TE OGH 2021/9/15 15Os78/21s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann, in Gegenwart des Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen C***** L***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 8. März 2021, GZ 40 Hv 3/20d-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde C***** L***** je eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 2 zweiter Fall StGB und nach §§ 15, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB (I./) sowie der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz erster und zweiter Fall StGB (II./1./), nach §§ 15, 207a Abs 3 zweiter Satz erster Fall StGB (II./2./), nach § 207a Abs 3 erster Satz erster und zweiter Fall StGB (II./3./) sowie nach § 207a Abs 1 Z 2 fünfter Fall StGB (II./4./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er in L***** und M*****

I./ unmündige Personen dazu verleitet, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, um sich selbst geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er „nachgenannte unmündige Mädchen aufforderte, ihm ein Video von sich zu schicken, in welchem sie sich ausziehen und sich ‚fingern‘ sollten, und zwar

1./ im Zeitraum 17. Jänner 2018 bis 14. März 2018 die am ***** 2007 geborene H***** R*****, wobei sie ein Video in einer Dauer von 2:40 Minuten anfertigte und ihm per WhatsApp zusendete, auf welchem zu sehen ist, wie sie sich komplett auszieht, an ihrer nackten entwickelten Brust knetet, ihre Beine spreizt, sodass ihre Scheide zu sehen ist, an ihrer Scheide reibt und einen Finger teilweise in ihre Scheide einführt;

2./ im Zeitraum Ende Februar 2018 bis Mitte März 2018 die am ***** 2006 geborene F***** Re*****, wobei sie ein Video in der Dauer von 40 Sekunden anfertigte und ihm per WhatsApp zusendete, auf welchem zu sehen ist, wie sie sich teilweise auszieht, ihre nackte entwickelte Brust und ihren nackten Intimbereich zeigt, ohne dass sie irgendwelche Handlungen setzt, sodass die Tat beim Versuch blieb“;

II./ von Januar 2015 bis 16. Juli 2018 pornographische Darstellungen (zu 1./ und 2./) einer unmündigen minderjährigen Person bzw (zu 3./) einer mündigen minderjährigen Person (zu 1./ und 3./) sich verschafft und besessen bzw (zu 2./) zu verschaffen versucht, und (zu 4./) einer minderjährigen Person sonst zugänglich gemacht,

1./ „durch die zu I./1./ und 2./ beschriebenen Handlungen und indem er eine Vielzahl von Bildern und Videos, auf welchen nackte unmündige Mädchen in verschiedensten Positionen mit dem Fokus auf ihre nackte Scheide bzw ihren nackten Intimbereich und bei der Ausführung von sexuellen Handlungen an sich selbst oder an bzw mit erwachsenen Personen zu sehen sind, von unbekannten Quellen bezog und für eine unbestimmte Zeit lang auf seiner Festplatte abspeicherte;

2./ indem er die am ***** 2007 geborene H***** R***** und die am ***** 2006 geborene F***** R***** mehrfach aufforderte, Fotos und Videos von ihrem nackten Intimbereich zu schicken, wobei die Taten beim Versuch blieben;

3./ indem er eine Vielzahl von Bildern und Videos, auf welchen nackte mündige Mädchen in verschiedensten Positionen mit dem Fokus auf ihre nackte Scheide bzw ihren nackten Intimbereich und bei der Ausführung von sexuellen Handlungen an sich selbst oder an bzw mit erwachsenen Personen zu sehen sind, von unbekannten Quellen bezog und für eine unbestimmte Zeit lang auf seiner Festplatte abspeicherte;

4./ indem er H***** R***** und F***** Re***** ein Bild, auf welchem die Schamgegend eines mündigen minderjährigen Mädchens abgebildet ist, und ein Video, in welchem sich ein mündiges minderjähriges Mädchen einen Finger in die Vagina einführt, zu sehen ist, sowie die zu  I./1./ und I./2./ übermittelten Videos von R***** und R***** den beiden Genannten jeweils gegenseitig zuschickte“.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4]       Der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider war der Umstand, dass die Zeugin R***** in ihrer kontradiktorischen Vernehmung ihre Internetfreundin „Klara“ abwechselnd als „er“ bzw „sie“ bezeichnete (ON 32 S 11 ff), die Zeugin Re***** hingegen stets von einer „sie“ sprach (ON 31 S 7 ff), nicht gesondert erörterungsbedürftig.

[5]       Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass auf den technischen Geräten und den USB-Sticks des Angeklagten keine einschlägigen Chatverläufe unter dem Pseudonym „Klara“ gefunden wurden, bekämpft sie die Beweiswürdigung des Erstgerichts, ohne ein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können. Im Übrigen erwogen die Tatrichter in diesem Zusammenhang, dem Angeklagten sei es darum gegangen, dass keine Rückschlüsse zu seiner Person gezogen werden können, und verwiesen auf seine Aussage, die Chatverläufe mit Klara seien auf seinem alten, in der Folge im Elektromüll entsorgten Laptop erfolgt (US 12).

[6]       Auch die Verantwortung des Angeklagten, er habe auf der Plattform „Knuddels“ nur mit Mädchen ab dem 14. Lebensjahr kommuniziert, wurde berücksichtigt, von den Tatrichtern aber nicht für glaubwürdig erachtet (US 14).

[7]       Zwischen der Feststellung, R***** habe dem Angeklagten über dessen Aufforderung ein Video mit Intimszenen geschickt (US 6 vierter Absatz) und der Konstatierung, er habe sie auch danach aufgefordert, ihm Fotos und Videos ihres nackten Intimbereichs zu schicken, sie sei dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen (US 6 fünfter Absatz), besteht – der Kritik der Rüge zuwider (Z 5 dritter Fall) – kein logischer Widerspruch.

[8]       Die Feststellungen zu den von R***** zu I./1./ vorgenommenen Handlungen gründeten die Tatrichter
– logisch und empirisch mängelfrei – auf die vorliegenden Videos und Lichtbilder, wobei sie auch auf die Aussage der Zeugin in der kontradiktorischen Vernehmung eingingen (ON 32 S 20 f, 39 f), sie habe nur so getan, als habe sie einen Finger in ihre Vagina eingeführt (US 13; Z 5 zweiter Fall).

[9]       Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (zu I./; US 6 f, 8) kritisiert die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) als „Verwendung von substratlosen verba legalia“, legt aber nicht dar, weshalb es diesen Feststellungen an einem Sachverhaltsbezug mangeln sollte (RIS-Justiz RS0119090).

[10]           Gegründet haben die Tatrichter die Feststellungen zur inneren Tatseite – entgegen dem Vorbringen der Rüge (Z 5 vierter Fall) – ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und allgemeine Erfahrungssätze auf eine „lebensnahe Betrachtung des Sachverhalts“ und die teilweise (zu II./) geständige Verantwortung des Angeklagten (US 14). Dass der Angeklagte wusste, dass R***** und Re***** das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, leiteten sie aus der Aussage der Zeugin Re***** und dem Chatverlauf, insbesondere vom 17. Jänner 2018, sowie aus der Erfahrung des Angeklagten mit Onlineforen ab. Dass dieser Schluss der Beschwerde nicht überzeugend erscheint, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht dar (vgl RIS-Justiz RS0098400, RS0098471).

[11]     Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

[12]     Indem die Beschwerde bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts als „nicht überzeugend und nicht stichhältig“ kritisiert und ihr eigenständige Beweiswerterwägungen gegenüberstellt sowie neuerlich vorbringt, es seien keine Nachweise dafür gefunden worden, dass der Angeklagte unter einem Pseudonym Unterhaltungen mit „Minderjährigen“ auf einer Internetplattform geführt habe, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

[13]     Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht einen Tatbildirrtum geltend, weil der Angeklagte über das wahre Alter der Mädchen geirrt und sie für mündig gehalten habe. Sie geht dabei aber nicht – wie dies bei Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0099810) – von den Feststellungen des Erstgerichts aus, wonach der Angeklagte wusste, dass R***** und Re***** das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (US 6, 8).

[14]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

[15]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E132828

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00078.21S.0915.000

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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