TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/17 W147 2176294-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2021
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Entscheidungsdatum

17.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W147 2176294-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. Dezember 2019, Zl. 780718500 – 160887978 7 / BMI-EAST_FLUGHAFEN, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5. August 2021, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation sowie § 57 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2021, § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, und § 46 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, § 55 Abs. 1 bis 3 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, iVm § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sieben Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste am 6. Mai 2005 zusammen mit seiner Mutter und seiner minderjährigen Schwester (Beschwerdeführerin W147 1308074-4) unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 28. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf Körperverletzung angezeigt.

3. Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin, die er auf dem Weg nach Österreich nach islamischem Status heiratete, kam es zu einem Streit, bei dem der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin verletzte.

4. Am 10. Oktober 2006 langte bei der belangten Behörde eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Urkundenfälschung (gefälschte Begutachtungsplakette) ein.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zur Geschäftszahl XXXX rechtskräftig mit XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung gemäß §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, die bedingt nachgesehen wurde.

6. Am XXXX wurde die gemeinsame Tochter des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin, XXXX , geboren.

6. Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 6. November 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG 1997 und § 8 AsylG 1997 abgewiesen.

7. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde zog der Beschwerdeführer am 18. Juni 2008 zurück. Der Bescheid vom 6. November 2006 erwuchs in Rechtskraft.

8. Mit Schreiben vom 11. August 2008 erging seitens der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Verständigung betreffend die Rückkehrberatung des Beschwerdeführers und wurde ihm mitgeteilt, dass ihm die Frist für die freiwillige Ausreise bis 26. August 2008 angeboten werde.

9. Am 13. August 2008 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigem Aufenthalt in der Betreuungsstelle XXXX angezeigt. Im Anschluss wurde der Beschwerdeführer angezeigt, weil er sich seit Juni 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

10. Im Rahmen der Festnahme stellte der Beschwerdeführer am 13. August 2008 einen weiteren Asylantrag. Die Festnahme wurde aufgrund des Antrages aufgehoben.

11. Im Zuge der Personendurchsuchung wurde ein Messer bei dem Beschwerdeführer gefunden und festgestellt, dass gegen den Beschwerdeführer ein aufrechtes Waffenverbot besteht.

12. Die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers übermittelte mit Schreiben vom 16. Juni 2008 (wohl gemeint 16. Juli 2008) einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren, weil der Tochter abgeleitet von ihrer Mutter Asylstatus im Familienverfahren zuerkannt worden sei, samt der Heiratsurkunde des Beschwerdeführers mit XXXX vom XXXX an die Bezirkshauptmannschaft XXXX . Die Bezirkshauptmannschaft leitete das Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft am 13. August 2008 weiter. Ein Antrag langte beim Bundesasylamt nicht ein und wurde erst am 14. August 2008 ein entsprechender Vermerk im AIS eingetragen

13. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. August 2008, Zahl: 08 07.185-BAT, wurde dem Beschwerdeführer der Asylstatus im Wege des Familienverfahrens gewährt, abgeleitet von seiner Tochter, diese wiederrum abgeleitet von ihrer Mutter, und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

14. Am XXXX wurde ein weiteres Kind des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin, XXXX , geboren.

14. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , zu Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen § 50 Abs. 1 Z 2 WaffenG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 3 Wochen, bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

15. Im Jahr 2010 erfolgte die Scheidung des Beschwerdeführers von seiner Ehegattin.

16. Am 31. Januar 2011 langte bei der belangten Behörde eine Meldung der zuständigen Polizeiinspektion wegen Sachbeschädigung ein.

17. Am 22. März 2011 langte bei der belangten Behörde eine Meldung der zuständigen Polizeiinspektion wegen gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung ein.

18. Der Beschwerdeführer wurde am 30. März 2011 im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten und wurde aufgrund einer Festnahmeanordnung der zuständigen Staatsanwaltschaft festgenommen. Aufgrund des aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers während der Amtshandlung mussten dem Beschwerdeführer Handfesseln angelegt werden.

19. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , zu Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 195 Abs. 1 StGB und § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verurteilt.

20. Am 7. November 2011 langte bei der belangten Behörde ein Bericht der zuständigen Polizeiinspektion vom 7. Oktober 2011 ein, demzufolge nach Mitteilung der Grenzkontrollstelle XXXX (litauisch-belarussische Grenze) der Beschwerdeführer am 21. September 2011 nach Weißrussland ausgereist sei. Der Beschwerdeführer habe sich laut dem Bericht mit dem österreichischen Konventionsreisepass ausgewiesen, der mehrere Vermerke der lettischen Kontrollstelle zur lettisch-russischen Grenzen ausweise. Dies belege eine wiederholte Einreise in den Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer habe sich auch mit einem russischen Reisepass ausgewiesen, ausgestellt am XXXX .

Aufgrund fehlender russischer und belarussischer Einreise-/Aufenthaltstitel im österreichischen Konventionsreisepass, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem XXXX einen russischen Reisepass besessen habe und diesen auch für Reisen in die Russische Föderation verwendet habe.

21. Ein Aberkennungsverfahren wurde im Jahr 2012 eingestellt. Eine Aberkennung wegen „freiwilliger Unterschutzstellung“ sei zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen.

22. Bei der belangten Behörde langte am 3. Oktober 2012 und am 2. Juli 2013 Meldungen der zuständigen Landespolizeidirektion wegen einer Anhaltung des Beschwerdeführers wegen Verletzung der Unterhaltspflichten ein.

23. Am 14. August 2018 langte eine Meldung der zuständigen Landespolizeidirektion wegen Raufhandels ein.

24. Am XXXX wurde das dritte Kind des Beschwerdeführers und seiner Ex-Ehegattin, XXXX , geboren.

25. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , zu Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Verletzung der Unterhaltspflichten nach § 198 Abs. 1 StGB in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten, bedingt, verurteilt.

26. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , zu Zahl XXXX , wurde der Beschwerdeführer in Abwesenheit wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verurteilt.

27. Am 25. Mai 2016 langte bei der belangten Behörde eine Mitteilung über eine Reisebewegung des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer sei am 13. Januar 2016 bei der Ausreise aus Ungarn einer Personenkontrolle unterzogen worden, in der befragt ausführte, dass er über Ungarn und die Ukraine nach Grozny reisen wolle. Am 10. Februar 2016 sei der Beschwerdeführer im Zuge der Grenzkontrolle am Flughafen Bratislava als Passagier eines Fluges von Bratislava nach Moskau kontrolliert worden und habe der Beschwerdeführer sich mit seinem russischen Reisepass ausgewiesen. Am 17. Mai 2016 sei der Beschwerdeführer im Beisein seiner Schwester in der Grenzkontrollstelle am Flughafen Bratislava kontrolliert worden. Als Grund nannte der Beschwerdeführer seine Ausreise nach „Russland“. Am 18. Mai 2016 sei der Beschwerdeführer abermals im Zuge der Grenzkontrolle Bratislava kontrolliert worden und habe er als Grund seine Einreise aus „Russland“ angegeben und sei er alleine gereist.

28. Mit Aktenvermerk der belangten Behörde vom 16. Juni 2016 wurde ein Aberkennungsverfahren wegen freiwilliger Unterschutzstellung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C GFK verneint.

29. Ein weiteres Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde durch die belangte Behörde eingeleitet.

30. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , rechtskräftig am XXXX , zu Zahl XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und versuchter Nötigung gemäß § 125 StGB, § 83 Abs. 1 StGB, § 15 StGB § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten verurteilt.

31. Mit Bescheid vom 22. September 2017 wurde dem Beschwerdeführer der Konventionsreisepass entzogen.

32. Am 6. Oktober 2017 langte bei der belangten Behörde eine Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX ein, wonach gegen den Beschwerdeführer und weitere Personen eine Anklageschrift wegen §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1, 145 Abs. 2 Z 1, 145 Abs. 2 Z 2 StGB (schwere Erpressung); § 105 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung); § 106 Abs. 1 Z 1, § 15 StGB (versuchte schwere Nötigung); § 278 Abs. 1 StGB (terroristische Vereinigung); § 231 Abs. 1 StGB (Gebrauch fremder Ausweise) und § 15, § 246 (versuchte Unterschlagung) eingebracht worden sei.

33. Mit 19. Dezember 2017 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen § 12 2. Fall StGB; § 15 StGB §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Beteiligung an Brandstiftung sowie versuchter schwerer Betrug) Anklage erhoben.

34. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu Zahl XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 5 Monaten verurteilt.

35. Am 3. Juli 2018 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich in der Justizanstalt XXXX von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache zur Sachverhaltsabklärung einer möglichen Aberkennung im Sinne des § 7 Asylgesetz 2005 einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er wegen einer Gastritis behandelt worden sei aber sonst gesund sei. Er spreche die deutsche, tschetschenische und russische Sprache. Zu seinen Angehörigen und sozialen Kontakten befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Österreich seine Ehefrau, drei Kinder und seine Schwester habe. Für seine Schwester habe der Beschwerdeführer die Obsorge gehabt, jetzt sei sie volljährig. Zu seinen Verwandten im Herkunftsstaat führte der Beschwerdeführer aus, dass er mit seinen Verwandten das letzte Mal vor zehn Monaten Kontakt gehabt habe. Im Jahr 2016 sei der Beschwerdeführer für einen Zeitraum von drei Monaten nach Tschetschenien gereist. Er habe wegen eines Problems nach Tschetschenien reisen wollen, habe jedoch dann auch im Heimatland Probleme mit der Polizei gehabt. In Österreich habe der Beschwerdeführer für drei Jahre keine Notstandshilfe bekommen, weshalb er in Österreich Autos gekauft, repariert und in der Russischen Föderation verkauft habe. Zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Kurse besucht habe, selbst die deutsche Sprache erlernt habe und über Bekannte verfüge.

Zu seiner Straffälligkeit befragt, antwortete der Beschwerdeführer, dass er sich nicht schuldig fühle, weil er in Notwehr gehandelt habe und trotzdem für acht Monate verurteilt worden sei.

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben verhaftet werden. Zuletzt sei der Beschwerdeführer von der Polizei misshandelt worden. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wo sein russischer Reisepass sei.

Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass beabsichtigt sei, aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers, den Status des Asylberechtigten abzuerkennen, führte der Beschwerdeführer aus, dass er versuchen werde nicht mehr straffällig zu werden.

36. Am 10. Juli 2018 langte eine Vollmachtsbekanntgabe sowie eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, derzufolge der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich im zweiten Tschetschenienkrieg gegen die russische Armee gewandt habe, des Öfteren Polizeigewalt ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer befürchte im Heimatland verschleppt zu werden. In Einem legte der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage bei.

37. Am 4. September 2018 langten bei der belangten Behörde Fotos des Beschwerdeführers ein, auf denen sich zeigen solle, dass er in Tschetschenien von der Polizei misshandelt worden sei.

38. Am 20. September 2019 wurde die belangte Behörde von der Verhängung der Untersuchungshaft wegen § 83 Abs. 1; § 15 und § 87 Abs. 1 StGB verständigt.

39. Am 4. November 2019 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers aktuelle Länderfeststellungen zur Russischen Föderation bzw. Tschetschenien und ein Fragenkatalog übermittelt.

40. Am 13. November 2019 langte bei der belangten Behörde eine Mitteilung der zuständigen Landespolizeidirektion ein, wonach der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei.

41. Am 18. November 2019 langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderfeststellungen und dem Fragenkatalog ein.

42. Am 22. November 2019 wurde die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab befragt an, dass sich der Beschwerdeführer gelegentlich in der Russischen Föderation aufgehalten habe. Die Gründe, weshalb der Beschwerdeführer im Jahr 2005 die Russische Föderation verlassen habe, kenne sie nicht.

43. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu Zahl XXXX rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von fünf Monaten verurteilt.

44. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. August 2008, Zahl: 08 07.185-BAT, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.).

Unter Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Unter Spruchpunkt VII. wurde gemäß § 53 Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Nach allgemeinen Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und nach Wiedergabe des Verfahrensganges hielt die belangte Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung im Wesentlichen fest, dass einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe eingetreten sei. Die Umstände, aufgrund deren der Fremde als Flüchtling anerkannt worden sei, würden nicht mehr bestehen und kann es der Beschwerdeführer nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Der Beschwerdeführer habe auch auf Nachfragen des Organwalters nichts vorgebracht, was eine aktuell vorliegende Gefährdung des Beschwerdeführers annehmen ließe. Das Vorbringen des Beschwerdeführers biete auch keinen Hinweis darauf, dass wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Gründe aktuell bestehe.

Bei dem Beschwerdeführer handle es sich um einen arbeitsfähigen Mann, der in der Lage wäre für sich selbst zu sorgen.

In Bezug auf das Familienleben des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde in ihrer Entscheidung aus, dass der Beschwerdeführer drei Kinder und seine Schwester in Österreich habe, jedoch kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Der Beschwerdeführer habe nur knapp zwei Jahre mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt gelebt und sei er auch wegen Verletzung seiner Unterhaltspflicht verurteilt worden.

Auch seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden.

45. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 5. Dezember 2019 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die „ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien“ als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

46. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht durch seine Rechtsvertretung verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den genannten Bescheid und focht diesen zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhaftem Ermittlungsverfahren, mangelhafter Bescheidbegründung und Beweiswürdigung an.

47. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 8. Januar 2020 langte am 10. Januar 2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

48. Am 10. Januar 2020 reichte die belangte Behörde ein Straferkenntnis der zuständigen Landespolizeidirektion vom 29. Oktober 2019 nach, dem zu Folge der Beschwerdeführer mit einem Verkehrsunfall mit Personenschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt habe. Über den Beschwerdeführer wurde wegen der Verwaltungsübertretungen eine Strafe in Höhe von gesamt € 660,00 verhängt.

49. Mit 25. Februar 2020 wurde der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers die Aufenthaltsberechtigung „Daueraufenthalt – EU“ zuerkannt.

50. Am 26. Februar 2020 reichte die belangte Behörde eine Strafverfügung der zuständigen Landespolizeidirektion vom 17. Dezember 2019 nach, der zu Folge der Beschwerdeführer als Lenker des KFZ mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,39 mg/l gelenkt habe, obwohl das Lenken von Kraftfahrzeugen nur erlaubt sei, wenn der Alkoholgehalt in der Atemluft weniger als 0,25 mg/l betrage und der Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe. Über den Beschwerdeführer wurde wegen der Verwaltungsübertretungen eine Strafe in Höhe von gesamt € 1.070,00 verhängt.

51. Mit am 23. März 2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangendem E-Mail wurde die Anhaltungszeit des Beschwerdeführers aufgrund seiner letzten Verurteilung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ: XXXX wegen § 83 Abs. 1 StGB und fünf Monaten verhängter Freiheitsstrafe datiert wie folgt: „Strafantritt: 03.03.2020; 08:16 Uhr errechnetes Strafende: 15.07.2020; 21:21 Uhr.“

52. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX zur Verfahrenszahl XXXX wurde der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers der Status der Asylberechtigten aberkannt, festgestellt, dass ihr damit die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zu komme und wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Bescheide gleichen Inhalts ergingen an ihre Kinder.

53. Am 6. August 2020 langte die Verständigung der zuständigen Staatsanwaltschaft von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Z 1 StGB ein.

54. Am 16. Februar 2021 langte die Verständigung der zuständigen Staatsanwaltschaft von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 §15 StBG, § 107 Abs. 1 StGB, §§ 50 Abs. 1 Z 2, 50 Abs. 1 Z 3 WaffG ein.

55. Am 18. März 2021 langte die Verständigung der zuständigen Staatsanwaltschaft von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen § 28 Abs. 1 5. Fall SMG ein.

56. Am 5. August 2021 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes in Anwesenheit der Schwester des Beschwerdeführers und einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer – nachdem der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter geladen wurde und Mitteilung desselben vom 22. Juli 2021, dass die Vollmacht aufgelöst sei in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer seit 14. Juni 2021 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet ist - im Akt am 22. Juli 2021 hinterlegt, weil der konkrete Aufenthaltsort des Beschwerdeführers bzw. die Abgabestelle nicht bekannt und nach Einsicht in das ZMR und GVS nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden konnte.

Die Schwester des Beschwerdeführers führte auf entsprechende Frage des Richters aus, dass sich ihr Bruder nicht in Österreich befinde. Sie wisse allerdings nicht, wo er sich aufhalte. Es wäre möglich, dass sich der Beschwerdeführer wieder in Grosny oder in der Russischen Föderation aufhalte. Die Schwester des Beschwerdeführers gab weiters an, dass ihr Bruder so oft in der Russischen Föderation gewesen sei, dass sie es nicht mehr zählen könne. Sie selbst sei mit dem Flugzeug im Sommer 2015 in die Russische Föderation gereist und sei dort bis November 2016 geblieben. Von 7. Mai 2021 bis 8. Juni 2021 sei sie abermals in die Russische Föderation gereist. Nachgefragt, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite, führte die Schwester aus, dass sie zuletzt im April 2021 gearbeitet habe. Dann sei sie in die Russische Föderation geflogen, ohne sich beim AMS zu melden. Nach ihrer Rückkehr habe sie sich wieder beim AMS gemeldet und habe Arbeitslosengeld bekommen. Seit drei Tagen habe sie einen Job als Kellnerin, befinde sich aber in der Probezeit.

Die Frage, ob es richtig sei, dass sie im Jahr 2015 unter anderem ihren Schulabschluss in der Russischen Föderation absolviert habe, bejahte die Schwester des Beschwerdeführers.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Verwaltungsakte der belangten Behörde und der herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig sowie muslimischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2005 gemeinsam mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 6. Mai 2005 einen Asylantrag.

Mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 6. November 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG 1997 und § 8 AsylG 1997 abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde zog der Beschwerdeführer am 18. Juni 2008 zurück.

Im Rahmen einer Anhaltung aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 13. August 2008 einen weiteren Asylantrag.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. August 2008, Zahl: 08 07.185-BAT, wurde dem Beschwerdeführer der Asylstatus im Wege des Familienverfahrens, abgeleitet von seiner am XXXX geborenen Tochter, die ihren Status wiederrum von ihrer Mutter im Familienverfahren ableitete, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

In Österreich leben die ehemalige Ehegattin (die Scheidung erfolgte im Jahr 2010), die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder (geboren in den Jahren XXXX ) und die Schwester des Beschwerdeführers.

Zu keinem der genannten Angehörigen liegt ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis vor.

Die ehemalige Ehegattin verfügt seit dem XXXX über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“.

Der ehemaligen Ehegattin des Beschwerdeführers, deren Tochter im Familienverfahren ihr Asyl ableitete und aufgrund dessen dem Beschwerdeführer seinen Asylstatus im Familienverfahren zuerkannt wurde, wurde der Status der Asylberechtigten mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , aberkannt und ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt.

Gegenwärtig hat der Beschwerdeführer keine aufrechte Meldeadresse im Bundegebiet und ist über seinen Verbleib nichts bekannt. Der Beschwerdeführer meldete sich per 14. Juni 2021 von seinem bisherigen Hauptwohnsitz ab. An der letzten Wohnadresse war der Beschwerdeführer ab 25. September 2020 mit seinem Hauptwohnsitz gemeldet. Davor lebte der Beschwerdeführer von 25. September 2018 bis 25. September 2020 mit seiner ehemaligen Ehegattin, seiner Schwester und seinen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt.

1.2. Der Beschwerdeführer reiste nachweislich mehrmals mit seinem russischen Auslandsreisepass, ein Reisepass wurde jedenfalls am XXXX ausgestellt, in die Russische Föderation. So flog der Beschwerdeführer am 10. Februar 2016 in die Russische Föderation (Moskau) und ebenso am 17. Mai 2016. Dies deckt sich mit den Aussagen des Beschwerdeführers, dass er im Jahr 2016 drei Monate in der Russischen Föderation verbracht habe. Bereits davor reiste der Beschwerdeführer in die Russische Föderation und verkaufte dort Fahrzeuge weiter, die er in Österreich erworben und repariert hat.

1.3. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Kurse noch sonstige Ausbildungen abgeschlossen. Eine weitere Berufsausbildung hat der Beschwerdeführer nicht begonnen und war während seines Aufenthalts von 16 Jahren für kurze Zeiträume beschäftigt.

Sonst lebte er von sozialen Transferleistungen des Staates.

Darüber hinaus konnten trotz des langen Aufenthalts des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet keinerlei nachhaltigen Integrationsschritte seitens des Beschwerdeführers festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verfügt über gute Deutschkenntnisse und spricht neben Tschetschenisch auch Russisch.

1.4. Der Beschwerdeführer leidet unter keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung.

1.5. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet wiederholt straffällig und scheinen folgende Verurteilungen im Strafregisterauszug auf:

XXXX 1.6. Der Beschwerdeführer hat sich in keinen Vereinen betätigt, ist keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und verfügt naturgemäß über soziale Anknüpfungspunkte in Österreich in Form eines Freundeskreises, wobei das Bestehen enger Bindungen nicht hervorgekommen ist.

1.7. Eine den Beschwerdeführer betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde keinen ungerechtfertigten Eingriff in dessen gemäß Art. 8 EMRK geschützte Rechte auf Privat- und Familienleben darstellen.

1.8. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien respektive der Russischen Föderation aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Angehörigeneigenschaft zu seiner ehemaligen Ehegattin bzw. dessen Tochter keiner Verfolgung durch die Behörden seines Herkunftsstaates ausgesetzt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der ehemaligen Ehegattin der Status der Asylberechtigten aberkannt wurde und ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde.

Ein derartiges Risiko besteht weder im Nordkaukasus, noch in anderen Landesteilen der Russischen Föderation. Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat im Erwachsenenalter verlassen und war nie einer individuellen Verfolgung ausgesetzt.

1.9. Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tschetschenien respektive in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer spricht Tschetschenisch auf muttersprachlichem Niveau, zudem spricht er zumindest grundlegend Russisch. Der Beschwerdeführer, welcher sein Heimatland im Alter von XXXX Jahren verlassen hat, leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Im Herkunftsland verfügt der Beschwerdeführer über Verwandte (zwei Schwestern), die ihn anfänglich unterstützen können und könnte darüber hinaus von seinen in Österreich lebenden Verwandten Unterstützung erfahren.

2.0. Hinsichtlich der relevanten Situation in der Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, wird zunächst prinzipiell auf die im Akt einliegenden Länderfeststellungen verwiesen (Länderinformation der Staatendokumentation Russische Föderation Stand 17. Juni 2021, Version 3).

Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation, insbesondere Tschetschenien, werden insbesondere folgende Feststellungen getroffen:

Covid-19-Situation

Letzte Änderung: 18.05.2021

Russland ist von Covid-19 landesweit stark betroffen. Regionale Schwerpunkte sind Moskau und St. Petersburg (AA 15.2.2021). Aktuelle und detaillierte Zahlen bietet unter anderem die Weltgesundheitsorganisation WHO ( https://covid19.who.int/region/euro/country/ru ). Die Regionalbehörden in der Russischen Föderation sind für Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 zuständig, beispielsweise betreffend Mobilitätseinschränkungen, medizinische Versorgung und soziale Maßnahmen (RAD 15.2.2021; vgl. CHRR 12.3.2021). Die Maßnahmen der Regionen sind unterschiedlich, richten sich nach der epidemiologischen Situation in der jeweiligen Region und ändern sich laufend (WKO 9.3.2021; vgl. AA 15.2.2021). Es herrscht eine soziale Distanzierungspflicht für öffentliche Plätze und öffentliche Verkehrsmittel. Der verpflichtende Mindestabstand zwischen Personen beträgt 1,5 Meter (WKO 9.3.2021).

Die regierungseigene Covid-19-Homepage gibt Auskunft über die vom russischen Gesundheitsministerium empfohlenen Covid-19-Medikamente, nämlich Favipiravir, Hydroxychloroquin, Mefloquin, Azithromycin, Lopinavir/Ritonavir, rekombinantes Interferon-beta-1b und Interferonalpha, Umifenovir, Tocilizumab, Sarilumab, Olokizumab, Canakinumab, Baricitinib und Tofaciti- nib. Der in Moskau entwickelte Covid-19-Krankenhausbehandlungsstandard umfasst folgende vier Komponenten: Antivirale Therapie, Antithrombose-Medikation, Sauerstoffmangelbehebung und Prävention/Behandlung von Komplikationen. Auf Anordnung des Arztes wird Patienten ein Pulsoxymeter ausgehändigt (Gerät zur Messung des Blutsauerstoffsättigungsgrades). Die medizinische Covid-Versorgung erfolgt für die Bevölkerung kostenlos (CHRR o.D.a). Folgende Impfstoffe wurden in der Russischen Föderation entwickelt: Gam-COVID-Vac (’Sputnik V’), EpiVacCorona, CoviVac und Ad5-nCoV (CHRR o.D.b). Mittlerweile sind in der Russischen Föderation drei heimische Impfstoffe zugelassen (Sputnik V, EpiVacCorona und CoviVac). Groß angelegte klinische Studien gibt es bisher nicht (DS 20.2.2021; vgl. RFE/RL 21.2.2021). Impfungen erfolgen kostenlos (Mos.ru o.D.). In Moskau wurden bisher mehr als 700.000 Personen geimpft (Mos.ru 8.3.2021). Obwohl Russland als weltweit erstes Land seinen Covid-Impfstoff Sputnik V registrierte, haben die Impfungen effizient gerade erst begonnen (DS 12.2.2021). Bisher wurden in der Russischen Föderation in etwa 2,2 Millionen Personen (ca. 1,5% der Bevölkerung) geimpft bzw. erhielten zumindest eine der zwei Teilimpfungen (RFE/RL 21.2.2021). Für die Einreise nach Russland wird grundsätzlich ein COVID-19-Testergebnis (PCR) benötigt. Russische Staatsbürger müssen bei der Grenzkontrolle keinen COVID-Test vorlegen, dieser muss jedoch spätestens drei Tage nach der Einreise nachgeholt werden. Russische Staatsbürger, die nach der Einreise ein positives Testergebnis erhalten, müssen sich in Quarantäne begeben. Die Ausreise aus Russland ist bis auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Die internationalen Flugverbindungen wurden teilweise wieder aufgenommen. Direktflüge zwischen Österreich und Russland werden derzeit ein- bis zweimal wöchentlich von Austrian Airlines und Aeroflot angeboten. Russische Inlandsflüge wurden während der ganzen Pandemiezeit aufrecht erhalten (WKO 9.3.2021). Der internationale Zugverkehr - mit Ausnahme der Strecke zwischen Russland und Belarus - und der Fährverkehr sind eingestellt (AA 15.2.2021).

Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die russische Wirtschaft sind unterschiedlich und an viele Bedingungen gebunden. Zu den ersten staatlichen Hilfsmaßnahmen zählten Kredit-, Miet- und Steuerstundungen (ausgenommen Mehrwertsteuer), Sozialabgabenreduktion sowie Kreditgarantien und zinslose Kredite. Später kamen Steuererleichterungen sowie direkte Zuschüsse dazu. Viele der Maßnahmen sind nur für kleine und mittlere Unternehmen oder bestimmte Branchen zugänglich und haben einen zweckgebundenen Charakter (beispielsweise gebunden an Gehaltszahlungen oder Arbeitsplatzerhalt) (WKO 9.3.2021). Die Regierung bietet Exporteuren Hilfe an, die Möglichkeit eines Konkursmoratoriums, zinslose Kredite für Gehaltsauszahlungen usw. (CHRR o.D.c). Jänner bis Oktober 2020 ist die Industrieproduktion pandemiebedingt um 3,1% zurückgegangen. Besonders die Rohstoffproduktion ist um 6,6% gefallen, während die verarbeitende Industrie mit 0,3% praktisch stagnierte. Die im Jahr 2020 sehr stark fallenden Ölpreise waren unter anderem eine Auswirkung der Covid-19-Pandemie und mit einem globalen Nachfragerückgang verbunden und führten zu einer Rubelabwertung von 25%. Nach leichter Erholung verlor der Rubel unter anderem wegen der anhaltenden geringen Rohstoffnachfrage Mitte 2020 erneut an Wert und lag Anfang Dezember bei ca. 90 Rubel je Euro (WKO 12.2020). Das Realwachstum des Bruttoinlandsprodukts betrug im Jahr 2020 -3,1%. Im Vergleich dazu betrug der entsprechende Wert im Jahr 2019 2%. Die öffentliche Verschuldung betrug im Jahr 2020 17,8% des Bruttoinlandsprodukts (2019: 12,4%) (WIIW o.D.).

Moskau:

In Moskau herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Das Tragen von Masken auf Straßen wird empfohlen. Kultur- und Bildungsveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 50% der Zuschauerplätze belegt sind. Bürgern über 65 Jahren und chronisch Kranken wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021; vgl. WKO 9.3.2021, AA 15.2.2021). Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Am Arbeitsplatz sind vorgeschriebene Hygienevorschriften (unter anderem Temperaturmessungen, Mund- und Handschutz, Desinfektionsmittel, Mindestabstand etc.) einzuhalten (WKO 9.3.2021). Gemäß dem Moskauer Bürgermeister verbessert sich die Pandemielage in Moskau. Ein Großteil der Einschränkungen wurde aufgehoben. Gastronomiebetriebe sind wieder geöffnet. Für Schüler höherer Klassen und Studierende findet nun wieder Präsenzunterricht statt (Mos.ru 7.3.2021; vgl. Mos.ru 8.3.2021, LM 8.2.2021, Russland Analysen 19.2.2021). In der Oblast [Gebiet] Moskau wurde die Mehrzahl der wegen Covid geltenden Einschränkungen zurückgenommen. Einzig Massenveranstaltungen bleiben fast ausnahmslos verboten (Russland Analysen 19.2.2021).

St. Petersburg:

Auch in St. Petersburg herrscht an öffentlichen Orten eine Masken- und Handschuhpflicht. Die für gastronomische Betriebe geltenden Beschränkungen der Öffnungszeiten wurden aufgehoben. Kulturveranstaltungen dürfen stattfinden, wenn maximal 75% der Zuschauerplätze belegt sind. Empfohlen wird Fernarbeit für mindestens 30% der Mitarbeiter. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke sind Selbstisolierung und Fernarbeit verpflichtend (CHRR 12.3.2021; vgl. Gov.spb

5.3.2021, WKO 9.3.2021, Russland Analysen 8.2.2021).

Tschetschenien:

An öffentlichen Orten wird das Tragen von Masken empfohlen. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke ist Selbstisolierung vorgesehen (CHRR 12.3.2021; vgl. Chechnya.gov 10.2.2021, Ria.ru 10.2.2021, KMS 10.2.2021). Bisher wurden mehr als 19.000 Personen geimpft (Chech- nya.gov 26.2.2021). Mitarbeitern staatlich finanzierter Organisationen in Tschetschenien wurde mit Entlassung gedroht, sollten sie die Covid-Impfung verweigern. Bewohner in Tschetschenien berichten, ihnen seien Sanktionen angedroht worden, sollten sie sich nicht impfen lassen (CK

23.1.2021) . Reisebeschränkungen wurden aufgehoben (Ria.ru 10.2.2021; vgl. Chechnya.gov

10.2.2021, KMS 10.2.2021).

Dagestan:

An öffentlichen Orten herrscht Maskenpflicht. Einstweilen dürfen keine Massenveranstaltungen stattfinden. Für über 65-Jährige und chronisch Kranke wird Selbstisolierung empfohlen (CHRR 12.3.2021). Es finden Massenimpfungen statt, und verwendet wird der Impfstoff Sputnik V (E-dag.ru 23.2.2021). Bisher wurden mehr als 18.000 Personen (2,4%) geimpft (E-dag.ru

12.3.2021) .

Quellen:

•        AA-Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.2.2021): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik /laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536 , Zugriff 16.3.2021

•        Chechnya.gov - rnaBa MeneHCKon Pecny6nMKM [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (10.2.2021): P KagbipoB: «Mbi cHMMaeM b MeHeHcKon Pecny6nMKe o6a3aTenbHoe HoweHne MacoK b o6^ecTBeHHbix MecTax» [R Kadyrow: „Wir heben die Maskenpflicht an öffentlichen Orten in der Tschetschenischen Republik auf"], http://chechnya.gov.ru/novo sti/r-kadyrov-my-snimaem-v-chechenskoj-respublike-obyazatelnoe-noshenie-masok-v-obshhest vennyh-mestah/, Zugriff 12.3.2021

•        Chechnya.gov - rnaBa MeneHCKon Pecny6nMKM [Oberhaupt der Tschetschenischen Republik] [Russische Föderation] (26.2.2021): OTMeHa o6a3aTenbHoro MacoHHoro pewnMa b MeneHCKon Pecny6niMKe He cnpoBoginpoBana pocTa Hincna 3a6oneBwinx [Aufhebung der Maskenpflicht in der Tschetschenischen Republik provozierte nicht steigende Krankheitszahlen], http://chechnya.gov.r u/novosti/otmena-obyazatelnogo-masochnogo-rezhima-v-chechenskoj-respublike-ne-sprovotsirov ala-rosta-chisla-zabolevshih/, Zugriff 12.3.2021

•        CHRR - Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (12.3.2021): KapTa gencTByw^nx orpaHMHeHMn b cba3m c COVID-19 [Landkarte bzgl. geltender Einschränkungen in Verbindung mit Covid-19], https://cTonKopoHaBMpyc.p$/information/, Zugriff 12.3.2021

•        CHRR - Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.a): MacTo 3agaBaeMbe Bonpocbi [FAQ], https://cTonKopoHaBMpyc.p$/faq/, Zugriff 12.3.2021

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•        CHRR - Covid-19-Webseite der russischen Regierung [Russische Föderation] (o.D.c): Mepbi noggepwKin 6n3Heca [Unternehmensunterstützungsmaßnahmen], https://cTonKopoHaBinpyc.p$/wh at-to-do/business/, Zugriff 24.3.2021

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•        DS - Der Standard (12.2.2021): Russland könnte sich der Herdenimmunität nähern, https://ww w.derstandard.at/story/2000124129778/russland-waehnt-sich-nahe-an-der-herdenimmunitaet, Zugriff 12.3.2021

•        DS - Der Standard (20.2.2021): Russland bringt dritten Covid-Impfstoff auf den Markt, https: //www.derstandard.at/jetzt/livebericht/2000124341360/redcontent/1000220229?responsive=false , Zugriff 12.3.2021

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•        E-dag.ru - Moj Dagestan [Mein Dagestan] / Offizielle Website Dagestans [Russische Föderation] (12.3.2021): MH^opiviagMfl o npoBegeHinin BaKgiMHagiMM HaceneHina Pecny6nwKM flarecTaH npoTMB COVID-19 [Information über COVID-19-Impfung der Bevölkerung der Republik Dagestan], https: //mydagestan.e-dag.ru/vaccination-against-covid-19/, Zugriff 12.3.2021

•        Gov.spb- AflMMHincTpai4Mfl CaHKT-neTep6ypra [St. Petersburger Verwaltung] [Russische Föderation] (5.3.2021): OTgenbHbie orpaHMHeHua npogneBaroTca go 28 MapTa [Einzelne Einschränkungen bis 28.3. verlängert], https://www.gov.spb.ru/press/governor/208547/, Zugriff 12.3.2021

•        KMS - Kommersant (10.2.2021): KagbipoB oTMeHMn o6fl3aTenbHbin MacoHHbin pewMM B MeHHe [Kadyrow hob die Maskenpflicht in Tschetschenien auf], https://www.kommersant.ru/doc/4683493 , Zugriff 15.3.2021

•        LM - Le Monde (8.2.2021): En Russie, le Covid-19 a alimente une hausse brutale de la mortalite en 2020 [In Russland hat Covid-19 für einen brutalen Anstieg der Sterberaten im Jahr 2020 gesorgt], https://www.lemonde.fr/international/article/2021/02/08/en-russie-le-covid-19-a-alimente-une-hau sse-brutale-de-la-mortalite-en-2020_6069228_3210.html , Zugriff 12.3.2021

•        Mos.ru - Offizielle Webseite des Moskauer Bürgermeisters [Russische Föderation] (7.3.2021): Cepren Co6ahmh paccKa3an o cmyapnn c KopoHaBupycoM b MocKBe [Sergei Sobjanin sprach über die Coronavirussituation in Moskau], https://www.mos.ru/mayor/themes/18299/7190050/7o nsite_molding=2 , Zugriff 15.3.2021

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•        RAD - Russian Analytical Digest / Anna Tarasenko (Nr. 263) (15.2.2021): Mitigating the Social Consequences of the COVID-19 Pandemic: Russia's Social Policy Response, https://css.ethz.ch/co ntent/dam/ethz/special-interest/gess/cis/center-for-securities-studies/pdfs/RAD263.pdf#page=12 , Zugriff 16.3.2021

•        RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (21.2.2021): Russia Approves CoviVac, Its Third Coronavirus Vaccine, https://www.rferl.org/a/russia-coronavirus-vaccine-covivac/31113697.html , Zugriff 12.3.2021

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•        WIIW - Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Russia - Overview, https: //wiiw.ac.at/russia-overview-ce-10.html, Zugriff 24.3.2021

•        WKO - Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (12.2020): Wirtschaftsbericht Russische Föderation, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/russische-foederation-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 24.3.2021

•        WKO-Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (9.3.2021): Coronavirus: Situation in Russland, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-russland.html, Zugriff 16.3.2021

Politische Lage

Letzte Änderung: 26.05.2021

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 1.2021c; vgl. CIA 5.2.2021). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017). Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 1.2021a; vgl. EASO 3.2017, AA 21.10.2020c). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 1.2021a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahlbeteiligung lag der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018; vgl. FH 3.3.2021). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018). Wahlbetrug ist weit verbreitet, was insbesondere im Nordkaukasus deutlich wird (BTI 2020). Präsident Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen (Tagesschau.de 19.3.2018; vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Am 15. Januar 2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischus- tin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden (GIZ 1.2021a). Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren (GIZ 1.2021a; vgl. FH 3.3.2021), dies gilt aber nicht für weitere Präsidenten (FH 3.3.2021). Die Volksabstimmung über eine umfassend geänderte Verfassung fand am 1. Juli 2020 statt, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie verschoben worden war. Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 65% der Stimmberechtigten stimmten laut russischer Wahlkommission knapp 78% für und mehr als 21% gegen die Verfassungsänderungen. Neben der sogenannten Nullsetzung der bisherigen Amtszeiten des Präsidenten, durch die der amtierende Präsident 2024 und theoretisch auch 2030 zwei weitere Male kandidieren darf, wird das staatliche Selbstverständnis der Russischen Föderation in vielen Bereichen neu definiert. Der neue Verfassungstext beinhaltet deutlich sozialere und konservativere Inhalte als die Ursprungsverfassung aus dem Jahre 1993 (GIZ 1.2021a). Nach dem Referendum kam es zu Protesten von einigen hundert Personen in Moskau. Bei dieser nicht genehmigten Demonstration wurden 140 Personen festgenommen. Auch in St. Petersburg gab es Proteste (MDR 16.7.2020).

Der Föderationsrat ist als 'obere Parlamentskammer’ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten (GIZ 1.2021a): Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2021c). Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 1.2021a).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, welche die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern und die Partei der Volksfreiheit (PARNAS), eine demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 1.2021a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016; vgl. Global Security 21.9.2016, FH 3.3.2021). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht in Frage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018). Die nächste Duma-Wahl steht im Herbst 2021 an (Standard.at 1.1.2021).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 1.2021a; vgl. AA 21.10.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 1.2021a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewas

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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