TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/3 W284 2240574-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W284 2240574-7/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Wagner-Samek, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1271603705-201188663, über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX auch XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko alias Algerien, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer wurde am 26.11.2020 bei der versuchten illegalen Einreise nach Deutschland betreten, den österreichischen Behörden übergeben und in Folge in Schubhaft genommen.

2. Aus dem Stand der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 02.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Mit Bescheid vom 21.12.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde keine Frist gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.)

4. Die dagegen vom Beschwerdeführer fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.01.2021, GZ. I408 2238838-1/3E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

5. Mit Erkenntnis vom 26.03.2021, G313 2240574-1/6E sowie mit weiteren hg. Erkenntnissen vom 22.04.2021, 19.05.2021 und 14.06.2021, wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Am 14.06.2021 fand zu ZZ. G306 2240574-4/7Z eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt, in deren Verlauf der Beschwerdeführer neue Angaben über seine Identität und Staatsangehörigkeit (nunmehr Algerien und nicht Marokko) machte.

7. Der Beschwerdeführer trat vom 21.06.2021 bis 27.06.2021 in einen Hungerstreik, um seine Freilassung zu erzwingen.

8. Mit weiterem mündlich verkündeten Erkenntnis des BVwG vom 09.07.2021, wurde wiederum festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist.

9. Der Beschwerdeführer trat vom 23.07.2021 bis 27.07.2021 in einen Hungerstreik, um seine Freilassung zu erzwingen.

10. Am 01.08.2021 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag, den er mit seinen schon bisher geäußerten Fluchtgründen begründete. Zudem äußerte er, dass er in Österreich leben wolle. Mit Aktenvermerk vom selben Tag hielt das BFA, gestützt auf § 76 Abs. & FPG fest, dass die Schubhaft trotz Antragstellung auf internationalen Schutz aufrecht zu erhalten sei, weil der Beschwerdeführer keine neuerlichen Gründe anführe.

11. Das BFA legte am 02.08.2021 den Akt zwecks Ansuchen um Genehmigung der Verlängerung der Schubhaft vor und führte in diesem Kontext abgesehen vom Verfahrensgang insbesondere aus, dass das Bundeskriminalamt am 28.07.2021 mitgeteilt hat, dass der Beschwerdeführer von Interpol Rabat unter seiner im obigen Spruch genannten Identität identifiziert worden ist.

12. Zuletzt wurde – nach Einholung einer amtsärztlichen Bestätigung vom 04.08.2021, wonach der Beschwerdeführer weiter haftfähig sei – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2021, Zl. W150 2240574-6/7E, gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen und die Anhaltung verhältnismäßig sei.

13. Betreffend das gegenständliche Verfahren übermittelte die Verwaltungsbehörde zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG am 27.08.2021 die Verwaltungsakten, womit die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt.

14. Mit Befund und Gutachten vom 31.08.2021 erklärte der zuständige Amtsarzt den Beschwerdeführer für haft- und prozessfähig. Der Beschwerdeführer sei von 23.08.2021 bis 26.08.2021 für fünf Tage in den Hungerstreik getreten, dieser sei nunmehr beendet. Der Beschwerdeführer werde wegen Schlafstörung und reaktiver Depression behandelt und erhalte Medikamente. Bei der am 31.08.2021 durchgeführten Untersuchung sei der Beschwerdeführer ausgeschlafen und höflich, seine Gedanken geordnet gewesen.

15. Dem Beschwerdeführer wurde im weiteren gegenständlichen Haftüberprüfungsverfahren mittels Parteiengehör die Möglichkeit der Stellungnahme bis einschließlich 01.09.2021 gewährt und erstattete er durch seine rechtsfreundliche Vertretung folgende Stellungnahme: Der Beschwerdeführer werde seit 26.11.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten. Dem Beschwerdeführer komme betreffend seine Asylfolgeantragstellung vom 01.08.2021 der faktische Abschiebeschutz zu und sei letzterer bis dato nicht aufgehoben worden. Verwiesen werde auf Rechtsprechung des VwGH v. 17.05.2021, Ra 2021/21/0044, und seien trotz Folgeantragstellung die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG zu prüfen. Die Folgeantragstellung am 01.08.2021 habe das HRZ-Verfahren mit Marokko nicht verzögert. Es liege auch keine Unmöglichkeit der Feststellung der Identität des Beschwerdeführers vor, weil diese nunmehr durch Interpol geklärt sei. Relevant sei daher lediglich noch, dass die für die Ein- oder Durchreise erforderlichen Bewilligungen Marokkos nicht vorliegen würden und liege dies „am Verschulden der belangten Behörde“, weshalb die Haft unverhältnismäßig sei.

16. Diese Stellungnahme wurde der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, welche noch am selben Tag, dem 02.09.2021 hierzu eine Stellungnahme erstattete (wobei diese in der rechtlichen Beurteilung erläutert wird).

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

1. Festgestellt wird, dass der volljährige und haftfähige Beschwerdeführer weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates besitzt.

2. Er wurde von Interpol Rabat am 28.07.2021 als marokkanischer Staatsangehöriger „identifiziert“. Unter seiner „Identifizierung“ ist ein Treffer bei einem Abgleich seiner Daten durch Interpol Rabat zu verstehen und sagt dieser Treffer (lediglich) aus, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Marokko dort bereits einmal erkennungsdienstlich behandelt wurde. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

3. Der Beschwerdeführer gab in den dem gegenständlichen Haftüberprüfungsverfahren vorangegangenen Verfahren verschiedene Identitäten und Staatsangehörigkeiten – nämlich Marokko und Algerien – an.

4. Es besteht gegen den Beschwerdeführer seit 27.01.2021 eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

5. Der Beschwerdeführer stellte am 01.08.2021 einen Asylfolgeantrag. Eine Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes wird derzeit seitens der Behörde (noch) geprüft und ist bislang nicht erfolgt. Die Behörde hielt mittels Aktenvermerk fest, dass der Beschwerdeführer seinen Asylfolgeantrag während seiner Anhaltung in Schubhaft gestellt hat, Gründe für die Annahme vorliegen, dass er diesen zur Verzögerung der Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt hat und daher die Schubhaft aufrechterhalten wird.

6. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung, die er beansprucht – und erhält.

7. Der Beschwerdeführer weist in Österreich unter seinen beiden bekannten Identitäten keine strafgerichtlichen Verurteilungen auf.

8. Der Beschwerdeführer ist nicht gewillt, an der Beschaffung eines HRZ mitzuwirken. Er will auch nicht ins Herkunftsland zurückzukehren und machte wechselnde Angaben über seine Identität und Staatsangehörigkeit, wodurch er seine Identifizierung durch die Vertretungsbehörden erschwerte.

9. Der BF hat bislang mehrmals versucht, sich durch einen Hungerstreik aus der Schubhaft freizupressen, zuletzt trat er von 23.-26.08.2021 in Hungerstreik.

10. Aufgrund der rezenten „Identifizierung“ (im Sinne Pkt. 2. der Feststellungen) des Beschwerdeführers durch Interpol Rabat am 28.07.2021 als marokkanischer Staatsangehöriger mit der im Spruch angeführten Identität, erscheint eine baldige Erlangung eines Heimreisezertifikats (in der Folge auch: „HRZ“) realistisch. Das BFA leitete zudem am 30.07.2021 eine Urgenzliste an die marokkanische Botschaft weiter.

11. Nach Ausstellung eines HRZ ist mit einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers zu rechnen. Fest steht insbesondere auch, dass Marokko grundsätzlich HRZ-Dokumente ausstellt, die diesbezüglichen Verfahren jedoch erfahrungsgemäß etwas länger als bei anderen Ländern dauern. Eine Weigerung der marokkanischen Behörde, die Dokumente auszustellen ist aber nicht gegeben.

12. Zudem führt das BFA auch mit Algerien weiterhin ein HRZ-Verfahren, zumal der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens auch seine algerische Staatsangehörigkeit behauptete. Zuletzt urgierte die Behörde am 05.08.2021 bei der algerischen Botschaft.

13. Der BF hat in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz. Der BF hatte im Bundesgebiet – abgesehen von seiner Anhaltung in Schubhaft – noch nie einen ordentlichen Wohnsitz.

14. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Der BF hat sich illegal in Österreich aufgehalten, ohne zunächst einen Asylantrag zu stellen. Er zeigt weiterhin seine Rückkehrunwilligkeit. Zuletzt war in diesem Zusammenhang der Hungerstreik von 23.08.-26.08.2021 Ausdruck seiner Rückkehrunwilligkeit. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die beim Bundesverwaltungsgericht geführten Vorverfahren, darunter das asyl- und fremdenrechtliche Verfahren den Beschwerdeführer betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auf den Unterlagen zur Vorbereitung seiner Abschiebung unter Bezugnahme auf jene Identitätsdaten, unter denen die Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorgenommen wurde und vor allem die rezente „Identifizierung“ des Beschwerdeführers durch Interpol Rabat. Zu der „Identifizierung“ im festgestellten Umfang durfte die erläuternde Stellungnahme der Behörde vom 02.09.2021 herangezogen werden, welche darüber Aufschluss gibt, dass zum Beschwerdeführer (lediglich) ein Datentreffer erzielt wurde, wonach er in der Vergangenheit in Marokko bereits erkennungsdienstlich behandelt wurde. Die Behörde hat auch nachvollziehbar und schlüssig dazu ausgeführt, dass damit noch keine abschließende Identifizierung, welche zur Ausstellung des HRZ erforderlich ist, vorliegt. Vielmehr ist die Ausstellung dieses Ersatzreisedokumentes, des HRZ, ausschließlich Sache der ausländischen Vertretungsbehörde und hat das BFA keinerlei Einfluss darauf, in welcher Art und Weise der Austausch der Daten zwischen den Behörden Marokkos, also zwischen Interpol Rabat und der das HRZ ausstellenden marokkanischen Vertretungsbehörde stattfindet. Damit liegt bereits auf der Hand, dass, wie in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 01.09.2021 beanstandet, keine unverhältnismäßig lange Zeit bis zur HRZ-Ausstellung verstrichen ist, seit der Beschwerdeführer „identifiziert“ wurde. Vielmehr bedarf es einer gewissen Zeit, dass der Treffer zu Interpol auch zur Ausstellung eines Reisedokumentes führt, für das eben eine ausländische Vertretungsbehörde – und nicht das BFA – zuständig und somit verantwortlich ist. Aus einer verstrichenen Zeitspanne von gerade einmal wenigen Wochen (seit dem positiven Treffer durch Interpol) kann keineswegs eine unverhältnismäßig lange Dauer, welche sich auf die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft auswirkt, angenommen werden.

Vor dem Hintergrund des eben Gesagten erscheint es auch schlüssig, dass die belangte Behörde auch das mit Algerien eröffnete HRZ-Verfahren weiterhin, zuletzt am 05.08.2021, urgiert und somit in beide Richtungen der vom Beschwerdeführer genannten Staatsangehörigkeiten/Identitäten ermittelt und ein Reisedokument zu erlangen versucht.

Bezüglich der einzelnen Verfahrensschritte, d.h. wann wo urgiert wurde, wird auf die mit Vorlage des Verwaltungsaktes dargereichte Übersicht der einzelnen Verfahrensschritte verwiesen, welche die jeweils von der Behörde gesetzten Handlungen anschaulich und zeitlich chronologisch dokumentiert und zugleich die wiederkehrenden Bemühungen der Behörde zwecks Erlangung der erforderlichen Dokumente belegt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig ist ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers aufgekeimt.

Da sein Asylantrag rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen und über den Asylfolgeantrag noch nicht entschieden wurde, handelt es sich beim Beschwerdeführer weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

Dass gegen den Beschwerdeführer bereits eine rechtskräftig aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, geht aus dem hg. Erkenntnis v. 27.01.2021, GZ. I408 2238838-1/3E, hervor.

Der Zeitpunkt, seit dem der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei und ist mit 26.11.2020 unstrittig. Der Beschwerdeführer befindet sich somit knapp über neun Monate in Schubhaft.

Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Vorverfahren und der amtsärztlichen Bestätigung, zuletzt vom 31.08.2021, welche seine weitere Haftfähigkeit belegt. Daraus erhellt sich, dass der Beschwerdeführer medikamentös behandelt wird und die Behandlung auch angeschlagen hat, zumal er bei der letzten Untersuchung „geordnete Gedanken“ hatte. Ebenso geht aus Befund und Gutachten hervor, dass der Beschwerdeführer ein weiteres Mal in den Hungerstreik getreten ist, worin bereits mit Blick auf die zu prüfenden Fluchtgefahr ein massiver Hinweis darauf vorliegt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung zu fügen, sondern seine Freilassung – weiterhin – erpressen will. Dass der Beschwerdeführer daher Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft, er hat auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Dass der Beschwerdeführer nicht rückkehrwillig ist, zeigt sich daran, dass er am 19.05.2021 selbst erklärt hat, sich nach Deutschland oder Italien absetzen zu wollen, falls er freigelassen würde, weil er dort über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfüge. Am 09.07.2021 hob der Beschwerdeführer zudem hervor, er sei nicht bereit, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren, sondern wolle in Österreich bleiben.

Aus der eingeholten Strafregisterauskunft ergibt sich, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist.

Dass der BF in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister. Dass der BF in Österreich weder nennenswert sozial noch beruflich verankert ist und in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in den bisherigen Verfahren.

Die Feststellungen zum beantragten Heimreisezertifikat sowie den Vereitelungsversuchen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Offenlegung seiner wahren Identität, sowie seinen – zahlreichen - Versuchen, sich aus der Schubhaft durch Hungerstreik (s. zuletzt den amtsärztlichen Befund und Gutachten v. 31.08.2021) freizupressen, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Dass das HRZ-Verfahren in Bezug auf Marokko in Gange ist, steht aufgrund der „Identifizierung“ durch Interpol sowie der Information der marokkanischen Vertretungsbehörde darüber fest und darf aus Sicht des BFA weiterhin mit einer zeitnahen Dokumentenausstellung gerechnet werden. Miteinzubeziehen ist auch, dass HRZ-Verfahren Marokkos in Vergleich zu anderen Ländern oftmals Wochen bis Monate dauern, wie sich beispielsweis aus der am 14.06.2021 zu GZ. G306 2240574-4/7Z mit dem Beschwerdeführer durchgeführten mündlichen Verhandlung in einem vorangegangenen Haftüberprüfungsverfahren zum Beschwerdeführer, in dem seitens der Behörde die Sachlage zu Marokko bzw. den geführten Verfahren zur Ausstellung der Reisedokumente erörtert wurde, ergeben hat. Die Realisierung einer zeitnahen Abschiebung aufgrund seiner nunmehr durch Interpol Rabat erfolgten Indentifizierung ist nunmehr jedoch umso wahrscheinlicher geworden. Soweit die am 01.09.2021 erstattete Stellungnahme des Beschwerdeführers im Wesentlichen moniert, dass nicht verständlich sei, weshalb nunmehr, da der Beschwerdeführer identifiziert wurde, immer noch kein HRZ ausgestellt worden sei, wird verkannt, dass es in erster Linie am Beschwerdeführer gelegen hätte, seine Identität von Beginn an, offenzulegen. Dem ist er nicht nachgekommen, vielmehr hat er im Laufe des Verfahrens eine andere, algerische, Identität erfunden und dadurch sein Verfahren mutwillig verzögert. Dass er etwa seine „neue“ Identität in einem der Vorverfahren erst im Anschluss an eine mündliche Verhandlung – in welcher er ausreichend Gelegenheit gehabt hat, sich zu seinen biographischen Daten zu erklären – umändert, zeigt die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Handelns anschaulich auf und darf es nicht dem BFA angelastet werden, dass sich die marokkanischen Behörden noch mit der Ausstellung eines HRZ befassen müssen. Das BFA darf jedoch aufgrund der (erst) seit Ende Juli 2021 festgestellten Identität durch Interpol zu Recht davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer in Kürze ein Reisedokument ausgestellt werden wird. Dabei darf der zeitliche Horizont betreffend die tatsächliche Ausstellung des HRZ auch nicht überspannt werden, zumal es naturgemäß Zeit kostet, bis ein positiver Datensatz (von Interpol Rabat) bei der marokkanischen Behörde in eine Dokumentenausstellung mündet. Das BFA hat jedenfalls in regelmäßigen Abständen die HRZ Ausstellung für den Beschwerdeführer urgiert, wie sich aus der am 27.08.2021 vorgelegten Dokumentation der einzelnen Verfahrensschritte klar ergeben hat. Es darf auch nicht verkannt werden, dass der Beschwerdeführer gerade einmal am 28.07.2021 von Interpol identifiziert wurde und – danach – sogar noch einen weiteren Asylfolgeantrag stellte. Die Behörde ist auch am 30.07.2021 mittels Urgenz ein weiteres Mal tätig geworden. Dass der Beschwerdeführer die Behörden einerseits monatelang hinhält und wissentlich falsche Identitäten angibt, andererseits der Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes, welches ja nur deswegen erforderlich ist, weil der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegt, von der Behörde binnen kürzester Zeit bewerkstelligt werden soll, obwohl diese auch darauf angewiesen ist, dass die ausländischen Vertretungsbehörden aktiv werden und das BFA darauf bloß bedingt Einfluss nehmen kann, steht miteinander in eklatantem Spannungsverhältnis.

Eine für den Beschwerdeführer positive Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, hingegen hat er durch einen weiteren Hungerstreik versucht, seine Entlassung aus der Schubhaft zu erzwingen, wie amtsärztlich dokumentiert wurde.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) – Fortsetzungsausspruch:

Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.       es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,

1.       in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.       sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

2.       eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (FPG)

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,

1.       drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.       sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,

1.       die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.       eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.       der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.       die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Die Rückführungsrichtlinie lautet auszugsweise:

„Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

[…]

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:

a.       mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,

b.       Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.“

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

In seinem Erkenntnis zur Zahl Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 hielt der VwGH fest, dass die Frage der rechtzeitigen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates bei länger andauernden Schubhaften, die gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG überprüft werden, für die weitere Verhältnismäßigkeit der Anhaltung (typischerweise) entscheidend ist. Dabei ist insbesondere relevant, ob die Bemühungen der Behörde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sind. Bei der Ermittlung des gefordertes Grades dieser Wahrscheinlichkeit können auch die bisherige Anhaltedauer und die Schwere der Gründe für ihre Verhängung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen. Bisherige Erfahrungswerte mit der jeweiligen Vertretungsbehörde können – sofern diese nachvollziehbar festgestellt und nicht bloß behauptet würden – wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung bieten (vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174 vom 22.12.2020, mwN).

Zum konkret vorliegenden Fall:

Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Im Fall des Beschwerdeführers liegt seit 27.02.2021 eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Da der Beschwerdeführer jedoch aus dem Stande der Schubhaft am 01.08.2021 einen Asylfolgeantrag stellte, machte das BFA von der gemäß § 76 Abs. 6 FPG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Schubhaft weiter aufrechtzuerhalten. Es trifft zwar zu, dass der dem Beschwerdeführer zukommende faktische Abschiebeschutz bislang nicht aufgehoben wurde (und daher § 76 Abs. 3 Z 3 nicht erfüllt ist). Dennoch liegt im Fall des Beschwerdeführers weiterhin Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG vor. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist in ausgeprägtem Maße unkooperativ. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten und Staatsangehörigkeiten (Marokko und Algerien) angegeben, um seine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer verhält sich auch während seiner Anhaltung in Schubhaft nicht kooperativ und trat zuletzt ein weiteres Mal für fünf Tage in den Hungerstreik um sich aus der Schubhaft freizupressen. Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose ergeben daher bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Der BF steht im PAZ in psychiatrischer Behandlung und ist delikts- verhandlungs- und haftfähig.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt umgehend eine Abschiebung des Beschwerdeführers. Die Ausstellung des Heimweisezertifikats scheint derzeit als sehr wahrscheinlich, da der Beschwerdeführer von Interpol Rabat vor kurzem einen Treffer ergab. Das BFA hat kurz darauf die Ausstellung eines HRZ-Dokumentes für ihn bei der marokkanischen Vertretungsbehörde urgiert und sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer dieses Dokument nicht ausgestellt werden sollte, zumal die marokkanischen Vertretungsbehörden grundsätzlich gewillt sind, HRZ auszustellen und zum Beschwerdeführer seit Ende Juli erstmals ein Treffer vorliegt. Wie bereits beweiswürdigend umfassend erläutert, kann es nicht der Behörde umgehängt werden, dass es einer gewissen Vorlauf- und Organisationszeit bedarf, bis der durch Interpol erzielte Datensatz auch tatsächlich in eine Ausstellung des Reisedokumentes bei der marokkanischen Vertretungsbehörde mündet. Ein, wie mit Stellungnahme vom 01.09.2021 unzutreffend dargetan, Verschulden des BFA kann dabei keineswegs erkannt werden, ist es doch in diesen Verfahrensablauf, der Sache des Drittstaates (in diesem Fall: Marokko) ist, noch nicht einmal eingebunden. Vielmehr hat die Behörde nach Vorliegen des Treffers zum Beschwerdeführer sogar ein weiteres Mal, nämlich am 30.07.2021, die Dokumentenausstellung bei der Vertretungsbehörde urgiert. Die bisherige Anhaltedauer seit dem 26.11.2020 ist dem Beschwerdeführer selbst zuzurechnen, da er bewusst falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und keine Identitätsdokumente vorlegt hat. Hätte es nicht von November 2020 bis nunmehr Ende Juli 2021 bedurft, den Beschwerdeführer überhaupt datenmäßig zu erfassen, hätten die Bemühungen zur Ausstellung des HRZ entsprechend früher Platz greifen können.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen ist. Das Bundesamt hat regelmäßig das Verfahren zur Erlangung eines HRZ durch Urgenzen bei der marokkanischen Vertretungsbehörde zu beschleunigen versucht. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer die Verfahren zur Erlangung eines HRZ aufgrund seiner mangelnden Kooperationsbereitschaft mit der Behörde und seinen falschen, divergierenden Angaben - verschuldet - in die Länge gezogen. Dass HRZ Verfahren, noch dazu mit zwei Ländern geführt werden müssen, ist ausschließlich der Sphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen. Das BFA hat hingegen die notwendigen Schritte für die Führung der HRZ Verfahren ohne unnötige Verzögerungen gesetzt und unmittelbar nach Behauptung einer zweiten, algerischen Identität durch den Beschwerdeführer auch ein HRZ Verfahren mit Algerien eingeleitet, welches die Behörde ebenfalls weiter urgiert und somit in alle Richtungen Schritte übernimmt, ein HRZ für den Beschwerdeführer zu erlangen. Insbesondere ist auch mit Blick auf die oben zitierten Judikatur des VwGH, Ra 2020/21/0070, zu betonen, dass die Behörde bereits klargestellt hat, dass es für die Zusammenarbeit mit den marokkansichen Behörden typisch ist, dass die HRZ-Verfahren etwas länger, teilweise einige Monate dauern können, bis ein HRZ ausgestellt wird. Jedenfalls aber verweigern die marokkanischen Behörden die Ausstellung der Dokumente nicht und darf daher weiterhin davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung zeitnah erfolgen wird. Hätte der Beschwerdeführer seine Identität zu einem früheren Zeitpunkt offengelegt und nicht im Laufe des Verfahrens geändert (dies noch dazu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und sohin in besonders anschaulicher Weise rechtsmissbräuchlich), wäre auch sein HRZ-Verfahren entsprechend weiter fortgeschritten. Ein Versäumnis des BFA kann hierbei, urgiert es doch regelmäßig und noch dazu bei zwei Ländern, keineswegs erkannt werden.

Wenn nunmehr mit der Stellungnahme vom 02.09.2021 dargetan wird, dass eine Verzögerung im HRZ-Verfahren nicht auf der Feststellung der Identität beruhen dürfte, weil diese ja – nunmehr – geklärt und folglich nur noch relevant sei, dass die erforderliche Ein- oder Durchreisebewilligung Marokkos nicht vorliege, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Betrachtung zu kurz greift: Es muss sich vielmehr der Beschwerdeführer anlasten lassen, dass seine Identität - erst – am 28.07.2021 festgestellt werden konnte und hat die Behörde seither (am 30.07.2021) bereits die Ausstellung des Dokumentes für den unter „high priority“ gehandelten Beschwerdeführer urgiert. Da die Identität des Beschwerdeführers somit bis vor kurzem nicht festgestellt werden konnte und daher auch das erforderliche Heimreisezertifikat noch nicht vorliegt, aber aus heutiger Sicht zeitnah erwartet werden darf, liegen die Voraussetzungen des § 80 Abs 4 Z 1 und Z 2 FPG vor, sodass die höchstmögliche Schubhaftdauer eben 18 Monate beträgt. Der Beschwerdeführer wird dagegen seit etwas mehr als neun Monaten angehalten und ist daher jedenfalls damit zu rechnen, dass seine Abschiebung noch innerhalb der höchstzulässigen Dauer von 18 Monaten erfolgen können wird. Sobald ein Heimreisezertifikat vorliegt kann zeitnah eine Abschiebung des Beschwerdeführers erfolgen.

Entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme vom 01.09.2021 war nämlich bis zu seiner Identifizierung am 28.07.2021 (auch) der Tatbestand des § 80 Abs. 4 Z 1 erfüllt, weil die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, zuvor aus seinem Verschulden nicht möglich und somit kausal für die zeitlichen Verzögerungen war. Erst mit - abschließend erfolgter - Identifizierung wird § 80 Abs. 4 Z 2 schlagend, wonach es an einer für die Ein- oder Durchreise erforderlichen Bewilligung, wie es das Heimreisezertifikat zweifelsohne darstellt, fehlt. Dass das BFA darauf keinen Einfluss hat, weil nunmehr Interpol Rabat im Zusammenwirken mit der marokkanischen Vertretungsbehörde am Zug ist, hat sich im Verfahren klar ergeben und sind (wenn überhaupt) Verzögerungen in der Sphäre des Drittstaates Marokko und keineswegs beim BFA zu orten (vgl. hierzu VwGH vom 17.05.2021, Ra 2021/21/0044). Es darf jedoch erneut darauf hingewiesen werden, dass diese „Verzögerungen“, welche der Koordination und Absprache zwischen den marokkanischen Behörden geschuldet sind, zum heutigen Entscheidungszeitpunkt keineswegs zu der Prognose führen, dass eine Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer von 18 Monaten nicht wahrscheinlich wäre, zumal sich der Beschwerdeführer gerade einmal die Hälfte der Zeit in Schubhaft befindet. Daher ist das Erfordernis der angemessenen Bemühungen des Bundesamts im HRZ Verfahren erfüllt. Die nachgewiesenen Bemühungen des Bundesamts wurden entsprechend dokumentiert. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten ist die Aufrechterhaltung der seit 26.11.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft derzeit auch weiterhin verhältnismäßig.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens, dass er auch im Zuge der Schubhaft fortsetzt, nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen (in diesem Punkt ist der Stellungnahme des Beschwerdeführers mit Blick auf VwGH v. 17.05.2021, Ra 2021/21/0044, wonach zwecks Aufrechterhaltung der Schubhaft die Gründe für die Verlängerung der Schubhaft nach § 80 Abs. 4 FPG und Fluchtgefahr kumulativ vorliegen müssen, beizupflichten).

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat. Es war lediglich die Rechtsfrage zu erörtern.

Zu Spruchteil B) – Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.Fallgegenständlich konnte auf höchstgerichtliche Judikatur zurückgegriffen werden, insbesondere VwGH v. 17.05.2021, Ra 2021/21/0044. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität illegale Einreise Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W284.2240574.7.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten