TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/12 W234 2209578-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2021
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Entscheidungsdatum

12.05.2021

Norm

ABGB §1330
B-VG Art133 Abs4
KOG §36
ORF-G §1 Abs3
ORF-G §10 Abs1
ORF-G §10 Abs6
ORF-G §35
ORF-G §36 Abs1 Z1 lita
ORF-G §37 Abs4
ORF-G §4 Abs4
ORF-G §4 Abs5 Z2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W234 2209578-1/9E

W234 2230689-1/6E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Beisitzerin und den Richter Mag. Eduard Hartwig PAULUS als Beisitzer über die Beschwerden von XXXX und XXXX , beide vertreten durch RA Dr. Niki HAAS (unter Beteiligung der mitbeteiligten Parteien Österreichischer Rundfunk und dessen Generaldirektor XXXX ), gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom XXXX , XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 10.07.2018 erhoben XXXX (im Folgenden „erstbeschwerdeführende Partei“) und XXXX (im Folgenden „zweitbeschwerdeführende Partei“) Beschwerde bei der Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden „belangte Behörde“) gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. a ORF-G. Demnach sei es am XXXX im Fernsehprogramm „ XXXX “ ab XXXX Uhr zur Veröffentlichung der (zuvor aufgezeichneten) Fernsehsendung „ XXXX “ gekommen, welche daran anschließend eine Woche lang auch auf der unter XXXX erreichbaren Website veröffentlicht worden sei.

In der Sendung sei auch XXXX zu Wort gekommen, der unter anderem Folgendes gesagt habe:

„Und jetzt unter der Regierung XXXX weiß man ja, dass das Dreckskerle sind und dass die auch nicht in die Regierung kommen, weil sie das Gemeinwohl verbessern wollen oder irgendwie für den Staat arbeiten. Die wollen ja nur Macht ausüben, Macht und Kontrolle, und aufgrund ihrer Ämter und ihrer Funktionen können sie das.“

Der Österreichische Rundfunk (im Folgenden „mitbeteiligte Partei“) habe zugelassen, dass über die beschwerdeführenden Parteien Beschimpfungen (§ 115 Abs. 1 StGB, § 1330 Abs. 1 ABGB; „Dreckskerle“) und ehrenrührige Tatsachenbehauptungen (§ 111 Abs. 1 und 2 StGB, § 1330 Abs. 2 ABGB; „[…] dass die auch nicht in die Regierung kommen, weil sie das Gemeinwohl verbessern wollen oder irgendwie für den Staat arbeiten. Die wollen ja nur Macht ausüben, Macht und Kontrolle […]“) verbreitet worden seien. Hierdurch habe die mitbeteiligte Partei gegen § 4 Abs. 4 und § 10 Abs. 1 ORF-G verstoßen. Durch diese Rechtsverletzungen seien die beschwerdeführenden Parteien unmittelbar geschädigt worden (§ 36 Abs. 1 Z 1 lit. a ORF-G).

Die beschwerdeführenden Parteien stellten daher an die belangte Behörde die Anträge, sie möge

-        feststellen, dass die mitbeteiligte Partei § 4 Abs. 4 und § 10 Abs. 1 ORF-G verletzt habe, weil in der Veröffentlichung der Fernsehsendung „ XXXX “ sowohl im Fernsehprogramm „ XXXX “ als auch auf der unter XXXX erreichbaren Website die zitierte Wortmeldung von XXXX enthalten war,

-        der mitbeteiligten Partei die Veröffentlichung dieser Entscheidung im Fernsehprogramm „ XXXX “ und auf der genannten Website auftragen.

2. Dazu nahmen die mitbeteiligten Parteien mit Schreiben vom 08.08.2018 Stellung. Einleitend wurde dabei ausgeführt, dass die besagte Sendung „live on tape“ produziert worden sei. Dies bedeute, dass die Sendung (obwohl aufgezeichnet) nicht geschnitten werde. Die Gäste würden einen Vertrag unterschreiben, in dem festgehalten werde, dass ihre Äußerungen unverändert verwendet würden. Durch diese Methode solle ein möglichst hoher Grad an Authentizität erreicht werden.

XXXX sei weder dazu eingeladen noch danach gefragt worden, die Arbeit der Bundesregierung zu beurteilen. Als er beim Thema Sicherheit und Sicherheitsempfinden unaufgefordert begonnen habe, die Regierung anzugreifen, sei er umgehend darauf hingewiesen worden, dass in der gegenständlichen Sendung kein Streitgespräch dazu geführt werde und auch niemand von der Bundesregierung eingeladen sei, der dazu etwas entgegnen könne. Am Ende der Sendung habe die Moderatorin nochmals ausdrücklich eine Entschuldigung und Distanzierung ausgesprochen.

Im vorliegenden Fall habe die Moderatorin unmittelbar nach der inkriminierten Äußerung darauf Bezug genommen, sich davon distanziert und weiters klargestellt, dass in der Sendung niemand von den Betroffenen anwesend sei, der darauf replizieren könne. Sie habe zudem XXXX – entgegen dem sonstigen Sendungskonzept – während seiner Wortmeldung sofort und mehrmals unterbrochen; dies mit der Absicht, weitere Äußerungen dieser Art zu verhindern, was durchaus erfolgreich gewesen sei. Die Moderatorin habe daher ihre Rolle exakt so wahrgenommen, wie dies die Rsp des Verwaltungsgerichtshofes gebiete (VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074).

Darüber hinaus seien die Grenzen akzeptabler kritisch-provokanter Meinungsäußerungen bei Personen des öffentlichen Lebens (um solche handle es sich bei Mitgliedern der Bundesregierung) weiter gezogen als bei Privatpersonen. Insofern müssten „public figures“ im Interesse einer freien öffentlichen Debatte schärfere Angriffe hinnehmen als Privatpersonen.

Hinsichtlich der vorgebrachten Verletzung des § 10 Abs. 1 ORF-G führten die mitbeteiligten Parteien aus, dass der Schutzzweck dieser Bestimmung die Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte der von einer Sendung Betroffenen, aber auch der Medienkonsumenten sei. Diese Bestimmung werde durch den Katalog des § 10 ORF-G konkretisiert. Gemäß Abs. 6 leg cit seien insbesondere die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen zu achten. Diese Bestimmungen würden auf die Intimsphäre verletzende Äußerungen abstellen. Um solche handle es hier keinesfalls, weil hier das politische Handeln kritisiert werde.

Die mitbeteiligten Parteien stellten den Antrag, die vorliegende Beschwerde abzuweisen.

3. In einer Replik vom 04.09.2018 führten die beschwerdeführenden Parteien aus, dass es jedenfalls unzulässig sei, polemische oder unangemessene Formulierungen, also solche, die eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und in denen es erkennbar darum geht, jemanden bloßzustellen, zu tätigen.

Ziel der Äußerung von XXXX sei eine solche Bloßstellung gewesen, sodass § 4 Abs. 4 und 5 ORF-G verletzt worden sei. Die Distanzierung der Moderatorin sei dabei irrelevant. Denn es wäre problemlos möglich gewesen, die inkriminierte Äußerung vor der Ausstrahlung der Sendung herauszuschneiden.

Darüber hinaus gelte auch bei Werturteilen gegenüber Politikern, dass diese ohne hinreichendes Tatsachensubstrat oder bei Wertungsexzessen nicht vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt seien. Zudem sei dabei ein Konnex zu einer politischen bzw. im allgemeinen Interesse liegenden Debatte erforderlich. Da dieser Konnex hier allerdings nicht auszumachen sei, müssten sich auch Politiker nicht mehr gefallen lassen als jeder andere Bürger. Im Ergebnis sei die inkriminierte Äußerung daher nicht von Art. 10 EMRK gedeckt.

4. Mit ergänzender Stellungnahme vom 28.09.2018 wiesen die mitbeteiligte Parteien darauf hin, dass wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes auch ein Verfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen einer behaupteten Verletzung von § 6 MedienG anhängig gemacht worden sei. Der medienrechtliche Entschädigungsantrag sei dabei in erster Instanz abgewiesen worden. In der mündlichen Urteilsbegründung sei im Wesentlichen darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handle und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden habe.

5. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wurde die Beschwerde durch die belangte Behörde als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde eingangs auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach sich ihre Zuständigkeit auf Feststellungen von Verletzungen des ORF-G beschränke. Die Beurteilung, ob zivil- oder strafrechtliche Vorschriften verletzt worden sein, obliege den ordentlichen Gerichten und stelle keine für die Vollziehung des ORF-G präjudizielle Rechtsfrage dar.

Zur gerügten Verletzung des § 4 Abs. 4 ORF-G, wonach sich Sendungen durch hohe Qualität auszuzeichnen haben, führte die belangte Behörde aus, dass darunter eine programmatische Leitlinie des Programms zu verstehen sei und daher kein Rechtsanspruch normiert werde.

Zu einem möglichen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 ORF-G hielt die belangte Behörde fest, dass der Schutzzweck dieser Bestimmung im Schutz der Menschenwürde und der Intimsphäre der Betroffenen liege. Die inkriminierten Aussagen hätten sich allerdings auf die beschwerdeführenden Parteien als Mitglieder der Bundesregierung und daher auf ihre politische Funktion bezogen; sie würden insofern nicht ihre Intimsphäre berühren, weshalb § 10 Abs. 1 erster Fall ORF-G nach Ansicht der belangten Behörde nicht verletzt sein könne. Zu prüfen sei weiters, ob die Grundrechte der beschwerdeführenden Parteien bzw. deren Persönlichkeitsrechte (§ 10 Abs. 6 ORF-G) geachtet worden sein. § 10 ORF-G normiere weder einen absoluten Vorrang der Rundfunk- und Meinungsfreiheit noch der Grundrechte anderer, vielmehr sei eine Abwägung zwischen der Rundfunk- und Meinungsfreiheit einerseits und dem kollidierenden Grundrecht (in diesem Fall jenes auf Schutz des Privat- und Familienlebens) andererseits vorzunehmen.

Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen das Objektivitätsgebot gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die inkriminierten Passagen im Rahmen eines – vom Gegenstand der inkriminierten Sendung umfassten – Beitrages eines betroffenen Kulturschaffenden zu einer politischen Debatte im öffentlichen Interesse (Kulturpolitik bzw. Kulturbegriff) gefallen seien. Die mitbeteiligten Parteien hätten sich zudem keineswegs mit den Äußerungen identifiziert, sondern sich im Gegenteil ausdrücklich davon distanziert. Außerdem hätte ein allfälliges Schneiden der inkriminierten Stellen dazu geführt, dass dieser Beitrag zur öffentlichen Diskussion nicht oder für die Zuseher lediglich unvollständig wiedergegeben hätte werden können. Insgesamt gehe die belangte Behörde vor diesem Hintergrund davon aus, dass im konkreten Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und das Recht auf freie Meinungsäußerung der mitbeteiligten Parteien durch die Ausstrahlung der ungeschnittenen Sendung die Interessen der beschwerdeführenden Parteien überwiegen würden.

6. Dagegen wurden mit Schriftsatz vom 02.11.2018 gleichlautende Beschwerden erhoben. Dabei wurden im Wesentlichen die schon im Verwaltungsverfahren eingenommenen rechtlichen Standpunkte der beschwerdeführenden Parteien wiederholt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zu den beschwerdeführenden Parteien:

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der verfahrensgegenständlichen Sendung war die erstbeschwerdeführende Partei Bundesminister für XXXX .

Die zweitbeschwerdeführende Partei war bei Veröffentlichung der Sendung Bundesministerin für XXXX .

Beide gehören der XXXX an ( XXXX ).

1.2. Zum Sendungskonzept der Sendung „ XXXX “:

Die Sendung „ XXXX “ wird vom Österreichischen Rundfunk auf der Webseite XXXX wie folgt beschrieben:

„ XXXX lädt wöchentlich große Persönlichkeiten des Jetzt zum Gespräch und nimmt das Publikum mit auf eine sehr persönliche Reise ins Spannungsfeld zwischen Geschichte und Zukunft, zwischen Resümee und Vision, zwischen Erfahrungsschatz und unbekümmertem Zukunftsglauben. Ein Feld, das die Gäste und ihre jeweilige Geschichte vorgeben – denn die Persönlichkeit ist Zentrum des Gesprächs über Leben, Erfahrungen, Haltungen und kühne Zukunftsvisionen und gesellschaftlich relevante Themen. Es geht um konkrete persönliche Erfahrungen und ihre Aufarbeitung. Alles was die Gäste bewegt, kann zur Sprache kommen. Sie werden dort abgeholt, wo sie derzeit stehen und persönlich Perspektiven auftun. Im Mittelpunkt stehen persönliche Lebenswege und die Erkenntnisse daraus.

Die Moderatorin XXXX steht für Kompetenz, Glaubwürdigkeit, Offenheit und Neugier. Sie sucht nicht die Konfrontation, sie entdeckt den Menschen hinter der Persönlichkeit. Alles was die Gäste bewegt, kann zur Sprache kommen – ihre Geschichte, ihre Zukunftsbilder. Spannung und Unterhaltung garantiert auch die Konstellation der Gäste untereinander. Der Spannungsboden reicht von jenen, die großen Erfahrungsschatz haben, zu jenen, deren größtes Gut der unverbrauchte Blick und die unverstellte Hoffnung auf kühne Zukunftsvisionen ist. Bei ‚ XXXX ‘ trifft Erfahrung auf Neues, finden die großen Themen unserer Zeit und die scheinbar privaten Ereignisse der Gäste zu einem interessanten Ganzen zusammen.“

Die Sendung folgt dem Konzept „live on tape“. Deswegen wird die Sendung (trotz Aufzeichnung) nicht geschnitten, wodurch ein hohes Maß an Authentizität erreicht werden soll. Dazu willigen die geladenen Gäste vertraglich ein, dass ihre Äußerungen wie gefallen verwendet werden.

1.3. Zur verfahrensgegenständlichen Sendung vom XXXX :

Am XXXX wurde im Fernsehprogramm „ XXXX “ ab ca. XXXX Uhr die verfahrensgegenständliche Sendung ausgestrahlt. Dabei wurden die an dieser Sendung teilnehmenden Gäste zu Beginn von der Moderatorin XXXX wie folgt vorgestellt:

„Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren, schön, dass Sie dabei sind und ich freue mich heute auf diese Gäste:

XXXX gilt als genialer, aber auch mitunter als gefürchteter Schauspieler und Theatermacher. Ab Mitte Juli ist seine Produktion von XXXX ‚Die letzten Tage der Menschheit‘ zu sehen. Und im August feiert der 60-jährge nicht nur das 500. Jubiläum seines Stückes ‚Alma‘, er wird auch heiraten.

XXXX ist Psychiater und Theologe. Er meint, das Christentum ist die unbekannteste Religion überhaupt. In seinem neuen Buch erzählt er Skandalen aus 2000 Jahren Kirchengeschichte und fragt: ‚Taugt das Christentum noch als Fundament für das zukünftige Europa?‘

Die Wienerin XXXX ist Extremismus- und Terrorismusforscherin. In ihrem Buch mit dem Thema ‚Wut‘ schreibt sie auch über ihre Undercover-Recherchen bei islamistischen und rechtsextremen Gruppierungen. Wie geht die 26-Jährige, die auch manchmal unter Polizeischutz steht, mit Bedrohungen um und warum setzt sie sich dieser Gefahr aus?

In Salzburg wird XXXX einfach nur die Präsidentin genannt, steht sie doch seit 23 Jahren an der Spitze der Salzburger Festspiele. Was treibt die ehemalige Journalistin, Politikerin und Unternehmerin, die vor Kurzem ihren 70. Geburtstag gefeiert hat, bis heute an?

Das sind heute meine Gäste, herzlich willkommen!“

Im folgenden Gespräch werden, teilweise durch die Gesprächsteilnehmer selbst, teilweise durch die Moderatorin, verschiedene Themen wie Lebensglück, XXXX Inszenierung der letzten Tage der Menschheit, die Wirkung der Kunst auf das Publikum, Inszenierung in extremistischen Strömungen, die Extreme im Lebens des XXXX , Genie und Wahnsinn, Verdrängung als Überlebensstrategie, die Salzburger Festspiele sowie die Angewiesenheit des Kunstbetriebs auf Spenden und Förderungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten angeschnitten.

Beim letztgenannten Thema beklagt XXXX unter anderem, dass Künstler heutzutage 80 % ihrer Zeit für „das Aufstellen von Geld“ zur Finanzierung von Projekten aufwenden müssten. Er selbst habe für seine aktuelle Produktion „Die letzten Tage der Menschheit“, die mehr als eine halbe Million Euro gekostet habe - abgesehen von einer Förderung der Stadt Wiener Neustadt, welche sich nach Abzug der von dieser eingehobenen Lustbarkeitssteuer auf € 728,75 belaufen habe - keine öffentlichen Förderungen erhalten.

Danach werden der Zeitbegriff, das Diesseits und Jenseits, der Feminismus sowie die Bereiche Extremismusforschung, Bedrohung und Angst, Ausformungen von Extremismus, Wut und Radikalisierung sowie Sicherheit und subjektives Sicherheitsgefühl thematisiert.

Ab ca. Minute 43:21 der Aufzeichnung finden sich die folgenden Passagen:

Moderatorin: „Machen Sie sich diese Gedanken? Haben Sie Angst? Meiden Sie größere Menschenansammlungen?“

XXXX : „Ja meine geistige. Ich mache mir Sorgen um meine geistige Sicherheit. Die Körperliche ist sicherlich wichtig, die Geistige ist mir wichtiger. Und jetzt unter der Regierung XXXX weiß man ja, dass das, dass das Dreckskerle sind und dass die ja auch nicht an die Regierung kommen, weil sie das Gemeinwohl verbessern wollen oder irgendwie für den Staat arbeiten. Die wollen ja nur Macht ausüben, Macht und Kontrolle und aufgrund ihrer Ämter und ihrer Funktionen können sie das. Bei der XXXX wusste man es schon. Da hat sich ja ...“

Moderatorin: „Ja aber ...“

XXXX : „Ja, aber Sie können do net einen Politiker als ‚Dreckskerl‘ bezeichnen.“

XXXX : „Kann ich schon. Da hat sich ja bei dem Landeshauptmann, dem berühmten von Kärnten, posthum herausgestellt, dass er ein Schwerverbrecher war. Der müsste ja jetzt ins Gefängnis ...“

Moderatorin: „Aber ...“

XXXX : „Moment, ich komme ja jetzt auf den Punkt.“

Moderatorin: „Nein, Herr XXXX , es ist ja sozusagen heute kein Politiker eingeladen, der da jetzt replizieren könnte deswegen.“

XXXX : „Naja, die werden sich schon melden bei mir. Da brauchen Sie sich keine Sorgen machen.“

Moderatorin: „Ja, das weiß ich schon, aber ich möchte die Objektivität des Rundfunks wahren.“

XXXX : „Es geht halt nur darum, dass die halt jetzt natürlich bestimmen wollen, was ist Kultur, ein neuer Kulturbegriff, da gehören gewisse kontroversielle Dinge nicht hinein und aufgrund dessen, dass man halt in unserem Land gewisse Unterstützungen braucht ... Der XXXX war zum Beispiel anders, der war ja ein XXXX , ein sehr mächtiger, er war halt ein aufgeklärter Absolutist ...“

XXXX : „Und hat Ihnen Förderungen gegeben.“

XXXX : „Ja, zu dem konnte man gehen, der war ein Mann mit Handschlag-Qualität. Manchmal hat es funktioniert, manchmal weniger, er hat aber auch vor allem die Verantwortung übernommen und sich nicht verschanzt hinter irgendwelchen Politgremien, mit denen er nichts zu tun hat. Wie der XXXX auch, der XXXX hat die Modernisierung von Wien eingeleitet, weil er gesagt hat ‚Das wird gebaut und das Hrdlicka-Denkmal wird gemacht und das Haas-Haus, und wem das nicht passt, der kann ... der braucht mich ja beim nächsten Mal nicht mehr wählen.‘ Das fehlt diesen Politikern. Bei der XXXX denk ich mir immer, die sind dem Ziel ihrer Wünsche seit der Regierung und wissen nicht, was sie damit tun sollen. Erstens ist der XXXX zu blad, sie müssen sich den anschauen, bei der Angelobung, ja, weil der nicht mehr raucht oder so. Glauben Sie, sein Traum war, dass er XXXX minister wird? Und neben diesem Dressman von Bundeskanzler, den wir jetzt haben, schaut der jetzt wirklich aus wie eine aufgeschwemmte Wasserleiche ...“

Moderatorin: „Ja aber Herr XXXX , ich habe Sie jetzt um keine Analyse der Bundesregierung gebeten, sondern ...“

XXXX : „Ja, aber ich bin ja jetzt hier und habe die Freiheit zu sagen, was ich möchte ...“

Moderatorin: „Ja, selbstverständlich haben Sie die Freiheit und ...“

XXXX : „Dass Ihnen das nicht angenehm ist ... Sie müssen halt überlegen, ob sie es schneiden.“

Moderatorin: „Nein, wir schneiden es nicht. Ich darf an dieser Stelle auch sagen, dass wir sozusagen als Redaktion oder auch also ORF nicht für die Einzelmeinungen da zur Verantwortung zu ziehen sind, die Sie da kundtun. Ich habe Sie nicht nach einer Analyse der Bundesregierung gefragt, sondern ...“

XXXX : „Ich werde mich doch, ich werde mich doch noch ärgern dürfen, wenn meine Existenz gefährdet ist ...“

Moderatorin: „Sie dürfen sich ärgern, aber ...“

XXXX : „Oder wenn sie mich dazu zwingen, dass ich mich und meine Mitarbeiter ausbeute ...“

Moderatorin: „Aber das war grad nicht das Thema.“

XXXX : „Ja bei Künstlern weiß man ja immer ‚Ja, die machen das eh, die schupfen das schon. Die sind ja mit Leidenschaft dabei, da kann man sich darauf verlassen, die machen das auch mit weniger ...‘“

Moderatorin: „Die Frage, die an Sie gerichtet war, war eigentlich eine sehr persönliche.“

XXXX : „Ja, ich habe Sie Ihnen ja auch persönlich beantwortet.“

Moderatorin: „Nein, ob dieses Gefühl der Angst, das von Terroristen ausgeht ja ... die uns alle beeindrucken durch ihre Taten und dann wird uns als Rat gegeben, ‚Gelassen bleiben‘ um das sozusagen nicht zu bekräftigen und zu unterstützen, wie sich das für Sie auswirkt. Merken Sie das selber in Ihrem Tun?“

XXXX : „Ich habe Ihnen gesagt, dass mir die Paris-Attentäter weniger oder die Brüsseler weniger nah sind als die Kultur-Terroristen.“

Moderatorin: „Als die Unmittelbare, die Sie in Ihrer Arbeit spüren ...“

XXXX : „... die unmittelbar in mein Leben und in meinen Kreativbereich eingreifen.“

XXXX : „Aber es ist nicht alles ein Vergleich was hinkt ...“

Danach ging die Diskussion zu einen anderen Thema über. So wurden die Spaltung der Gesellschaft und mit Bezugnahme auf das aktuelle Buch von Prof. XXXX die „Geheime Geschichte des Christentums“ Toleranz und Solidarität in Islam, Christentum, Judentum und Atheismus sowie Donald Trump und Egoismus, die Verantwortung der Kunst und der Religion sowie der Dialog zwischen Christentum und Islam thematisiert.

Die Moderatorin beendete die Sendung schließlich mit den folgenden Worten: „Ich bedanke mich bei allen meinen Gästen für ein sehr angeregtes Gespräch, für ein – im Wortsinn, wie Sie es uns gerade erklärt haben – tolerantes Gespräch, das heißt man muss die Meinungen aller ertragen und anderer Menschen ertragen, was wir gerne tun. Nichtsdestotrotz möchte ich mich an dieser Stelle auch vielleicht für überschießende und, wie ich meine, unqualifizierte Beschimpfungen an diesem Tisch entschuldigen.“

Schließlich bedankt sich die Moderatorin bei den Zusehern und bietet eine Vorschau auf die Gäste der nächsten Sendung „ XXXX “.

Nach der Aufzeichnung wurde von der Redaktion gemeinsam mit dem Sendungsverantwortlichen erwogen, die inkriminierten Stellen der Sendung mit den Äußerungen von XXXX zu schneiden. Man entschied sich dagegen, um nicht dem Vorwurf der Zensur ausgesetzt zu sein, insbesondere da die ungeschnittene Fassung auch die Persönlichkeit von XXXX aus Sicht der Redaktion authentisch darstellte.

2.       Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt. Er blieb von den Parteien unbestritten. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde zudem eine Aufzeichnung der Sendung vorgelegt, sodass es Einsicht in deren Hergang und Gesprächsverlauf nehmen konnte; dies bestätigte die Richtigkeit der hier getroffenen Feststellungen.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 36 KommAustria-Gesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die KommAustria belangte Behörde ist, durch Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Das ORF-Gesetz, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2021 (im Folgenden „ORF-G“) lautet auszugsweise:

„1. Abschnitt

Einrichtung und öffentlich-rechtlicher Auftrag des Österreichischen Rundfunks

[…]

Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§ 4.

(1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für:

1.       die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;

2.       die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens;

3.       die Förderung der österreichischen Identität im Blickwinkel der europäischen Geschichte und Integration;

4.       die Förderung des Verständnisses für die europäische Integration;

5.       die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft;

6.       die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion;

7.       die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots;

8.       die Darbietung von Unterhaltung;

9.       die angemessene Berücksichtigung aller Altersgruppen;

10.      die angemessene Berücksichtigung der Anliegen von Menschen mit Behinderungen;

11.      die angemessene Berücksichtigung der Anliegen der Familien und der Kinder sowie der Gleichberechtigung von Frauen und Männern;

12.      die angemessene Berücksichtigung der Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften;

13.      die Verbreitung und Förderung von Volks- und Jugendbildung unter besonderer Beachtung der Schul- und Erwachsenenbildung;

14.      die Information über Themen der Gesundheit und des Natur-, Umwelt- sowie Konsumentenschutzes unter Berücksichtigung der Förderung des Verständnisses über die Prinzipien der Nachhaltigkeit.

15.      die Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung;

16.      die Information über die Bedeutung, Funktion und Aufgaben des Bundesstaates sowie die Förderung der regionalen Identitäten der Bundesländer;

17.      die Förderung des Verständnisses für wirtschaftliche Zusammenhänge;

18.      die Förderung des Verständnisses für Fragen der europäischen Sicherheitspolitik und der umfassenden Landesverteidigung;

19.      die angemessene Berücksichtigung und Förderung sozialer und humanitärer Aktivitäten, einschließlich der Bewusstseinsbildung zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt.

Der Österreichische Rundfunk hat, soweit einzelne Aufträge den Spartenprogrammen gemäß §§ 4b bis 4d übertragen wurden, diese Aufgaben auch im Rahmen der Programme gemäß § 3 Abs. 1 wahrzunehmen; der öffentlich-rechtliche Kernauftrag bleibt durch die Spartenprogramme insoweit unberührt.

(2) In Erfüllung seines Auftrages hat der Österreichische Rundfunk ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anzubieten. Das Angebot hat sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen. Die Anteile am Gesamtprogramm haben in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu stehen.

(3) Das ausgewogene Gesamtprogramm muss anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten. Die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens sind so zu erstellen, dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern ist in Inhalt und Auftritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks zu achten. Die Qualitätskriterien sind laufend zu prüfen.

(4) Insbesondere Sendungen und Angebote in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft haben sich durch hohe Qualität auszuzeichnen. Der Österreichische Rundfunk hat ferner bei der Herstellung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen sowie sonstigen Angeboten auf die kulturelle Eigenart, die Geschichte und die politische und kulturelle Eigenständigkeit Österreichs sowie auf den föderalistischen Aufbau der Republik besonders Bedacht zu nehmen.

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität

zu sorgen.

[…]

2. Abschnitt

Programmgrundsätze

Inhaltliche Grundsätze

§ 10. (1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

(2) Die Sendungen und das Onlineangebot dürfen nicht zu Hass oder Gewalt gegen eine Personengruppe oder eine einzelne Person dieser Gruppe auf Grund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung aufstacheln und keine Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§ 278c StGB) enthalten.

(3) Das Gesamtangebot hat sich um Qualität, Innovation, Integration, Gleichberechtigung und Verständigung zu bemühen.

(4) Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten.

(7) Kommentare, Analysen und Moderationen haben sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.

(8) Als Kultursender soll der Österreichische Rundfunk sowohl Berichterstatter wie eigenständiger Produzent sein und vor allem Auftraggeber, Arbeitgeber und Forum österreichischer Kreativität und Gegenwartskunst.

(9) Der Österreichische Rundfunk hat im Dienst von Wissenschaft und Bildung zu stehen.

(10) Die Unterhaltung soll nicht nur die unterschiedlichen Ansprüche berücksichtigen, sondern auch den Umstand, dass sie wie kaum ein anderer Bereich Verhaltensweisen, Selbstverständnis und Identität prägt.

[…]

8. Abschnitt

Rechtliche Kontrolle

Regulierungsbehörde

§ 35. (1) Die Aufsicht des Bundes über den Österreichischen Rundfunk beschränkt sich auf eine Aufsicht nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes, unbeschadet der Prüfung durch den Rechnungshof. Die Rechtsaufsicht obliegt der Regulierungsbehörde. Ferner entscheidet die Regulierungsbehörde über Einsprüche gemäß § 33 Abs. 6.

(2) Der Regulierungsbehörde obliegt auch die Rechtsaufsicht über die Tätigkeit der Tochtergesellschaften des Österreichischen Rundfunks im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

(3) Regulierungsbehörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, soweit nicht Abweichendes bestimmt wird, die KommAustria.

Rechtsaufsicht

§ 36. (1) Die Regulierungsbehörde entscheidet neben den anderen in diesem Bundesgesetz und im KommAustria-Gesetz genannten Fällen – soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist – über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme der Bestimmungen des 5a. Abschnittes oder über die Verletzung des Umfangs eines Angebotskonzepts einschließlich allfälliger nach § 6b Abs. 2 erteilten Auflagen

1. auf Grund von Beschwerden

a. einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;

[…]

Entscheidung

§ 37. (1) Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist.

[…]

(4) Die Regulierungsbehörde kann auf Veröffentlichung ihrer Entscheidung erkennen und dem Österreichischen Rundfunk oder einer Tochtergesellschaft auftragen, wann, in welcher Form und in welchem Programm oder in welchem Online-Angebot diese Veröffentlichung zu erfolgen hat.“

3.2. Zur Zulässigkeit der verfahrenseinleitenden Beschwerde an die KommAustria wie der Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht

Die beschwerdeführenden Parteien rügen Verletzungen ihrer subjektiven Rechte - insbesondere ihrer Rechte auf Freiheit von Verletzungen ihrer Ehre und ihres Rufes gemäß § 111 und § 115 StGB und § 1330 ABGB sowie Art. 8 EMRK - durch die Veröffentlichung der Äußerungen des XXXX in der Sendung „ XXXX “. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. a ORF-G ist die Behauptung einer Rechtsverletzung, die den Umständen nach zumindest im Bereich des Möglichen liegen und weiters die beschwerdeführende Partei unmittelbar schädigen muss (VfSlg. 11958/1989 sowie VwGH 21.12.2004, 2004/04/0208).

Auch für die hier zu erledigende Beschwerde gegen den verfahrensabschließenden Bescheid der belangten Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG stellt die Möglichkeit, dass die beschwerdeführende Partei (hier durch den angefochtenen Bescheid) in Rechten verletzt worden sein könnte, eine Prozessvoraussetzung dar.

Zwar wurde keine der beschwerdeführenden Parteien namentlich genannt, doch sehen sie ihre Rechte durch Beschimpfungen („Dreckskerle“) und ehrenrührige Behauptungen („dass die auch nicht in die Regierung kommen, weil sie das Gemeinwohl verbessern wollen oder irgendwie für den Staat arbeiten. Die wollen ja nur Macht ausüben, Macht und Kontrolle“) gegenüber sämtlichen Mitgliedern der Bundesregierung als verletzt an.

Da es sich bei der Bundesregierung um eine kleine Gruppe von Personen handelt, ist es jedenfalls möglich, dass die beschwerdeführenden Parteien durch die Veröffentlichung der Sendung mit den inkriminierten Äußerungen in ihren Rechten verletzt wurden. Zudem ist jedenfalls eine immaterielle Schädigung der beschwerdeführenden Parteien durch die Veröffentlichung der Sendung nicht ausgeschlossen. Da auch sonst alle Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, erweisen sich die verfahrenseinleitenden Beschwerden an die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 lit. a ORF-G wie die hier zu erledigenden Beschwerden gegen den verfahrensabschließenden Bescheid gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, mit welchen die Beschwerden an die belangte Behörde abgewiesen wurden, als zulässig.

3.3. Zum behaupteten Verstoß gegen § 4 Abs. 4 ORF-G:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird der Gestaltungsspielraum des ORF bei der Programmerstellung durch § 4 ORF-G nicht in Form von Sendungsinhalten determiniert, die jedenfalls Programmbestandteil sein müssen. Vielmehr wird auf Grund dieser Anordnung (bloß) eine Richtschnur gegeben, im Einzelnen genannte, unterschiedliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Gesamtheit der Programme des ORF muss nach der Rsp über einen längeren Zeitraum gesehen erkennen lassen, dass die erwähnten Zielsetzungen bei der Programmgestaltung maßgeblich waren (vgl. VwGH 30.06.2015, Ro 2014/03/0026). Ähnlich handelt es sich bei der Anforderung gemäß § 4 Abs. 4 ORF-G, dass sich „insbesondere Sendungen und Angebote in den Bereichen Information, Kultur und Wissenschaft […] durch hohe Qualität auszuzeichnen“ haben, um eine generelle Leitlinie des Programms (vgl. BKS 06.09.2004, GZ 611.928/0008-BKS/2004); eine Verletzung dieser generellen Qualitätsanforderung nur auf Grund von Aussagen eines einzelnen Teilnehmers einer einzelnen Sendung des Formats „ XXXX “ scheidet daher aus (vgl. im Übrigen VfSlg 16.911/2003 zur grundrechtlichen Bedenklichkeit der Qualitätsbeurteilung durch staatliche Behörden an Hand einzelner Sendungen). Dass die Sendungen des ORF der Bereiche „Information, Kultur und Wissenschaft“ oder das Format „ XXXX “ die Qualitätsanforderungen gemäß § 4 Abs. 4 ORF-G regelmäßig unterschreiten könnten, sodass eine Verletzung von § 4 Abs. 4 ORF-G in Betracht kommen würde, behaupten weder die beschwerdeführenden Parteien noch ist sonst ein Hinweis darauf hervorgekommen. Eine Verletzung von § 4 Abs. 4 ORF-G scheidet also aus. An diesem Ergebnis vermögen die Ausführungen der Bescheidbeschwerde nichts zu ändern, dass die beschwerdeführenden Parteien – anders als es die belangte Behörde annehme – aus § 4 Abs. 4 ORF-G kein subjektives Recht ableiten, sondern die Verletzung dieser objektiv-rechtlichen Vorschrift rügen würden und sie durch die Unterschreitung des Qualitätsniveaus gemäß § 4 Abs. 4 ORF-G infolge der inkrimierten und gerade gegen sie gerichteten Aussagen - anders als durchschnittliche Zuseher - besonders betroffen seien.

3.4. Zum behaupteten Verstoß gegen § 10 Abs. 1 und 6 (iVm § 4 Abs. 5 Z 2) ORF-G:

3.4.1.  Vorauszuschicken ist, dass mit § 10 Abs. 1 ORF-G 2001 die Achtung der Würde des Menschen, seiner Freiheit und seiner Eigenverantwortlichkeit im Interesse einer keinen Zweifel zulassenden Durchführung des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen, BGBl III Nr. 164/1998, normiert wird. Der darin zum Ausdruck gebrachte Grundsatz bedeutet insbesondere, dass die Intimsphäre des Einzelnen etwa bei der Darstellung von Tod, Krankheit, Schmerz und Trauer nicht verletzt werden darf und bei Interviews und Talkshows die Würde und Intimsphäre gewahrt werden müssen. Durch seinen Verweis auf die Menschenwürde und die Grundrechte anderer legt § 10 Abs. 1 ORF-G 2001 die allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten, so wie sie in den in Österreich anzuwendenden Rechtsvorschriften insgesamt - insbesondere in der EMRK und im StGG, die beide in Verfassungsrang stehen - zum Ausdruck kommen, als Maßstab fest, anhand dessen die Rechtskonformität einer Sendung des ORF zu beurteilen ist (vgl. VwGH 17.03.2011, 2011/03/0012 sowie 18.10.2016, Ra 2016/03/0066).

Schafft eine Konstellation einen Konflikt zwischen mehreren Grundrechten, muss eine Abwägung zwischen diesen Grundrechten stattfinden (vgl. VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0066). Dabei sind Die Grenzen zulässiger Sendungen unter dem Blickwinkel des § 10 Abs. 1 ORF-G im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen kollidierenden Grundrechten in einer Abwägung der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit der mitbeteiligten Parteien einerseits und dem kollidierenden (Grund-) Recht der Betroffenen andererseits zu finden (BKS 26.04.2004, GZ 611.927/0006-BKS/2004).

3.4.2.  Vorauszuschicken ist ferner, dass nach der Rechtsprechung gemäß § 4 Abs. 5 ORF-G jede zulässige Darbietung der mitbeteiligten Parteien den grundsätzlichen Geboten der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit gemäß Art. I Abs. 2 BVG-Rundfunk und § 1 Abs. 3 ORF-G unterworfen ist. Das Objektivitäts- und Unparteilichkeitsgebot bezieht sich somit auf alle von den mitbeteiligten Parteien gestaltete Sendungen (vgl. VfSlg. 12.086/1989, 13.843/1994, 17.082/2003). Je nach Art der Sendung bestehen unterschiedliche Anforderungen, dem Objektivitätsgebot Rechnung zu tragen (vgl. VfSlg. 17.082/2003). Die Sachlichkeit (Objektivität) einer Sendung bemisst sich grundsätzlich auch nach ihrem vorgegebenen Thema (vgl. VwGH 22.04.2009, 2007/04/0164), wobei den mitbeteiligten Parteien hier ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt (BKS 19.04.2010, 611.980/0003-BKS/2010).

Eine Prüfung hat anhand des Gesamtkontextes einer Sendung zu erfolgen. Einzelne Formulierungen können aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt sein, solange sie nicht eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und es nicht erkennbar darum geht, jemanden bloßzustellen (VwGH 26.06.2014, 2013/03/0161; 23.06.2010, 2010/03/0009 mwN).

§ 4 Abs. 5 Z 1 bis 3 ORF-G enthalten unterschiedliche Kriterien für die Einhaltung des Objektivitätsgebotes je nach Art der Sendung (vgl. VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074). Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen müssen objektiv ausgewählt und vermittelt werden (Z 1), für die Allgemeinheit wesentliche Kommentare, Standpunkte und kritische Stellungnahmen müssen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wiedergegeben und vermittelt werden (Z 2) und eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen müssen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität erstellt werden (Z 3).

Wie schon die belangte Behörde zutreffend ausführt, ist die inkrimierte Sendung § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G zu unterstellen, weil moderierte Gespräche mit Gästen geboten werden, die wegen eines aktuellen Anlasses oder eines interessanten Lebensweges ausgewählt werden und aus deren Persönlichkeit, Lebenserfahrungen, Haltungen und Zukunftsvisionen sich das Thema des Gesprächs und damit der Sendung ergibt, wobei gesellschaftlich relevante Themen aufgegriffen werden sollen. Der konkrete Inhalt der Sendung ergibt sich somit aus den Persönlichkeiten, Erfahrungen und Standpunkten der Gäste. Dementsprechend ist die inkriminierte Sendung wie das Sendeformat „ XXXX “ generell unter § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G zu subsumieren, weil für die Allgemeinheit wesentliche Kommentare, Standpunkte und kritische Stellungnahmen geboten werden. Um dem Objektivitätsgebot zu entsprechen, muss die inkrimierte Sendung daher insbesondere die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wiedergeben und vermitteln.

Wie eingangs dargestellt, sind die gegenbeteiligten (Grund-) Rechtspositionen der mitbeteiligten und der beschwerdeführenden Parteien gegeneinander abzuwägen, um zu erschließen, ob gegen das ORF-G verstoßen wurde. Hier stehen die Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit der mitbeteiligten Parteien dem Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK der beschwerdeführenden Parteien, das den Schutz ihres guten Rufes einschließt, (einfachgesetzlich konkretisiert durch § 111 und § 115 StGB, § 1330 ABGB sowie das Gebot gemäß § 10 Abs. 1 ORF-G, die Menschenwürde und Grundrechte anderer zu achten) gegenüber; diese Rechtspositionen sind gegeneinander abzuwägen.

Die beschwerdeführenden Parteien rügen, dass diese Abwägung von der belangten Behörde unrichtig vorgenommen worden sei. Dem ist allerdings aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht zuzustimmen, wie im Folgenden zu zeigen ist:

Die beschwerdeführenden Parteien verweisen darauf, dass polemische oder unangemessene Formulierungen, also solche, die eine sachliche Auseinandersetzung vermissen lassen und in denen es erkennbar darum geht, jemanden bloßzustellen, nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unzulässig seien. Demnach ebenso unzulässig seien Aussagen oder Formulierungen eines Beitrages, die eine hervorstechende oder den Gesamtzusammenhang in den Hintergrund drängende Wirkung derart entfalten, sodass beim Durchschnittsbetrachter unweigerlich ein verzerrter Eindruck entsteht (vgl. VwGH 05.02.2020, Ra 2020/03/0009 mwN).

Jedoch ist bei einer Betrachtung des – nach der Rsp maßgeblichen - Inhalts der gesamten Sendung mit Blick auf den dortigen Gesprächshergang nicht von unzulässigen Aussagen im Sinne dieser höchstgerichtlichen Judikatur auszugehen. Wiewohl die Bezeichnung „Dreckskerle“ isoliert betrachtet zweifellos zur Beleidigung taugt, ist zunächst zu bedenken, dass sich XXXX damit nicht auf die beschwerdeführenden Parteien als Personen bezieht, sondern sie in ihrer Eigenschaft als (damalige) Mitglieder der Bundesregierung – wenn auch sehr provokant – kritisiert; insb wurden die beschwerdeführenden Parteien nicht namentlich genannt, sondern XXXX sprach von der Bundesregierung bzw. deren Mitgliedern. Ferner folgten den inkriminierten Aussagen Ausführungen, in denen XXXX den Konnex zu einer seiner Ansicht nach durch die Bundesregierung intendierten Verengung des Kulturbegriffs und zu unzureichender Kulturförderung herstellt und auf den Umgang anderer Politiker mit diesen Problemstellungen vergleichsweise verweist. Aus der Sicht eines Durchschnittskonsumenten - der als Maßfigur zur Beurteilung heranzuziehen ist (vgl. VfSlg. 16.468/2002; BKS 27.09.2010, 611.988/0006-BKS/2010; VwGH 10.11.2004, 2002/04/0053; 01.03.2005, 2002/04/0194; 15.09.2006, 2004/04/0074) – handelte es sich nicht um eine simple Bloßstellung oder bloße Beleidigung der beschwerdeführenden Parteien bzw. sämtlicher Mitglieder der Bundesregierung, sondern um eine - wenngleich sehr polemische – Kritik an der politischen Ausrichtung insb betreffend Kultur und Kulturförderung. Für die ebenfalls in Beschwerde gezogenen Aussage XXXX , dass die beschwerdeführenden Parteien nur an der Ausübung von Macht und nicht daran interessiert wären, das Gemeinwohl zu verbessern oder für den Staat zu arbeiten, gilt letztlich dasselbe.

Weisen die beschwerdeführenden Parteien darauf hin, dass die Kulturagenden nicht in ihren damaligen Zuständigkeitsbereich als Bundesminister fielen, ist zu entgegnen, dass sie nicht vorrangig angesprochen wurden, sondern die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes führt der Umstand, dass an der Bundesregierung und nicht alleine am (damaligen) Kulturminister Kritik geübt wurde, nicht dazu, dass keine in die Abwägung der konfligierenden (Grund-) Rechtsposition einzubeziehende Kritik XXXX an der Kulturpolitik und insb –finanzierung vorliegen würde. Denn auch die Bundesregierung fasst Beschlüsse zu kulturpolitischen Fragen einschließlich der Finanzierung künstlerischer Betätigung; die beschwerdeführenden Parteien waren als Mitglieder des Kollegialorgans Bundesregierung also auch für solche Beschlussfassungen zuständig.

Mit Blick auf die Wortwahl von XXXX ist weiters zu beachten, dass die beschwerdeführenden Parteien als (damalige) in der Öffentlichkeit stehende Spitzenpolitiker auch Kritik, die in „scharfer, polemischer und angriffiger Form“ vorgetragen wird, hinnehmen müssen (vgl. in diesem Sinne VfGH 10.12.2020, E 2281/2020, unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des EGMR). Auch dieser Aspekt ist in die Grundrechtsabwägung miteinzubeziehen.

Für die hier zu treffende Abwägung, ob es den mitbeteiligten Parteien verboten war, die Sendung einschließlich der inkrimierten Aussagen zu veröffentlichen, ist ferner zu berücksichtigen, dass diese Aussagen von einer dritten, den mitbeteiligten Parteien nicht zuzurechnenden Person getätigt wurden, die diese Aussagen ohne durch die Moderatorin dazu aufgefordert zu sein, überraschend tätigte. Ferner beinhaltete die veröffentlichte Sendung neben den inkrimierten Aussagen eine Distanzierung und Entschuldigung durch die Moderatorin und die XXXX Ausführungen erkennbar ablehnenden Wortmeldungen der Diskussionsteilnehmerin XXXX , die ebenso veröffentlicht wurden. Insofern blieb die Ansicht XXXX keineswegs unwidersprochen stehen. Gemäß § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G – dieser Bestimmung ist die Sendung wie gezeigt zu unterstellen - hat der Österreichische Rundfunk bei der Gestaltung seiner Sendungen und Angebote für die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen zu sorgen. Der Verfassungsgerichtshof hält dazu in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020, unter Verweis auf die Judikatur des EGMR fest:

„Grundsätzlich besteht […] keine Verpflichtung eines Journalisten, sich vom Inhalt einer Äußerung eines Dritten, die er in Form einer Stellungnahme oder eines Zitates wiedergibt oder die er in einer Interviewsituation als Antwort erhält, in dem Sinn ‚zu distanzieren‘, dass der Journalist Aussagen des Dritten bzw. seines Gegenübers relativieren müsste, weil sie ‚verletzen, schockieren oder beunruhigen‘. Auch nach dem spezifisch für den ORF geltenden Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G ist ein journalistischer Mitarbeiter, etwa eine Moderatorin einer Nachrichtensendung wie im vorliegenden Zusammenhang, nicht gehalten, Aussagen ihres Interviewpartners über Dritte laufend zu bewerten und gegebenenfalls zu relativieren. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass ein interviewender Moderator in Wahrnehmung seiner journalistischen Funktion kritisch nachfrägt und einer pointierten Meinung des Interviewpartners andere Meinungen oder auch seine eigene entgegensetzt. Er ist dazu aber durch das Objektivitätsgebot grundsätzlich nicht verpflichtet.

Eine Reaktionsnotwendigkeit kann sich aus dem Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 ORF-G nur in besonderen Konstellationen ergeben. So etwa im Hinblick auf das Gebot der angemessenen Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G, wenn angesichts der Zusammensetzung etwa einer Gesprächsrunde in einer Sendung oder auch eines Einzelinterviews darauf hinzuweisen ist, dass Dritte, über die entsprechend wertende Aussagen abgegeben werden, nicht anwesend sind und daher nicht reagieren können. Erforderlich ist eine solche Reaktion freilich nur dann, wenn im Gesamtzusammenhang des Sendungsangebotes und angesichts der Möglichkeiten der betroffenen Personen, sich in der öffentlichen Diskussion Gehör zu verschaffen, nicht davon auszugehen ist, dass den Betroffenen eine entsprechende Darstellung ihrer Sichtweise und damit eine vergleichbar öffentliche Reaktion ohnehin möglich ist. Solches ist bei einem Spitzenpolitiker, der in der öffentlichen medialen Aufmerksamkeit steht und diese auch regelmäßig sucht, von vorneherein anzunehmen, soweit nicht Äußerungen in Rede stehen, die offensichtlich im Sinne des § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 6 ORF-G die Menschenwürde oder elementare Persönlichkeitsrechte verletzen oder sonst gegen vergleichbare Verfassungsgrundsätze verstoßen.“

Diese Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof aus dem Objektivitätsgebot gemäß § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G ableitet, wurden durch die Moderation der Sendung zweifellos erfüllt. So unterbrach die Moderatorin XXXX wiederholt und wies darauf hin, dass kein Politiker zugegen sei, der dem Gesagten etwas entgegnen könne. Zudem wies sie darauf hin, sich der Ansicht XXXX nicht anzuschließen und die Objektivität des Rundfunks wahren zu wollen. Außerdem betonte die Moderatorin, dass sie XXXX um keine Analyse der Bundesregierung gebeten habe. Zum Schluss der Sendung entschuldigte sie sich ferner für „überschießende und, wie [sie] meine, unqualifizierte Beschimpfungen an diesem Tisch“. Zudem kritisierte auch die Diskussionsteilnehmerin XXXX die Äußerungen XXXX . Für den durchschnittlichen Zuseher war daher jedenfalls erkennbar, dass die mitbeteiligten Parteien Abstand von den getätigten Äußerungen nehmen und dass diese gerade nicht unkommentiert und unwidersprochen geblieben sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Aussagen XXXX in die Menschenwürde oder Persönlichkeitsrechte der beschwerdeführenden Partei eingreifen, kamen die mitbeteiligten Parteien ihrem Objektivitätsgebot durch Distanzierung, Kommentar und Wiedergabe auch anderer Meinung unzweifelhaft nach, sodass unter Beachtung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein Verstoß gegen § 4 Abs. 5 Z 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 und 6 ORF-G vorliegt (vgl. auch BKS 15.6.2009, 611.901/0010-BKS/2009, wonach das Objektivitätsgebot keine Verpflichtung eines interviewenden Redakteurs beinhalte, der einseitigen und persönlichen Meinungsbekundung des Interviewten zu widersprechen oder diese „richtig zu stellen“.) Im Übrigen ist zu bedenken, dass es sich bei XXXX um einen allgemein bekannten Schauspieler und Regisseur handelt. Dies nahe legt, seine – wenn auch sehr polemische – Kritik zu veröffentlichen, weil diese ob der Prominenz des Kritikers im Kulturbereich als „für die Allgemeinheit wesentlicher Kommentar, Standpunkt und kritische Stellungnahme“ iSd § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G anzusehen ist; in der veröffentlichten Sendung waren auch Gegenmeinungen und Distanzierungen – der Moderation und von XXXX – enthalten, was dafür spricht, dass die „Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen“ berücksichtigt wurde, wie dies wie es § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G vorsieht.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die verfahrensgegenständliche Sendung so konzipiert ist, dass die von den geladenen Gästen getätigten Aussagen grundsätzlich zur Gänze wiedergegeben werden und die gesamte Sendung nicht geschnitten wird, um ein möglichst hohes Maß an Authentizität zu erreichen („live on tape“). Die Ansicht der beschwerdeführenden Parteien, dass die mitbeteiligten Parteien schon durch die ungeschnittene Veröffentlichung von überraschend getätigten Aussagen eines Dritten – trotz Widerspruch, Distanzierung und Entschuldigung durch die Moderatorin und Kritik durch eine weitere Diskussionsteilnehmerin – gegen das ORF-G verstoßen hätten, würde einen sehr intensiven Eingriff in ihre journalistische Gestaltungsfreiheit und somit in ihr Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit bedeuten. Denn die mitbeteiligten Parteien hätten das grundsätzliche Produktionskonzept der Sendung („live on tape“) aufgeben müssen. Ein derart intensiver Eingriff in ihre journalistische Gestaltungsfreiheit und somit in ihr Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit wäre nur bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der beschwerdeführenden Parteien im Lichte von Art. 10 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Einen dermaßen schwerwiegenden Eingriff vermag das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen nicht zu erkennen. Denn bei den beschwerdeführenden Parteien handelte es sich um Mitglieder der Bundesregierung und damit Spitzenpolitiker, die in dieser Eigenschaft und nicht als Privatpersonen angesprochen wurden. Der prominente Künstler XXXX tätigte die inkrimierten Äußerungen zudem als Diskussionsteilnehmer (und nicht im Namen der mitbeteiligten Parteien), ohne dazu durch die Moderatorin veranlasst worden zu sein und verknüpfte die Äußerungen mit Kritik an Kulturpolitik und –finanzierung. Zudem war er Widerspruch und Kritik durch die Moderatorin und eine weitere Diskussionsteilnehmerin ausgesetzt. Ferner erfolgte am Ende der Sendung noch einmal eine deutliche Distanzierung und Entschuldigung durch die Moderatorin. Mit Blick auf dieses Gesamtbild hätte es einen durch die subjektiven (Grund-) Rechtspositionen der beschwerdeführenden Parteien nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit der mitbeteiligten Parteien bedeutet, diesen abzuverlangen, die Diskussionssendung nur geschnitten (ohne die inkrimierten Äußerungen) zu veröffentlichen und so das grundsätzliche Produktionskonzept der Sendung („live on tape“) aufzugeben.

Im Ergebnis gelangte die belangte Behörde daher zutreffend zum Ergebnis, dass hier das Recht der mitbeteiligten Parteien auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit und die darin beinhaltete journalistische Gestaltungsfreiheit die subjektiven (Grund-) Rechte der beschwerdeführenden Parteien überwiegen.

Eine Verletzung des ORF-G liegt – wie die belangte Behörde zutreffend feststelle - mithin nicht vor.

Die Bescheidbeschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Die – anwaltlich vertretenen - beschwerdeführenden Parteien haben die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die belangte Behörde hat überhaupt darauf verzichtet. Der Sachverhalt erscheint auf Grund der Aktenlage als zweifelsfrei geklärt. Schließlich ist keine Rechtsfrage solcher Komplexität aufgetreten, dass die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen wäre.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. unter Punkt 3.4. zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beschimpfung Feststellungsantrag Journalismus Medien Meinungsäußerung Meinungsfreiheit Objektivitätsgebot öffentlich - rechtlicher Auftrag politischer Charakter Rechtsverletzung

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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