TE OGH 2021/9/1 3Ob91/21k

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Veröffentlicht am 01.09.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Öhler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 16.182,45 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2021, GZ 14 R 118/20f-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Juni 2020, GZ 16 Cg 48/19z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       Das klagende Autohandelsunternehmen verkaufte am 26. Mai 2014 einen Gebrauchtwagen der Marke F***** um einen Kaufpreis von 9.400 EUR an A***** A***** (im Folgenden: Vorbehaltskäufer), wobei der Kaufpreis durch Leistung einer Anzahlung von 1.000 EUR und sodann 24 Monatsraten à 350 EUR beglichen werden sollte. Im Kaufvertrag wurde ausdrücklich festgehalten, dass das Fahrzeug bis zur vollständigen [zu ergänzen: Bezahlung] im Eigentum der Verkäuferin bleibe. Der Originaltypenschein verblieb in der Verwahrung der Klägerin.

[2]            Der Vorbehaltskäufer leistete bei Kaufvertragsabschluss die vereinbarte Anzahlung von 1.000 EUR und in der Folge die Monatsraten für Juli und August 2014; danach zahlte er nur noch im Jänner 2017 220 EUR und im Februar 2017 130 EUR an die Klägerin.

[3]            Mit E-Mail vom 19. Dezember 2014 gestand der damalige Rechtsvertreter des Vorbehaltskäufers der Klägerin gegenüber zu, dass die Ratenvereinbarung nicht eingehalten worden sei, und teilte weiters mit, dass das Fahrzeug zur Reparatur in Bosnien stehe, weil die Reparatur (gemeint: in Österreich) zu teuer sei.

[4]            Tatsächlich hatte der Vorbehaltskäufer aber bereits (spätestens) im August 2014 den Entschluss gefasst, das Fahrzeug trotz des Eigentumsvorbehalts der Klägerin weiterzuverkaufen. Zu diesem Zweck beschaffte er sich einen Duplikat-Typenschein. Dafür musste er wahrheitswidrig entweder eine Diebstahlsanzeige bei der Polizei oder eine Verlustanzeige bei der zuständigen Behörde erstatten; anschließend ging er mit der dort eingeholten Bestätigung zum zuständigen Verkehrsamt, um eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen, die ihm am 11. August 2014 ausgestellt wurde, wobei er als letzter Zulassungsbesitzer angegeben wurde. Aufgrund seiner Angaben wurde in der Rubrik „vorheriger Zulassungsbesitzer“ eingetragen: „Anzahl und Namen unbekannt“. Mit dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung konnte der Vorbehaltskäufer vom Generalimporteur den mit 12. August 2014 datierten Duplikat-Typenschein erlangen. Am 13. August 2014 wurde dessen Unbedenklichkeit vom Verkehrsamt Wien bestätigt.

[5]            Bereits am 12. August 2014 kam der Vorbehaltskäufer mit dem Fahrzeug zur Beklagten, einer Gebrauchtwagenhändlerin, und fragte, ob Interesse an „seinem“ Fahrzeug bestehe. Noch an diesem Tag einigte er sich mit einem Mitarbeiter der Beklagten auf einen Kaufpreis von 5.500 EUR, wobei seitens der Beklagten jedoch darauf hingewiesen wurde, dass für den Ankauf insbesondere der Typenschein erforderlich sei. Am 13. August 2014 übergab der Vorbehaltskäufer der Beklagten das Fahrzeug samt dem von ihm mittlerweile beschafften Duplikat-Typenschein, dem Zulassungsschein und dem Fahrzeugschlüssel, und erhielt dafür von der Beklagten, die ihn für den rechtmäßigen Eigentümer des Fahrzeugs hielt, 5.500 EUR in bar. Im schriftlichen Kaufvertrag erklärte der Vorbehaltskäufer, dass das Fahrzeug sein unbelastetes Eigentum sei und er berechtigt sei, es zu verkaufen. Am 18. August 2014 verkaufte die Beklagte das Fahrzeug um 8.500 EUR weiter.

[6]            Am 7. September 2017 brachte die Klägerin beim Bezirksgericht Floridsdorf gegen den Letztkäufer des Fahrzeugs eine Klage auf dessen Herausgabe ein. Dieses Klagebegehren wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass der dort Beklagte gutgläubig Eigentum am Fahrzeug erworben habe.

[7]            Die Klägerin begehrt von der Beklagten mit ihrer am 16. September 2019 eingebrachten Klage aus dem Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung den Ersatz des Fahrzeugwerts von 8.500 EUR sowie der gesamten Kosten des Vorprozesses, nämlich der von ihr dem dortigen Beklagten zu ersetzenden Kosten von 3.221,26 EUR sowie ihrer eigenen Prozesskosten von 4.461,19 EUR. Die Beklagte habe weitere Nachforschungen bezüglich des Eigentums an dem von ihr angekauften Fahrzeug unterlassen, obwohl der Duplikat-Typenschein erst am Tag des Ankaufs ausgestellt worden sei. Sie habe weiters weder dem günstigen Verkaufspreis von 5.500 EUR noch dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass der Vorbehaltskäufer das Fahrzeug bereits drei Monate nach dem Ankauf weiterveräußert habe. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt, weil sie erst im Juni 2017 erfahren habe, dass der Vorbehaltskäufer das Fahrzeug an die Beklagte veräußert habe. Der Beklagte sei im Vorprozess der Streit verkündet worden, sie sei jedoch nicht als Nebenintervenientin beigetreten. Die Klägerin habe daher nicht gewusst, ob ihr tatsächlich ein Schaden entstanden sei; für den Fall ihres Obsiegens im Vorprozess hätte der Letztkäufer ihr das Fahrzeug herausgeben müssen. Folglich sei der Vorprozess zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen.

[8]       Die Beklagte wendete insbesondere ein, der Anspruch der Klägerin sei verjährt, weil sie bereits im Jahr 2014 Kenntnis vom Verkauf des Fahrzeugs an den Beklagten des Vorprozesses gehabt habe oder zumindest hätte haben müssen. Der Beklagten sei im Zusammenhang mit dem Ankauf des Fahrzeugs kein fahrlässiges Verhalten anzulasten, sodass sie gutgläubig Eigentum daran erworben habe. Das Klagebegehren werde auch der Höhe nach bestritten. Die Beklagte habe keinen Anlass zur Führung des Vorprozesses gegeben, und der von der Klägerin angesetzte Wert des Fahrzeugs sei jedenfalls überhöht.

[9]       Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach der Rechtsprechung sei der Erwerber eines (gebrauchten) Fahrzeugs nicht gutgläubig, wenn ihm der Typenschein nicht ausgefolgt werde. Dies sei hier aber nicht der Fall, weil die Beklagte ja den Duplikat-Typenschein erhalten habe. Die Beklagte habe daher gutgläubig Eigentum am Fahrzeug erworben, weil ihr kein Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden könne. Darüber hinaus sei der eingeklagte Anspruch auch verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist bereits im September 2014, als der Vorbehaltskäufer die Ratenvereinbarung nicht mehr eingehalten habe, spätestens aber im Dezember 2014, als er mitgeteilt habe, dass das Fahrzeug zur Reparatur in Bosnien stehe, zu laufen begonnen habe.

[10]     Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Nach der Rechtsprechung sei für die Gutgläubigkeit des Käufers eines Gebrauchtfahrzeugs zunächst einmal die Einsicht in den Typenschein zu verlangen, um sich von der Rechtmäßigkeit des (Zulassungs-)Besitzes des Verkäufers zu überzeugen; der Typenschein müsse dabei den Verkäufer als letzten Zulassungsbesitzer ausweisen. Nur dann, wenn sich aus dieser Einsichtnahme in den Typenschein die (Zulassungs-)Berechtigung des Verkäufers nicht eindeutig ergebe, seien weitere Nachforschungen anzustellen. Dies gelte insbesondere dann, wenn besondere Umstände den Verdacht nahelegten, der Vertragspartner könnte unredlich sein. Speziell gelte das im Kraftfahrzeughandel, weil Kraftfahrzeuge häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft würden. Im vorliegenden Fall habe sich weder aus der Tatsache, dass ein Duplikat-Typenschein vorgelegt worden sei, noch aus dessen Ausstellungsdatum für die Beklagte ein besonderer Verdachtsmoment für eine Unredlichkeit des Verkäufers ergeben, zumal die nach den Vorschriften des § 30 Abs 5 KFG erfolgende Ausstellung von Duplikat-Typenscheinen ein durchaus häufiger und üblicher Vorgang sei und der Vorbehaltskäufer von der Zulassungsbehörde im Duplikat-Typenschein ja auch als „Käufer“ bzw letzter Zulassungsbesitzer genannt worden sei. Auch dass das Fahrzeug, wie sich „offenbar“ aus dem Zulassungsschein ergeben habe, erst am 2. Juni 2014 auf den Vorbehaltskäufer zugelassen worden sei, habe bei der Beklagten keinen Verdacht auf dessen Unredlichkeit hervorrufen müssen, weil bei Fahrzeugen auch kurze Behaltezeiträume durchaus vorkämen. Da der Kaufpreis von 5.500 EUR offensichtlich das Ergebnis von Preisverhandlungen zwischen dem Vorbehaltskäufer und der Beklagten gewesen sei, habe sich aus der Preisvereinbarung ebenfalls keine Verdachtslage für die Beklagte ergeben. Ihr sei daher kein Sorgfaltsverstoß anzulasten, weshalb sie gemäß §§ 367, 368 ABGB vom Vorbehaltskäufer gutgläubig lastenfreies Eigentum am Fahrzeug erworben habe. Der Schadenersatzanspruch der Klägerin sei daher mangels rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten schon dem Grunde nach unberechtigt, weshalb der Verjährungseinwand nicht näher zu prüfen sei.

[11]     Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob und gegebenenfalls inwiefern die Gutgläubigkeit des gewerblichen Erwerbers eines gebrauchten Fahrzeugs aufgrund des Vorliegens eines bloßen Duplikat-Typenscheins „gegeben“ (offenbar gemeint: zu verneinen) sei.

Rechtliche Beurteilung

[12]     Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

[13]     1. Nach dem Ergebnis des Vorprozesses hat der Letztkäufer (ein Verbraucher) das Fahrzeug von der Beklagten (jedenfalls) iSd § 367 zweiter Fall ABGB gutgläubig erworben. Damit steht fest, dass die Klägerin ihr Eigentum am Fahrzeug (spätestens) durch dessen Verkauf durch die Beklagte verloren hat. Die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte der Klägerin deswegen zum Schadenersatz verpflichtet ist, hängt zunächst davon ab, ob die Beklagte selbst zuvor bereits Eigentum am Fahrzeug erworben hatte; diesfalls wäre nämlich für einen Schadenersatzanspruch der Klägerin kein Raum.

[14]     2. Da der Vorbehaltskäufer nicht Eigentümer des Fahrzeugs war, kam auch für die Beklagte nur ein originärer Eigentumserwerb in Betracht, und zwar nach der Sachlage nur nach § 367 dritter Fall ABGB. Demnach ist die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache abzuweisen, wenn er beweist, dass er sie gegen Entgelt von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte. Vertrauensmann des Eigentümers ist, in wessen Hand die Sache mit Willen des Eigentümers gelangt ist; es geht somit um die Gewahrsame, wobei der Rechtsgrund der Übergabe belanglos ist (Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 367 Rz 16 mwN). In diesem Sinn ist insbesondere der Vorbehaltskäufer als Vertrauensmann des Eigentümers anzusehen (Eccher/Riss in KBB6 § 367 ABGB Rz 4 mwN).

[15]     3.1. § 367 ABGB schützt nur den redlichen Erwerber einer beweglichen Sache. Die Redlichkeit bestimmt sich nach § 368 ABGB. Redlich ist demnach nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei diesbezüglich schon leichte Fahrlässigkeit schadet (vgl RS0010885). Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache, aus ihrem auffallend geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer gemäß § 368 Abs 2 ABGB die Sache dem Eigentümer zu überlassen.

[16]     3.2. Speziell im Kfz-Handel und im Gebrauchtwagenkauf sind nach der Rechtsprechung besondere Verhaltensregeln zu beachten. Der Erwerber eines Kraftfahrzeugs muss sich aufgrund des Umstands, dass Kraftfahrzeuge häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, besonders sorgfältig vergewissern, dass er nicht in fremde Rechte eingreift (9 Ob 72/01f mwN).

[17]     3.3. Bei Veräußerung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs ist vorerst die Einsicht in den Typenschein zu verlangen. Die Eintragung einer bestimmten Person als Zulassungsbesitzer im Typenschein besagt aber noch nicht, dass diese befugt sei, das Kraftfahrzeug als Eigentümerin oder sonst Verfügungsberechtigte zu verkaufen; bei dem im Typenschein Eingetragenen kann es sich vielmehr auch bloß um einen aus einem Abzahlungsgeschäft Berechtigten, einen Bestand- oder Leasingnehmer handeln. Es sind also weitere Nachforschungen nicht in jedem Fall entbehrlich, wenn der Typenschein den Verkäufer als letzten Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeugs ausweist. Legen besondere Umstände den Verdacht nahe, der Verkäufer könne unredlich sein, bedarf es weiterer Aufklärungen (RS0080033; vgl auch 8 Ob 73/16t und 10 Ob 29/17p). Weitere Nachforschungen sind insbesondere dann erforderlich, wenn sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein eines Gebrauchtfahrzeugs der Eigentumsübergang auf den Veräußerer nicht eindeutig ergibt (vgl 8 Ob 78/07i).

[18]     3.4. Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass zwar der vom Vorbehaltskäufer vorgelegte Typenschein diesen als Zulassungsbesitzer auswies, es sich dabei allerdings bloß um einen Duplikat-Typenschein handelte, den der Vorbehaltskäufer, wie sich aus den Feststellungen ergibt, allein aufgrund seiner wahrheitswidrigen Erklärung, dass er das Original verloren oder dass es ihm gestohlen worden sei, durch einige Behördenwege innerhalb weniger Tage erlangen konnte. Dazu kommt, dass der Vorbehaltskäufer den Duplikat-Typenschein erst am Tag nach dem (durch die Vorlage des Typenscheins aufschiebend bedingten) Kaufvertragsabschluss – und damit offensichtlich erst aus dessen Anlass – ausgestellt erhalten hatte, und dass er das Fahrzeug, wie aus dem Zulassungsschein ersichtlich, erst wenige Monate zuvor erworben hatte.

[19]           3.5. Die Kombination dieser Tatsachen in Verbindung mit dem von einer Gebrauchtwagenhändlerin wie der Beklagten vorauszusetzenden Wissen, dass Händler, die Kraftfahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt verkaufen, üblicherweise den Typenschein einbehalten, begründete besondere Umstände, die den Verdacht nahelegten, der Verkäufer könnte unredlich sein. Die Beklagte wäre demzufolge gehalten gewesen, vom Vorbehaltskäufer neben dem Duplikat-Typenschein auch die Vorlage seines Kaufvertrags über das Fahrzeug zu verlangen (vgl dazu auch Oechsler in MünchKomm BGB8 [2020] § 932 Rz 56).

[20]     3.6. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Beklagte entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Eigentum an dem von ihr unter verdächtigen Umständen erworbenen Fahrzeug mangels ausreichender Nachforschungen nicht gutgläubig erworben hat.

[21]     4. Der bloße Kaufvertragsabschluss mit dem Vorbehaltskäufer, als dessen Folge die Beklagte in den Besitz des Fahrzeugs gelangt war, führte noch keinen Schaden im Umfang des Fahrzeugwerts herbei, weil sie, solange die Beklagte im Besitz des Fahrzeugs war, mit Eigentumsklage gegen diese vorgehen hätte können. Hingegen stellte die Weiterveräußerung des Fahrzeugs einen rechtswidrigen, weil objektiv sorgfaltswidrigen Eingriff in das absolut geschützte Eigentumsrecht der Klägerin dar, wurde doch dieser (erst) durch die Weiterveräußerung an einen gutgläubigen Dritten die Möglichkeit genommen, ihr Eigentumsrecht am Fahrzeug geltend zu machen. Der Beklagten ist die Weiterveräußerung auch subjektiv vorwerfbar, weil sie, wie bereits dargelegt, bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen hätte können, dass sie ein Fahrzeug veräußert, an dem sie kein Eigentum erworben hatte (vgl 8 Ob 78/07i).

[22]     5. Die Berechtigung des von der Beklagten erhobenen Verjährungseinwands kann auf Basis der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden:

[23]     5.1. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RS0034951). Es darf zwar mit der Klagserhebung nicht solange zugewartet werden, bis Gewissheit über den Prozessgewinn besteht. Besteht allerdings Ungewissheit darüber, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und ist über diese Frage ein Rechtsstreit anhängig, kommt es auf die Rechtskraft der Gerichtsentscheidung bzw den Ausgang eines Verwaltungsverfahrens an, weil erst dann ausreichend sichere Informationen für eine Schadenersatzklage verfügbar sind (vgl RS0034951 [T21, T22]).

[24]     5.2. Zu den vom Erstgericht als Beginn der Verjährungsfrist angenommenen Zeitpunkten (Einstellung der Ratenzahlungen im September 2014 bzw der Zugang des E-Mails des Rechtsvertreters des Vorbehaltskäufers im Dezember 2014) bestand – jedenfalls auf Basis der bisher getroffenen Feststellungen – für die Klägerin noch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Vorbehaltskäufer das Fahrzeug treuwidrig weiterveräußert haben könnte, geschweige denn, dass es von der Käuferin (also der Beklagten) im Anschluss an einen gutgläubigen Dritten veräußert worden sein könnte. Mangels solcher Anhaltspunkte kann der Klägerin aber auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie keine diesbezüglichen Nachforschungen anstellte. Der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem die Verjährungsfrist bezüglich des Schadenersatzanspruchs gegenüber der Beklagten zu laufen beginnen konnte, war somit die Kenntnis der Klägerin vom Erwerb und der Weiterveräußerung des Fahrzeugs durch die Beklagte bzw allenfalls vor diesem Zeitpunkt für sie erkennbare Hinweise in dieser Richtung. Nach der Aktenlage (siehe Aufforderungsschreiben Beilage ./B im Vorakt) hatte die Klägerin jedenfalls im Juli 2017 Kenntnis vom Weiterverkauf des Fahrzeugs durch die Beklagte. Ob dies, wie von der Beklagten behauptet, auch schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt der Fall war, wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären haben.

[25]     5.3. Im Übrigen stand für die Klägerin – ohne Hinzutreten bisher nicht festgestellter Sachverhaltselemente – der tatsächliche Schadenseintritt erst mit ihrem Unterliegen im Vorprozess fest, weil erst in jenem Verfahren abschließend geklärt wurde, dass der Letztkäufer des Fahrzeugs das Eigentum daran gutgläubig erworben hatte.

[26]     6.1. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537).

[27]     6.2. Ohne die Weiterveräußerung durch die Beklagte hätte die Klägerin dieser gegenüber ihr Eigentumsrecht am Fahrzeug durchsetzen können. Der Klägerin ist daher durch die Weiterveräußerung ein Schaden in Höhe des damaligen (Verkaufs-)Werts des Fahrzeugs entstanden. Diese wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren auf geeignete Weise zu klären haben, sollte die Beklagte nicht – was angesichts des von ihr selbst erzielten Verkaufspreises durchaus naheliegend wäre – eine Außerstreitstellung vornehmen.

[28]           6.3. Auch die Berechtigung des Anspruchs der Klägerin auf Ersatz der Kosten des Vorprozesses kann im Hinblick auf die noch zu klärende Verjährungsfrage noch nicht abschließend beurteilt werden. Außerdem wird auf die Voraussetzungen für die Berechtigung dieses Anspruchs einzugehen sein.

[29]     7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E132669

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00091.21K.0901.000

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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