TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/15 W282 2242340-5

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Veröffentlicht am 15.09.2021
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Entscheidungsdatum

15.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2242340-5/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.06.2011 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX 2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.05.2012 wurde die Beschwerde gegen den vorgenannten Bescheid als unbegründet abgewiesen. Der BF kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb in Österreich.

2. Der Antrag des BF vom 21.02.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, vom 19.03.2014 abgewiesen; die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13.11.2014 als unbegründet abgewiesen. Der BF verblieb weiterhin im Bundesgebiet.

3. Der BF wurde am 15.12.2016 auf Grund eines Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) festgenommen und vom Bundesamt gegen ihn am selben Tag die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung verhängt. Am 16.12.2016 wurde dem BF nachweislich mitgeteilt, dass seine Abschiebung am 18.12.2016 um 22:45 Uhr geplant sei. Am 18.12.2016, dem Tag der geplanten Abschiebung, stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Mandatsbescheid vom selben Tag stellte das Bundesamt gemäß § 12a Abs. 4 AsylG fest, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG nicht erfüllt seien und der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt werde.

Die Abschiebung des BF am 18.12.2016 musste abgebrochen werden, da der BF sich weigerte, im Flugzeug einen Sitzplatz einzunehmen. Mehrmaligen Aufforderungen, sich kooperativ zu verhalten, kam der BF nicht nach; er wurde in ein polizeiliches Anhaltezentrum rücküberstellt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2017 wurde der Folgentrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Es wurde eine neuerliche Abschiebung des BF organisiert und der BF am 20.01.2017 nach Indien abgeschoben. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2017 als unbegründet abgewiesen.

4. Am 28.03.2019 wurde der BF im Zuge einer Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn A2 in Kärnten angehalten. Er gab an, sich seit zwei bis drei Monaten in Italien aufgehalten zu haben und über Bologna nach Österreich gereist zu sein. Der BF wurde festgenommen und über ihn am 29.03.2019 die Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß Dublin-III-VO verhängt. Der BF stellte am 29.03.2019 im Stande der Schubhaft einen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt leitete am 02.04.2019 ein Konsultationsverfahren gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO mit Italien ein. Am 09.04.2019 langte beim Bundesamt ein Ablehnungsschreiben der italienischen Behörden ein. Der BF wurde am 11.04.2019 vom Bundesamt zu seinem dritten Asylantrag niederschriftlich einvernommen. Am 12.04.2019 wurde er aus der Schubhaft entlassen.

Der dritte Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem BF nicht gewährt. Die Rückkehrentscheidung wurde mit einem auf die Dauer von drei Jahren befristeten Einreiseverbot verbunden. Da der BF der Behörde keine Adresse bekannt gegeben hatte und nicht polizeilich gemeldet war, wurde der Bescheid vom XXXX 2019 durch Hinterlegung im Akt zugestellt. Er erwuchs am XXXX 2019 in Rechtskraft.

5. Am 24.06.2019 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag gegen den BF. Der BF wurde am 25.02.2021 – wiederum im Zuge einer Verkehrskontrolle – in Wien angehalten, einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen und auf Grund des Festnahmeauftrages vom 24.06.2019 festgenommen und in ein polizeiliches Anhaltezentrum überstellt. Er wurde XXXX 2021 von einem Organ des Bundesamtes zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Mit Mandatsbescheid vom XXXX 2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF wird seit diesem Zeitpunkt in Schubhaft angehalten. Am 09.03.2021 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen vierten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom selben Tag, dem BF auch am selben Tag zugestellt, wurde die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht gehalten.

Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundeamtes vom XXXX 2021 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes als rechtmäßig bestätigt.

6. Mit Schriftsatz vom 11.05.2021 erhob der BF, damals vertreten durch die BBU GmbH, Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX 2021 und gegen die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX 2021. Am 17.05.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zur Schubhaftbeschwerde durch. Mit am 17.05.2021 mündlich verkündetem und am 01.06.2021 gekürzt ausgefertigtem Erkenntnis, Zl. W 117 2242340-1, wurde die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 2 iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 2, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen. Zudem stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 2 iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 2, Z 3 und Z 9 FPG fest, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

7. Am 21.05.2021 – und zuvor bereits am 26.03.2021 und 23.04.2021 – erfolgte seitens des Bundesamtes die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs. 6 FPG.

8. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2021 erstmals den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der fortgesetzten Anhaltung des BF in Schubhaft ab dem vierten Monat der Anhaltung vor und erstatte eine Stellungnahme, in der die Behörde – nach Schilderung des bisherigen Verfahrens – ausführte, warum aus ihrer Sicht weiterhin Sicherungsbedarf gegeben sei. Ferner wurde vorgetragen, dass zwischenzeitlich eine Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für den BF seitens der indischen Botschaft vorliege; am 16.06.2021 habe die Botschaft der Ausstellung eines HRZ für den BF zugestimmt. Es sei am selben Tag der zuständigen Abteilung des Bundesamtes eine Buchungsanfrage für eine Einzelrückführung des BF nach Indien übermittelt worden. Es werde derzeit auf die Flugbuchung gewartet. Sobald der Termin feststehe, werde von der indischen Botschaft ein HRZ ausgestellt und werde der BF nach Indien in einer Einzelrückführung abgeschoben werden.

9. Mit Erkenntnissen vom 25.06.2021, Zl. W180 2242340-2, vom 23.07.2021 Zl. W 180 2242340-3 sowie vom 19.08.2021, Zl. W 140 2242340-4 wurde vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

10. Die Abschiebung des BF auf dem Luftweg konnte für den 16.08.2021 organisiert werden, nachdem die indische Botschaft am 16.6.2021 die Zusage zur Ausstellung eines HRZ erteilte. Am Tag vor der Abschiebung verweigerte der BF den verpflichtenden PCR-Test auf COVID-19 um seine Abschiebung zu vereiteln. Die Abschiebung musste daraufhin abgesagt werden. Eine weitere Abschiebung, die für 26.08.2021 organisiert wurde, vereitelte der BF auf die gleiche Weise, erneut verweigerte er den PCR-Test.

11. Am 10.09.2021 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht erneut Teile des Verwaltungsaktes gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der fortgesetzten Anhaltung des BF in Schubhaft vor und erstattete eine Stellungnahme. Das Bundesamt brachte vor, es werde hinsichtlich der Verweigerung der Tests mit dem BF das Gespräch durch erfahrende Beamte vor der Abschiebung gesucht, um damit er seine Verweigerungshaltung aufgibt.

12. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde sowohl dem BF als auch seiner Vertretung zur Stellungnahme übermittelt. Bis zum Ergehen dieses Erkenntnisses langte bei Gericht keine Stellungnahme des BF oder seiner Rechtsvertretung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF und zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Schubhaft:

Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Indiens. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Seine Identität steht fest. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Die BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Der BF erhält Colidol Tabletten (Schmerzmittel). Der BF wird in Haft im Hinblick auf einen Missbrauch von Colidol Tabletten therapiert.

Der BF wird seit XXXX 2021 in Schubhaft angehalten.

Der BF stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 27.06.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX 2011 und letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.05.2012 abgewiesen und der BF aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen wurde. Ein im Stande einer früheren Schubhaft am 18.12.2016 – am Tag einer geplanten Abschiebung – gestellter Folgeantrag wurde mit Bescheid vom XXXX 2017 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2017 abgewiesen. Der BF wurde am 20.01.2017 nach Indien abgeschoben. Er reiste im Jahr 2019 von Italien kommend wieder illegal in das Bundesgebiet ein. Im Stande einer Schubhaft zur Sicherung eines Überstellungsverfahrens nach Dublin-III-VO stellte der BF am 29.03.2019 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz, dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf drei Jahre befristeten Einreisverbot erlassen. Dieser Bescheid erwuchs am XXXX 2019 in Rechtskraft.

Seit XXXX 2019 besteht gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung.

Der BF stellte am 09.03.2021 im Stande der Schubhaft einen vierten Antrag auf internationalen Schutz. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundeamtes vom XXXX 2021 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Mit Beschluss vom 21.05.2021 erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig.

1.2. Zur Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Der BF hat am 18.12.2016 eine geplante Abschiebung nach Indien vereitelt, indem er sich weigerte, im Flugzeug einen Sitzplatz einzunehmen und mehrfachen Aufforderungen, sich kooperativ zu verhalten, nicht nachkam. Der BF hatte dem Bundesamt im Verfahren betreffend seinen dritten Asylantrag für den Zeitraum ab 12.04.2019 keine Adresse bekannt gegeben, war nicht polizeilich gemeldet und für die Behörde nicht greifbar; er war somit untergetaucht. Der Bescheid vom XXXX 2019 wurde dem BF durch Hinterlegung im Akt zugestellt.

Der BF reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2019 nach Italien aus; er umging bzw. behinderte damit seine Rückkehr oder Abschiebung. Der BF kehrte nach eigenen Angaben von Italien wieder nach Österreich zurück, obwohl gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot bestand.

Der BF stellte drei objektiv unbegründete Folgeanträge auf internationalen Schutz, nämlich am 18.12.2016, am 29.03.2019 und zuletzt am 09.03.2021. In allen Fällen bestanden zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragsstellung gegen den BF durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen und er befand sich jeweils in Schubhaft. Der BF tat dies in der Absicht seine Abschiebung zu verzögern bzw. zu vereiteln. Der faktische Abschiebeschutz im letzten der drei Folgeantragsverfahren (Antrag vom 09.03.2021) wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX 2021 aufgehoben, bestätigt mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021.

Der BF war vom 25.03.2021 bis 02.04.2021 im Hungerstreik, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Es folgten Hungerstreiks am 12.05., 25.05. und 06.06.2021, die jeweils aber nach kurzer Zeit bzw. wenigen Stunden wieder eingestellt wurden. Vom 12.07.2021 bis 13.07.2021 war der BF erneut in Hungerstreik.

Der BF ist nicht kooperativ und in keiner Weise vertrauenswürdig.

Der BF wurde am 28.03.2021 im Zuge einer Fahrzeugkontrolle bei einer illegalen Beschäftigung betreten. Er gestand ein, für einen Paketdienst illegal zu arbeiten.

Für den BF liegt eine HRZ-Zusage der indischen Botschaft vor und wurde bereits für den 16.08.2021 eine unbegleitete Flugabschiebung nach Delhi vom Bundesamt organisiert. Am Tag vor der Abschiebung verweigerte der BF den für Flugreisen verpflichtenden PCR-Test auf COVID-19 um seine Abschiebung zu vereiteln. Die Abschiebung musste daraufhin abgesagt werden. Die Flugbuchung zur Abschiebung wurde auf den 26.08.2021 verschoben, der BF vereitelte diese Abschiebung jedoch auf die gleiche Weise, durch erneute Verweigerung des PCR-Tests.

1.3. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente:

Der BF ging in Österreich vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich und ist auch auf sonstige Weisen nicht maßgeblich sozial verankert. Der BF verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel. Der BF hatte vor Verhängung der Schubhaft eine Unterkunft, an der er aber nicht gemeldet und somit nicht greifbar war.

Eine relevante Änderung der Umstände seit der letzten Feststellung des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt, Zl. W117 2242340-1, betreffend die Schubhaftbeschwerde vom 11.05.2021, insbesondere in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2021 und das mündlich verkündete Erkenntnis, den Gerichtsakten zur vorangegangenen Schubhaftüberprüfung, Zl. W180 2242340-2, W180 2242340-3 und W 146 2242340-4 sowie in den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021, Zl. W169 2142772-2, betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes. Einsicht genommen wurde ferner in das Zentrale Melderegister, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1 Zur Person des BF und zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Schubhaft:

Da von der indischen Botschaft für den BF bereits vor seiner Abschiebung im Jahr 2017 ein HRZ ausgestellt worden war und nunmehr neuerlich der Ausstellung eines HRZ zugestimmt wurde, konnte die indische Staatsangehörigkeit des BF festgestellt werden. Hinweise, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Der BF verfügt zwar über keine identitätsbezeugenden Dokumente aus seinem Herkunftsland, dennoch ist in Hinblick auf die HRZ-Ausstellung bzw. Zustimmung zur HRZ-Ausstellung von einer feststehenden Identität auszugehen.

Die Feststellung zur Haftfähigkeit des BF stützt sich auf ein aktuelles amtsärztliches Gutachten vom 19.08.2021 (OZ 8 im Verfahren W 146 2242340-4). Darin wird ausgeführt, dass laut Psychiater beim BF keine psychischen Erkrankungen bestehen, es lägen lediglich Schlafstörungen und ein Zustand nach Codidol-Missbrauch vor. Die Haftfähigkeit des BF wurde bestätigt. Der BF selbst gab sowohl in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021 als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.05.2021 an, dass es ihm gesundheitlich gut gehe. Dass der BF Zugang zu medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit XXXX 2021 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Die Feststellungen zu den Asylverfahren des BF stützen sich auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021 betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im vierten Asylverfahren und den Verwaltungsakt. Dem BF wurde der bisherige Verfahrensgang in der Einvernahme am XXXX 2021 vorgehalten und er bestätigte diesen als zutreffend. Die Beschwerde vom 11.05.2021 trat dem auch nicht entgegen.

Die Feststellung, dass eine Zustimmung der indischen Botschaft zur Ausstellung eines HRZ seit dem 16.06.2021 vorliegt, stützt sich auf das entsprechende Vorbringen des Bundesamtes in den Stellungnahmen zu den Schubhaftüberprüfungen und auf den Verwaltungsakt. Dass für den BF bereits ein HRZ für die geplante Abschiebung am 16.08.2021 ausgestellt wurde, ergibt sich aus der Stellungnahem des Bundeamtes sowie sich hieraus auch die Verweigerung des PCR-Tests vor den Abschiebungen am 16.08.2021 und 26.08.2021 ergibt. Durch die Verweigerung dieses Tests setzt der BF jeweils aus Eigenem Hindernisgründe für seine Abschiebung, die er selbst zu vertreten hat und durch die er letztlich seine Anhaltung selbst verlängert. Eine Abschiebung des BF nach Indien in Form eine Einzelabschiebung im ist daher aus derzeitiger Sicht realistisch zu erwarten, zumal versucht wird durch erfahrene Eskortbeamte das Gespräch mit dem BF zu suchen, damit dieser seine Verweigerungshaltung aufgibt.

2.2 Zu Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Die Feststellung zur Vereitelung der Abschiebung am 18.12.2016 ist dem Verfahrensgang bzw. Feststellungen des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021 betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes entnommen. Die Vereitelung wurde dem BF sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021 als auch in der mündlichen Verhandlung am 17.05.2021 vorgehalten, vom BF aber nicht bestritten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte der BF, dass er das gemacht habe, um nicht abgeschoben zu werden.

Die Feststellung, dass der BF ab 12.04.2019 unbekannten Aufenthalts und für die Behörde nicht greifbar war, stützt sich auf den diesbezüglichen Vorhalt des Bundeamtes in der Einvernahme am XXXX 2021, dem der BF nicht entgegengetreten ist, und eine Einsicht in das Zentrale Melderegister. Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF ab 12.04.2019 zunächst über keine, und ab 14.05.2021 über eine Obdachlosenmeldung verfügte. Dass der Bescheid dem BF durch Hinterlegung im Akt zugestellt wurde, ist dem Vorhalt in der Einvernahme am XXXX 2021 und dem Schubhaftbescheid entnommen.

Der BF gab sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021 als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, im Jahr 2019 wieder nach Italien gefahren zu sein. Der genaue Zeitpunkt blieb unklar und konnte nicht festgestellt werden. In der Einvernahme vor dem Bundesamt sagte er aus, er sei nur ein paar Tage hier gewesen, in der mündlichen Verhandlung gab er an, in Wien „ein bisschen“ als Beifahrer bei einem Zustelldienst gearbeitet zu haben und bis August 2019 bei der Caritas gemeldet gewesen zu sei; er sei dann wieder nach Italien zurückgegangen. Die Feststellung beschränkt sich daher darauf, dass der BF im Jahr 2019 nach seinen Angaben nach Italien ausreiste. Nach den Angaben des BF kehrte er kurz vor seiner Verhaftung am 25.02.2021 wieder aus Italien nach Österreich zurück, nach den Angaben vor dem Bundesamt drei oder vier Tage zuvor, nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2021. Die getroffene Feststellung beschränkt sich darauf, dass der BF wieder nach Österreich zurückgekehrt ist.

Dass zum jeweiligen Zeitpunkt der Folgeantragsstellung gegen den BF durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen bestanden und er jeweils in Schubhaft war, ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig. Die Feststellungen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im derzeit noch laufenden Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.04.2021.

Die Feststellungen zu den mehrfachen Hungerstreiks des BF waren auf Grund der diesbezüglichen Eintragungen in der Anhaltedatei des Bundesministeriums des Inneren getroffen. Der BF gab zum Hungerstreik vom 25.03.2021 bis 02.04.2021 in der mündlichen Verhandlung an, er habe diese auch fortsetzen wollen, habe das körperlich aber nicht mehr geschafft.

Dass der BF nicht kooperativ ist, ergibt sich aus dem oben dargestellten Vorverhalten. Auch in der gegenständlichen Schubhaft verhielt der BF sich denkbar unkooperativ, indem er bei seiner Einvernahme am XXXX 2021 das Formblatt zur Beantragung eines HRZ bei der Botschaft nicht unterschrieb, wie der Niederschrift zu entnehmen ist. Auch trat der BF mehrfach in Hungerstreik. Letztlich verweigerte der BF auch die Vornahme der PCR-Tests für die geplanten Abschiebungen am 16.8 und 26.08.2021

2.3. Zur familiären/sozialen/beruflichen Komponente:

Hinweise auf eine legale Erwerbstätigkeit des BF vor der Verhängung der gegenständlichen Schubhaft liegen nicht vor. Im Gegenteil, der BF gestand ein, unrechtmäßig gearbeitet zu haben. Dass der BF über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben bei der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021, wonach er ca. Euro 180,- bei sich und sonst keine Ersparnisse habe. In der Anhaltedatei ist mit Stand 14.09.2021 ein verfügbarer Geldbetrag von lediglich Euro 120,- vermerkt.

Die Feststellung, dass der BF vor Inhaftnahme eine Unterkunft hatte, stützt sich auf seine Aussage in der mündlichen Verhandlung, er gab auf mehrmaliges Nachfragen auch die Adresse bekannt, er war dort aber niemals behördlich gemeledet. In der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021 wollte der BF hingegen noch keine Adresse nennen, da er Angst habe, dass seine Freunde Probleme bekommen könnten. Auch sagte er, er lebe immer bei unterschiedlichen Freunden. Dass der BF an seiner Unterkunft nicht gemeldet war, ist unstrittig.

Dass der BF keine Familienangehörigen in Österreich hat, stützt sich auf seine Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt am XXXX 2021, wonach er weder in Österreich noch in einem anderen Land der EU Angehörige habe, er sei geschieden, habe keine Sorgepflichten und sei alleine.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach der erfolgten Überprüfung nach vier Monaten der Anhaltung ist die Überprüfung in vierwöchigem Rhythmus fortzuführen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra Ra 2020/21/0163, Rn. 11) ist die Frist für das vierwöchige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG vom Datum des Ergehens des letzten Erkenntnisses nach § 22a Abs. 4 leg. cit. berechnen. Das letzte entsprechende Erkenntnis des BVwG erging im ggst. Fall am 19.08.2021. Die gegenständliche folgende Überprüfung hat spätestens nach weiteren vier Wochen, also spätestes am 16.09.2020 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. unter Verweis auf VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 09.09.2021 und dem 16.09.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2.1 Zur zulässigen Schubhafthöchstdauer:

Der BF wird seit XXXX 2021 und somit bereits länger als sechs Monate (§ 80 Abs. 2 Z 2 FPG) durchgehend in Schubhaft angehalten. Zu klären ist daher, wie lange der BF in Schubhaft angehalten werden darf.

Im ggst. Fall besteht kein Zweifel daran, dass die Schubhafthöchstdauer gem. § 80 Abs. 4 Z 4 FPG 18 Monate beträgt, da der BF denkbar unkooperativ ist. Vor allem aber mit der vorsätzlichen Verweigerung der PCR-Tests im Hinblick auf bereits zwei organisierte Abschiebetermine am 16.08 und 26.08.2021 setzt der BF ein Abschiebehindernis, dass er in vollem Umfang selbst zu vertreten hat. Das Bundesamt hat sich denkbar darum bemüht, den BF möglichst zügig nach der Zusage eines HRZ außer Landes zu bringen. Der BF hat die für die Flugabschiebung notwendigen PCR-Tests auf COVID-19 mit voller Absicht verweigert, um diese Abschiebungen zu vereiteln. Es bedarf dabei keiner weitergehenden Begründung, dass dem BF das Dulden des PCR-Tests mehr als nur zumutbar ist, werden doch zum Entscheidungszeitpunkt Schulkinder in Österreich zweimal wöchentlich mit diesen Tests auf schmerzfrei auf COVID-19 untersucht. Es kann daher keine Zweifel daran bestehen, dass der BF damit die in § 80 Abs. 4 Z 4 FPG umgesetzten Kriterien der lit. a) des Art 15 Abs. 6 RückführungsRL erfüllt, die der VwGH am 15.12.2020 in Ra 2020/21/0404 herausgearbeitet hat. So ist iSd Rn. 27 des zitierten Judikats das unkooperative Verhalten des BF in Form der Testverweigerung der einzig kausale Grund, dass der BF noch immer in Schubhaft angehalten wird. Im Sinne einer Conditio-sine-qua-non führt daher die vorsätzliche und unbegründete Verweigerung der PCR-Tests durch den BF dazu, dass die Anhaltung noch immer bzw. länger andauert und hat der BF diese Abschiebehindernis allein selbst zu vertreten.

Gegenständlich beträgt die zulässige Schubhafthöchstdauer daher gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG 18 Monate.

3.2.2 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Dieser Fluchtgefahrtatbestand ist im Falle des BF mehrfach erfüllt. Der BF vereitelte am 18.12.2016 eine Abschiebung in seinem Herkunftsstaat, indem er sich weigerte, im Flugzeug einen Sitzplatz einzunehmen, weshalb seine Abschiebung abgebrochen werden musste. Der BF war während seines dritten Asylverfahrens ab 12.04.2019 unbekannten Aufenthalts und für die Behörde nicht greifbar und wirkte damit nicht am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit. Er setzte sich in der Folge nach seinen Angaben im Jahr 2019 nach Italien ab und umging bzw. behinderte damit abermals seine Rückkehr oder Abschiebung. Nach seiner Rückkehr nach Österreich nahm er Unterkunft, ohne sich zu melden, und lebte damit im Verborgenen. Schließlich ist der BF in der laufenden Schubhaft noch mehrfach in Hungerstreik getreten, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Zu Guter Letzt vereitelte der BF im August 2021 zwei Abschiebeversuche durch Verweigerung des PCR-Tests auf COVID-19. Der Fluchtgefahrtatbestand der Z 1 leg.cit. ist daher mehrfach erfüllt.

Da der BF nach seinen Angaben in diesem Jahr von Italien wieder nach Österreich einreiste, wobei gegen ihn seit XXXX 2019 ein rechtskräftiges Einreiseverbot bestand, ist auch der Tatbestand der Z 2 des § 76 Abs. 2 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Beide Untertatbestände dieser Ziffer sind im vorliegenden Fall erfüllt: Gegen den BF besteht seit XXXX 2019 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, mit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im vierten Asylverfahren ist die Rückkehrentscheidung vom XXXX 2019 zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung auch wieder durchführbar. Zudem entzog sich der BF ab 12.04.2019 dem dritten Asylverfahren, in dem er unbekannten Aufenthaltes war. Damit liegt auch der Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.

Da der faktische Abschiebeschutz im laufenden Asylverfahren aufgehoben wurde, ist auch der Tatbestand der Z 4 leg.cit. erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft. Der BF stellte drei Folgeanträge auf internationalen Schutz, in allen Fällen bestand gegen ihn im Zeitpunkt der Antragstellung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme und er befand sich jeweils in Schubhaft. Auch dieser Fluchtgefahrtatbestand ist daher mehrfach erfüllt.

Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel und übte keine legale Erwerbstätigkeit in Österreich aus, er arbeitete vielmehr illegal. Er hatte vor der In-Schubhaftnahme eine Unterkunft, war aber dort nicht behördlich gemeldet und somit nicht greifbar. Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Der Grad seiner sozialen Verankerung in Österreich ist daher als gering zu beurteilen. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor.

Es liegen daher fortgesetzt die Fluchtgefahrtatbestände der Z 1 bis Z 5 und Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.2.3 Zur Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Im Falle des BF besteht ein erhöhtes öffentliches Interesse an seiner Außerlandesbringung. Der BF ist zwar in Österreich nicht straffällig geworden, er hat aber durch die mehrfache unrechtmäßige Einreise ins Bundesgebiet, zuletzt auch entgegen einem Einreiseverbot, durch die Stellung mehrerer unbegründeter Asylanträge und durch sein Untertauchen im Bundesgebiet deutlich zum Ausdruck, dass er keine Unterordnung unter die bestehende Rechtsordnung beabsichtigt. Insbesondere wurde der BF auch bei der illegalen Beschäftigung betreten und gestand er auch ein, schon zuvor im Jahr 2019 illegal in Österreich gearbeitet zu haben. An der Verhinderung von unrechtmäßiger besteht aber ein gewichtiges öffentliches Interesse und ist insgesamt ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des BF zu bejahen.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der BF keine familiären Kontakte, keine legale Erwerbstätigkeit und keine engen sozialen Kontakte im Inland vorweisen konnte, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Die persönlichen Interessen des BF, der keine engen Kontakte und keine Angehörigen in Österreich hat, wiegen daher weit weniger schwer als das erhöhte öffentliche Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Der BF wird seit XXXX 2021 und somit seit sieben Monaten in Schubhaft angehalten. Die Dauer der bisherigen Schubhaft ist im Hinblick auf das hohe öffentliche Interesse an seiner Außerlandesbringung und in Hinblick darauf, dass der BF durch sein unkooperatives Verhalten seine Anhaltung in Schubhaft maßgeblich selbst verlängert, weiterhin verhältnismäßig. Der BF verweigerte zunächst am XXXX 2021 seine Unterschrift auf dem Formblatt zur Beantragung eines HRZ. Am 09.03.2021 stellte er einen vierten Antrag auf internationalen Schutz, weshalb ein für den 17.03.2021 vorgesehener Interviewtermin bei der indischen Botschaft storniert werden musste. Mittlerweile wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben, es liegt seit 16.06.2021 eine Zusage zur Ausstellung eines HRZ seitens der indischen Botschaft vor und der BF wurde für einen Flug am 16.08.2021 gebucht. Der BF verweigerte sowohl vor diesem Termin als auch für einen Abschiebeversuch am 26.08.2021 den PCR-Test auf COVID-19 womit der BF eine neue Qualität seines Obstruktionsverhaltens zeigte. Der BF ist daher für die weitere Anhaltedauer ab 16.08.2021 allein selbst verantwortlich, scheitert doch seine Außerlandesbringung nur an seiner grundlosen Verweigerung des PCR-Tests. Damit begründet aber der BF kein Verhalten, dass zu einer Unwahrscheinlichkeit der Durchführung der Abschiebung führt; generell sind Verweigerungshandlungen des BF, die dieser vorsätzlich zur Vereitelung der Abschiebung setzt, per-se ungeeignet um ein Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft durch die dann notwendige längere Anhaltedauer zu begründen: In jenem Ausmaß in dem die Anhaltung durch die dann notwendige Verlängerung ihrer Dauer nämlich in Richtung einer Unverhältnismäßigkeit rückt, steigt gleichzeitig äquivalent auch das öffentliche Interesse an einer gesicherten Aufenthaltsbeendigung des BF durch die vorsätzliche Verweigerung der für die Abschiebung notwendigen Maßnahme an, ohne dass die Schubhaft insoweit zu einer Beugehaft würde. Insoweit sieht das Bundesverwaltungsgericht diese Faktoren daher als kommunizierende Gefäße. Der BF erreicht daher durch seine Verweigerung letztlich nichts weiter als eine wiederum längere Anhaltung zur Sicherung der in den nächsten Monaten noch zu versuchenden Abschiebungen. Jede anderer Versucht einer Interpretation verbietet sich schon aufgrund des vom EuGH in Zshg. mit der RückführungsRL judizierten Effektivitätsgrundsatzes, der eine effektive und rasche Außerlandesbringung von unrechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen zum Ziel hat. Würde man in systemwidriger Art und Weise zulassen, dass Drittstaatsangehörige durch bloße Verweigerungs- bzw. Unkooperativitätshandlungen bzw. auch nur deren Ankündigung für die Zukunft (iS dass der Drittstaatsangehörige kundtut, er werde auch in Zukunft immer „im Abschiebeflieger randalieren“ oder den PCR-Test verweigern) sich aus der Inhaftnahme des Art. 15 der RückführungsRL befreien könnten, würde diese die Mechanismen ebendieser RL, insb. deren Art. 15 Abs. 6 lit. a) letztlich ad absurdum führen.

Unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens, das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens das Interesse des BF am Schutz der persönlichen Freiheit seiner Person weiterhin deutlich überwiegt und auch der Gesundheitszustand des BF der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht sohin davon aus, dass die seit 06.08.2020 aufrechte Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens, fehlender Barmittel und angesichts umfassend fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Zu B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel illegale Beschäftigung illegale Einreise Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2242340.5.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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