TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W278 2201383-1

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs1
VwGVG §35 Abs1

Spruch


W278 2201383-1/25E

Schriftliche Ausfertigung des am 25.07.2018 verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter, über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 iVm § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 29.12.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 29.12.2015 abgehaltenen Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe vor ca. acht Monaten den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst, da er in Afghanistan niemanden mehr habe.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 26.04.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 7. und 8. Fall, Abs. 2a SMG, § 15 StGB, 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Wochen bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt (Jugendstraftat).

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 02.05.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 16.04.2018, XXXX , hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VIII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides wurde mit der Maßgabe bestätigt, dass das Einreiseverbot auf die Dauer von 18 Monaten herabgesetzt wurde. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Mit Mitwirkungsbescheid des BFA vom 12.07.2018 wurde dem BF aufgetragen am 20.07.2018 einen Interviewtermin bei der afghanischen Botschaft in XXXX wahrzunehmen. Ein Zustellversuch des Bescheides an der Meldeadresse des BF durch Beamte einer Landespolizeidirektion am 12.07.2018 scheiterte. Da der BF sich an dieser Adresse tatsächlich nicht aufhielt wurde sein dortiger Wohnsitz amtlich abgemeldet.

Am 13.07.2018 erließ das BFA einen Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z. 2 BFA-VG gegen den BF, da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war. Am selben Tag wurde der BF festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft genommen. Aufgrund des Verhaltens des BF (Selbstmordankündigung, Gefahr der Selbstverletzung, Verhaltensauffälligkeit, keine Kooperation, Aggressivität, Schlagen und Treten) wurde der BF in eine besonders gesicherte Zelle verbracht und ihm ein Fixiergurt mit Handfesseln angelegt.

Am 14.07.2018 wurde der BF vor dem BFA und unter Heranziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari zur Verhängung der Schubhaft und Sicherung der Abschiebung einvernommen. Der BF gab an, er sei nicht gesund und müsse Tabletten nehmen. Er habe eine Lebensgefährtin, welche ein Kind vom BF erwarte und mit welcher er traditionell verheiratet sei. Sorgepflichten habe er keine. Er habe an einem näher bezeichneten Ort in XXXX gelebt, wohne jetzt aber bei seiner Freundin. Ihre genaue Adresse könne er nicht angeben. An seiner Meldeadresse sei er nur noch gemeldet, damit er Unterstützung von der Caritas bekomme. Er selbst sei im Besitz von EUR 21,00, werde aber von der Caritas und seiner Lebensgefährtin unterstützt. Eine Schwester des BF lebe ebenfalls in Österreich, er stehe in Kontakt zu dieser. Die genaue Adresse seiner Schwester könne er ebenfalls nicht angeben.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 14.07.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, das Asylverfahren des BF sei rechtskräftig negativ abgeschlossen und der BF nach dem SMG verurteilt worden. Er halte sich an seiner Meldeadresse nicht auf und sei nicht im Besitz eines Reisedokumentes. Der BF habe keinen sozialen Bezug zu Österreich, abgesehen von seiner Schwester und seiner Lebensgefährtin auch keine familiären Bindungen und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Haftfähigkeit sei gegeben. Die Verhängung eines gelinderen Mittels erweise sich als nicht tunlich.

Mit Schriftsatz vom 19.07.2018 erhob der BF durch seine vormalige Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Mandatsbescheid des BFA vom 14.07.2018 sowie die darauf gegründete Anhaltung. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, der BF leide an einer manischen Störung und sei psychisch erkrankt. Er habe verschiedene gesicherte Wohnmöglichkeiten. Die Behörde habe das Vorliegen von Fluchtgefahr – welche ohnedies nicht gegeben sei – im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar begründet. Der BF sei im Bundesgebiet sozial verankert, habe eine schwangere Lebensgefährtin, eine Schwester und einen Freund im Bundesgebiet. In jedem Fall sei die verhängte Schubhaft unverhältnismäßig, da die Verhängung eines gelinderen Mittels angezeigt sei. Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Beschwerdestattgabe sowie Kostenersatz.

Mit Vorlageschriftsatz vom 20.07.2018 erstattete das BFA Stellungnahme und führte dabei aus, der BF halte sich rechtswidrig im Bundesgebiet auf und es bestehe erheblicher Sicherungsbedarf. Eine gesicherte Unterkunft bestehe nicht. Der vorgelegte ärztliche Befund hinsichtlich einer psychischen Erkrankung des BF stamme aus dem Jahr 2016 und aus diesem gehe zwar regelmäßige Medikamenteneinnahme ansonsten jedoch ein allgemein normaler Gesundheitszustand hervor. Der BF habe im Rahmen der Anhaltung in eine Gemeinschaftszelle verlegt werden können, da keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Die Haftfähigkeit sei gegeben. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sei rechtzeitig gestartet worden und die zeitnahe Erlangung eines solchen jedenfalls zu erwarten. Beantragt wurden die Beschwerdeabweisung sowie Kostenersatz.

Am 25.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der BF sowie seine Lebensgefährtin, seine Schwester und ein Freund des BF als ZeugInnen befragt wurden. Im Anschluss verkündete der erkennende Richter mündlich die Entscheidung. Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision wurden der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 18.11.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W197 abgenommen und neu zugewiesen.

Mit Verfügung vom 29.06.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W186 abgenommen und in der Folge der Gerichtsabteilung W278 zugewiesen.

Der BF wurde am 25.07.2018 aus der Schubhaft entlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger, weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 26.04.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 7. und 8. Fall, Abs. 2a SMG, § 15 StGB, 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Wochen bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt (Jugendstraftat).

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 02.05.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).

Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 16.04.2018, XXXX , hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VIII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides wurde mit der Maßgabe bestätigt, dass das Einreiseverbot auf die Dauer von 18 Monaten herabgesetzt wurde. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

1.4. Mit Mitwirkungsbescheid des BFA vom 12.07.2018 wurde dem BF aufgetragen am 20.07.2018 einen Interviewtermin bei der afghanischen Botschaft in XXXX wahrzunehmen. Ein Zustellversuch des Bescheides an der Meldeadresse des BF durch Beamte einer Landespolizeidirektion am 12.07.2018 scheiterte. Da der BF sich an dieser Adresse tatsächlich nicht aufhielt wurde sein dortiger Wohnsitz amtlich abgemeldet.

1.5. Am 13.07.2018 erließ das BFA einen Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 3 Z. 2 BFA-VG gegen den BF, da er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war. Am selben Tag wurde der BF festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft genommen. Aufgrund des Verhaltens des BF (Selbstmordankündigung, Gefahr der Selbstverletzung, Verhaltensauffälligkeit, keine Kooperation, Aggressivität, Schlagen und Treten) wurde der BF in eine besonders gesicherte Zelle verbracht und ihm ein Fixiergurt mit Handfesseln angelegt.

1.6. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 14.07.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 145/2017 iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

1.7. Der BF befand sich von 14.07.2018 bis 25.07.2018 in Schubhaft.

1.8. Der Beschwerdeführer war haftfähig. Er hatte im Rahmen der Anhaltung täglich Zugang zu medizinischer Betreuung.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Der BF war an seiner Meldeadresse nicht aufhältig. Er unterließ eine Abmeldung bewusst, um soziale Unterstützungsleistungen zu erhalten. Am 12.07.2018 wurde eine amtliche Abmeldung vorgenommen. Der BF missachtete bewusst das Meldegesetz und war bis zu seiner Inschubhaftnahme für die Behörde nicht greifbar.

2.2. In seiner Einvernahme am 14.07.2018 konnte der BF keine genaue Adresse nennen, an welcher er tatsächlich wohnhaft war. Er konnte keinen Schlüssel für die Wohnung seiner Lebensgefährtin vorweisen. Er war weder im Stande die Adresse seiner Schwester noch jene seiner Lebensgefährtin zu nennen. Das BFA konnte zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme davon ausgehen, dass der BF auch weiterhin nicht greifbar sein würde.

2.3. Es bestand gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Verbindung mit einem Einreiseverbot in der Dauer von 18 Monaten.

2.4. Der BF zeigte im Rahmen der gegenständlichen Anhaltung Verhaltensauffälligkeiten, Aggressivität und drohte einen Suizidversuch an, sodass verstärkte Sicherungsmaßnahmen getroffen werden mussten. Der BF wurde am 13.07.2018 in eine besonders gesicherte Einzelzelle verlegt, ab 18.07.2018 konnte er jedoch in einer offenen Station untergebracht werden.

2.5. Er befand sich vom 21.07.20218 bis 22.07.2018 in Hungerstreik.

3. Familiäre und soziale Komponente:

3.1. Der Beschwerdeführer hatte in Österreich eine Lebensgefährtin, mit welcher er nach traditionell islamischem Ritus verheiratet war. Sie erwartete ein Kind von ihm. Die ältere Schwester des BF lebt ebenfalls in Österreich. Der BF hat zudem im Inland einen guten Freund.

3.2. Der Beschwerdeführer war nicht selbsterhaltungsfähig. Er bestritt seinen Lebensunterhalt durch soziale Unterstützungsleistungen und finanzielle Hilfe seiner Lebensgefährtin. Der BF hatte einen Bargeldbetrag von EUR 21,88 auf seinem Haftkonto.

3.3. Die Lebensgefährtin des BF war bereit und in der Lage ihn finanziell zu unterstützen.

3.4. Der Beschwerdeführer konnte bei seiner Lebensgefährtin, seiner Schwester oder dem genannten Freund Unterkunft nehmen. Es war nicht davon auszugehen, dass er sich bei einer Entlassung aus der Schubhaft dem Zugriff der Behörden weiter entziehen würde. Vielmehr war anzunehmen, dass er bei seiner Freundin, seiner Schwester oder seinem Freund Unterkunft nehmen und eine ordentliche Wohnsitzmeldung durchführen würde.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des BFA und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht genommen wurde in das Zentralen Melderegister (ZMR), in das Strafregister, die Anhaltedatei und das Zentrale Fremdenregister (IZR).

1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

Die Feststellungen in 1.1. ergeben sich aus dem IZR und den Angaben des BF vor dem BFA.

Die Feststellung in 1.2. geht aus dem Strafregister hervor.

Die Bescheide hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und des Einreiseverbotes sowie jener über die Anordnung der Schubhaft und das Erkenntnis des BVwG vom 16.04.2018 liegen dem erkennenden Gericht vor. Ebenso sind der Mitwirkungsbescheid vom 12.07.2018 und die Dokumente hinsichtlich des Zustellversuches am selben Tag (vgl. AS 25 und 89) im Akt einliegend (1.3., 1.4. und 1.6.). Der Festnahmeauftrag vom 13.07.2018 und die in 1.5. genannte Maßnahmenmeldung befinden sich ebenfalls im Akt (AS 26f und 49ff).

Die Anhaltung des BF in Schubhaft von 14.07.2018 bis 25.07.2018 (1.7.) ergibt sich aus dem ZMR.

Der BF gab im Rahmen seiner Einvernahmen am 14.07.2018 an, psychische Probleme zu haben und Tabletten zu benötigen, ansonsten aber gesund zu sein. Mit der Beschwerde wurde zudem ein Patientenbrief vom 27.12.2016 vorgelegt, aus welchem eine posttraumatische Belastungsstörung des BF hervorging. Die Haftfähigkeit des BF wurde im Rahmen der Anhaltung mehrmals überprüft und zuletzt am 24.07.2018 mit amtsärztlichem Befund und Gutachten bestätigt. Aus dem Akt ergibt sich, dass der BF im Rahmen der Anhaltung laufend medizinisch betreut wurde und Medikation erhielt. Somit war festzustellen, dass der BF haftfähig war (1.8.).

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Der BF selbst gab in der Einvernahme am 14.07.2018 vor dem BFA an, dass er lediglich immer noch an seiner Meldeadresse gemeldet sei, da er die Unterstützung durch die Caritas nicht verlieren wolle. Bei dem Zustellversuch am 13.07.2018 gab der Mitbewohner des BF zudem an, dass der BF seine gesamten Fahrnisse mitgenommen habe und er nicht wisse, wo er sich aufhalte. Zwar gab der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, immer noch Dinge in der ehemaligen Meldeadresse zu haben, jedoch ist dies in Zusammenschau mit seinen Angaben vor dem BFA und jenen des Mitbewohners nicht glaubhaft. Der BF missachtete damit bewusst das Meldegesetz und war evident nicht für die Behörden greifbar, zumal der Zustellversuch durch Beamte einer LPD am 13.07.2018 scheiterte. Die amtliche Abmeldung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen in 2.2. waren auf Basis des vorliegenden Einvernahmeprotokolls vom 14.07.2018 zu treffen. Aufgrund des Mangels an Informationen in Kombination mit der Missachtung des Meldegesetzes durch den BF kann den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, der BF habe keinen gesicherten Wohnsitz und wäre auch weiterhin nicht greifbar nicht entgegengetreten werden.

2.3. Der Bescheid vom 05.03.2018 und das Erkenntnis des BVwG vom 16.04.2018 liegen im Akt ein.

Die Feststellungen in 2.4. ergeben sich aus der Anhaltedatei und der im Akt befindlichen Meldung einer LPD vom 13.07.2018.

2.5. Diese Feststellung ergibt sich aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 24.07.2018.

3. Familiäre und soziale Komponente:

Dass der BF in Österreich eine Lebensgefährtin hatte, welche von ihm ein Kind erwartete ist seinen Angaben zu entnehmen, welche von der Einvernahme der Lebensgefährtin des BF in der mündlichen Verhandlung gestützt werden. Ebenso wurden die Schwester des BF sowie sein Freund vor dem erkennenden Gericht einvernommen (3.1.).

Dass der BF selbsterhaltungsfähig gewesen wäre, wurde nicht vorgebracht und ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt nicht, er selbst gab an, von der Unterstützung der Caritas und seiner Freundin abhängig zu sein. Der Bargeldbetrag von EUR 21,88 ist in der Anhaltedatei vermerkt (3.2.).

Die Feststellung in 3.3. basiert auf den Angaben des BF und seiner Lebensgefährtin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3.4. Die mündliche Verhandlung, bei welcher die genannten Personen einvernommen wurden ergab, dass der BF im Fall seiner Entlassung jedenfalls bei einem der ZeugInnen (Schwester, Lebensgefährtin, Freund) ein Unterkommen finden würde. Setzt man dies in Zusammenschau mit den in den im Akt befindlichen Dauerdiagnosen niedergelegten Ansicht, der Kontakt zu seinen Bezugspersonen helfe dem BF, ergibt sich insgesamt, dass der BF im Fall einer Entlassung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich bei einer dieser Bezugspersonen Unterkunft genommen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

1. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 FPG idgF Gelinderes Mittel:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

In jüngster Rechtsprechung betonte der VwGH, dass bei der Beurteilung eines – ohne vorherigem Ermittlungsverfahren ergangenen – Mandatsbescheides, Wertungen und etwaige Begründungsmängel aus der Perspektive der Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides zu betrachten seien. Der Verwaltungsgerichtshof verwies dabei darauf, dass schon mehrfach in der Judikatur des Gerichtshofes zum Ausdruck gebracht worden sei, dass unzureichend begründete Schubhaftbescheide zwar rechtswidrig und demzufolge nach Maßgabe der erhobenen Schubhaftbeschwerde für rechtswidrig zu erklären seien. Das heiße jedoch nicht, dass jeder Begründungsmangel eine solche Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides bewirke, sondern nur ein wesentlicher Mangel, also ein solcher, der zur Folge habe, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermochte (vgl. VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 10 und 13, mwN). Ob ein wesentlicher Begründungsmangel vorliege, sei stets eine Frage des Einzelfalls, daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. nochmals VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 14). Es stellt daher ein Verkennen der Rechtslage dar, wenn übersehen wird, dass ein nach § 76 Abs. 4 FPG im Mandatsverfahren erlassener Schubhaftbescheid definitionsgemäß iSd 57 Abs. 1 AVG „ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren“ ergeht. Ein Schubhaftbescheid wäre nur dann rechtswidrig, wenn es bei seiner Erlassung aus damaliger Sicht nicht rechtens war, über eine Person Schubhaft nach dem in Anspruch genommenen Tatbestand und zu dem genannten Sicherungszweck zu verhängen (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0122, Rn. 9, mwN); sei es, weil die im Schubhaftbescheid genannten Gründe die Schubhaft nicht zu tragen vermochten, sei es, weil die entscheidungswesentlichen Gründe auf ihrerseits unschlüssig begründeten oder - in für das BFA erkennbarer Weise - tatsachenwidrigen Annahmen beruhten. Ist jedoch die Wertung des BFA aus dessen Perspektive zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht zu beanstanden, so kann demnach diesbezüglich nicht von einem Begründungsmangel bzw. einer Rechtswidrigkeit des Bescheides ausgegangen werden (vgl. VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0004)

Zu I.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass das Bundesamt zu Recht von Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr ausgegangen ist.

Im angefochtenen Bescheid wird das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes auf die Erfüllung der Kriterien der Z. 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG in der genannten Fassung gestützt.

Durch die mangelnde Durchführung der Wohnsitzmeldung an seinem tatsächlichen Wohnort trotz Vorliegens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme behinderte der BF seine Abschiebung. Ziffer 1 leg cit war somit erfüllt.

Eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z. 3 leg cit) lag unstrittig vor.

Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme musste das BFA zudem – aufgrund Angaben des BF in der Einvernahme in Zusammenschau mit seiner mangelnden Auffindbarkeit an seiner Meldeadresse – von mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF ausgehen und zudem davon, dass auch die Ziffer 9 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt war. Es ist der Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund des Unvermögens des BF eine genaue Adresse seiner Lebensgefährtin oder seiner Schwester anzugeben, nicht davon ausging, der BF habe enge soziale oder familiäre Bindungen im Inland und halte sich tatsächlich an einem für die Behörden zugänglichen Ort auf. Viel mehr war – aus einer behördlichen ex-ante Sicht – davon auszugehen, der BF werde, in Freiheit belassen, versuchen ein Leben im Verborgenen zu führen.

Ein gelinderes Mittel kam ebenfalls zu Recht nicht zur Anwendung, da aus Sicht der Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung und für die Dauer der Anhaltung aufgrund des Verhaltens des BF auch nicht damit zu rechnen war, dass der BF – angesichts seiner mangelnden Vertrauenswürdigkeit in Zusammenschau mit der bisherigen Missachtung der Bestimmungen des Meldegesetzes, wodurch auch die Zustellung des Mitwirkungsbescheides scheiterte – dieses beachten würde. Das Beweisverfahren hat keine nennenswerten finanziellen Mittel des BF ergeben, sodass schon aus diesem Grund die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit nicht in Betracht gekommen wäre.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde war auch der psychische Zustand des BF kein Hindernis für die Anhaltung in Schubhaft, da, wie festgestellt, die Haftfähigkeit des BF gegeben war.

In Anbetracht seiner Vorstrafe sowie der Tatsache, dass ein Termin bei der afghanischen Botschaft unmittelbar bevorstand und damit von einer relativ kurzen Anhaltedauer auszugehen war, war die Anhaltung des BF auch als verhältnismäßig einzustufen. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine sozialen Verhältnisse im Inland waren aus Behördensicht keine derartigen sozialen Bande im Inland gegeben, die im Rahmen der behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF war haftfähig und es bestand aus einer ex-ante Sicht keine derartige soziale Verankerung des BF im Inland, die seine Interessen an einem Verbleib in Freiheit in einer Abwägung zu öffentlichen Interessen gerechtfertigt hätte.

Zu II.

Der BF befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es war daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt ergab das gerichtliche Verfahren und dabei insbesondere der persönliche Eindruck des BF und der einvernommenen ZeugInnen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass der BF im Inland ausreichend starke soziale und familiäre Bande hatte, die ihn im Fall seiner Entlassung von einem Untertauchen abhalten werden. § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG war somit aus Sicht des erkennenden Gerichts zur Zeit der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht erfüllt. Der BF hatte, wie in der Beschwerdeschrift zutreffend vorgebracht, mehrere Möglichkeiten eines gesicherten Wohnsitzes. Insbesondere im Hinblick auf seine emotionale Verfassung war es als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der BF im Fall seiner Entlassung eine ordentliche Wohnsitzmeldung bei einer seiner Bezugspersonen durchführen und sich dort für die Behörden verfügbar halten würde – was der BF auch in weiterer Folge tatsächlich tat. Diesfalls war auch von einem entfallen der Ziffer 1 leg cit auszugehen. Die verbliebene Z. 3 des § 76 Abs. 3 FPG alleine war nicht ausreichend um Sicherungsbedarf zu begründen.

Es war sohin zum Zeitpunkt der Entscheidung aus Sicht des erkennenden Gerichtes im Entscheidungszeitpunkt keine die weitere Anhaltung rechtfertigende Fluchtgefahr gegeben. Eine Prüfung der übrigen Kriterien für die Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft konnte sohin entfallen.

Es war daher festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlagen.

Zu III. und IV.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das Bundesamt stellten einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG. Da weder der BF noch das BFA vollständig obsiegten kam keiner der Parteien ein Anspruch auf Kostenersatz zu, sodass beide Anträge abzuweisen waren.

Zu Spruchteil B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

familiäre Situation Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kostenersatz öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung Schubhaft Sicherungsbedarf soziale Situation Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W278.2201383.1.00

Im RIS seit

15.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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