu, dass sich die belangte Behörde nicht auf einen diesbezüglichen "Eichschein" berufen konnte. Dies wäre aber nicht jedenfalls erforderlich gewesen, weil die Eichung auch auf andere Weise als durch Einholung eines Eichscheines bewiesen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/03/0260, wo der Beweis durch entsprechende Auskunft eines Bediensteten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen erbracht wurde, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 2000/02/0005, betreffend die Einholung einer diesbezüglichen Bestätigung dieser Behörde). Gemäß § 36 Abs. 1 des Maß- und Eichgesetzes (BGBl. Nr. 152/1950 - die im Beschwerdefall noch nicht anzuwendende Novelle BGBl. Nr. 85/2002 hat diesbezüglich keine wesentliche Änderung vorgenommen) besteht die Eichung aus der eichtechnischen Prüfung und Stempelung von Messgeräten durch die Eichbehörde. Eine solche geht im Beschwerdefall hinsichtlich des in Rede stehenden Alkomatgerätes aus der Aktenlage nicht hervor. Die belangte Behörde konnte sich weder auf einen Eichschein beziehen, noch auf eine Bestätigung oder Auskunft des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen im Sinne der erwähnten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Das in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegende Überprüfungsprotokoll der Firma Siemens hinsichtlich des verwendeten Messgerätes stellt keine der Eichbehörde zuzurechnende Äußerung dar. Der angefochtene Bescheid, dem die Annahme der Eichung des Gerätes im Messzeitpunkt zu Grunde liegt, ist aus diesem Grund mit einem relevanten Feststellungs- und Begründungsmangel behaftet.

Darüber hinaus ist die belangte Behörde darauf zu verweisen, dass nach der hg. Rechtsprechung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 99/02/0074) für das Zustandekommen eines gültigen, nicht verfälschten Messergebnisses die Einhaltung der Betriebsanleitung des Messgerätes erforderlich ist. Dies bedeutet, dass gemäß der Betriebsanleitung für den "Siemens Alkomat N 52052- A15" (abgedruckt in Messiner, StVO10 (1999) 1452 ff) der Proband 15 Minuten vom Anhaltezeitpunkt an zu beobachten war, um sicher zu stellen, dass keine Nahrungs- oder Getränkeaufnahme erfolgt, keine Mundsprays oder Medikamente verwendet und auch nicht geraucht wird. Wohl hätte die belangte Behörde auch dann von einem gültigen Messergebnis ausgehen können, wenn zwar die erwähnte Warte- bzw. Beobachtungsfrist nicht eingehalten wurde, diese Annahme jedoch aus fachlichen, durch das Gutachten eines Sachverständigen belegten Gründen zulässig war (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999 mwN.). Zu einem solchen Ergebnis ist die belangte Behörde aber schon allein deshalb nicht gelangt, weil sie, obwohl die Beschwerdeführerin geltend gemacht hatte, sie habe innerhalb des Beobachtungszeitraumes geraucht, es unterließ, ein Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob trotz dieses Verstoßes gegen die Betriebsanleitung vom Vorliegen eines gültigen Messergebnisses ausgegangen werden konnte. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch in diesem Punkt mit einem Verfahrensmangel behaftet.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Das Mehrbegehren an Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach der zitierten VwGH-Aufwandersatzverordnung ein Ersatz des Schriftsatzaufwandes nur in der Höhe von EUR 908,-- in Betracht kommt.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietBesondere Rechtsgebiete AlkoholisierungBegründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003110131.X00

Im RIS seit

21.07.2003

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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