TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/1 W124 1435315-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2021
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Entscheidungsdatum

01.09.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W124 1435315-2/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

II.      Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom XXXX auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwei Jahren ab Rechtskraft dieser Entscheidung erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Vorverfahren:

1.1.    Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am XXXX nach schlepperunterstützter illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am nächsten Tag führte der BF an, dass er aus Kabul stamme und dort sieben Jahre lang die Schule besucht habe. Als Fluchtgrund gab er an, sein Vater sei XXXX durch einen Selbstmordanschlag beim Innenministerium und der Indischen Botschaft getötet worden. Er habe, als sie den Leichnam seines Vaters abgeholt hätten, den damals anwesenden Reportern gesagt, dass die Mörder seines Vaters schlechte Leute und Gegner des Islam seien. Später habe er einen Drohbrief erhalten, der in Paschtu geschrieben gewesen sei. Er habe sich dann beinahe zwei Jahre lang versteckt bis seine Mutter gemeint habe, dass es für ihn in Kabul zu gefährlich sei, weshalb er nach Pakistan gegangen sei. Es habe nur einen Drohbrief gegeben, diesen habe er noch. Zu den Briefschreibern habe er nie einen persönlichen Kontakt gehabt. Er wisse auch nicht, wer diese Leute seien. Er werde sich diesen Brief und andere Unterlagen schicken lassen und der Asylbehörde vorlegen. Das sei sein einziger Flucht- und Asylgrund. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor diesen Leuten. Mit den Behörden oder der Polizei habe er in seiner Heimat keine Probleme gehabt.

1.2.    Mit Schreiben vom XXXX informierte das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA), dass dem BF eine Aufenthaltsberechtigungskarte nach § 51 AsylG zukomme.

1.3.    Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BAA am XXXX führte der BF aus, dass er Tadschike und Moslem sei und zuletzt im Bezirk XXXX in der Stadt Kabul gewohnt habe. Zwei Jahre bevor er nach Österreich gekommen sei, im Jahr XXXX , habe er Afghanistan verlassen. Er sei damals vierzehn Jahre alt gewesen. Im Heimatland habe er sieben Jahre lang die Schule in XXXX besucht und bis zum Tod seines Vaters gemeinsam mit seinen Eltern und seinen drei Schwestern in einer Mietwohnung gelebt. Sein Vater sei Vizepräsident einer Bauunternehmensfirma gewesen. Im Jahr XXXX sei sein Vater bei einem Anschlag auf die Indische Botschaft ums Leben gekommen. Es habe damals viele Tote gegeben. Zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters sei er zwölf Jahre alt gewesen. Er sei dann von verschiedenen Medienvertretern bezüglich des Todes seines Vaters interviewt worden und dies sei unter anderem im Nachrichtensender Hanis ausgestrahlt worden. Seine Mutter habe den Entschluss gefasst, dass er nicht mehr in Afghanistan bleiben könne und habe ihn an einen Freund seines Vaters in Pakistan übergeben. In Pakistan habe er zwei Jahre in Peshawar gelebt. Seine Mutter und seine drei Schwestern hätten, solange er noch im Heimatland aufhältig gewesen sei, in Kabul gelebt; später seien sie, da sie die Miete nicht hätten zahlen können, nach XXXX gegangen. In XXXX würden auch seine Großeltern, zwei Onkel und seine Cousins leben. Zuletzt habe er vor drei Monaten telefonischen Kontakt zu seiner Familie gehabt.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der BF vor, dass er nach Österreich gekommen sei, da sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei. In Österreich könne er in Sicherheit leben. In XXXX sei die Gruppierung der Taliban immer präsent. Die meisten würden dort den Taliban angehören und hätten ihm gesagt, er solle stolz sein, dass sein Vater ums Leben gekommen sei. In seinem Herkunftsstaat habe er keine Straftat begangen, es sei auch kein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig und er sei dort auch nicht behördlich verfolgt worden. Weiters habe er dort keine Probleme aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung gehabt. Er sei niemals persönlich bedroht worden. Er habe aber ein oder zwei Monate nach dem Tod seines Vaters einen Drohbrief erhalten. Dieser sei in der Nacht in sein Haus geworfen worden; auch andere hätten solche Schreiben erhalten. Die anderen seien aber ums Leben gekommen. Gegen eine Rückkehr spreche seine Angst vor den Leuten, die ihm den Drohbrief geschickt hätten. Falls ihm etwas zustoßen sollte, würde seine Mutter sofort einen Herzinfarkt erleiden. Er sei all ihre Hoffnung. Er habe in Österreich keine Verwandten. Er besuche drei verschiedene Deutschkurse.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Vertreter des BF Länderfeststellungen zur Situation in Afghanistan vorgelegt. Dazu führte dieser aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan noch immer sehr schlecht sei und wies auf die Entwicklungen in Kabul und die schlechte Sicherheitslage hin. Es handle sich beim BF um einen unbegleiteten Minderjährigen, der Halbwaise und schutzbedürftig sei.

Im Rahmen der Einvernahme legte der BFeine Tazkira sowie diverse weitere Unterlagen in Kopie vor (Drohbrief der Taliban vom XXXX , Bilder vom Selbstmordanschlag, Unterlagen bzgl. der beruflichen Tätigkeit seines Vaters, Liste der Verstorbenen des Krankenhauses Ali Abad, Schreiben über die „Wegnahme“ des Autos des Vaters des BF, Bestätigungen über den Besuch von Deutschkursen). Dem BF wurde vom BAA vorgehalten, dass diese Dokumente offensichtlich aus Gefälligkeitsgründen ausgestellt worden seien, zumal die Tazkira kein Ausstellungsdatum trage sowie nicht in jenem Bezirk ausgestellt worden sei, wo er gelebt habe und der Drohbrief mit XXXX datiert sei, wobei dieses Datum vor dem Datum des Anschlages, bei welchem sein Vater um Leben gekommen sei, liege. Dazu gab der BF an, dass er die Wahrheit gesagt habe.

1.4.    Das BAA hat Mit Bescheid vom XXXX , AZ XXXX , hat das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs 1 Z. 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Begründend führte die Behörde aus, dass das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft sei. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr sei nicht gegeben und stelle die Ausweisung des BF keinen Eingriff in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte dar.

1.5.    Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seinen gesetzlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass auch im Asylverfahren die Grundsätze der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs gelten würden. Diesen Anforderungen habe die Behörde erster Instanz nicht genügt und aus diesem Grund sei das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet. Entgegen der Ansicht der den Bescheid erlassenden Behörde erfülle der BF die Voraussetzungen, um Asyl gewährt zu bekommen. Es sei davon auszugehen, dass die Behörde bei einem entsprechenden Ermittlungsverfahren zu einem anderen, für den BF positiven Ergebnis gekommen wäre und ihm Asyl gewährt hätte oder zumindest feststellen hätte müssen, dass seine Abweisung, Abschiebung oder Zurückschiebung gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei.

Betreffend die Vorhalte zu der vom BF vorgelegten Tazkira bzw. den Unstimmigkeiten bezüglich der unterschiedlichen Namen des Vaters des BF werde ausgeführt, dass es in Afghanistan üblich sei, dass ein Mann bei seinem Vornamen und dem Namen seines Vaters genannt werde. Daher sei der Vater etwa auf der Totenliste des Krankenhauses auch - anders als auf der Tazkira des BF – als XXXX vermerkt worden. Weiters werde darauf hingewiesen, dass der BF die Tazkira, wie von ihm angegeben, tatsächlich von „ XXXX “ erhalten habe. Nicht nachvollziehbar sei der Vorhalt der Behörde, der BF müsse nähere Informationen zum Anschlag der Taliban auf die Indische Botschaft kennen, da ja immerhin sein Vater dabei ums Leben gekommen sei, zumal der BF zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen sei. Bezüglich der angeblichen Widersprüche im Vorbringen des BF während der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BAA sei anzumerken, dass der BF beide Male die gleichen Aussagen getätigt habe. Natürlich sei dem BF bei seiner Einvernahme vor dem BAA wesentlich mehr Zeit eingeräumt worden, um sein Fluchtvorbringen zu erstatten, weshalb diese Ausführungen detailreicher ausgefallen seien. Des Weiteren wolle der BF anmerken, dass er zu keiner Zeit behauptet habe, immer in XXXX , Kabul gelebt zu haben (S. 45). Vielmehr stamme seine Familie - wie aus den Akten ersichtlich – ursprünglich aus XXXX . Nachdem der BF Afghanistan habe verlassen müssen, sei seine Mutter mit den Kindern wieder nach XXXX übersiedelt, da sie aufgrund des Todes ihres Mannes mit gravierenden wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen gehabt habe und das Leben in Kabul nicht mehr leistbar gewesen sei. Die Behörde führe aus, dass der BF im Falle einer Rückkehr bei seiner Familie unterkommen könne, aber jedenfalls auch auf sich alleine gestellt in Kabul leben könne. Sie habe es offensichtlich unterlassen, den Sachverhalt ausreichend zu würdigen, weshalb den Feststellungen aufgrund ihrer Mangelhaftigkeit entschieden entgegen zu treten sei. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gehe die Behörde auch von der Befriedigung der Bedürfnisse im Falle einer Rückkehr aus, ohne auf die derzeitige Lage in Afghanistan Rücksicht zu nehmen und diese argumentativ in die Beweiswürdigung einfließen zu lassen. Auch aufgrund des jungen Alters des BF sei von einer erhöhten und speziellen Schutzbedürftigkeit auszugehen. Der Umstand, dass es sich beim BF um einen unbegleiteten Minderjährigen handle, werde im gegenständlichen Bescheid an keiner Stelle gewürdigt, was zusammen mit der Tatsache, dass der BF bereits aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan in eine Situation der unmenschlichen Behandlung kommen würde, dazu führe, dass eine Rückkehr nach Afghanistan unzweifelhaft gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

Anschließend wurde auf diverse Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen, wobei ausgeführt wurde, dass die belangte Behörde die aktuelle Situation in Afghanistan nur mangelhaft erhoben habe und somit wesentliche Verfahrensmängel vorliegen würden. Es werde daher der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

1.6.    Am XXXX langte beim Asylgerichtshof eine Beschwerdeergänzung des gesetzlichen Vertreters des BF ein, worin vorgebracht wurde, dass die Tazkira des BF von der bei der Einvernahme anwesenden iranisch-stämmigen Dolmetscherin grundlegend falsch übersetzt worden sei. Abgesehen davon, dass die Tazkira im Zuge der Einvernahme offensichtlich nicht vollständig übersetzt worden sei, seien der anwesenden Dolmetscherin dermaßen gravierende Fehler unterlaufen, dass eine objektive Übersetzung insgesamt völlig fragwürdig erscheine. Wesentliche Teile der Tazkira seien zudem in der Sprache Paschtu gehalten. Weder aus dem Bescheid noch aus der Niederschrift der Einvernahme sei ersichtlich, dass die iranisch-stämmige Dolmetscherin in der Sprache Paschtu sprachkundig sei. Da die Behörde ihre Beweiswürdigung auf eine grundsätzlich falsche und aktenwidrige Sachverhaltsdarstellung stütze, sei den bescheidmäßigen Feststellungen aufgrund ihrer groben Mangelhaftigkeit entschieden entgegen zu treten.

1.7.    Am XXXX sowie am XXXX langten beim Asylgerichtshof bzw. beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) diverse Integrationsunterlagen des BF ein (Schulbesuchsbestätigungen der Polytechnischen Schule Gratkorn, Bestätigung über die Teilnahme am hausinternen Deutschkurs auf der Niveaustufe A1, Zertifikat über die Teilnahme am Omega-Modulprogramm „Zukunftsperspektiven und Zielfindung für junge Migranten“, Bestätigung über den Besuch des ISOP-Deutschkurses auf der Niveaustufe A1 und A2.1, Einverständniserklärung der Firma Spar sowie der Firma Halal Bazar zur Erteilung eines Praktikumsplatzes inklusive Praxisprotokoll).

1.8.    Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der BF dem BVwG einen „Kurzarztbrief“ vom XXXX über das Vorliegen einer Depression und eines posttraumatischen Stresssyndroms beim BF sowie eine Therapiebestätigung des Vereines Zebra XXXX , über die Inanspruchnahme einer Psychotherapie durch den BF.

1.9.    Am XXXX langte beim BVwG eine Stellungnahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zu der für den XXXX anberaumten öffentlichen Beschwerdeverhandlung ein. Darin wurde die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt und auf zwei aktuelle Entscheidungen des BVwG hingewiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass nach der einschlägigen Judikatur des VfGH bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Rückführung eines BF nach Afghanistan insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage der jeweiligen Heimatprovinz des BF oder – wenn eine Niederlassung in der Heimatregion wegen deren praktischer Unzugänglichkeit nicht möglich sein sollte – eines anderen für eine Niederlassung in Betracht kommenden Ortes innerhalb Afghanistans sowie die persönlichen Umstände des BF (die Verfügbarkeit eines familiären bzw. sozialen Netzes miteingeschlossen) vor dem Hintergrund der Notwendigkeit des Aufbauens einer Existenzgrundlage maßgeblich seien. Afghanistan sei ein Land, in welchem Menschen landesweit in die Hauptstadt Kabul migrieren würden, um nach Jobs, Möglichkeiten und einem besseren Leben zu suchen. Es sei nicht unvermeidbar, dass der Antragssteller Familie oder Bekannte in der Hauptstadt haben könnte. Jungen, gesunden Männern sei es möglich und zumutbar, nach Kabul zurückzukehren und dort erwerbstätig zu werden, zumal Kabul von UNHCR als relativ sichere Provinz eingestuft werde. Hinsichtlich der vom BF vorgelegten Integrationsunterlagen wurde ausgeführt, dass der Besuch eines Deutschkurses oder eine Berufsausbildung allein noch kein schützenswertes Privatleben begründen würden. Dem BF habe bei Antragstellung klar sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender sei. Ebenso indiziere die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle den Umstand, dass dem Fremden die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst gewesen sei. Dazu komme, dass der Fremde gerade in diesem Stadium des ungewissen Aufenthaltes Anknüpfungspunkte gemäß Art. 8 EMRK begründet habe, weshalb er nicht schützenswert erscheine. Eine Prüfung der sonstigen Kriterien habe keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib im Bundesgebiet gebracht. Auch wenn der Fremde in Österreich die Schule besucht und abgeschlossen habe, so würden die öffentlichen Interessen an der Ausreise überwiegen, weil der Integration des Fremden angesichts des zum überwiegenden Teil unrechtmäßigen Aufenthaltes und des Fehlens der Möglichkeit, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, trotz der insgesamt langen Aufenthaltsdauer kein entscheidendes Gewicht zukomme.

1.9. Am XXXX fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der BF teilnahm. Im Rahmen der Verhandlung führte der BF aus, dass er am XXXX in der Stadt Kabul im Stadtteil XXXX geboren worden und sieben Jahre in XXXX in die Schule gegangen sei. In XXXX habe er ca. zwölf Jahre mit seinen Eltern und seinen drei Schwestern in einem Haus gelebt. Nachdem er eine Drohung der Taliban erhalten habe, sei seine Mutter der Meinung gewesen, dass sie nicht an einem Ort bleiben könnten, weshalb sie zwei Jahre lang keinen festen Wohnsitz gehabt hätten, sondern an verschiedenen Orten wohnhaft gewesen seien. Seine Mutter, seine drei Schwestern und er seien sowohl innerhalb der Stadt umgezogen, als auch außerhalb. Beispielsweise seien sie in XXXX und XXXX gewesen. Anschließend habe er sich zwei Jahre in Pakistan (in Peshawar) aufgehalten und dort bei einem Freund seines Vaters gelebt. Im Heimatland habe der BF nicht gearbeitet, da er zu jung gewesen sei. Er sei lediglich zur Schule gegangen. Nach dem Tod seines Vaters habe der BF mit seiner Familie von den Geldern gelebt, die seinem Vater geschuldet worden seien. Als er in Pakistan gewesen sei, habe seine Familie kein Geld mehr gehabt, weshalb seine Mutter begonnen habe zu arbeiten. Sie habe bei anderen Leuten Wäsche gewaschen und andere Arbeiten geleistet. Er könne sich nicht mehr erinnern, wie lange er mit seiner Familie in XXXX und XXXX gelebt habe; sie hätten an diesen Orten etwa 20 bis 30 Tage verbracht und hätten in dieser Zeit von jenem Geld gelebt, das der Vater hinterlassen habe. Er habe dort mit niemandem Probleme gehabt, da er nie das Haus verlassen habe. In der Zeit, als er in Pakistan gewesen sei, hätten seine Mutter und seine drei Schwestern im Haus seines Großvaters in XXXX gelebt, seien dort aber von seinem Onkel sehr schlecht behandelt und aus dem Haus geworfen worden. Wo sie derzeit leben, würden sie ihm nicht sagen. Im Haus des Großvaters würden sein Großvater, sein Onkel und dessen Frau leben. Das Elternhaus in XXXX sei ein Miethaus gewesen. Seine Mutter habe sich die Miete nicht mehr leisten können, weshalb sie von dort umgezogen seien. Außerhalb von Afghanistan habe er keine Familie. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan könne er nicht im Haus seines Großvaters in XXXX leben, da sein Onkel und sein Großvater ihm kein Leben in Sicherheit bieten könnten; außerdem hätten sie seine Mutter und seine Schwestern schikaniert und verjagt.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF vor, dass sein Vater im Jahr XXXX bei einer Explosion vor dem Innenministerium und der Indischen Botschaft in Kabul getötet worden sei. Es habe sich um ein Selbstmordattentat gehandelt, bei dem sein Vater nicht die Zielperson gewesen sei, sondern lediglich in dem Auto hinter dem Wagen mit dem Sprengstoff unterwegs gewesen sei. Insgesamt seien dabei mehr als 150 Personen getötet worden. Er habe einen Anruf erhalten, dass sein Vater verletzt im Krankenhaus liege. Als er dort angekommen sei, sei sein Vater bereits tot gewesen. Er habe sehr viel geweint und sei ihn Ohnmacht gefallen. Als er wieder bei Bewusstsein gewesen sei, seien ihm viele Fragen von den Journalisten gestellt worden. Er habe ihnen gesagt, dass sein Vater bei der Explosion getötet worden sei und die dafür verantwortlichen Menschen gegen den Islam und gegen Menschenrechte gehandelt hätten. Er habe auch bei den Trauerfeiern diese Sätze wiederholt. Seine Aussagen seien in den Medien veröffentlicht worden. Er sei von Fernsehsendern und Zeitungen, beispielsweise von den TV Sendern XXXX oder XXXX sowie von der Zeitung XXXX interviewt worden. Nicht nur er, sondern viele andere Angehörige seien auch interviewt worden. Nach einiger Zeit habe er einen Drohbrief erhalten. Für den Selbstmordanschlag seien die Taliban verantwortlich gewesen. Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt nach dem Tod des Vaters diese Interviews stattgefunden hätten, antwortete der BF vollkommen emotionslos, dass man ihm am Telefon nicht gesagt habe, dass sein Vater verstorben sei, sondern dass er verletzt sei. Als er ins Krankenhaus gefahren sei, habe er ihn zuerst gar nicht erkannt. Er sei bereits tot gewesen. Er sei dann bewusstlos geworden und nachdem er aufgewacht sei, sei er interviewt worden. Er könne nicht genau sagen, wann er den Drohbrief erhalten habe; er habe ihn nach mehr als 20 Tagen nach dem Tod seines Vaters erhalten, etwa ein oder eineinhalb Monate später. Seine Mutter habe den Drohbrief in der Früh im Garten entdeckt und jemandem gezeigt. Der Brief sei in Paschtu geschrieben worden. Als sie den Stempel gesehen habe, habe sie es für etwas Wichtiges gehalten. Ihr sei gesagt worden, dass es sich um eine Drohung handle. Der BF sei noch sehr jung gewesen. Seine Mutter habe den Brief bei sich aufbewahrt und habe aus Angst um den BF, diesem nicht mehr erlaubt, hinauszugehen. Sie hätte schon von ähnlichen Vorfällen gehört, wo junge Männer nach dem Erhalt solcher Briefe verschwunden seien und hätte ihn daher beschützen wollen. Der Brief sei von den Taliban gewesen und habe die Botschaft enthalten, er solle stolz darauf sein, dass sein Vater als Märtyrer gestorben sei und weshalb er den Islam und die Muslime beleidige; er solle sich den Taliban stellen. Er sei niemals von den Taliban persönlich bedroht worden. Nach Erhalt des Drohbriefes habe er sich noch zwei Jahre in Afghanistan aufgehalten; er sei mit seiner Familie von Ort zu Ort gegangen bis seine Mutter ihn nach Pakistan geschickt habe. Er habe sich nicht an die afghanischen Behörden wenden können, da er sehr jung gewesen sei und auch seine Mutter sei eine junge Frau gewesen, die nicht angehört worden sei. Es würden nur jene Leute gehört werden, die über Macht und Geld verfügen würden. Mit den Behörden in seinem Heimatland habe er keine Probleme gehabt. Seine Schwierigkeiten mit den Taliban hätten einen religiösen Hintergrund, weil die Taliban gefragt hätten, warum er den Islam und die Muslime beleidige. Auf Vorhalt, dass der Selbstmordanschlag vor der Indischen Botschaft in Kabul laut Internetrecherche im XXXX stattgefunden habe, der Drohbrief aber schon mit XXXX , sohin vor dem Anschlag, datiert sei, erklärte der BF, dass er gewusst habe, dass das Datum vom Drohbrief nicht richtig gewesen sei und dass er den Referenten vom BAA darauf hingewiesen habe. Die Menschen, die diese Briefe verfassen würden, seien Analphabeten und hätten sich vermutlich geirrt. Auf Hinweis der verhandlungsführenden Richterin, es gebe keinen diesbezüglichen Vermerk im Einvernahmeprotokoll des BAA, entgegnete der BF, er sei bei der Einvernahme nicht danach gefragt worden; aber beim Verfassen der Beschwerde hätte er es angesprochen. Auf Vorhalt, dass auch die Beschwerde keine diesbezüglichen Ausführungen enthalte, gab der BF an, er wisse nicht, warum dies nicht in der Beschwerde stehe.

Bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte der BF, getötet zu werden. Seine Mutter sei psychisch krank und ohne ihn könne sie nicht am Leben bleiben. Er denke sehr viel nach und sei sehr besorgt. Als er noch ein Kind gewesen sei und sein Vater noch am Leben gewesen sei, sei er glücklich gewesen. Aber seit sieben Jahren habe er keinen glücklichen Tag mehr erlebt. Das einzige, das ihm guttue, sei der Gedanke, dass er sich in einem sicheren Land befinde.

Er wolle zu den ihm übermittelten Länderfeststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan und zur aktuellen Sicherheitslage in Kabul keine Stellungnahme abgeben. Die Vertreterin des BF beanstandete die Länderfeststellungen nicht, sondern stimmte diesen zu.

Weiters gab der BF an, dass er ein Jahr lang in Österreich die Schule besucht habe, gerade einen B1 Deutschkurs besuche und sechs Monate einen Kurs im Heim besucht habe. Er habe österreichische Freundinnen, die für ihn Empfehlungsschreiben verfasst hätten, die er heute vorlegen wolle. Er habe keine feste Freundin bzw. Lebensgefährtin. Er sei kein Mitglied in einem Verein, spiele aber mit seinen Freunden regelmäßig Fußball bei einer Mannschaft, die in der Flüchtlingspension gegründet worden sei. In seiner Freizeit treffe er seine österreichischen Freunde, um viel Deutsch mit ihnen sprechen zu können. Zudem helfe er afghanischen Familien bei ihren Amtswegen. Er arbeite nicht. Wenn er in Österreich bleiben dürfe, wolle er als Maler arbeiten. Er habe sich für eine Lehrstelle als Maler angemeldet. In der österreichischen Gesellschaft und Kultur fühle er sich sehr wohl. Österreich sei für ihn seine zweite Heimat und er sei froh, hier sein zu dürfen. Er bitte daher um eine Chance, hier bleiben und leben zu dürfen.

Der Vertreterin des BF wurde im Rahmen der Verhandlung die Stellungnahme des BFA vom XXXX übergeben und ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Auf Antrag der Vertreterin wurde dafür eine Frist gewährt.

1.10.   Am XXXX langte beim BVwG eine diesbezügliche Stellungnahme der bevollmächtigten Vertreterin des BF ein. Darin wurde ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan Tag zu Tag verschlechtere, vor allem seit der Kündigung des Abzuges der internationalen Truppen. Experten würden sogar davon ausgehen, dass es einen langjährigen Krieg zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung geben werde. So könne es auch nicht stimmen, dass die Hauptstadt Kabul sicher sei, da täglich Anschläge auf Kabul verübt würden. Anschließend wurde auf diverse aktuelle Berichte zur Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen und ausgeführt, dass der Innenminister am XXXX offiziell verkündet habe, dass über 20 Provinzen in Afghanistan kurz vor dem kompletten Kollabieren stünden, die afghanische Sicherheitsbehörde niemanden beschützen könne und die weiteren Provinzen, die sich noch halbwegs erhalten könnten, als Folge „untergehen“ würden. Der afghanische Staatschef debattiere momentan mit den afghanischen Nachbarstaaten politisch, die afghanischen Flüchtlinge nicht nach Afghanistan abzuschieben, weil die Sicherheit der Afghanen und ein sicheres Leben in Afghanistan überhaupt nicht möglich und auch nicht zumutbar seien. Das Bundesamt solle sich „mehr mit Ermittlungen in Bezug auf die Sicherheitslage beschäftigen, bevor sie die Ausweisung für Kinder, Frauen und Männern aus Afghanistan befürworten“. In Afghanistan würden abgesehen vom Krieg zwischen Taliban und der afghanischen Regierung schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen herrschen. Ein Rückkehrer sei realen Gefahren ausgesetzt; es sei nicht auszuschließen, dass dieser Opfer eines Anschlages bzw. einer Entführung werde. Im Falle der Rückkehr des BF komme es ganz sicher zur Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK. Die Stellungnahme des BFA werde zur Gänze abgelehnt. Der BF betone, dass er aufgrund der instabilen Verhältnisse bzw. Kriegszustände in seinem Herkunftsstaat lebensbedrohenden Verfolgungen und menschenunwürdigen Behandlungen ausgesetzt sei.

1.11.   Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , GZ. XXXX , wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Außerdem wurde mit Spruchpunkt II. der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Abschließend wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

Das BVwG begründete die Gewährung von subjektivem Schutz im Wesentlichen damit, dass sich aus den Feststellungen zur persönlichen Situation des BF, dem Nichtvorliegen eines sozialen Netzwerkes vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen zu Afghanistan konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

Vor dem Hintergrund der Länderberichte müsse bezüglich der Sichreheitslage- wenn auch nicht im gesamten Staatsgebiet im gleichen Ausmaß- ausgeführt werden, dass sie auf Grund der insatbilen politsichen Situation und der weitergehenden Schutzunfähigkeit staatlicher Institutionen nach wie vor prekär und sehr fragil sein würde.

Hinzu komme, dass dem BF der Aufenthalt seiner Mutter und seiner drei Schwestern, die sich nach wie vor in Afghanistan befinden würden, nicht bekannt sei, und er kein gutes verwandtschaftliches Verhältnis zu seinem Großvater und seinem Onkel väterlicherseits habe, die sich ebenfalls im Heimatsstaat aufhalten würden. Da der BF auch in keiner anderen Provinz ein familiäres Netzwerk oder verwandtschaftliche Beziehungen habe, würde er aufgrund der Sicherheitslage in Afghanistan sowie in Ermangelung des Vorliegens einer inländischen Fluchtalternative im Falle einer Rückkehr in eine auswegslose Lebenssituation geraten. Es sei ihm insbesondere aufgrund seines Alters, seiner fehlenden Berufsausbildung und seines Gesundheitszustandes – er leide nachweislich an Depressionen und einem posttraumatischen Stresssyndrom – nicht zumutbar, sich ohne familiärer oder sonstiger sozialer Anknüpfungspunkte bzw. finanzieller Mittel in Kabul oder einer anderen größeren Stadt niederzulassen.

2.       Gegenständliches Verfahren:

2.1.    Am XXXX langte beim BFA der Antrag des Rechtsvertreters des BF ein, den subsidiären Schutz, welcher mit Erkenntnis des BVwG XXXX erteilt und bis XXXX gewährt wurde, zu verlängern sowie um Zusendung der neuen Karte.

2.2.    Dem Antrag wurde stattgegeben und mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF bis zum XXXX verlängert.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen des BF das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig zu erachten sei.

2.3.    Am XXXX erstattete die Landespolizeidirektion Vorarlberg einen Zwischen-Bericht, wonach die XXXX gegen den BF eine Anzeige wegen des Verdachtes der Geldwäsche an die Geldwäschestelle des Bundeskriminalamtes erstattet habe.

Im Zwischen-Bericht wurde zusammengefasst festgehalten, dass der BF im Zeitraum von XXXX mehrere Bareinzahlungen auf ein Konto bei der XXXX in Höhe von insgesamt EUR 28.400,- getätigt habe. Der BF begründete dies dahingehend, dass er einen Kebapstand eröffnen habe wollen und sich dafür Geld von Freunden ausgeliehen habe. Jedoch habe er sein Vorhaben sodann nicht umsetzen können, weshalb er das Geld zurückgezahlt habe. Er habe keinen Kontakt zu kriminellen oder terroristischen Vereinigungen und kenne er auch niemanden, der Kontakt mit solchen Personen habe.

Bis auf den Betrag von EUR 3.275,- habe der BF angeben können, woher das Geld stamme. Insgesamt würden EUR 12.500,- von seinen Mitbewohnern XXXX , XXXX und XXXX stammen, was diese nur hinsichtlich EUR 11.100,- mit Unterschrift bestätigt hätten. Es handle sich dabei um ihr rechtmäßig erworbenes Vermögen. Dies habe jedoch bisher nicht überprüft werden können. Weiters habe der BF angegeben, monatlich EUR 400,- an Untermiete zu erhalten, diesbezüglich habe er aber nur einen Nachweis hinsichtlich des Untermieters XXXX , der eine Untermiete von EUR 200,- bezahle, erbringen können. Von seinem Arbeitgeber XXXX habe er insgesamt einen Lohn in Höhe von EUR 6.840,- in bar erhalten, was dieser jedoch nur in einer Höhe von EUR 1.505,42 schriftlich bestätigt habe.

Aufgrund dieser Widersprüche und den vom BF behaupteten, jedoch nicht nachweisbaren Iran-Reisen, um seine Gattin zu besuchen, sowie den nachweislich begangenen Suchtgift- und sonstigen Delikten, die seine Geldgeber und andere miteinander bekannte Afghanen begangen hätten, liege der dringende Verdacht nahe, dass ein Großteil des Vermögens des BF aus unrechtmäßig erworbenem Vermögen bestehe.

Vor dem Hintergrund der genannten dringenden Verdachtsgründe regte die Landespolizeidirektion XXXX den Verfall des restlichen, auf dem Konto des BF befindlichen Geldes sowie die Anordnung einer Hausdurchsuchung beim BF sowie bei den weiteren Verdächtigen an.

2.4.    Am XXXX langte beim BFA der Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005 ein.

2.5.    Am XXXX wurde der BF vom BFA niederschriftlich einvernommen. Er legte dabei eine Teilnahmebestätigung eines Werte- und Orientierungskurses vom XXXX , die Bestätigung der Teilnahme eines Deutsch B1-Kurses von XXXX bis XXXX , Lohnzettel von XXXX bis XXXX , einen Meldezettel vom XXXX sowie einen Mietvertrag vom XXXX vor. Zu einer allfälligen Rückkehr führte der BF im Wesentlichen aus, dass er seinen Vater verloren habe und am Leben bleiben wolle. Man würde ihn hier nicht zwingen irgendwelche Sachen zu machen. Verwandte des BF würden im Iran und in Afghanistan leben. Zwei seiner Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits würden ebenso wie deren Schwiegersöhne im Iran leben. Zu ihnen würde der BF aber nur sehr geringen Kontakt haben. Die Mutter und drei Schwestern des BF würden in Kabul leben, wovon zwei seiner Schwester bereits verheiratet sein würden. Eine seiner Schwestern würde bei seiner Mutter sein. Er habe in Kabul auch drei Onkeln gehabt, welche jedoch auf Grund der Selbstmordattentate in Kabul Afghanistan verlassen hätten. Momentan würde sich auch seine Frau, welche er im Iran geheiratet habe, in Afghanistan befinden. Außer seiner Mutter würden seine Angehörigen im Iran und in Afghanistan arbeiten. Täglich würde es in Afghanistan zu Selbstmordanschlägen un Explosionen kommen. Man könne über das dortige Leiden der Menschen täglich hören.

Zu seinem Gesundheitszustand führte der BF aus, dass er sich in ärztlicher Behandlung befinden und Medikamente nehmen würde. Er hätte Kopfschmerzen bekommen, könne schwer einschlafen und dagegen entsprechende Medikamente für den Tag und die Nacht einnehmen.

2.6.    Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX wurde dem BF der mit Erkenntnis vom XXXX zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG wurde ihm die mit Erkenntnis vom XXXX erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Weiters wurde in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen. Abschließend wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF den subsidiären Schutz lediglich deshalb erhalten hätte, weil die Sicherheits-, und Versorgungslage in seiner Heimatprovinz zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG volatil gewesen sei, der BF minderjährig gewesen sei und kein familiäres oder soziales Netz gehabt habe, was sich aus dem vorliegenden Akteninhalt sowie dem Erkenntnis des BVwG ergeben würde. Zudem sei der BF zu diesem Zeitpunkt strafrechtlich unbescholten gewesen und hätte gegen ihn weder eine Anzeige vorgelegen noch seien strafrechtliche Ermittlungen gegen seine Person durchgeführt worden.

Dem BF sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten vom BVwG lediglich auf Grund seiner damaligen Minderjährigkeit und des mangelnden sozialen und familiären Netzes und auf Grudn seiner Unbescholtenheit zuerkannt worden. Der BF habe selbst glaubhaft gemacht, dass zumindest die Mutter des BF, seine Ehefrau sowie dessen drei Schwestern in Kabul leben würden. Zudem habe die Behörde Kenntnis von laufenden Ermittlungen der Polizeiinspektion XXXX wegen des Verdachts der Geldwäsche im Zeitraum von XXXX gegen den BF erlangt.

Es sei festzuhalten, dass der BF durchaus die Möglichkeit gehabt hätte in Kabul, gemeinsam mit seiner dort lebenden Kernfamilie, seiner Mutter und seiner drei Schwestern, sowie seiner Ehefrau zu leben und könnte er dort für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Im Übrigen würde auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe in Afghanistan verwiesen werden.

2.7.    Der BF erhob, vertreten durch den XXXX , am XXXX fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX . Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es zur Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG einer rechtskräftigen Verurteilung bedürfe, gegen den BF jedoch bloß eine strafrechtliche Ermittlung am Laufen ist. Falls sich das BFA auf § 9 Abs. Z 1 AsylG beziehe, verabsäume es darzulegen, worin die Änderungen im Konkreten bestehen würden. Es sei aus der Entscheidung des BVwG vom XXXX zu XXXX ersichtlich, dass keine wesentlichen Änderungen der tatsächlichen Umstände in Afghanistan eingetreten seien.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung sei festzuhalten, dass sich zwar keine Familienmitglieder des BF im Bundesgebiet befinden würden, da diese sich derzeit in Afghanistan aufhielten, jedoch habe sich der BF hierzulande ein soziales Netzwerk aufgebaut, in welchem er auch gefestigt sei. Er sei mit sechzehn Jahren nach Österreich gekommen und habe keine gefestigte kulturelle sowie traditionelle Bindung zu seinem Herkunftsland aufbauen können. Der BF habe jahrelang in der westlichen Welt gelebt, Erfahrung gesammelt und sei von ihnen geprägt worden; dies habe er u.a. mit der belangten Behörde vorgelegten Integrationsunterlagen nachgewiesen. Eine Rückkehr nach Afghanistan, selbst nach Kabul, stelle für seine Person ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Afghanische Staatsangehörige, die eine westliche Orientierung aufweisen, würden oft Opfer sozialer Ausgrenzung sowie Ziele von terroristischen Angriffen bzw. Entführungen werden. Insbesondere sei aus den Länderfeststellungen des bekämpften Bescheides sowie aus etlichen, in der Beschwerde zitierten Quellen die aktuelle Situation im Herkunftsland des BF bekannt wie auch dessen stetige Verschlechterung seit Abzug der internationalen militärischen Truppen.

Das BFA habe lediglich das persönliche Vorbringen des BF herangezogen, ohne eigene konkrete Recherchen einzuleiten. In dieser Gesamtschau ergebe sich, dass die Beurteilung der belangten Behörde einerseits mangelhaft in Bezug auf die Integration des BF und andererseits auch falsch im Hinblick auf dessen Zukunftsprognose sei. Der BF spreche immerhin gut Deutsch und sei derzeit keine finanzielle Belastung für den Staat sowie integrationsverfestigt. Diesbezüglich werde auf die in der Einvernahme am XXXX vorgelegten Integrationsunterlagen verwiesen.

Abschließend wurden in der Beschwerde die Anträge gestellt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, den Bescheid aufzuheben, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, den Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen sowie eine Karte für Geduldete auszustellen.

2.8.    Die gegenständliche Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am XXXX vom BFA vorgelegt.

2.9.    Am XXXX wurde vom Rechtsvertreter des BF mit Schreiben vom selben Tage der Bescheid vom XXXX der Bezirkshauptmannschaft XXXX vorgelegt. Demnach habe der BF am XXXX persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG eingebracht. Das bei der Bezirkshauptmannschaft anhängige Verfahren wurde gemäß § 38 AVG 1991 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt.

Außerdem wurde ein fachärztlicher Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Mag. Dr. XXXX , vom XXXX vorgelegt, demzufolge der BF depressive Symptome vorweise und an einer Anpassungsstörung, im Sinne einer längerdauernden depressiven Reaktion bei exogener Belastungssituation mit Somatisierung leide.

Auch wurden Lohnabrechnung von XXXX für die Monate XXXX und XXXX vorgelegt.

2.10.   Am XXXX wurden dem BVwG die Lohnzettel für den Monat XXXX und ein Zeugnis hinsichtlich der bestandenen Integrationsprüfung auf Sprachniveau B1 vom XXXX eingebracht.

2.11.   Mit Schriftsatz vom XXXX gab der BF eine Stellungnahme hinsichtlich der Lage in Afghanistan ab und wies darauf hin, dass sich die dortige Situation hinsichtlich der COVID-19-Pandemie sowie der regelmäßigen Terroranschläge keineswegs verbessert habe. Auch hinsichtlich der Integration des BF sei eine Abschiebung nicht zulässig, zumal dieser gut Deutsch spreche, intensive Anstrengungen unternommen habe, um sich an die österreichische Gesellschaft anzupassen und er bei einem weiteren Aufenthalt der Gebietskörperschaft nicht zur Last falle. Der BF wies auch darauf hin, dass § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG im Widerspruch zur Statusrichtlinie stehe, da nach Art. 16 der Statusrichtlinie subsidiärer Schutz nur erlösche, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung geführt hätten, dauerhaft nicht mehr bestünden oder sich in einem Maße verändert hätten, dass ein subsidiärer Schutz nicht mehr erforderlich sei.

Weiters legte er einen fachärztlichen Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Mag. Dr. Med. XXXX , vom XXXX vor, demzufolge die Diagnose vom XXXX unverändert ist und zudem seitens der depressiven Symptomatik des BF erneut eine Verschlechterung eingetreten sei. Aufgrund der nicht klaren Situation hinsichtlich des lange andauernden Asylverfahrens sei eine chronische Depression beim BF entstanden. Der BF legte weiters Lohnabrechnungen der Monate XXXX und XXXX von XXXX sowie eine Gehaltsabrechnung eines Imbiss-Kebap Stands von XXXX , das bereits vorgelegte Zeugnis zur Integrationsprüfung vom XXXX , einen Infopass für Mieter, demzufolge ausschließlich positive Bewertungen für den BF vorliegen würden, einen auf die Dauer von drei Jahren, beginnend mit XXXX , befristeten Mietvertrag, einen österreichischen Führerschein mit der Nummer XXXX sowie den Zulassungsschein eines auf den BF zugelassenen Kfz vor.

2.12.   Das BVwG führte am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durch. Die Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.

Der BF gab bei der Verhandlung im Wesentlichen an, seit der Aberkennung seines subsidiären Schutzes XXXX unter großem Stress zu stehen und deswegen Tabletten nehmen zu müssen. Er befinde sich auch in ärztlicher Behandlung. Ob es die von ihm einzunehmenden Medikamente auch in Afghanistan gebe, wisse er nicht.

Befragt zu seinen familiären Verhältnissen gab er an, dass seine Großeltern nach seiner Ausreise, und seine Mutter am XXXX in Kabul, verstorben seien. Eine seiner Schwestern habe mittlerweile einen Paschtunen geheiratet und lebe in der Provinz Paktia. Ihre Schwiegereltern würden keinen Kontakt zulassen. Die weiteren beiden Schwestern des BF würden mit ihren Ehemännern im Iran leben. Der BF habe zwei Tanten und drei Onkel väterlicherseits, die allesamt nicht mehr in Afghanistan leben würden, wobei er zu diesen seit seiner Ausreise aus dem Heimatland auch keinen Kontakt mehr habe. Er habe auch zu deren Kindern keinen Kontakt und wisse nicht, wo diese sich aufhalten würden. Der BF selbst sei XXXX in den Iran gereist, um eine Frau zu heiraten, und habe dort seine Mutter und jüngere Schwester getroffen, die ihm alles erzählt hätten. Seine Frau sei nach der Hochzeit mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester zurück nach Afghanistan gereist und sie hätten in Kabul gemeinsam gewohnt. Nachdem die Mutter verstorben sei, seien die Schwester und seine Frau XXXX wieder in den Iran gezogen, da seine Schwester ledig gewesen sei und dies in der afghanischen Gesellschaft schwierig sei.

Seine Ehefrau, die ebenfalls afghanische Staatsangehörige sei, habe er XXXX über das Internet kennengelernt und XXXX in Teheran geheiratet. Derzeit lebe sie im Iran bei seiner älteren Schwester, wobei er sie XXXX das letzte Mal besucht habe.

Zu seinem Leben in Österreich gab der BF an, derzeit bei XXXX und bei XXXX zu arbeiten. Bei XXXX wolle er Schichtführer werden, und bei XXXX habe er gelernt, Pizza zu backen. Er verdiene dadurch monatlich bis zu etwa EUR 1.900,- netto. Er habe von XXXX durchgehend gearbeitet, und dann ab XXXX wieder begonnen. Er spreche bereits Deutsch und habe die Integrationsprüfung auf Niveau B1 bestanden. Auch seiner Frau bringe er ein wenig Deutsch bei, da diese, wenn sie nach Österreich kommen wolle, die Sprache lernen müsse. Er lese zwar ab und zu etwas in den Nachrichten über Corona, das gesellschaftspolitische Leben in Österreich interessiere ihn jedoch nicht. Er verfüge im Bundesgebiet über einen Freundeskreis, dem auch österreichische Staatsbürger angehören würden. Zwei seiner besten Freunde würden Melissa und Alex heißen, deren Nachnamen merke er sich jedoch nicht. Er könne aufgrund seines Lebensstils nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren, da er in Österreich auch Diskos besuche und Alkohol konsumiere. Dadurch, dass er seit zehn Jahren nicht mehr in seinem Herkunftsstaat gewesen sei, würde man ihn als Spion bezeichnen.

Bei dem gegen ihn XXXX geführten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Geldwäsche habe es sich um ein Missverständnis gehandelt, da er ein Geschäft mieten, und die Polizei davon ausgegangen sei, dass er dafür Schwarzgeld aufwenden habe wollen. Das Verfahren sei jedoch bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Er legte diesbezüglich die Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens gemäß § 190 Z 2 StPO vom XXXX von der Staatsanwaltschaft XXXX vor.

Überdies legte der BF in der Beschwerdeverhandlung ein Empfehlungsschreiben der Regionalkoordinatorin für Integration Dr. XXXX vom XXXX vor. Diese beschrieb den BF als aktiven, strebsamen Mann der stets berufstätig, fleißig und finanziell unabhängig gewesen sei. Er habe Träume und Pläne, die er zügig umsetzen wolle, werde jedoch durch die lange Dauer des Asylverfahrens sehr belastet. Der BF komme oft mit der Bitte um Rat ins Büro und sei immer dankbar, höflich und freundlich.

2.13.   Am XXXX übermittelte der BF einen Versicherungsdatenauszug vom XXXX , demzufolge der BF ab XXXX beinahe durchgehend in Österreich beschäftigt sei.

2.14.   Am XXXX übermittelte der BF einen neuen Arbeitsvertrag sowie den bereits vorgelegten Mietvertrag. Der Dienstvertrag wurde am XXXX zwischen dem BF und der XXXX GmbH & Co OG abgeschlossen und beinhalte eine Vollzeitbeschäftigung mit einem Bruttostundenlohn von EUR 12,46, wobei die Probezeit bereits überstanden sei.

2.15.   Am XXXX übermittelte der BF einen Maschinenführerausweis sowie einen Pachtvertrag vom XXXX . Den Maschinenführerausweis zufolge habe der BF von XXXX eine Ausbildung über das Führen von Hubstaplern absolviert. Laut Pachtvertrag habe der BF gemeinsam mit Herrn XXXX ab XXXX das Gasthaus „ XXXX “ in XXXX zum Zwecke des Betriebs einer Gaststätte sowie einer Kellerbar mit Kegelbahn im Kellergeschoß gepachtet. Ohne Aufkündigung ende der Pachtvertrag am XXXX .

2.16.   Am XXXX , beim BVwG eingelangt am XXXX , stellte der BF einen Fristsetzungsantrag, der VwGH möge dem BVwG eine Frist von höchstens drei Monaten setzen, um über die gegenständliche Beschwerde zu entscheiden. Zugleich stellte er einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung dieses Fristsetzungsantrags. Im Vermögensbekenntnis gab er an, in einem Asylheim zu leben, kein eigenes Einkommen zu beziehen und Leistungen aus der Grundversorgung zu erhalten.

2.17.   Mit Beschluss des VwGH vom XXXX wurde dem BF die Verfahrenshilfe und somit die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühren nach § 24a VwGG gewährt.

2.18.   Mit verfahrensleitender Anordnung vom XXXX , eingelangt am XXXX , wurde dem BVwG die Aufforderung des VwGH zugestellt, binnen drei Monaten die Entscheidung hinsichtlich der gegenständlichen Beschwerde zu erlassen.

II.      

III.    Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

1.1.    Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volkgruppe der Tadschiken sowie der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Moslems an und gibt an, am XXXX geboren zu sein. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Kabul (Afghanistan) und wuchs im Stadtviertel XXXX in Kabul auf. Seine Muttersprache ist Dari, weiters spricht er Paschtu und Englisch. Er ging in seinem Herkunftsstaat sieben Jahre in die Grundschule, absolvierte jedoch keine Berufsausbildung und war auch nicht erwerbstätig.

Der BF hat keine Kinder und ist mit einer Frau verheiratet, die afghanische Staatsangehörige ist und im Iran lebt. Er ist arbeitsfähig und leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit. Er weist jedoch depressive Symptome und eine Anpassungsstörung, im Sinne einer längerdauernden depressiven Reaktion bei exogener Belastungssituation mit Somatisierung auf, weshalb er in ärztlicher Behandlung ist und Mirtazapin-Tabletten nimmt. Dabei handelt es sich um Antidepressiva.

Der BF lebte bis zum Tod seines Vaters, der im Jahr XXXX in Kabul bei einem Selbstmordattentat ums Leben kam, mit seinen Eltern und seinen drei Schwestern im Stadtviertel XXXX und besuchte dort die Schule. Nachdem der Vater starb, lebte die Familie von Geldern, die seinem Vater geschuldet wurden, und zog in der Provinz Kabul umher, da sie nicht an einem Ort bleiben konnte. Als der BF XXXX nach Pakistan ausreiste, zogen seine Mutter und die drei Schwestern mit dem Onkel des BF und dessen Frau in das Haus des Großvaters, wo sie jedoch nicht gut behandelt und in der Folge hinausgeworfen wurden. Mittlerweile hat der BF nur mehr eine Schwester, die in Afghanistan lebt. Seine Großeltern verstarben nach seiner Ausreise, seine Mutter am XXXX . Die zwei anderen Schwestern befinden sich zusammen mit der Ehegattin des BF im Iran. Zu der Schwester, die in Afghanistan lebt, hat der BF keinen Kontakt mehr, da diese einen Paschtunen heiratete, in die Provinz Paktia zog und ihre Schwiegereltern keinen Kontakt zulassen. Sämtliche Geschwister des Vaters leben nicht mehr in Afghanistan. Der BF hat weder zu diesen noch zu deren Kindern noch Kontakt. Er verfügt somit in seinem Herkunftsstaat über kein tragfähiges soziales Netzwerk.

Der BF bezieht im Bundesgebiet keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Das gegen ihn am XXXX wegen des Verdachts auf Geldwäsche eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde am XXXX von der Staatsanwaltschaft Feldkirch gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, da kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.

1.2.    Zum Privat- und Familienleben des BF

Der BF besuchte im Bundesgebiet bereits diverse Deutschkurse und spricht einfaches Deutsch, sodass er sich im Alltag verständigen kann. Er absolvierte am XXXX eine Integrationsprüfung die aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau B1 sowie zu Werte- und Orientierungswissen bestand. Er verfügt in Österreich über einen XXXX InfoPass für Mieter, demzufolge über ihn ausschließlich positive Einträge vorliegen. Er lebt derzeit in einer Mietwohnung in XXXX . Der BF besitzt einen österreichischen Führerschein mit der Nummer XXXX und ein auf ihn zugelassenes Kfz. Von XXXX absolvierte er eine Ausbildung über das Führen von Hubstaplern und verfügt demnach seit XXXX über einen Maschinenführerausweis.

Der BF war in Österreich seit Erteilung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung im Jahr XXXX beinahe durchgehend erwerbstätig. Er arbeitete etwa bei XXXX , einem Kebapstand und der XXXX GmbH & Co OG. Am XXXX schloss er als Pächter einen Pachtvertrag mit der XXXX GmbH über das Gasthaus „ XXXX “ zum Zweck des Betriebs einer Gaststätte sowie einer Kellerbar mit Kegelbahn im Kellergeschoß ab. Der BF absolvierte im Bundesgebiet zwar keine Schuldbildung, ist jedoch seit XXXX selbsterhaltungsfähig.

Der BF hat im Bundesgebiet keine Verwandte oder sonstige Familienangehörige. Er lernte seine derzeit im Iran lebende Ehefrau XXXX über das Internet kennen und heiratete sie XXXX im Iran. Zuletzt besuchte er sie XXXX . Nach der Hochzeit zog seine Frau gemeinsam mit seiner Mutter und der jüngsten, ledigen, Schwester nach Kabul. Als die Mutter des BF verstarb reisten seine Frau und die Schwester unverzüglich in den Iran und leben seitdem bei der ältesten Schwester in Teheran. Der BF hat in Österreich einen Freundeskreis, dem auch österreichische Staatsbürger angehören.

1.3.    Zur Zuerkennung und Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

Der BF wuchs in Afghanistan auf, lebte ab XXXX zwei Jahre in Pakistan und flüchtete dann nach Österreich, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dieser wurde mit Bescheid des BAA vom XXXX abgewiesen, woraufhin der BF am XXXX vollinhaltlich Beschwerde erhob. Das BVwG wies die Beschwerde hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Erteilung von internationalem Schutz ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte eine Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX . Begründet wurde dies zusammengefasst damit, dass es dem BF aufgrund seines Alters, seiner fehlenden Berufsausbildung und seines Gesundheitszustandes nicht zumutbar sei, sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt niederzulassen, da er in seinem Heimatsstaat weder über finanzielle Mittel noch über ausreichende familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Vor dem Hintergrund der prekären Sicherheitslage in Afghanistan sowie der dargelegten individuellen Situation des BF erscheine seine Existenzgrundlage im Herkunftsstaat gefährdet, weshalb eine Verbringung nach Afghanistan eine Verletzung von Art. 3 EMRK begründe.

Der BF stellte sodann am XXXX einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, dem das BFA mit Bescheid vom XXXX auch stattgab. Der zweite Antrag auf Verlängerung des BF vom XXXX wurde jedoch mit der vagen Begründung abgewiesen, dass mittlerweile zumindest die Mutter, die Ehefrau und die drei Schwestern des BF in Kabul leben würden und die belangte Behörde Kenntnis von laufenden Ermittlungen der Polizeiinspektion XXXX wegen des Verdachts der Geldwäsche im Zeitraum von XXXX gegen den BF erlangt habe. Dem BF wurde somit der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt.

Der BF ist seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet, bis auf einige Urlaubsaufenthalte in verschiedenen Ländern Europas sowie dem Iran, durchgehend in Österreich aufhältig.

Weder die allgemeine Lage in Afghanistan noch die persönliche Situation des BF haben sich seit Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bzw. seit der Verlängerung dieses Status wesentlich und nachhaltig verbessert.

Afghanistan ist derzeit von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen (Taliban) betroffen. Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan drastisch verschlechtert (siehe Pkt. 1.2. zur Lage in Afghanistan).

Im Falle einer Niederlassung des BF in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif oder sonst irgendwo in Afghanistan droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Es kann nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan landesweit dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt ist (siehe dazu ausführlich Pkt. 3 rechtliche Beurteilung).

Somit ist eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in seiner Herkunftsprovinz Kabul (sowie in den Städten Mazar-e Sharif und Herat), die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX bzw. seit dem Ausspruch über die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung bis XXXX mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX , nicht eingetreten. Der BF verfügt im Herkunftsstaat über keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte und könnte sohin in Afghanistan auf kein tragfähiges soziales Netzwerk zurückgreifen. Im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat würde ihm auch keine finanzielle Unterstützung durch Angehörige oder sonstige Bekannte zukommen.

Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass der BF auf Grund seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Sprachkenntnisse, der in Österreich erlangten Fähigkeiten sowie seiner beruflichen Erfahrungen durchaus passable Chancen hat, sich am Arbeitsmarkt in den afghanischen Städten zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden, steht die derzeitige prekäre Sicherheitslage einer Rückkehr des BF im Wege.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie – in Afghanistan, mit Stand XXXX , 149.000 Erkrankungen und 6.864 Todesfällen – an sich kein Rückkehrhindernis darstellt. Der BF ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

1.4.    Zur Lage im Herkunftsstaat

Zur entscheidungsrelevanten Situation im Herkunftsstaat wird vom aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Generiert am: 06.08.2021, Version 4) ausgegangen:

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan vom 11.06.2021 mit letzter Kurzinformation vom 02.08.2021 sowie Sonderkurzinformation vom 17.08.2021:

1.4.1.  Kurzinformation der Staatendokumentation

Entwicklung der Sicherheitslage in Afghanistan, Stand: 02.08.2021:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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