TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/31 I403 2242448-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.05.2021
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Entscheidungsdatum

31.05.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §105 Abs1
StGB §106 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I403 2242448-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch RA Dr. Wilfried WEH, Wolfeggstraße 1, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Deutschland, ist seit dem 06.08.2013 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet.

Am 09.05.2014 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.11.2017 zur Zl. XXXX , rechtskräftig mit 07.06.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 StGB, mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB sowie mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 und Abs. 2 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt.

Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 09.08.2018 ("Parteiengehör") wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass aufgrund seiner strafbaren Handlungen beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Zugleich wurde ihm ein Fragenkatalog bezüglich seiner persönlichen und familiären Verhältnisse übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Schriftsatz vom 24.08.2018 ("Stellungnahme") brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich wurde darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aufgrund des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht gefährdet sei und seine strafgerichtliche Verurteilung alleine das beabsichtigte Aufenthaltsverbot nicht begründen könne. In Deutschland sei er bereits viermal von einem Gericht verurteilt worden, jedoch würden all diese Verurteilungen bereits Jahre zurückliegen. Er sei im August 2013 nach Österreich gekommen, um mit seiner Freundin S.P. „eine Lebensgemeinschaft einzugehen“, wobei er bis zum Antritt seiner Haftstrafe im Juli 2018 gemeinsam mit S.P. in deren Wohnung gelebt habe. Die Beziehung sei nach wie vor aufrecht, auch wenn sich der Beschwerdeführer aktuell in einer Justizanstalt befinde. Seit September 2013 sei er bis zu seiner Inhaftierung durchgehend in einem soliden Beschäftigungsverhältnis in Österreich gewesen und habe ausschließlich hier seine sozialen Anknüpfungspunkte und Freunde. Zu Deutschland habe er nahezu keine persönlichen Bindungen mehr, mit wenigen Verwandten habe er seit seiner Einreise nach Österreich nur sporadischen Kontakt, insbesondere jedoch zu seiner 90-jährigen Großmutter. Im Hinblick auf eine Zukunftsprognose wurde auf eine angeschlossene fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme verwiesen, wonach beim Beschwerdeführer entsprechend den Kriterien der ISD-10 (Anm.: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) die Diagnose „sexueller Sadismus (F 65.5)“ gestellt worden sei. So habe er seit dem Jahr 2012 eine „deviante Orientierung“ entwickelt, mit Ausnahme der seiner Verurteilung zugrundeliegenden Taten entsprechende Sexualpraktiken jedoch ausschließlich, nach entsprechend klaren Vereinbarungen, mit seiner Partnerin ausgelebt. Seit Mai 2017 befinde er sich in Psychotherapie und habe „sehr rasch Fortschritte erzielt“. Er habe diese bis zu seinem Haftantritt im Juli 2018 „konsequent und sehr erfolgreich“ fortgesetzt und werde sich auch während seiner Strafhaft – sofern dies ärztlich überhaupt noch für erforderlich erachtet werde – einer weiteren Psychotherapie unterziehen, sodass davon auszugehen sei, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Es wurde beantragt, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen zum Beweis dafür, dass im Hinblick auf die seitens des Beschwerdeführers seit Mai 2017 absolvierte Psychotherapie und der weiteren Therapiemöglichkeiten während seiner Strafhaft nicht zu befürchten sei, dass er neuerlich straffällig werde. Weiters werde beantragt, ein „Gutachten zur Rückfallprognose“ einzuholen zum Beweis dafür, dass vom Beschwerdeführer „keine akute konkrete unmittelbare Gefahr für die österreichische Sicherheit, Ruhe und Ordnung“ ausgehe, und zuletzt der Antrag gestellt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen. Dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen waren ein Meldezettel; ein Schreiben der Lebensgefährtin S.P., wonach der Beschwerdeführer seit fünf Jahren ihr Lebensgefährte sei und aktuell nach wie vor eine Fernbeziehung bestehe, wobei er sie überdies (Stand August 2018) mit 500 Euro monatlich für Miete und Betriebskosten unterstütze; ein Kontoauszug des Beschwerdeführers mit einem monatlichen Dauerauftrag auf das Konto von S.P. in Höhe von 500 Euro (von Juni 2017 bis April 2018); eine Anmeldebescheinigung des Beschwerdeführers, ausgestellt durch eine Bezirkshauptmannschaft am 09.05.2014; ein Arbeitsvertrag mit einer Leiharbeitsfirma; ein Kündigungsschreiben des Beschwerdeführers an diese, wonach er durch den Beschäftigungsbetrieb übernommen werde; ein Dienstzeugnis des Beschäftigungsbetriebs vom 03.07.2018; diverse Lohnzettel und Gehaltsabrechnungen; ein Strafbefehl des Amtsgerichts XXXX gegen den Beschwerdeführer vom 12.07.2010 aufgrund einer versuchten gefährlichen Körperverletzung; die in der Stellungnahme zitierte fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 09.01.2018; elf Honorarnoten einer Psychotherapeutin an den Beschwerdeführer für Einzelbehandlungen im Zeitraum von Juni 2017 bis Mai 2018; sowie ergänzend ein handschriftliches Schreiben des Beschwerdeführers, in welchem er abermals auf seine beruflichen und sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich verwies und Bedauern hinsichtlich seines strafrechtswidrigen Fehlverhaltens zum Ausdruck brachte.

Am 26.02.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hierbei gab er an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Seine Psychotherapeutin habe sich bereit erklärt, seine Therapie in der Haft fortzusetzen, jedoch liege bislang keine Zustimmung seitens der Justiz vor. Er verfüge noch über Ersparnisse in Höhe von etwa 2.000 Euro und sei nach wie vor bei seiner Lebensgefährtin S.P. hauptgemeldet. Er gehe davon aus, nach seiner Haftentlassung wiederum bei seinem vormaligen Arbeitgeber Beschäftigung zu finden, wenngleich er diesbezüglich keine schriftliche Zusage habe. Er habe in Deutschland eine Buchbinderlehre abgeschlossen und sei aufgrund dessen ausreichend qualifiziert gewesen, seine Arbeitsstelle in Österreich anzutreten, wobei er auch in der Justizanstalt in der Buchbinderei beschäftigt sei. Er sei in der Nähe von XXXX bei seiner Großmutter aufgewachsen und habe vor seiner Einreise direkt in XXXX in einer WG gelebt. Zu seinen Eltern und beiden Geschwistern habe er nur sporadischen Briefkontakt, wobei seine Eltern ihn einmal zu Beginn seiner Haft besucht hätten. Seine Eltern wären beide berufstätig und hätten ein Haus, wobei seine beiden jüngeren Geschwister noch bei ihnen leben würden. Seine 90-jährige Großmutter lebe mit ihrem pflegebedürftigen Ehemann in einer Wohnung. Regelmäßigen Kontakt habe er lediglich zu seiner Großmutter, zu seinen übrigen Verwandten in Deutschland „fast gar keinen“. Sein soziales Umfeld und seine Lebensgefährtin, welche ihn jede Woche in der Haft besuchen würde, seien in Österreich und werde er nach der Haft wieder in die gemeinsame Wohnung zu S.P. zurückkehren.

Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 01.07.2019 ("Ergänzendes Parteiengehör") wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung bekannt zu geben, ob sich im Hinblick auf sein Familien- und Privatleben oder seinen Gesundheitszustand etwaige Änderungen ergeben hätten. Diese Frist ließ der Beschwerdeführer ungenützt verstreichen.

Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 26.02.2021 ("Ergänzendes Parteiengehör") wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung bekannt zu geben, ob sich im Hinblick auf seine persönlichen Verhältnisse seit seiner niederschriftlichen Vernehmung etwaige Änderungen ergeben hätten. Einer vom Beschwerdeführer beantragten Fristerstreckung wurde seitens der belangten Behörde stattgegeben.

Am 15.03.2021 wurde die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, Frau S.P., niederschriftlich vor der belangten Behörde als Zeugin einvernommen. Hierbei gab diese an, seit August 2012 mit dem Beschwerdeführer in einer Beziehung zu leben, wobei seit 01.09.2013 ein gemeinsamer Haushalt bestehe. Sie besuche den Beschwerdeführer nach wie vor wöchentlich in Haft und hoffe, dass er nach seiner Entlassung wieder in die gemeinsame Wohnung einziehen und arbeiten könne. Der Beschwerdeführer bereue sein strafrechtwidriges Fehlverhalten und sei sich S.P. sicher, dass er derartiges nicht noch einmal machen werde, zumal er sich bereits seit Mai 2017, bevor er jemals im Gefängnis gewesen sei, bei einer Sexualtherapeutin in Behandlung begeben habe. Der Beschwerdeführer habe Freunde in Österreich, welche ihn auch in der Haft besuchen würden. Auch telefoniere S.P. regelmäßig mit seinen Angehörigen in Deutschland und hätten seine Eltern und Geschwister ihn ebenfalls bereits in der Haft besucht und hierbei bei S.P. übernachtet. Sofern gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot erlassen werde, wäre dies „eine Katastrophe“, da S.P. ihren Vater und deren Lebensgefährtin im Haus habe, um welche sie sich kümmern müsse, ebenso wie um eine „alte Patentante“, welche sie jeden zweiten Samstag betreue. S.P. sei auf die Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen. Ein Aufenthaltsverbot werde man „bis in die letzte Instanz bekämpfen“, ansonsten „müssten wir halt schauen, dass er im grenznahen Bereich, z.B. in Mittenwald, eine Wohnung oder eine Arbeit bekommt, damit wir uns zumindest regelmäßig sehen können“.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2021 ("Aufgetragene Stellungnahme") brachte der Beschwerdeführer eine weitere schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Darin führte er aus, dass er in Tirol seine Lebensgefährtin und auch bereits eine Arbeitsstelle habe, während ihm im Falle seiner Rückkehr nach Deutschland weder Unterkunft noch Unterhalt oder eine stabile Beziehung zur Verfügung stehe, sodass seine „Abschiebung“ nach Deutschland auch „dem unionsrechtlichen Loyalitätsgebot unter den Mitgliedstaaten“ widerspreche. Es bestehe jedoch auch kein Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer noch einmal straffällig werden könnte, da er sich vor und während seiner Haft freiwillig und nachhaltig therapeutisch mit seiner Delinquenz auseinandergesetzt habe und die psychotherapeutische Behandlung auch nach seiner Haftentlassung wieder aufgenommen werde. Zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, werde die Einholung eines gerichtspsychiatrischen und psychologischen Sachverständigengutachtens beantragt. Der Beschwerdeführer könne unmittelbar nach seiner Haftentlassung eine Arbeitsstelle antreten, sei daher selbsterhaltungsfähig und sozialversichert und könne unentgeltlich und unbefristet bei seiner Lebensgefährtin S.P. wohnen. Es werde daher beantragt, das Verfahren einzustellen. Der Stellungnahme angeschlossen wurden ein Arbeitsvertrag vom 05.03.2021, wonach der Beschwerdeführer „unmittelbar nach Haftentlassung im November 2021“ von einem Unternehmen als Hausmeister angestellt werde; eine „Unterkunftsbestätigung“ von S.P., wonach der Beschwerdeführer unentgeltlich und unbefristet bei ihr wohnen könne; ein weiteres Schreiben von S.P. vom 28.02.2021; die bereits zuvor im Verfahren in Vorlage gebrachte fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 09.01.2018; eine weitere Stellungnahme der Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin, welche den Beschwerdeführer ab Mai 2017 betreut hatte und ein Schreiben von dieser an den Beschwerdeführer, wonach sie gerne bereit sei, die psychotherapeutische Betreuung im Anschluss an seine Haftentlassung wieder aufzunehmen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31.03.2021 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sechseinhalb Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Bedachtnahme auf die Gefährdung der sexuellen und körperlichen Integrität von Menschen, welche aus dem strafrechtswidrigen Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiere, die Annahme naheliege, dass von ihm auch künftig eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen werde.

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 10.05.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid erfülle nicht die Mindestanforderungen an eine nachvollziehbare und ordnungsgemäße Bescheidbegründung. Die seitens des Landesgerichts XXXX abgeurteilte schwere Nötigung und geschlechtliche Nötigung eines in Deutschland lebenden Paares könne überdies die Ordnung und Sicherheit im österreichischen Bundesgebiet niemals gefährden und habe die Strafverfolgung in Österreich auf Ersuchen der deutschen Behörden lediglich aufgrund des Wohnsitzes des Beschwerdeführers hier stattgefunden, während der strafrechtliche Erfolg einzig in Deutschland eingetreten sei und bereits im Jahr 2016 geendet habe. Der Bescheid ließe eine nachvollziehbare Zukunftsprognose vermissen und stelle lediglich auf das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit ab. Es werde abermals die Einholung eines gerichtspsychiatrischen sowie psychologischen Sachverständigengutachtens beantragt, wobei es sich hierbei – entgegen der Auffassung der belangten Behörde – nicht um einen Erkundungsbeweis handle. Überdies werde die zeugenschaftliche Einvernahme des Sachverständigen Mag. W.K., welcher mit dem Beschwerdeführer insgesamt 69 Therapiestunden in Haft absolviert habe, sowie der Lebensgefährtin S.P. beantragt, zum Beweis dafür, dass vom Beschwerdeführer keine Gefährdung ausgehe. Der Beschwerdeführer könne unmittelbar nach seiner Haftentlassung eine Arbeitsstelle antreten, sei daher selbsterhaltungsfähig und sozialversichert und könne unentgeltlich und unbefristet bei seiner Lebensgefährtin S.P. wohnen. Überdies könne er bei einer anerkannten Expertin und gerichtlich beeideten Sachverständigen seine Psychotherapie fortführen und sei all dies ausreichend, um von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. In Deutschland hätte er dieses soziale, familiäre und professionelle Umfeld hingegen nicht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen; den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verfahren einstellen; in eventu der Erstbehörde eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen wurden abermals die bereits zweimal zuvor im Verfahren in Vorlage gebrachte fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 09.01.2018; die bereits zuvor im Verfahren in Vorlage gebrachte Stellungnahme der Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin, welche den Beschwerdeführer ab Mai 2017 betreut hatte und ein weiteres Schreiben von dieser an den Beschwerdeführer, wonach sie gerne bereit sei, die psychotherapeutische Betreuung im Anschluss an seine Haftentlassung wieder aufzunehmen; ergänzend ein Bestätigungsschreiben des Psychologen und Psychotherapeuten Mag. W.K. vom 22.04.2021, in welchem bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer seit 28.05.2019 einmal pro Woche „freiwillig und hoch motiviert“ eine psychotherapeutische Behandlung in der Justizanstalt in Anspruch nehme und der Behandlungsverlauf „als höchst zufriedenstellend und erfolgreich“ beurteilt werde; eine Besucherliste der Justizanstalt mit Stand 16.04.2021.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.05.2021 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Deutschland und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest.

Er ist ledig und kinderlos sowie körperlich gesund und erwerbsfähig. An ihm wurde nach den Kriterien der ISD-10 die Diagnose sexueller Sadismus (F 65.5) gestellt, wobei er sich seit Mai 2017 – vor und auch während seiner Anhaltung in Strafhaft - in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung befindet.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Raum XXXX und hat in Deutschland eine Lehre zum Buchbinder absolviert. Seine Eltern, ein jüngerer Bruder und eine jüngere Schwester, sowie zwei Großmütter leben nach wie vor in Deutschland, wobei der Beschwerdeführer bei einer seiner Großmütter aufgewachsen ist und zuletzt in einer WG in XXXX gelebt hat. Er steht in Kontakt zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat, insbesondere zu seiner Großmutter.

Der Beschwerdeführer ist seit 06.08.2013 durchgehend in Österreich hauptgemeldet. Seit 19.07.2018 befindet er sich durchgehend in einer Justizanstalt in Strafhaft.

Am 09.05.2014 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt.

Seit etwa August 2012 führt der Beschwerdeführer eine Beziehung mit der österreichischen Staatsangehörigen S.P., wobei er wegen dieser nach Österreich übersiedelt ist und seit 06.08.2013 in deren Wohnung hauptgemeldet ist. Die Beziehung ist trotz der längeren Inhaftierung des Beschwerdeführers nach wie vor aufrecht, jedoch besteht kein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis zwischen S.P. und dem Beschwerdeführer.

Neben S.P. hat der Beschwerdeführer in Österreich überdies diverse Bekanntschaften geschlossen.

Der Beschwerdeführer ging in Österreich zunächst von 02.09.2013 bis 03.01.2014 einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als Arbeiter für eine Leiharbeitsfirma nach, ehe er durch den Beschäftigungsbetrieb fest übernommen wurde und dort von 07.01.2014 bis 28.06.2018 einer angemeldeten Erwerbstätigkeit als Arbeiter nachging. Von 29.06.2018 bis 06.07.2016 bezog er Krankengeld, unmittelbar vor seiner Inhaftierung von 07.07.2018 bis 18.07.2018 noch Arbeitslosengeld. Er hat die schriftliche Zusage eines Unternehmens, unmittelbar nach seiner Haftentlassung als Hausmeister eingestellt zu werden, wobei darin ausdrücklich auf eine Probezeit von vier Wochen hingewiesen wird.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.11.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 2 StGB, mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB sowie mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 und Abs. 2 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Frühjahr 2013 über das Internet den Mann S. kennengelernt hatte, welcher seiner Freundin G. ein erotisches Fotoshooting schenken wollte. Der Beschwerdeführer bot sich dabei als Fotograf an. Über sein Ersuchen (zwecks Vorbereitung des Fotoshootings) übermittelte S. dem Beschwerdeführer Lichtbilder von G. Dabei handelte es sich einerseits um „normale“ Fotos und Lichtbilder auf denen diese nur in Unterwäsche bekleidet abgebildet ist, anderseits jedoch auch um Nacktfotos. Wegen des angedachten Fotoshootings übermittelte S. dem Beschwerdeführer u.a. auch die Telefonnummer sowie sonstige Daten seiner Freundin G. Dieser teilte nach einiger Zeit der G. mit, dass ihr Freund ihre Bilder auf einer Internetseite veröffentlicht habe, was jedoch nicht der Wahrheit entsprach. Aus diesem Grund blockierte G. den Beschwerdeführer auf "WhatsApp". Monate später, nämlich Ende 2013, meldete sich der Beschwerdeführer bei G. per SMS und forderte sie auf, ihn bei "WhatsApp" wieder zu entsperren. Für den Fall der Weigerung drohte er ihr an, ihre Fotos, nämlich jene, auf welchen sie auch nackt zu sehen ist, im Internet zu veröffentlichen, respektive weiterzuleiten. Aus Angst davor, dass der Beschwerdeführer diese Drohung tatsächlich in die Tat umsetzt, kam sie seiner Forderung nach. In der Folge forderte der Beschwerdeführer von G. und S. weitere Nacktbilder sowie u.a. Aufnahmen, auf welchen G. zu sehen ist, wie sie sich eine Klobürste anal einführt, wie S. seiner Freundin G. in den Mund uriniert und ihr ins Gesicht ejakuliert sowie Wachs über ihre Brüste und Intimbereich gießt, wie G. einen vom Beschwerdeführer verfassten „Sklavenvertrag“ vorliest, wie sie sich eine Socke in den Mund stopft, wie sie selbst ihre Unterwäsche zerschneidet und die Toilette und den Boden ableckt sowie solche, auf denen der Geschlechtsverkehr zwischen ihr und S. zu sehen ist. Insgesamt übermittelten G. und S. im Tatzeitraum unfreiwillig zumindest 100 derartiger Aufnahmen (Bilder und Videos) über Aufforderung des Beschwerdeführers an diesen, der dies verlangte und den Beiden mitteilte, dass er ansonsten die sich bereits in seinem Besitz befindlichen oben genannten Aufnahmen im Internet veröffentlichen und an die Familie und Freunde der Tatopfer weiterleiten werde. Auch zwang er die Beiden - mit selbigen Drohungen - vor laufender Webcam zum Geschlechtsverkehr sowie dazu, dass sich G. selbst befriedigt, also an ihr selbst sexuelle Handlungen vornimmt, sowie dazu, sich selbst anzupinkeln und sich selbst zu beleidigen sowie dazu, dass S. seiner Lebensgefährtin in das Gesicht ejakuliert. Wiederum setzte er dabei die Drohung ein, die oben beschriebenen Aufnahmen, also Nacktbilder, Fotos und Videos von geschlechtlichen Handlungen (Geschlechtsverkehr, Eigenpenetration mit der Klobürste etc.) und vergleichbaren kompromittierenden Darstellungen (z.B. Ablecken von Boden und Toilette etc.) widrigenfalls zu veröffentlichen und weiterzuleiten. Aus Angst davor, dass der Beschwerdeführer seine Drohung wahrmachen wird, kamen G. und S. jeweils seinen Forderungen nach. Anfangs waren seine Kontaktaufnahmen unregelmäßig, wobei sich seine Forderungen von der Intensität her immer weiter steigerten und er seinen Tatopfern nach den jeweils abgenötigten (auch geschlechtlichen) Handlungen immer zu verstehen gab, dass sie es jetzt „geschafft“ hätten und er sie nunmehr sinngemäß in Ruhe lassen werde, um allerdings folglich - entgegen seinem Versprechen - immer wieder an die Beiden, mitunter auch unter falschem Namen, heranzutreten und sie zu weiteren Handlungen wie im Tenor beschrieben, jeweils unter Androhung der Veröffentlichung und Weiterleitung der sich in seinem Besitz befindlichen und beschriebenen Aufnahmen an die Familie und Freunde der Genannten, zu zwingen. Im Jahr 2016 fanden die Kontaktaufnahmen durch den Beschwerdeführer wöchentlich statt und zwang er G. und S. wöchentlich, wiederum unter Androhung der Veröffentlichung und Weiterleitung der genannten Aufnahmen, zu Handlungen und zur Vornahme von geschlechtlichen Handlungen. G. und S. entschlossen sich letztlich dazu, die Polizei aufzusuchen und eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer zu erstatten. Dies ist am 29.12.2016 erfolgt. Das dadurch in Deutschland eingeleitete Strafverfahren wurde über Ersuchen der deutschen Behörden von der Staatsanwaltschaft XXXX übernommen.

Im Tatzeitraum zwang der Beschwerdeführer G. und S. jeweils gegen deren ausdrücklich und ihm unmissverständlich kundgemachten Willen zu den angeführten Handlungen, indem er den Genannten jeweils ankündigte, dass, sollten sie seiner jeweiligen Forderung nicht nachkommen, er jene Aufnahmen, welche sich zum jeweiligen Zeitpunkt bereits in seinem Besitz befanden und welche er bereits abgenötigt hatte, darunter Nacktbilder von G. und Bilder und Videos, welche den Vollzug von geschlechtlichen Handlungen von G. an sich selbst (Selbstbefriedigung, anale Penetration mit einer Klobürste, vaginale Penetration mit einer Fernbedienung etc.) und solche zwischen G. und S. (Geschlechtsverkehr, Ejakulation ins Gesicht etc.) zeigen sowie weiters jene, auf welchen zu sehen ist, beispielsweise wie G. den Boden und die Toilette ableckt, sich selbst beleidigt und „anpinkelt“ und einem vom Beschwerdeführer verfassten „Sklavenvertrag“ vorliest, veröffentlichen und an deren Freunde und Familie weiterleiten wird, wobei G. durch die jeweils mit gefährlicher Drohung (mit einer Verletzung an der Ehre und des höchstpersönlichen Lebensbereichs) abgenötigte Vornahme von geschlechtlichen Handlungen, nämlich die dadurch erzwungene anale Eigenpenetration mit einer Klobürste sowie dadurch, dass ihr ihr Lebensgefährte S. in den Mund urinieren und ins Gesicht ejakulieren musste, besonders erniedrigt wurde. Jeweils aus Angst davor, dass der Beschwerdeführer seine jeweiligen Drohungen wahrmachen wird, kamen sie im Tatzeitraum immer seinen Forderungen nach. Die so von G. abgenötigten Penetrationen mit einer Klobürste und einer Fernbedienung sowie die so erzwungene Vornahme von geschlechtlichen Handlungen, wonach S. seiner Freundin ins Gesicht ejakulieren und ihr in den Mund urinieren musste, sowie die abgenötigten Handlungen, wonach G. sich selbst anpinkeln und beleidigen sowie den Boden und die Toilette ablecken musste, fanden im Jahr 2016 statt. Seit zumindest Beginn des Jahres 2016 versetzte der Beschwerdeführer G. durch die gefährlichen Drohungen mit einer Verletzung der Ehre und des höchstpersönlichen Lebensbereichs jeweils längere Zeit hindurch, jedenfalls über jeweils Tage bis zu Wochen, in einen qualvollen Zustand, welcher sich durch fortwährende Angstzustände und fortwährende Gedanken an Selbstmord sowie psychische Ausnahmezustände auszeichnete. G., von welcher der Beschwerdeführer wusste, dass sie noch sehr jung ist, teilte ihm auch zu Beginn des Jahres 2016 mit, aufgrund seiner Handlungen an Selbstmord zu denken. Er stellte daraufhin sein Verhalten jedoch nicht ein, sondern intensivierte dieses vielmehr und erzwang weitere Handlungen und geschlechtliche Handlungen von ihr und ihrem Freund, dies wiederum unter wöchentlicher Androhung der Veröffentlichung und Weiterleitung der oben genannten Aufnahmen an Familie und Freunde. Letztlich teilte auch S. dem Beschwerdeführer im Dezember 2016 mit, dass seine Frau G. immer an Selbstmord denke. Aber auch dies hielt den Beschwerdeführer nicht von weiteren Drohungen und Forderungen gegenüber seinen Tatopfern, welche ihm im gesamten Tatzeitraum immer wieder mitteilten, die vom Beschwerdeführer verlangten (auch geschlechtlichen) Handlungen nicht durchführen zu wollen, ab. G. und S. haben ein normales Sexualleben und gehören nicht der Sadomaso- bzw. BDSM-Szene an. Vielmehr lösten die vom Beschwerdeführer erzwungenen (geschlechtlichen) Handlungen, wie etwa das Urinieren in den Mund der G., das erzwungene Ablecken des Bodens und der Toilette sowie die erzwungene anale Eigenpenetration mit einer Klobürste, Ekelgefühle bei beiden aus. Die im Tatzeitraum gegenüber G. und S. wiederholt getätigten Äußerungen und Ankündigungen des Beschwerdeführers, ihre Nacktbilder, Aufnahmen (Bilder und Videos), die geschlechtlichen Handlungen von ihnen und auch zwischen ihnen (Geschlechtsverkehr, Masturbation, Penetration mit einer Klobürste etc.) zeigen, sowie solche, auf welchen vergleichbare kompromittierende Darstellungen ersichtlich sind (z.B. Ablecken der Toilette und des Bodens; sich selbst anzupinkeln etc.) waren dem Beschwerdeführer ernst, gleichzeitig kam ihnen die Bedeutung einer Drohung mit der Verletzung an der Ehre und des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu, was der Beschwerdeführer wusste und auch beabsichtigte. Er beabsichtigte, bei den Genannten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines Angriffs gegen ihre Ehre und ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs zu erwecken, was er auch jeweils wusste. Als er diese Ankündigungen machte, kam es dem Beschwerdeführer darauf an, G. und S. mit den jeweiligen gefährlichen Drohungen durch Angst gegen ihren ihm unmissverständlich kundgemachten Willen zu den angeführten Handlungen zu zwingen. Das wusste er auch. Dass es sich bei einer Masturbation sowie bei einer analen Eigenpenetration mit einer Klobürste, bei vaginalem Geschlechtsverkehr, bei Übergießen der Brüste mit heißem Wachs, beim Urinieren in den Mund sowie beim Ejakulieren ins Gesicht und beim Abkleben von Brüsten mit Klebeband jeweils um geschlechtliche Handlungen handelt, wusste der Beschwerdeführer und kam es ihm auch geradezu darauf an, diese geschlechtlichen Handlungen durch die von ihm jeweils wiederholt getätigten gefährlichen Drohungen zu erzwingen. Auch wusste er, dass G. ab zumindest Beginn des Jahres 2016 durch seine wöchentlichen getätigten gefährlichen Drohungen jeweils Qualen von längerer Dauer, jedenfalls jeweils Tage bis zu Wochen hindurch, nämlich fortwährende Angstzustände und fortwährende Selbstmordgedanken sowie psychische Ausnahmezustände, erlitt, er sie sohin dadurch längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte. Dies wusste er jeweils und fand sich damit auch jeweils ab. Letztlich wusste der Beschwerdeführer, dass er G. durch die jeweils mittels gefährlicher Drohungen mit der Verletzung an der Ehre und des höchstpersönlichen Lebensbereiches abgenötigte Vornahme von geschlechtlichen Handlungen, nämlich die erzwungene anale Eigenpenetration mit einer Klobürste sowie dadurch, dass er S. mittels den genannten gefährlichen Drohungen dazu zwang, seiner Freundin G. in den Mund zu urinieren und ihr ins Gesicht zu ejakulieren, diese besonders erniedrigte. Darauf kam es ihm gerade an und war er im gesamten Zeitraum in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Als mildernd wurde seitens des Strafgerichts im Rahmen der Strafbemessung die reumütige geständige Verantwortung des Beschwerdeführers gewertet, welche wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hatte, während erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und Verbrechen über einen längeren Tatzeitraum sowie eine einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers in Deutschland wegen Körperverletzung berücksichtigt wurden. Überdies wurde die seitens des Beschwerdeführers mit Mai 2017 begonnene psychotherapeutische Behandlung sowie ein von ihm verfasstes Entschuldigungsschreiben an die beiden Tatopfer berücksichtigt und vor diesem Hintergrund eine sechsjährige Freiheitsstrafe als schuld- und tatangemessen erachtet.

Gegen die Strafhöhe erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch die Staatsanwaltschaft XXXX Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck, welches der Berufung des Beschwerdeführers mit Urteil vom 07.06.2018 zur Zl. XXXX teilweise Folge gab und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf fünf Jahre herabsetzte. Inhaltlich führte das Oberlandesgericht aus, dass nach dem Inhalt einer mit der Berufung vorgelegten fachärztlich-psychiatrischen Stellungnahme vom 09.01.2018 beim Beschwerdeführer entsprechend den Kriterien der ISD-10 die Diagnose sexueller Sadismus (F 65.5) gestellt worden sei. Seit 2012 habe sich bei ihm eine mittlerweile stabile deviante Orientierung entwickelt, das heißt, Sexualität sei für ihn ohne den devianten Anteil nicht mehr intensiv genug erlebbar. Dass der Beschwerdeführer deshalb die Taten unter Umständen begangen habe, die einem Schuldausschließungsgrund nahe kommen, seine Schuldfähigkeit also im Grenzbereich zur Zurechnungsunfähigkeit angesiedelt gewesen und demnach qualitativ an der obersten Grenze einer noch verminderten (und nicht bereits ausgeschlossenen) Zurechnungsfähigkeit gelegen sei, könne dem Berufungsvorbringen zuwider daraus nicht abgeleitet werden. Wohl aber sei ihm zuzubilligen, dass er unter dem Einfluss eines abnormen Geisteszustandes im Sinne des § 34 Abs. 1 Z 1 StGB, der auch in einer Besonderheit der Persönlichkeitsstruktur bestehen könne, gehandelt habe. Dabei sei jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass die in einer psychopathischen Veranlagung (z.B. Hang zu schweren sexuellen Perversionen) begründete Tätergefährlichkeit den Milderungsgrund relativiere. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft sei das vom Beschwerdeführer verfasste, an die beiden Tatopfer gesendete Entschuldigungsschreiben im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Soweit die Anklagebehörde „besonders niedrige Beweggründe" geltend mache, sei ihr darin beizupflichten, dass den Tathandlungen ein hoher Gesinnungsunwert zugrunde liege. Dem Einwand des Verteidigers in der Berufungsverhandlung zuwider stelle die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung sehr wohl eine einschlägige Vorstrafe dar. Gewaltdelikte und Sittlichkeitsdelikte würden sich nämlich gleichermaßen gegen die körperliche Integrität des Opfers richten und daher - kriminologisch gesehen - auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen. Als weiterer erschwerender Umstand komme hinzu, dass der Beschwerdeführer mit der Verletzung mehrerer Rechtsgüter, nämlich der Ehre und des höchstpersönlichen Lebensbereiches, gedroht habe. Ziehe man aber das von Anfang an reumütige und wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis des Beschwerdeführers sowie sein positives Nachtatverhalten (regelmäßige psychotherapeutische Behandlung seit Mai 2017, persönlich verfasstes Entschuldigungsschreiben) ins Kalkül, so sei bei entsprechender Gewichtung der ergänzten Strafzumessungsgründe und in Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung nach § 32 StGB eine Reduzierung der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe auf fünf Jahre angezeigt. Eine außerordentliche Strafmilderung durch Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe bzw. durch (teil-)bedingte Strafnachsicht (§ 41 Abs. 1 und Abs. 3 StGB) komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen. Einem Vorgehen nach §§ 43 und 43a (iVm § 41 Abs. 3) StGB stünden überdies bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, gegenständlich auch unter Missbrauch sozialer Medien, in den Vordergrund tretende Aspekte der Generalprävention entgegen.

Seit 19.07.2018 befindet sich der Beschwerdeführer durchgehend in einer Justizanstalt in Strafhaft, wobei er im Wesentlichen wöchentlich von seiner Lebensgefährtin S.P. als auch – seit Mai 2019 – von einem Psychotherapeuten besucht wird. Die Eltern des Beschwerdeführers besuchten ihn einmal im Oktober 2018 und einmal im April 2019, sein Vater überdies ein weiters Mal im September 2019 (jeweils in Begleitung von S.P.) und seine Mutter (alleine) im Mai 2020. Ein weiteres Mal erhielt der Beschwerdeführer im Juni 2019 Besuch von einer Großmutter und einem weiteren Angehörigen aus Deutschland. Andere Bekannte besuchen ihn vereinzelt, jedoch nicht regelmäßig.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer zuvor bereits in Deutschland viermal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt:

1.       Am 11.12.2009 wurde er vom Amtsgericht XXXX zur Zl. 7 XXXX wegen einer in Österreich nicht gerichtlich strafbaren Verwaltungsübertretung („Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“) zu einer Geldstrafe in Höhe von 600 Euro verurteilt.

2.       Am 12.07.2010 wurde er vom Amtsgericht XXXX zur Zl. XXXX wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in der Höhe von 4.500 Euro verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er im Mai 2010 in einem Festzelt versucht hatte, eine andere Person ohne rechtfertigenden Grund zu verletzen, indem er aus einer Entfernung von ca. fünf Metern mit einem Bierkrug nach ihr warf und sie hierbei am Oberschenkel traf.

3.       Am 13.02.2012 wurde er vom Amtsgericht XXXX zur Zl. XXXX wegen des Erschleichens von Leistungen in drei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.350 Euro verurteilt.

4.       Am 07.10.2013 wurde er vom Amtsgericht XXXX zur Zl. XXXX wegen des Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden im Original vorgelegten – und im zentralen Melderegister sowie im Informationsverbund zentrales Fremdenregister vermerkten - deutschen Personalausweises Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Herkunft, seiner Ausbildung, seinem körperlichen Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Dass der Beschwerdeführer in Kontakt zu seinen Angehörigen in Deutschland steht, ergibt sich überdies aufgrund der durch die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Besucherliste der Justizanstalt dokumentierten Besuche seiner Eltern und weiterer Angehöriger.

Dass am Beschwerdeführer nach den Kriterien der ISD-10 die Diagnose sexueller Sadismus (F 65.5) gestellt wurde, ergibt sich aus einer mehrfach im Verfahren in Vorlage gebrachten fachärztlich-psychiatrischen Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 09.01.2018.

Dass er sich seit Mai 2017 – vor und auch während seiner Anhaltung in Strafhaft - in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung befindet, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in Zusammenschau mit vorgelegten Honorarnoten sowie einer Stellungnahme seiner Psychotherapeutin vom November 2017, als auch eines Bestätigungsschreibens eines Psychologen und Psychotherapeuten, welcher den Beschwerdeführer nunmehr seit Mai 2019 einmal wöchentlich in der Haft aufsucht.

Die durchgehende Hauptmeldung des Beschwerdeführers in Österreich bei S.P. seit 06.08.2013 ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister, ebenso wie seine nunmehr seit 19.07.2018 durchgehende Inhaftierung.

Die dem Beschwerdeführer am 09.05.2014 seitens einer Bezirkshauptmannschaft ausgestellte Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ergibt sich aus einer Vorlage derselben, in Zusammenschau mit einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.

Die Feststellungen bezüglich der seit etwa August 2012 bestehenden, nach wie vor aufrechten Beziehung des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen S.P. ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin S.P. im Verfahren. Dass kein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und S.P. besteht, ergibt sich aufgrund dessen, dass sich der Beschwerdeführer – wenngleich er S.P. bis zu seiner Inhaftierung, wie sich aus vorgelegten Überweisungsbestätigungen ergibt, 500 Euro für Miete und Betriebskosten bezahlt hat – seit Juli 2018 durchgehend in Haft befindet und überdies zuletzt im Verfahren angegeben hatte, nur noch über Ersparnisse in Höhe von etwa 2.000 Euro zu verfügen.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich überdies diverse Bekanntschaften geschlossen hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben sowie aus der in Vorlage gebrachten Besucherliste der Justizanstalt, welcher zu entnehmen ist, dass er – abgesehen von den wöchentlichen Besuchen von S.P. und eines Psychotherapeuten – vereinzelt auch Besuche von Bekannten empfangen hat.

Die Erwerbsausübungen des Beschwerdeführers als Arbeiter ab 02.09.2013 für eine Leiharbeitsfirma und in weiterer Folge von 07.01.2014 bis 28.06.2018 bei dem vormaligen Beschäftigungsbetrieb ergeben sich aus in Vorlage gebrachten Unterlagen in Gestalt eines Arbeitsvertrags, Dienstzeugnisses sowie diverser Lohnzettel und Gehaltsabrechnungen, in Zusammenschau mit einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, wodurch sich überdies die Zeiten seines Bezugs von Krankengeld sowie Arbeitslosengeld ergeben. Der Arbeitsvorvertrag des Beschwerdeführers mit einem Unternehmen bezüglich einer Tätigkeit als Hausmeister nach seiner Haftentlassung ergibt sich aus einer Vorlage desselben, datiert mit 05.03.2021.

Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik. Die Feststellungen bezüglich den dieser strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie den Erwägungen des Erst- sowie des Berufungsgerichtes bezüglich der Strafbemessung ergeben sich aus den im Akt enthaltenen Urteilsausfertigungen des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX sowie des Oberlandesgerichts XXXX zur Zl. XXXX .

Seine insgesamt vier rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen in Deutschland ergeben sich aus einem im Akt einliegenden Auszug aus dem europäischen Strafregister ECRIS in Zusammenschau mit den getroffenen Feststellungen im Strafurteil des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX sowie des seitens des Beschwerdeführers in Vorlage gebrachten Strafbefehls des Amtsgerichtes XXXX zur Zl. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 54/2021 lautet:

„(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I. Nr. 87/2012).“

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu vorzunehmen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091, mwN).

§ 67 FPG setzt Art. 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Nach dem 24. Erwägungsgrund der Freizügigkeitsrichtlinie soll der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG und Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205, mwN). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" darstellt.

Die zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit werden nach Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie „von den Mitgliedstaaten festgelegt“. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 AEUV angeführten (also Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität) als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet sind, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und die damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen können, mit denen gemäß Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ausweisungsverfügung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung solcher Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (vgl. EuGH 22.05.2012, C-348/09).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 146/2020 lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Mangels eines zehnjährigen kontinuierlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im vorliegenden Beschwerdefall nicht maßgeblich.

Da der Beschwerdeführer seit 06.08.2013 im Bundesgebiet wohnt und ihm am 09.05.2014 seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Arbeitnehmer" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG ausgestellt wurde, ist zu prüfen, ob ihm aufgrund eines mehr als fünfjährigen, ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalt gemäß § 53a Abs. 1 NAG das Recht auf Daueraufenthalt zukommt (vgl. VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0169, mwN). Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines bereits über fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalts ein Daueraufenthaltsrecht im Sinne des § 53a NAG erworben habe, und zog daher den Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG heran. Sie berücksichtigte jedoch nicht das vom Beschwerdeführer bereits im dritten Jahr seines Aufenthalts gesetzte strafrechtliche Fehlverhalten. Eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG durch diese Straftat wäre dem Fortbestehen des Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 NAG für den Beschwerdeführer und somit auch dem Erlangen eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 53a NAG entgegen gestanden (vgl. VwGH, 16.07.2020, Ra 2019/21/0247 und VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0049, Rn. 16 f). Von einer Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gemäß § 55 Abs. 3 NAG ist im Sinn des Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) dann auszugehen, wenn das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, Rn. 15). Dies ist im Fall der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten zweifelsfrei der Fall. Der Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen war, dass auch der in § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG vorgesehene Gefährdungsmaßstab durch das Handeln des Beschwerdeführers als erfüllt anzusehen wäre, stellt sein Verhalten und somit auch sein Aufenthalt jedenfalls eine "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" dar.

Wie in den Feststellungen unter Punkt II.1. ausführlich dargestellt, wurde der Beschwerdeführer in Österreich aufgrund mehrerer, teils gravierender Vergehens- und Verbrechenstatbestände gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zweier Personen, mit einem überaus hohen Gesinnungsunwert und über einen langen Tatzeitraum, rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG (aber auch des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG) wird im Falle des Beschwerdeführers bereits durch die hohe Sozialschädlichkeit seines strafrechtswidrigen Fehlverhaltens und sein sich daraus ergebendes Persönlichkeitsbild indiziert, wobei u.a. die sexuelle Ausbeutung von Frauen nach Art. 83 Abs. 1 AEUV ausdrücklich jenen Bereichen der besonders schweren Kriminalität zuzurechnen ist, welche eine grenzüberschreitende Dimension haben und für die ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers vorgesehen ist. Daher steht es den Mitgliedstaaten auch frei, Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 AEUV angeführten, als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, bei der die Gefahr der Wiederholung eine unmittelbare Bedrohung der Ruhe und der physischen Sicherheit der Bevölkerung darstellt (vgl. EuGH 22.05.2012, C-348/09). Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits explizit zum Ausdruck gebracht, dass das öffentliche Interesse am Schutz der körperlichen und der sexuellen Integrität anderer Personen hoch zu veranschlagen ist (vgl. VwGH 19.10.2004, 2001/21/0191).

Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des einer negativen Zukunftsprognose entgegenstehenden, längeren Wohlverhaltens eines Fremden ist das für diese als tragend angesehene Fehlverhalten. Dabei fallen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit besonders ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Taten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose gerechtfertigt erscheinen zu lassen und gilt dies umso mehr für strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (vgl. VwGH 06.07.2020, Ra 2019/01/0426, mwN).

Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis nimmt, dass der Beschwerdeführer ab Mai 2017 vor und auch während seiner Anhaltung in Strafhaft freiwillig und regelmäßig psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen hat, so zeigt sich gerade in Zusammenhang mit Sexualdelikten eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit abhängig von verschiedenen Faktoren, wie etwa Unsicherheiten im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit, Zwanghaftigkeit u.dgl. (vgl. dazu Brand, Verurteilte Sexualstraftäter: Evaluation ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, 2005). Die Rückfallquoten von Sexualstraftätern zeigen u.a. bei Missbrauch von Kindern unter zehn Jahren, bei mangelnder Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer, bei geringem oder keinem Alkoholeinfluss bei der Tat, aber auch bei ungünstiger Sozialisation des Täters ein erhöhtes Risiko auf, dass der Sexualstraftäter wieder rückfällig wird (vgl. dazu Jost, Gefährliche Gewalttäter, 2012, Kapitel 5). Bezüglich der Sozialisation des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass er im Verfahren selbst geäußert hatte, bei seiner Großmutter aufgewachsen zu sein und angab, „keinerlei Beziehung“ zu seinen Eltern oder Geschwistern zu haben und dass der Kontakt zu diesen „für mich unrelevant“ sei. Unbestritten weist der Beschwerdeführer überdies bereits vier rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen in Deutschland auf, wobei sich eine davon - wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2010, wo er aus einer Distanz von fünf Metern mit einem Bierkrug nach einem Opfer geworfen hatte - ebenfalls bereits gegen die körperliche Integrität eines Opfers gerichtet hatte und somit, wie auch seitens des Oberlandesgerichts XXXX in der Urteilsbegründung ausgeführt, kriminologisch gesehen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhte wie seine in Österreich verübten Sittlichkeitsdelikte. Nicht zuletzt brachte der Beschwerdeführer selbst einen fachärztlich-psychiatrischen Befund vom 09.01.2018 in Vorlage, wonach an ihm nach den Kriterien der ISD-10 die Diagnose sexueller Sadismus (F 65.5) gestellt worden sei und hat das Oberlandesgericht XXXX im gegebenen Zusammenhang ausdrücklich betont, dass die in einer psychopathischen Veranlagung (z.B. Hang zu schweren sexuellen Perversionen) begründete Tätergefährlichkeit den Milderungsgrund des Einflusses eines abnormen Geisteszustandes im Sinne des § 34 Abs. 1 Z 1 StGB, der auch in einer Besonderheit der Persönlichkeitsstruktur bestehen kann, rel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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