TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/6 W251 2244781-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2021
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Entscheidungsdatum

06.08.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W251 2244781-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Nigeria, vertreten durch RA Mag. Eva VELIBEYOGLU, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zu Zl 780694507 - 210352505 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.08.2008 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zur Gänze abgewiesen. Auch der Folgeantrag vom 20.04.2017 auf internationalen Schutz wurde zur Gänze abgewiesen.

Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mehrfach straffällig und von Strafgerichten verurteilt.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 31.03.2021 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde nach der Entlassung aus der Strafhaft in die Schubhaft überstellt. Er wird seit 07.04.2021 in Schubhaft angehalten.

Er stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes wurde dem Beschwerdeführer der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.05.2021 wurde festgestellt, dass die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig ist.

3. Das Bundesamt überprüfte am 03.05.2021, am 24.06.2021 und am 12.07.2021 die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft.

4. Die nigerianische Botschaft stimmte bereits 2017 sowie am 25.02.2021 der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu.

Eine für den 20.04.2021 geplante Charterabschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da Deutschland, als durchführender Staat, den gegenständlichen Charterflug abgesagt hat. Charterabschiebungen vom 22.06, vom 26.05. sowie vom 27.07.2021 mussten abgesagt werden, da der Beschwerdeführer sich geweigert hat den für die Abschiebung erforderlichen Covid-PCR-Test durchführen zu lassen. Da kein negativer Covid-Test vorlag, konnte für den Beschwerdeführer keine elektronische Anmeldung für den Charterflug erfolgen.

Für August 2021 ist eine erneute Abschiebung des Beschwerdeführers mittels Charter geplant.

5. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 28.07.2021 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur ersten gerichtlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

6. Mit Parteigehör vom 02.08.2021 wurde dem Beschwerdeführer der Schriftsatz des Bundesamtes zur allfälligen Stellungnahme übermittelt. Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme eingebracht.

7. Am 04.08.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführervertreter brachte in der Verhandlung vor, dass im Polizeianhaltezentrum versucht worden sei einen anderen Insassen zu einem COVID-Abstrich zu zwingen. Dies habe den Beschwerdeführer in Furcht versetzt. Er sei in gesundheitlich schlechter Verfassung. Diesbezüglich wurde die Einvernahme von drei weiteren Insassen als Zeugen beantragt, die diesen Vorfall ebenfalls mitbekommen haben. Zudem sei die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht verhältnismäßig, da die Anhaltung in Schubhaft seit der mündlichen Verkündung des faktischen Abschiebeschutzes nicht mehr rechtmäßig sei. Aus der Rechtssache Ro 2019/14/0006 ergebe sich, dass der zweite Folgeantrag des Beschwerdeführers zum inhaltlichen Verfahren zugelassen werden müsse, da noch keine entschiedene Rechtssache vorliege. Der Beschwerdeführer sei daher Asylwerber. Zudem könne über den Beschwerdeführer ein gelinderes Mittel verhängt werden.

8. Der Beschwerdeführer wurde am 05.08.2021 einem Amtsarzt vorgeführt um seinen gesundheitlichen Zustand sowie seine Haftfähigkeit überprüfen zu lassen. Diesbezüglich wurde ein Befund mit Gutachten an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.08.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab als Fluchtgrund an, dass er vor einer militanten Gruppe geflohen sei, die 2007 seinen Vater ermordet habe und Jugendliche unter Zwang rekrutiere.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 27.07.2009 den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.09.2015 als unbegründet ab und verwies das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurück.

Mit Bescheid vom 05.10.2016 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt I.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.02.2017 abgewiesen.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 20.04.2017 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er brachte vor, dass er seit 2017 wisse, dass er homosexuell sei. Er habe Angst in Nigeria als Homosexueller verfolgt zu werden.

Der Beschwerdeführer entzog sich dem Asylverfahren und tauchte unter. Da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht feststellbar war, wurde das Asylverfahren zunächst eingestellt.

In weiterer Folge wurde ein Festnahmeauftrag erlassen. Der Beschwerdeführer konnte am 25.04.2018 im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle wieder aufgegriffen werden. Er wurde in ein Polizeianhaltezentrum gebracht und nach der Durchführung einer Einvernahme zum Asylantrag wieder entlassen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 05.10.2016 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Dem Beschwerdeführer wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.), und gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 04.12.2008 verloren hat (Spruchpunkt IX.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.07.2020 als unbegründet abgewiesen. In der Verhandlung vom 06.07.2020 gab der Beschwerdeführer an bisexuell zu sein bzw. wisse er seit 2016 bzw. 2017, dass er homosexuell sei, sodass ihm Verfolgung in Nigeria drohe.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und mehrfach von Strafgerichten verurteilt.

Er wurde zuletzt am 18.10.2018 festgenommen und in eine Justizanstalt gebracht.

1.5. Während der Anhaltung in Strafhaft beantragte das Bundesamt die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der nigerianischen Botschaft. Die nigerianische Botschaft stimmte am 25.02.2021 der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31.03.2021 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer wird seit 07.04.2021 in Schubhaft angehalten.

Der Beschwerdeführer hat weder eine Beschwerde gegen die Verhängung der Schubhaft noch gegen die bisherige Anhaltung in Schubhaft beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Er hat auch keine Beschwerde betreffend Vorkommnisse oder behauptete Missstände während der Anhaltung in Schubhaft beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

1.7. Der Beschwerdeführer stellte am 16.04.2021 während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

Er gab bei seiner Erstbefragung zum zweiten Folgeantrag an, er sei 2019 in der Strafhaft homosexuell geworden. Dies sei im Herkunftsstaat verboten und mit mehrjähriger Haft oder der Todesstrafe bedroht. Seither verfolge ihn die nigerianische Gemeinschaft in Österreich. Er nehme ferner an, dass ein ehemaliger Mitbewohner innerhalb der „Community“ schlecht über ihn rede und auch verbreitet habe, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr vergewaltigt und aufgehängt werde. Der Beschwerdeführer gab an, diese Fluchtgründe seien ihm seit Ende 2019 bekannt.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt zum zweiten Folgeantrag brachte der Beschwerdeführer am 18.05.2021 vor, schon im Herkunftsstaat versucht zu haben, Teamkollegen im Fußballverein zu berühren, worauf er aus diesem Club hinausgeworfen worden sei. In Österreich habe er Angst gehabt, über seine Homosexualität zu sprechen, und nicht gewusst, wie die Lage Homosexueller hier sei. In afrikanischen Restaurants hier spreche man über seine Homosexualität, und in der Botschaft wisse man auch nicht nur darüber Bescheid, dass er im Gefängnis gewesen sei. Er habe nur deshalb eine Freundin, weil er seinem Cousin beweisen haben wollen, dass er nicht homosexuell sei.

1.8. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 18.05.2021 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.05.2021 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs2 AsylG für rechtmäßig erklärt.

1.9. Eine für den 20.04.2021 geplante Charterabschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da Deutschland, als durchführender Staat, den gegenständlichen Charterflug abgesagt hat.

Charterabschiebungen vom 22.06, vom 26.05. sowie vom 27.07.2021 mussten abgesagt werden, da der Beschwerdeführer sich geweigert hat den für die Abschiebung erforderlichen Covid-PCR-Test durchführen zu lassen. Da kein negativer Covid-Test vorlag, konnte für den Beschwerdeführer keine elektronische Anmeldung für den Charterflug erfolgen.

Für Ende August 2021 ist eine erneute Abschiebung des Beschwerdeführers mittels Charter geplant.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist nigerianischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Er wird regelmäßig von Amtsärzten untersucht und erhält auch die für ihn erforderlichen Medikamente. Es wurde ihm zu keiner Zeit der Zugang zu medizinischer Versorgung verweigert. Der Beschwerdeführer ist haftfähig.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 01.12.2008 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung (§ 27 Abs. 1 Z 1, achter Fall und Abs. 3 SMG; §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB; § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 Z 4 StGB) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteil, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von 6 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer hat einige Tage vor dem 30.10.2008 eine nicht mehr feststellbare Menge an Suchtgiften an unbekannte Abnehmer verkauft. Zudem verkaufte er eine Kugel Heroin und eine Kugel Kokain zum Preis von EUR 20 an eine bestimmte Person. Am 30.10.2008 verkaufte der Beschwerdeführer zumindest zwei Kugeln Suchtgift um EUR 45, die er zuvor einem verdeckten Ermittler zum Preis von EUR 30 bzw. EUR 20 anbot und aus dem Mund spuckte. Der Beschwerdeführer versuchte Polizeibeamte an seiner Identitätsfeststellung und Festnahme zu hindern, indem er einen Polizeibeamten zwei gezielte Faustschläge gegen den Oberkörper versetzte und sich gegen die Umfassung seines Oberkörpers wehrte und sich mit wiederholten gezielten Schlägen und Fußtritten zur Wehr setzte. Durch diese Handlung wurde der Polizeibeamte leicht verletzt.

3.1.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 20.03.2009 wurde der Beschwerdeführer wegen teils versuchten, teils vollendeten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB; § 27 Abs. 1 Z 1, erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer leistete am 12.01.2009 Aufpasserdienste als sein Mittäter eine Kugel mit 0,6 Gramm Kokain und eine Kugel mit 0,8 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler verkaufte. Zudem hielt der Beschwerdeführer noch zusätzlich 5 Kugeln mit insgesamt 3,6 Gramm Kokain sowie ein Baggie mit 1,3 Gramm Marihuana zum Verkauf bereit. Der Beschwerdeführer hat zudem zwischen 02.12.2008 und 11.01.2009 Marihuana und Heroin zum persönlichen Gebrauch besessen.

3.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 08.01.2010 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1, achter Fall und Abs. 3 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat mit einem Mittäter am 19.11.2009 an einen verdeckten Ermittler zwei Kugeln Kokain zu insgesamt 1,8 Gramm zum Preis von EUR 90,00 verkauft.

3.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 07.08.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gewerbsmäßigen vorschriftswidrigen Überlassung von Suchtgiften an andere sowie wegen des Vergehens des vorschriftswidrigen Erwerbes und Besitzes von Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG nach § 27 Abs. 1 Z 1, erster und zweiter Fall SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von März 2013 bis 16.07.2013 insgesamt 180 Gramm Cannabisgras an andere Personen durch gewerbsmäßigen Verkauf überlassen. Der Beschwerdeführer hat zu einem unbekannten Zeitraum 194 Gramm Cannabisgras erworben und bis zum 16.07.2013 besessen.

3.1.5. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 24.04.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG, 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 09.02.2015 Suchtgift besessen und zwar zumindest 288,6 Gramm Heroin und 33,4 Gramm Kokain. Der Beschwerdeführer hat ab dem 16.05.2014 50 Gramm Marihuana an unbekannte Abnehmer gewerbsmäßig überlassen sowie weitere 50 Gramm Marihuana zum persönlichen Gebrauch besessen. Das Gericht wertete die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend.

3.1.6. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 08.02.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels durch Überlassen und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel durch Besitzen (§§ 28a Abs 1 fünfter Fall, § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum Sommer 2018 bis Anfang Oktober 2018 einer anderen Person 35 Gramm Heroin zum Grammpreis von EUR 20 überlassen. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von Anfang 2017 bis Anfang Oktober 2018 einer weiteren Person 40 Gramm Kokain zum Grammpreis von EUR 80 sowie 10 Gramm Heroin zum Grammpreis von EUR 40 überlassen. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von April 2018 bis zum 18.10.2018 unbekannten Abnehmern in mehreren Angriffen 15 Gramm Heroin zum Grammpreis von EUR 20 überlassen. Im Zeitraum von Anfang 2018 bis 18.10.2018 hat der Beschwerdeführer einer weiteren Person sowie unbekannten Abnehmern in mehreren Angriffen zumindest 1.850 Gramm Marihuana zum Grammpreis von EUR 10 überlassen. Der Beschwerdeführer hat am 18.10.2018 insgesamt 110,3 Gramm Heroin, 3 Gramm Kokain sowie 8 Gramm Marihuana besessen um dieses in den Verkehr zu bringen.

3.2. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich seinem zweiten Asylverfahren durch Untertauchen entzogen.

Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften in Österreich nicht ein. Er versucht sich vor den Behörden verborgen zu halten.

3.3. Der Beschwerdeführer verweigerte bisher drei Mal die Durchführung eines Covid-PCR-Tests um eine Abschiebung zu verhindern. Dies ist eine derzeitige und keine jedenfalls zeitlich unbegrenzte Verweigerung.

3.4. Der Beschwerdeführer stellte am 16.04.2021 während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag stellte er ausschließlich in der missbräuchlichen Absicht eine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern.

3.5. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Österreich seinem Asylverfahren entzogen. Der Beschwerdeführer verweigerte bisher drei Mal die Durchführung eines Covid-PCR-Tests um seine Abschiebung zu verhindern. Auch der zweite Folgeantrag wurde während der Anhaltung in Schubhaft ausschließlich aus dem Grund der Verhinderung der Abschiebung gestellt. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.7. Seit 11.01.2021 müssen alle nach Nigeria rückzuführenden Personen ein mehrstufiges Quarantäneprotokoll befolgen. Ein Teil dieses Quarantäneprotokolls verlangt, dass vor dem Abflug ein PCR-Test vorzuweisen ist, der nicht älter als 93 Stunden (vier Tage) alt sein darf. Eine schriftliche Ausfertigung dieses Testergebnisses muss in englischer Sprache als Nachweis bei der Übergabe in Nigeria an die Behörden vorgelegt werden. Die notwendigen Tests werden im Zuge der Anhaltung einige Tage vor dem Charter durch die LPD durchgeführt. Personen die die Durchführung des Tests verweigern, werden in einem anschließenden Gespräch mit der Rückkehrberatung, der Schubhaftbetreuung und im Beisein eines Dolmetschers nochmals aufgeklärt. Durch derartige Gespräche lassen sich manchmal Unklarheiten beseitigen und die Tests werden nachgeholt.

Da – auch auf europäischer Ebene – die Anzahl der Testverweigerer immer mehr zunimmt, um Abschiebungen zu verhindern, werden mehrfach Alternativen implementiert (z.B. durch eine vor oder nach dem Abschiebeflug durchgeführte quarantäneähnliche Unterbringung). Durch bilaterale Gespräche werden Möglichkeiten geschaffen (wie bereits in der Schweiz und in Belgien) auch Testverweigerer in ihre Herkunftsstaaten rückzuführen. Diesbezüglich fanden in den letzten Wochen vermehrt Gespräche mit der nigerianischen Botschaft statt, zuletzt am 03.08.2021. Es ist daher davon auszugehen, dass in der nächsten Zeit Lockerungen zu den verpflichtenden Covid-PCR-Tests als Abschiebevorsausetzungen stattfinden und eine Abschiebung des Beschwerdeführers in einiger Zeit auch ohne Durchführung eines PCR-Test stattfinden kann.

3.8. Der Beschwerdeführer wurde nicht von Mitarbeitern der nigerianischen Botschaft bedroht. Es ist niemandem bekannt, dass der Beschwerdeführer in seinem Asylverfahren in Österreich behauptet hat homosexuell zu sein, um einen Asyltitel zu erlangen.

3.9. Dem Beschwerdeführer drohen bei einer Rückkehr nach Nigeria weder Eingriffe in seine psychische oder physische Integrität noch Misshandlungen oder Verfolgungshandlungen.

3.10. Der Beschwerdeführer wurde während der Anhaltung in Schubhaft weder misshandelt noch bedroht. Bei einer weiteren Anhaltung in Schubhaft droht dem Beschwerdeführer weder ein Eingriff in seine psychische oder physische Gesundheit oder Misshandlungen noch droht ihm die zwangsweise Vornahme eines Covid-PCR-Tests.

3.11. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der Anordnung der Schubhaft mit Bescheid hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend sämtliche Asylverfahren (I419 2198213-1, I419 2198213-2, W211 1408357-1, I411 1408357-2) und das Schubhaftverfahren (W251 2244781-1) und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vorgelegten Unterlagen.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde bereits von der nigerianischen Botschaft identifiziert und es wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesagt.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus den Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 07.04.2021, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

So ist insbesondere dem ärztlichen Befund und Gutachten vom 05.08.2021 zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in einem guten Allgemeinzustand ist und er auch Zugang zu Medikamenten in der Schubhaft hat. Das Gutachten kommt auch zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer haftfähig ist. Die Behauptungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, wonach ihm medizinische Versorgung im Polizeianhaltezentrum verweigert worden wäre, ist daher nicht mit diesem Befund in Einklang zu bringen. Auch aus einem Auszug aus der Krankenakte des Beschwerdeführers, die während der Anhaltung im Polizeianhaltezentrum angelegt und von der Sanitätsstelle geführt wird, ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer am 10.4, 13.04, 31.05 und 28.06. Medikamente verabreicht bzw. zur Eigeneinnahme mitgegeben wurden. Die Angaben des Beschwerdeführers zu einer mangelnden Behandlung und mangelnden medizinischen Versorgung im Polizeianhaltezentrum sind daher nicht glaubhaft. Dem Beschwerdeführer wurde zu keinem Zeitpunkt eine erforderliche medizinische Behandlung verweigert.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers und, dass er sich bereits dem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.3. Die Feststellung zu den fehlenden behördlichen Wohnsitzmeldungen ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR.

2.4. Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.5. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen, insbesondere aus der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen.

2.6. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft (der Verhinderung der Abschiebungen durch Verweigerung des PCR-Tests; Stellung eines weiteren Folgeantrages während der Anhaltung in Schubhaft um seine Abschiebung zu verhindern) und aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits einmal dem Asylverfahren entzogen hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

27. Der Beschwerdeführer wurde während der Anhaltung in Schubhaft weder misshandelt noch bedroht. Bei einer weiteren Anhaltung in Schubhaft droht dem Beschwerdeführer weder ein Eingriff in seine psychische oder physische Gesundheit oder Misshandlungen noch droht ihm die zwangsweise Vornahme eines Covid-PCR-Tests.

Der Beschwerdeführervertreter gab zwar in der Verhandlung an, dass der Beschwerdeführer einen Vorfall beobachtet hätte, bei dem ein anderer Insasse zu einem PCR-Test hätte gezwungen werden sollen. Der Beschwerdeführer selber schilderte jedoch in seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht einen derartigen Vorgang überhaupt nicht.

So machte der Beschwerdeführer jedoch auf konkrete Befragung in der Verhandlung folgende Angaben (VP S. 9):

„R: Gibt es aus Ihrer Sicht Gründe, die gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft sprechen?

BF: Ich habe Probleme mit meinem Magen und meiner Verdauung. Aber Sie als Richterin können nur entscheiden, ich habe nicht das Recht dazu zu entscheiden.

R: Möchten Sie noch irgendetwas angeben, dass für Ihr Verfahren wichtig ist, dass Sie bis jetzt noch nicht angegeben haben?

BF: Mein wichtiges Problem ist, dass ich mich erinnern kann, als ich außerhalb lebte, dass ich mit jemanden zusammengelebt habe und diese Person den Leuten draußen gesagt hat, dass ich homosexuell bin. Dies war mein Mitbewohner. In dieser Weise hat er die Leute gegen mich aufgebracht.“

Der Beschwerdeführer äußerte selber zu keinem Zeitpunkt, dass er Misshandlungsvorfälle erlebt hätte oder ihm während der Anhaltung in Schubhaft derartiges drohen würde. Zudem legte die LPD in einer Stellungnahme nachvollziehbar dar, dass PCR-Tests ausschließlich in den Untersuchungsräumen der Sanitätsstelle vorgenommen werden und zwar vom Amtsarzt oder von geschulten Sanitätern. Während Behandlungen in der Sanitätsstelle sind keine anderen Personen in den Untersuchungsräumen anwesend, sodass auch diesbezüglich das Vorbringen des Beschwerdeführervertreters, wonach ein Versuch eines zwangsweisen Abstrichs von drei anderen Insassen beobachtet worden wäre, nicht plausibel ist.

Es war daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer bei einer weiteren Anhaltung in Schubhaft weder Misshandlungen noch Eingriffe in seine körperliche Integrität drohen.

2.8. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren, zu den versuchten Abschiebungen und zu den zu erwartenden Lockerungen betreffend die Abschiebemöglichkeiten ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen (insbesondere OZ 14).

Der Beschwerdeführer kann durch Mitwirkung beim PCR-Test die Anhaltung in Schubhaft selber möglichst kurz halten.

2.9. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sich derzeit ausschließlich aus dem Grund weigert, einen Covid-Test zu machen um seine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdeführer gab jedoch auch an, dass er bereit sei mit Behörden zu kooperieren. Daraus kann geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer sich nicht grundsätzlich jeder behördlichen Anordnung verweigert. Der Beschwerdeführervertreter beantragte in der Verhandlung zudem die Verhängung eines gelinderen Mittels. Dies setzt jedoch eine Kooperationsbereitschaft voraus. Eine vehemente Weigerung des Beschwerdeführers einen Covid-PCR-Test durchzuführen, die jedenfalls bis zum Ende der Schubhaftdauer anhalten werde, kann derzeit dem Verhalten des Beschwerdeführers (noch) nicht entnommen werden. Für das Gericht ist derzeit, nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers, den Ausführungen des Beschwerdeführervertreters zur Anwendbarkeit eines gelinderen Mittels und auf Grund des bisher erst seit kurzem verstrichenen Zeitraums seit der Anhaltung in Schubhaft nicht erkennbar, dass es sich um eine vehemente, jedenfalls bis zum Erreichen der höchstzulässigen Schubhaftdauer andauernde, Verweigerung des Covid-PCR-Tests handelt.

2.10. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung betreffend die Vorführung zur nigerianischen Botschaft Folgendes an (S 9): „Das letzte Mal im Februar hat die nigerianische Botschaft gesagt, dass ich Schande über Nigeria gebracht habe. Der Mann von der Botschaft hat mir gesagt, dass er viel über mich gehört hat. Ich weiß jedoch nicht ob er damit meine Vorstrafen gemeint hat, oder den Umstand, dass ich homosexuell bin. Der Mann von der Botschaft hat allerdings gesagt, dass er dafür sorgen wird, dass ich nach Nigeria abgeschoben werde und das hat bei mir viel Stress ausgelöst.“

Bei einer Einvernahme vor dem Bundesamt am 18.05.2021 gab der Beschwerdeführer an (Protokoll 18.05.2021, S. 4): „Ja. Als ich bei der nigerianischen Botschaft war, hat mich ein Mitarbeiter dort angeschrien. Er versuchte mich ein wenig einzuschüchtern und er meinte auch, dass ich den Ruf Nigerias Schaden zufügen würde und dass man nun genug von mir haben würde. Als ich dann von der Botschaft zurückgekommen bin, begann ich nachzudenken und ich fragte mich, was nun mit mir geschehen würde. Ich habe versucht sehr gründlich nachzudenken.“

Bei der Erstbefragung zum 2. Folgeantrag am 17.04.2021 gab der Beschwerdeführer zu seinen Rückkehrbefürchtungen Folgendes an: „Ich bin 2019 homosexuell geworden, während meines Aufenthalts im Gefängnis in Linz. Seitdem werde ich von der nigerianischen Gemeinschaft in Österreich verfolgt. Mein ehemaliger Mitbewohner, XXXX (38-40 Jahre alt) beschmutzte meinen Namen innerhalb der Community und dürfte gesagt haben, wenn ich einmal nach Nigeria zurückkehren sollte, werde ich dort vergewaltigt und aufgehängt. In meiner Heimat ist Homosexualität verboten, dafür gibt es mehrjährige Haftstrafen bzw. auch die Todesstrafe.“

Hier fällt zunächst aus, dass die Vorführung zur Botschaft im Februar 2021 stattfand. Bei der Erstbefragung zum ersten Folgeantrag am 17.04.2021 gab der Beschwerdeführer jedoch nicht an, dass er von Mitarbeitern der nigerianischen Botschaft bedroht worden wäre und ihm daher in Nigeria eine Verfolgung drohen würde. Auch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt zum Folgeantrag äußerte der Beschwerdeführer aufgrund der Vorführung zur nigerianischen Botschaft bzw. der dort durchgeführten Befragung keine Verfolgungsbefürchtungen. Dies äußerte der Beschwerdeführer erst zu einem späteren Zeitpunkt, sodass seine diesbezüglichen Angaben eine unglaubhafte Steigerung darstellen und schon aus diesem Grund nicht glaubhaft sind.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zudem zum Gespräch mit der Botschaft an: „Ich weiß jedoch nicht ob er damit meine Vorstrafen gemeint hat, oder den Umstand, dass ich homosexuell bin.“ Hier fällt auf, dass der Beschwerdeführer nur Spekulationen anführt und er tatsächlich nicht weiß, wie der Mitarbeiter der Botschaft den vermeintlichen Satz, dass „ich den Ruf Nigerias Schaden zufügen würde und dass man nun genug von mir haben würde“ tatsächlich gemeint hätte. In einer undatierten Stellungnahme des Beschwerdeführervertreters vom 04.08.2021 ist jedoch zu entnehmen, dass der Botschaftsmitarbeiter angedeutet habe, dass er sowohl über seine Vorstrafen als auch über seine sexuelle Orientierung Bescheid wisse. Auch hier sind die spekulativen Angaben nicht in Einklang zu bringen.

Dem behaupteten Satz des Mitarbeiters der Botschaft, der nach Angaben des Beschwerdeführervertreters eine Drohung sei, ist zudem überhaupt keine Drohung mit Sanktionen zu entnehmen.

Zudem fällt auf, dass der Beschwerdeführer die Angaben zu diesem angeblichen Vorfall in der mündlichen Verhandlung sehr oberflächlich und vage hielt. Diese Angaben des Beschwerdeführers machten nicht den Eindruck, als würde es sich um tatsächliche Ereignisse handeln, sondern um eine erfundene Angabe um auch weiterhin eine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern.

Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt von Mitarbeitern der Botschaft bedroht wurde.

2.11. Dem Beschwerdeführer droht auch bei einer Abschiebung nach Nigeria keine Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit, Misshandlung oder Verfolgung.

Der Beschwerdeführer brachte bereits seit seinem ersten Folgeantrag vor, dass er homosexuell sei. Dieser Asylgrund wurde bereits vom Bundesamt sowie vom Bundesverwaltungsgericht überprüft. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht homosexuell ist.

Während der Anhaltung in Schubhaft stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag. Bei der Erstbefragung gab er an, dass er homosexuell sei und ihm daher eine Verfolgung in Nigeria drohe. Der Beschwerdeführer erstattete daher im Kern das gleiche Vorbringen wie beim ersten Folgeantrag. Auch bei der Überprüfung der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht wurde mit Beschluss vom 20.05.2021 festgestellt, dass der zweite Folgeantrag durch das Bundesamt zurückzuweisen sein wird, da der Beschwerdeführer keinen Fluchtgrund behauptet hat, der seit der Entscheidung seines ersten Asylverfahrens nicht behauptet wurde, bzw. danach entstanden sei oder bekannt geworden wäre. Gegen diesen Beschluss wurden keine Rechtsmittel erhoben.

Betreffend die behauptete Bekanntwerdung seiner Homosexualität in der nigerianischen Community ist zudem auszuführen, dass der Beschwerdeführer auch diesbezüglich mehrfach widersprüchliche Angaben gemacht hat. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragug zum zweiten Folgeantrag an: „Ich bin 2019 homosexuell geworden, während meines Aufenthalts im Gefängnis in Linz. Seitdem werde ich von der nigerianischen Gemeinschaft in Österreich verfolgt. Mein ehemaliger Mitbewohner, XXXX (38-40 Jahre alt) beschmutzte meinen Namen innerhalb der Community und dürfte gesagt haben, wenn ich einmal nach Nigeria zurückkehren sollte, werde ich dort vergewaltigt und aufgehängt.“

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch Folgendes an (VP S. 9f):

R: Möchten Sie noch irgendetwas angeben, dass für Ihr Verfahren wichtig ist, dass Sie bis jetzt noch nicht angegeben haben?

BF: Mein wichtiges Problem ist, dass ich mich erinnern kann, als ich außerhalb lebte, dass ich mit jemanden zusammengelebt habe und diese Person den Leuten draußen gesagt hat, dass ich homosexuell bin. Dies war mein Mitbewohner. In dieser Weise hat er die Leute gegen mich aufgebracht.

R: Wie hieß diese Person?

BF: Ich erinnere mich, XXXX .

R: Wie hieß er noch?

BF: XXXX . Er hat das den anderen Leuten erzählt, die Nigerianer erkennen mich, sie schauen mich komisch an und sie diskriminieren mich auch.

R: Wann war das?

BF: Es war zwischen 2016, 2017 und 2018.“

Während der Beschwerdeführer in der Erstbefragung zum zweiten Folgeantrag angab, dass er seit 2019 von der nigerianischen Community „verfolgt“ werde, behauptete er in der mündlichen Verhandlung, dass dies seit 2016, 2017 bzw. 2018 der Fall sei. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht in Einklang zu bringen und unglaubwürdig. Es ist diesen Angaben nicht einmal ein glaubhafter Kern zu entnehmen. Zudem wurde der Beschwerdeführer im Oktober 2018 aufgrund seiner Straftaten inhaftiert und anschließend direkt in Schubhaft überstellt. Dass er daher „draußen“, also außerhalb der Schubhaft oder Strafhaft von der nigerianischen Community diskriminiert, angefeindet oder „komisch angeschaut“ worden wäre, ist daher auch aus diesem Grund nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner unglaubhaften Angaben und seiner wiederholten Versuche durch weitere Asylanträge und Behauptungen seine Abschiebung zu vereiteln als Person unglaubwürdig.

Es war daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht homosexuell ist und er dies nur behauptet hat um eine Abschiebung nach Nigeria zu vereiteln. Es ist zudem niemandem – weder in Österreich noch in Nigeria – bekannt, dass der Beschwerdeführer im österreichischen Asylverfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels behauptet hat homosexuell zu sein. Ihm drohen daher keine Eingriffe in seine körperliche Integrität oder Verfolgungshandlungen bei einer Abschiebung nach Nigeria.

2.12. Aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, der versucht durch weitere Behauptungen sowie Asylanträge seine Abschiebung zu vereiteln, ergibt sich auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den zweiten Folgeantrag ausschließlich in der missbräuchlichen Absicht gestellt hat, seine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern. Bei der Erstbefragung zum zweiten Folgeantrag gab er ausschließlich an, dass er wegen seiner behaupteten Homosexualität in Nigeria verfolgt werde. Dieser Asylgrund wurde jedoch bereits im Verfahren über seinen ersten Folgeantrag geprüft. Über diesen Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.07.2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Beschwerdeführer bereits ca. 12 Jahre im Bundesgebiet auf und er war ca. 28 Jahre alt. Er war daher in der Lage alles zu seinem Asylantrag und zu seiner Beschwerde vorzubringen. Die von ihm behauptete Verfolgung aufgrund seiner behaupteten Homosexualität wurde vom Gericht überprüft und festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht homosexuell ist.

Der Beschwerdeführer machte daher bei seinem zweiten Folgeantrag keine neuen Verfolgungsgründe geltend. Wie sich aus seinem sonstigen Verhalten ergibt, versucht der Beschwerdeführer seine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern. Es besteht daher kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer den zweiten Folgeantrag ausschließlich zur Verhinderung bzw. Verzögerung seiner Abschiebung nach Nigeria stellte.

2.13. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 07.04.2021 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.14. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

Auch dem Beweisantrag des Beschwerdeführervertreters zur Einvernahme von drei Zeugen, betreffend eine angebliche Misshandlung eines anderen Insassen in der Vergangenheit im Polizeianhaltezentrum war nicht zu folgen. Es ist nicht ersichtlich, für welches Beweisthema dies relevant sei. Es ist beim Bundesverwaltungsgericht weder eine Schubhaftbeschwerde noch eine Beschwerde betreffend sonstige Vorkommnisse während der Anhaltung in Schubhaft anhängig. Es sind vom Gericht daher auch keine Vorkommnisse während der Anhaltung in Schubhaft betreffend einen anderen Insassen in diesem Verfahren auf Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit zu überprüfen. Dass dem Beschwerdeführer während der weiteren Anhaltung in Schubhaft Misshandlungen drohen würden und dies einer weiteren Anhaltung in Schubhaft entgegenstehen würde oder er diesbezügliche Befürchtungen habe, wurde von diesem auf Befragung durch die Richterin in der mündlichen Verhandlung auch nicht behauptet. Es konnte daher die Einvernahme von Zeugen unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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