TE Vfgh Erkenntnis 2020/12/10 E2281/2020

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Index

16/02 Rundfunk

Norm

EMRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI Abs2
ORF-G §4 Abs5 Z2 und Z3, §10 Abs7
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verstoß gegen das Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit mangels Verletzung der "Distanzierungspflicht" des ORF durch eine Moderatorin wegen Bezeichnung eines Parteiobmanns als "plemplem" durch einen Politikwissenschaftler bei einer Sachanalyse in der ZIB 2; keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch die – im Sachzusammenhang mit dem Thema des Interviews ergangene – Meinungsäußerung des vom ORF unabhängigen Politikwissenschaftlers

Spruch

I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.117,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der österreichische Rundfunk (ORF) strahlte am 25. Juli 2016 in seinem Fernsehprogramm ORF 2 zunächst die Sendung "Sommergespräch" aus. In dieser diskutierte die Moderatorin *** mit dem Parteichef der zum damaligen Zeitpunkt im Nationalrat vertretenen Partei "Team Stronach". Der Inhalt der Sendung konzentrierte sich im Wesentlichen auf ein Gespräch mit *** über das Team sowie auf einen Ausblick auf seine zukünftigen politischen Aktivitäten.

In der nachfolgenden Sendung "ZIB 2" sprach die Moderatorin *** mit dem Politikwissenschafter ***, um die vorangegangene Live-Diskussion zu analysieren. Dieses Interview hatte, wie vom Bundesverwaltungsgericht unbestritten festgestellt, folgenden Inhalt:

"***: 'Und wir machen jetzt einen harten Schnitt, kommen zur österreichischen Innenpolitik und zum ersten ORF-Sommergespräch dieses Jahres. Das hat ja gerade eben vor der ZIB 2 stattgefunden. Der Gründer und Parteichef des Team Stronach, ***, war zu Gast bei ***, und zur Analyse der 'Sommergespräche' ist auch heuer wieder *** zu uns gekommen. Guten Abend.'

***: 'Guten Abend.'

***: '***, man hat *** lange nicht gesehen, er taucht nur noch selten in Österreich auf, zuletzt im Juni, da hat er uns mitgeteilt, dass er seinen politischen Rückzug plant, spätestens nach Ende dieser Legislaturperiode. Haben wir heute Abend erfahren, was denn aus diesem Team Stronach wird?'

***: 'Ja, allerdings wussten wir das schon vorher, politisch eine Art lebender Leichnam. Man muss ja nur den Parteinamen heranziehen. *** hat heute eine Art Abgesang, Rückblick voller Eigenlob, gestaltet und der Teil-Name der Partei 'Team' ist sowieso der blanke Hohn, denn dieses Team war so stabil, dass im Vergleich dazu ein Kartenhaus eher stabiler ist und einen Betonbunker darstellt, weil da war ja ein Kommen und Gehen, dass sich die fast in einer Reihe hätten aufstellen müssen wöchentlich, damit man durchzählt, wer überhaupt noch beim Team ist. Das waren politische Glücksritter und Überläufer, die die Parteien teilweise gewechselt haben, bis zu vier Mal, wie andere Leute die Unterwäsche.'

***: 'Die Partei gibt es seit vier Jahren, seit vier Jahren ist so ein Zerbröselungsprozess im Gange, auch wichtige Mitstreiter wie zum Beispiel *** haben die Partei verlassen, sind zum Teil zu anderen Parteien übergelaufen. *** hatte *** auch auf seine Fehler angesprochen und da schauen wir jetzt einmal hinein.' "

Es wird eine kurze Sequenz des zuvor stattgefundenen Gespräches zwischen *** und *** aus der Sendung "Sommergespräch" eingespielt.

"***: 'Der Fehler war, dass ich, ich habe ja viele Aktivitäten auch in Amerika, meine Familie ist noch dort, meine Enkelkinder sind dort und, dass ich natürlich nicht so oft hier sein konnte. [...]'

***: 'Also Parteichef aus der Ferne, funktioniert nicht so das Modell?'

***: 'Nein, das glaube ich, und dann war ich auch nicht so lange hier, dass ich die Leute besser kennen gelernt hätte. Nicht wenn ich hier gewohnt hätte, dann sieht man sich öfters, dann kann man sich das besser aussuchen. Natürlich war ich ein bisschen enttäuscht, dass Leute hier mit dabei waren, die hauptsächlich nur wegen dem Geld dabei waren.'"

Anschließend wird das Gespräch von *** und *** fortgeführt.

"***: 'Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat *** gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?'

***: 'Nein, mit allem Respekt, der größte Fehler von *** war ***. Ich darf nur ein paar der heutigen Aussagen zusammenfassen: Er hat geglaubt, wir haben 300 statt 183 Nationalratsabgeordnete; er hat nicht gesagt, ob er bei der Präsidentschaftswahl eher für Hofer oder eher für Van der Bellen ist; dafür war es bemerkenswert, wie unsicher er war, ob überhaupt der Präsident direkt gewählt wird, stattdessen kamen nicht ganz klare Aussagen, der Präsident soll irgendwas mit 20 000 Unterschriften tun. Und die Frage, ob ihm denn nun Clinton oder Trump lieber ist, lassen wir einmal das Thomas Trump ihm als Versprecher durchgehen, hat er beantwortet, die Finanz würde die Firmen nach Asien drängen. Das passt ja zu früheren Aussprüchen, wie beispielsweise die Neutralität brauchen wir, wenn die Chinesen einmarschieren, oder auf die Frage nach der Zukunft Europas hat er einmal gesagt: 'Ja, die Hauptschuldirektoren sollen sich ihre Lehrer aussuchen.' Das ist also wirklich nur noch wirr.'

***: 'Er hat gesagt, man hätte so viel machen können und er hätte so viel machen wollen. Er habe mehrfach am Käfig gerüttelt, hat er gesagt, und als zentralen Fehler, kurz war es schon angesprochen, hat er immer wieder gesagt: Die Leute kennen mich zu wenig, die sollten mich einmal richtig kennen lernen. Kann man das wirklich gelten lassen? Welchen Parteichef, welchen Politiker, welche Politikerin kennen die Menschen denn schon so wirklich?'

***: 'Tut mir ehrlich leid, persönlich, das so hart sagen zu müssen, aber auch das ist Quatsch, denn erstens hat kaum ein Politiker einen so hohe[n] Bekanntheitsgrad wie er gehabt und die Wähler wurden ja immer weniger, je mehr er auftrat und je bekannter er wurde über Medien.'

***: '5,7 Prozent hat das Team Stronach bei der letzten Nationalratswahl gehabt, schon seit längerem steht es in den Umfragen etwa bei einem Prozent. Gibt es in Österreich überhaupt genügend Platz, gäbe es den für eine Partei, wie *** sie erdacht hat, also eher wirtschaftsliberal, eher, aber trotzdem eine Protestpartei?'

***: 'Nicht für das Team Stronach. Gehen wir kurz mögliche Wahlmotive durch. Das Eine sind Kosten-Nutzen-Analysen, also eine Partei verspricht etwas, wovon ich mir persönlich einen Vorteil erwarte, beispielsweise Pensionserhöhungen, Steuersenkungen, mehr Sozialleistungen, was auch immer. Da hat das Team Stronach wenig Glaubwürdigkeit generell und außerdem glauben nur Fantasten, dass er das in der nächsten Regierung wirklich umsetzen kann, da muss man nämlich Koalitionspartner werden. Parteiloyalität als Wahlmotiv ist sowieso ein Widerspruch in sich bei einer Chaostruppe, die seit vier Jahren besteht. Und das Dritte, was Sie jetzt angesprochen haben, ein Gesellschaftsmodell wie Wirtschaftsliberalismus oder Sicherheit, das sagen andere auch, beim Wirtschaftsliberalismus ÖVP, Neos und auch FPÖ[…] und beim Thema Sicherheit ist es sowieso immer derart, dass wenn man einen Team Stronach-Vertreter in eine Fernsehsendung einlädt, dann glaubt man, man hat versehentlich *** zwei Mal eingeladen und der sitzt jetzt doppelt da, denn es wird nur das nachgesagt, was die FPÖ schon gesagt hat.'

***: 'Kurz zum Schluss, Sie haben einmal gesagt, an *** zerschellt jede Analysefähigkeit, Sie haben jetzt mehrere Minuten erfolgreich analysiert. Bleiben Sie dennoch bei dieser Analyse?'

***: 'Ja ich fühle mich ehrlich gesagt eher hilflos, denn einerseits würde ich gerne die eigenen Parteimitglieder vom Team Stronach an einen Lügendetektor anschließen[,] um herauszufinden, ob sie sich das denken, was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem. Dann wieder denke ich mir, die heutige Gesprächsatmosphäre war, auch wenn es inhaltlich nicht bewertbar war, ja doch recht angenehm, und er hat halt etwas versucht in hohem Alter, das er besser nicht hätte tun sollen.'

***: '***, Sie sind auch nächste Woche wieder bei uns, dann hat *** den Chef der Neos zu Gast, ***. Vielen Dank fürs Kommen.'

***: 'Bitte gerne.'"

2. In der Folge erhob Rechtsanwalt *** bei der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) (Popular-)Beschwerde gemäß §36 Abs1 Z1 litb ORF-G und beantragte die Feststellung, dass durch die am Ende des oben wiedergegebenen Interviews getroffene Aussage des *** "Ja ich fühle mich ehrlich gesagt eher hilflos, denn einerseits würde ich gerne die eigenen Parteimitglieder vom Team Stronach an einen Lügendetektor anschließen[,] um herauszufinden, ob sie sich das denken, was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem." und durch die von der Sendungsmoderatorin *** im Anschluss an diesen Kommentar unterlassene Distanzierung von dieser Aussage insbesondere §10 Abs1, 5, 6 und 7 ORF-G verletzt worden sei.

Die KommAustria gab der Beschwerde mit Bescheid vom 1. März 2017 Folge und stellte fest, dass durch die oben wiedergegebene Äußerung von ***, von der sich der ORF nicht distanziert habe, die Bestimmung des §4 Abs5 Z3 iVm §10 Abs7 ORF-G verletzt wurde.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. Mai 2020 mit folgender Begründung ab (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] 'Umfangreicherer Analysegegenstand'

Die Beschwerdeführer deuten zu Beginn ihrer Beschwerden an, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Thema der Sachanalyse zu eng gefasst habe, denn die Auswertung eines 50-minütigen Politikerauftrittes berücksichtige nicht isoliert diesen, sondern auch die politische Entwicklung in der Vergangenheit. Das 'Sommergespräch' sei sohin auch Ausgangspunkt für die weitere Analyse des bisherigen politischen Handelns des *** gewesen, sodass es unzulässig gewesen sei, diesen Teil des politischen Handelns aus dem Thema auszuklammern.

Zu diesem Vorbringen ist eingangs festzuhalten, dass die Abklärung des Analysegegenstandes insofern von Bedeutung ist, als sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes […] die Sachlichkeit einer Analyse – neben der Nachvollziehbarkeit der in der Analyse erfolgten Beurteilung – nach dem vorgegebenen Thema bemisst. Bei dieser Beurteilung muss im Sinne der gebotenen Gesamtbetrachtung stets der Gesamtzusammenhang in Betracht gezogen werden, der das Thema der Sachanalyse bestimmt. Dieser Gesamtkontext und der für den Durchschnittsbetrachter daraus zu gewinnende Eindruck gibt der Beurteilung, ob die Gestaltung einer Sendung dem Objektivitätsgebot entsprochen hat, die Grundlage.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes offenbart sich das Thema der vorliegenden Sachanalyse, in dessen Rahmen es später den von *** getroffenen Kommentar über *** zu beurteilen gilt […], unmittelbar in der Anmoderation der Analyse durch die interviewende Nachrichtensprecherin (***: 'Der Gründer und Parteichef des Team Stronach, ***, war zu Gast bei ***, und zur Analyse der 'Sommergespräche' ist auch heuer wieder *** zu uns gekommen.') und lässt sich anhand der gezielten Fragestellungen der Moderatorin im Laufe des Gespräches (***: 'Haben wir heute Abend erfahren, was denn aus diesem Team Stronach wird?'; 'Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat *** gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?'; 'Gibt es in Österreich überhaupt genügend Platz, gäbe es den für eine Partei, wie *** sie erdacht hat, also eher wirtschaftsliberal, eher, aber trotzdem eine Protestpartei?') sowie der eingespielten Sequenz spezifizieren: Im Fokus stand das vor der Nachrichtensendung 'ZIB 2' ausgestrahlte 'Sommergespräch' zwischen *** und der Moderatorin *** mit Schwerpunkt auf die Zukunftsaussichten des Team Stronach nach dem geplanten politischen Rückzug des *** und der 'Mitschuld' des Parteiobmanns am 'Zerbröselungsprozess' seiner Partei. Dass Gegenstand der Analyse auch die Person *** als solche sowie die Dimension seines politischen Wirkens (und als Resultat davon seine Imagewerte bzw seine allgemeine öffentliche Wahrnehmung) war, kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt werden. Dem durchschnittlichen Betrachter wurde nämlich zu keinem Zeitpunkt der Umstand vermittelt, dass mit dem geführten Interview auch die bisherige politische Entwicklung des Team Stronach-Obmannes ergründet werden sollte; der Zuseher erwartete sich in erster Linie eine Einschätzung des vorangegangenen Fernsehauftrittes, der sich inhaltlich ebenfalls auf die politische Zukunft und nicht auf die politische Vergangenheit bezogen hat.

Im Ergebnis ist damit den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zum Umfang des Analysegegenstandes beizupflichten und war dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer kein Erfolg beschieden.

[…] 'Keine polemische Äußerung des ***'

Die Beschwerdeführer monieren in ihren Beschwerden weiters, dass es primäre Aufgabe eines Politikwissenschaftlers sei, öffentliche Meinungsbilder in eine politische Analyse einfließen zu lassen. Die inkriminierte Aussage des *** stelle eine Zusammenfassung entsprechender Wählermeinungen dar, zu der dieser durch bereits im Vorfeld und zur Vorbereitung auf die Sendung erhobene Daten gelangt sei. Es würde die Motivanalyse, insbesondere die Wahlforschung, ad absurdum führen, wenn subjektive Wertungen der Wähler (wie von 'korrupt' über 'total unfähig' und 'dumm' bis eben 'plemplem') nicht als Einschätzung erwähnt werden dürften. Derartige Wählermeinungen seien zwar nicht objektiv und kein Faktum, es könne aber die Tatsache nicht von der Hand gewiesen werden, dass es diese Meinungen gebe.

Das Bundesverwaltungsgericht hält zu diesem Vorbringen zunächst fest, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zum Objektivitätsgebot ausjudiziert hat […], dass zwar einzelne Formulierungen aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt werden könnten, dies jedoch bei polemischen oder unangemessenen Formulierungen stets ausgeschlossen sei. Im angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde in der auf *** bezogenen Aussage eine solche polemische Formulierung, die ihrer Meinung nach nicht aus dem Gesamtzusammenhang zu rechtfertigen und damit mit dem Objektivitätsgebot unvereinbar gewesen sei.

Das erkennende Gericht vertritt ebenfalls den Standpunkt, dass *** durch den inkriminierten Ausspruch als Antwort auf die Frage der 'Analysefähigkeit' seiner Person in seiner Persönlichkeit herabgesetzt wurde, denn der Durchschnittskonsument nahm bei der Äußerung des *** im Gesamtkontext des Gebotenen […] zweifellos eine Bloßstellung des Parteiobmannes wahr (die Bedeutung des Wortes 'plemplem' laut dem Online-Duden [abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/plemplem]: 'unvernünftig-dumm', 'nicht recht bei Verstand'; Synonyme sind 'bekloppt', 'nicht bei Sinnen'[,] [umgangssprachlich] 'närrisch', 'nicht ganz/recht bei Trost', 'nicht ganz/recht gescheit', 'nicht ganz richtig im Kopf/im Oberstübchen', 'von allen guten Geistern verlassen', [salopp] 'behämmert', 'bescheuert', 'gaga', 'meschugge', 'verrückt', [umgangssprachlich abwertend] 'nicht ganz dicht', 'deppert'). Diese Bemerkung stellte keinerlei Beitrag zur konkreten politischen Analyse dar, sondern bewirkte alleine die Diskreditierung des ***. Das polemische Fazit des Studiogastes wurde – anders als seine anderen teils scharfkantig formulierten Schlussfolgerungen – auch nicht mit Beispielen gestützt. Der belangten Behörde ist auch nicht entgegenzutreten, wenn diese im angefochtenen Bescheid darüber hinaus angenommen hat, dass die Aussage in ihrer Wirkung dadurch verstärkt wurde, dass *** eine Formulierung verwendet hat, die die Meinung über den Parteiobmann als eine vermeintlich öffentliche dargestellt hat. Es handelte sich sohin beim beanstandeten Kommentar um keine sachliche Auseinandersetzung.

Die Beschwerdeführer brachten vor, dass es sich bei der benutzten Ausdrucksweise bloß um eine Zusammenfassung der subjektiven Wertung eines Teils der Wahlbevölkerung gehandelt habe, die *** in seiner Funktion als Politikwissenschaftler als Vorbereitung zum Interview ermittelt und in der Analyse nur wiedergegeben habe. Zum Nachweis des 'Stimmungsbildes' beim durchschnittlichen Medienkonsumenten wurden Kommentare aus dem Live-Ticker von derStandard.at vorgelegt. Dem wird entgegnet, dass die Meinungsforschung zwar Teil des Aufgabenspektrums eines Politologen sein mag, die Heranziehung von Beiträgen aus einem Live-Ticker jedoch jedenfalls nicht für die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Objektivitätsgebot – erst recht nicht bei politischen Sachanalysen, bei denen noch höhere Anforderungen an die Sachlichkeit zu stellen sind – herangezogen werden kann. Denn ansonsten könnte das Sachlichkeitsgebot grundsätzlich durch die Vorlage passender öffentlicher, anonymer Postings umgangen werden (es gilt in diesem Konnex zu beachten, dass bei virtuellen Identitäten im Unterschied zum realen Auftreten oft weniger auf den guten Ton geachtet wird, weshalb es öfter zu untergriffigen Äußerungen kommt; zudem kommen Website-Betreiber vielfach aufgrund der hohen Anzahl an Kommentaren binnen kürzester Zeit nicht mit dem Entfernen von unangemessenen Beiträgen in 'Newstickern' hinterher; zudem hat jeder dieser Betreiber auch ein anderes Wertesystem). Eine herabwürdigende Wortwahl darf durch diese Vorgehensweise jedenfalls nicht als 'Meinungsbild' der Bevölkerung getarnt und über diesen Umweg für legitim erklärt werden.

Darüber hinaus ist selbst bei Berücksichtigung der Wertungen aus dem World Wide Web für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, warum die vorgebrachte negative Wählermeinung über *** durch *** nicht auf eine andere Art, und zwar einer mit dem Objektivitätsgebot in Einklang stehenden Wortwahl, wiedergegeben werden konnte. Aus diesem Grund muss auch nicht weiter auf die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten, nicht näher bezeichneten Meinungsumfragen, zu denen *** Auskunft geben könne, eingegangen werden, wobei darüber hinaus festgehalten wird, dass die Vertreterin der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung die Frage nach offenen Beweisanträgen verneinte.

An diesem Ergebnis ändert auch der Einwand der Beschwerdeführer nichts, dass *** selbst gerne 'austeile' und Politiker als 'public figures' im Interesse einer freien öffentlichen Debatte schärfere Angriffe hinnehmen müssten als Privatpersonen. Hierzu brachten die Beschwerdeführer in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28.08.2019 den Bescheid der belangten Behörde vom 03.10.2018, KOA 12.051/18-006, vor, der ihrer Ansicht nach auch für die gegenständliche Entscheidung richtungsweisend sei. Die belangte Behörde habe dort geurteilt, dass die Bezeichnung von Regierungsmitgliedern als 'Dreckskerle' in einer Talksendung dem Objektivitätsgebot entspreche, weil Politiker in ihrer öffentlichen Eigenschaft eine größere Toleranz als Privatpersonen zeigen müssten und die inkriminierte Äußerung in unmittelbarem Zusammenhang zur politischen Debatte gefallen sei.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes sind die beiden Sachverhalte jedoch nicht miteinander vergleichbar: Während es in der behördlichen Entscheidung vom 03.10.2018 um eine Verletzung des §10 Abs6 ORF-G gegangen ist, die inkriminierte Bemerkung gegenüber einer bestimmten Personengruppe im Rahmen einer vorab aufgezeichneten Talksendung durch einen Schauspieler, den der durchschnittliche Zuseher nicht mit dem Erstbeschwerdeführer in Verbindung gesetzt hat, gefallen ist, und die Moderatorin sich klar von dieser Äußerung distanziert hat, betrifft der vorliegende Bescheid eine Verletzung des §10 Abs7 ORF-G aufgrund einer Äußerung gegen eine einzelne politische Person im Rahmen einer Live-Analyse durch einen dem Erstbeschwerdeführer zuzuordnenden Politikwissenschaftler, von dem aufgrund seiner Funktion besondere Sachlichkeit erwartet wird. Wie Judikaten der Höchstgerichte zu entnehmen ist, treffen den Erstbeschwerdeführer je nach konkreter Art der Sendung unterschiedliche Anforderungen, dem Objektivitätsgebot Rechnung zu tragen (VfSlg 13.843/1994, 17.082/2003; VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074). Des Weiteren wird angemerkt, dass der Bescheid vom 03.10.2018 noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist und dieser schon aus diesem Grund nicht als Präzedenzfall herangezogen werden kann.

In diesem Zusammenhang verwiesen die Beschwerdeführer in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28.08.2019 noch darauf, dass es auch einen medienrechtlichen Entschädigungsantrag wegen der Bezeichnung als 'Dreckskerle' gegeben habe, der bereits rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien abgewiesen worden sei. Demnach gebe es nach §6 Abs2 Z4 MedienG keinen Entschädigungsanspruch, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handle und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden habe; diese Voraussetzungen seien auch im gegenständlichen Fall gegeben.

Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass auch diese Rechtsprechung für den vorliegenden Fall irrelevant ist: Im bezeichneten Urteil geht es um ein sogenanntes Medieninhaltsdelikt, über das nur ein Strafgericht zu befinden hat. Das erkennende Gericht entscheidet demgegenüber ausschließlich über Rechtsverletzungen nach dem ORF-G VfSlg 14.221/1995; 12.022/1989), das von den Rechtsvorschriften des MedienG, ABGB oder StGB unabhängige Anforderungen an Sendungen des Erstbeschwerdeführers stellt. Es kann folglich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Nicht-Verletzung strafrechtlicher Vorschriften automatisch auch das ORF-G, konkret das Objektivitätsgebot, nicht verletzt wurde.

In einer Gesamtbetrachtung waren sohin sämtliche Vorbringen der Rechtfertigung der Beschwerdeführer im Hinblick auf den getätigten Kommentar des *** fruchtlos und damit eine dadurch erfolgte Bloßstellung des *** nicht abzustreiten.

[…] 'Keine Distanzierungsverpflichtung des Erstbeschwerdeführers'

Von den Beschwerdeführern wird in ihren Beschwerden darüber hinaus geltend gemacht, dass die belangte Behörde fälschlicherweise davon ausgehe, dass die Verletzung des Objektivitätsgebotes darin liege, dass sich die Moderatorin nicht von den Äußerungen des *** distanziert habe. Bereits im Gesetzestext werde zwischen der 'Moderation' und der 'Sachanalyse' unterschieden (vgl §4 Abs5 Z3 ORF-G); es handle sich dabei um völlig verschiedene Sendungsteile. Eine Moderation könne sohin aufgrund einer Sachanalyse nicht 'unobjektiv' sein. Ein Zustimmen oder Distanzieren in der Moderation würde zudem bedeuten, eine Position zu beziehen, was in Konflikt mit dem Gebot zur Sachlichkeit stehe. Auch mit diesem Vorbringen gelingt es den Beschwerdeführern nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: Den Erstbeschwerdeführer trifft dort, wo er auf die Gestaltung einer Sendung Einfluss hat, die Verpflichtung, die Ausgewogenheit der in der Sendung vertretenen Meinungen nach Möglichkeit zu wahren […]. Dem Erstbeschwerdeführer ist folglich auch eine Identifikation mit einseitig wertenden Äußerungen verwehrt; eine Identifikation liegt aber insbesondere dann vor, wenn der Erstbeschwerdeführer bei der Kommentierung solcher einseitigen Äußerungen keine klare Distanz wahrt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Verletzung des Objektivitätsgebotes nach bereits gesendeten, unsachlichen Äußerungen nur durch eine Distanzierung des Erstbeschwerdeführers vermieden werden, der diese Äußerungen ausgleicht und daher nach Möglichkeit sowohl zeitlich, als auch im Hinblick auf den Personenkreis den von der Sendung erfassten Adressatenkreis erreicht (VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074).

Im Beschwerdefall lag ein unsachlicher Kommentar in einer vom Erstbeschwerdeführer gestalteten Sendung vor […]. Die von *** getätigte polemische Aussage, die vom durchschnittlichen Fernsehzuseher mit dem Erstbeschwerdeführer in Zusammenhang gestellt wird […], blieb vom Erstbeschwerdeführer (hier: in der Person der Moderatorin ***, die im konkreten Fall einen sofortigen und umfänglichen Ausgleich hätte schaffen können) unkommentiert. Durch dieses Unterlassen einer unverzüglichen Reaktion auf die nicht in Einklang mit dem Objektivitätsgebot stehenden Äußerung hat der Erstbeschwerdeführer gegen §4 Abs5 Z3 iVm §10 Abs7 ORF-G verstoßen.

Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer ist die Schaffung eines Ausgleiches auch ohne Bezug einer Position möglich (s etwa die Reaktion der Moderatorin *** im bereits mehrfach erwähnten Bescheid der belangten Behörde vom 03.10.2018, KOA 12.051/18-006: 'Nein, Herr ***, es ist ja sozusagen heute kein Politiker eingeladen, der da jetzt replizieren könnte deswegen.', 'Ja, das weiß ich schon, aber ich möchte die Objektivität des Rundfunks wahren.' etc.). Der Moderatorin *** war es möglich, in gleicher Weise zu reagieren, unabhängig davon, dass es sich gegenständlich um ein Experteninterview und keine Talkshow gehandelt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht kann überdies das Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28.08.2019 nicht nachvollziehen, dass eine ausreichende Relativierung gleich im unmittelbaren Anschluss durch den Politikwissenschaftler selbst erfolgt sei, mag dieser auch vereinzelte Aussagen getroffen haben (***: 'Dann wieder denke ich mir, die heutige Gesprächsatmosphäre war, auch wenn es inhaltlich nicht bewertbar war, ja doch recht angenehm, und er hat halt etwas versucht in hohem Alter, das er besser nicht hätte tun sollen.').

Das Argument, dass – so die Beschwerdeführer gleichsam in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28.08.2019 – eine Distanzierungspflicht schon deshalb ausscheide, weil der Politologe ein externer Experte gewesen sei und sich der Erstbeschwerdeführer deshalb sein Verhalten nicht habe zurechnen lassen müssen, ist ebenfalls unbegründet. Bei *** handelt es sich zwar mangels Dienstverhältnis um keinen angestellten Mitarbeiter des Erstbeschwerdeführers, dieser wird jedoch aufgrund der Tatsache, dass er ständig für Politikanalysen als Studiogast geladen wird, vom durchschnittlichen Fernsehzuseher mit dem Erstbeschwerdeführer in gesteigertem Maße verknüpft und in ein Naheverhältnis zu diesem gesetzt. Der Anschein einer Arbeitsbeziehung wird dadurch intensiviert, dass der Politwissenschaftler mit der Billigung des Erstbeschwerdeführers auftritt, der die freie Wahl bei der Ladung seiner Gäste hat. Bei dieser Sachlage hat der Erstbeschwerdeführer für eine Überschreitung des Objektivitätsgebotes durch *** einzustehen."

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Das Bundesverwaltungsgericht unterstelle den maßgeblichen Vorschriften, insbesondere den §4 Abs5 Z3 sowie §10 Abs7 ORF-G, einen gegen Art10 EMRK verstoßenden Inhalt (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] Öffentliches Berichtsinteresse

Vorausgeschickt sei, dass die in Rede stehende Analyse zu einem im öffentlichen Interesse stehenden Thema, nämlich dem Schicksal der politischen Partei 'Team Stronach' und deren stetigen 'Zerbröselung', und in Bezug auf einen in der Öffentlichkeit agierenden Politiker, eine 'public figure', nämlich den namensgebenden Parteigründer ***, geäußert wurde.

In diesem Sinne geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich das Thema der vorliegenden Sachanalyse einerseits unmittelbar in der Anmoderation der Analyse durch die interviewende Nachrichtensprecherin ***: 'Der Gründer und Parteichef des Team Stronach, ***, war zu Gast bei ***, und zur Analyse der 'Sommergespräche' ist auch heuer wieder *** zu uns gekommen.' sowie andererseits den gezielten Fragestellungen der Moderatorin im Laufe des Gespräches: 'Haben wir heute Abend erfahren, was denn aus diesem Team Stronach wird?'; 'Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat *** gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?'; 'Gibt es in Österreich überhaupt genügend Platz, gäbe es den für eine Partei, wie Stronach sie erdacht hat, also eher wirtschaftsliberal, eher, aber trotzdem eine Protestpartei?' sowie der eingespielten Sequenz: 'Im Fokus stand das vor der Nachrichtensendung 'ZIB 2' ausgestrahlte 'Sommergespräch' zwischen *** und der Moderatorin *** mit Schwerpunkt auf die Zukunftsaussichten des Team Stronach nach dem geplanten politischen Rückzug des *** und der 'Mitschuld' des Parteiobmanns am 'Zerbröselungsprozess' seiner Partei.' ergebe […].

Nicht nachvollziehbar ist, dass das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig davon ausgeht, dass die Person *** als solche sowie die Dimension seines politischen Wirkens (und als Resultat davon seine Imagewerte bzw seine allgemeine öffentliche Wahrnehmung) nicht Gegenstand der Analyse gewesen sei und dem durchschnittlichen Betrachter nicht vermittelt worden sei, dass mit dem geführten Interview auch die bisherige politische Entwicklung des Team Stronach-Obmannes ergründet werden sollte.

Dies steht im Widerspruch zu dem vom BVwG selbst anhand von Sendungspassagen definierten Thema. Wenn nämlich ua die Frage aufgewor[f]en wird: 'Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat *** gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?' und betont wird, Schwerpunkt des 'Sommergesprächs' seien nicht nur die Zukunftsaussichten des Team Stronach nach dem geplanten politischen Rückzug des ***, sondern auch die 'Mitschuld' des Parteiobmanns am 'Zerbröselungsprozess' seiner Partei, dann schließt dies zwangsläufig eine Bewertung seines politischen Wirkens und als Resultat davon seine Imagewerte bzw seine allgemeine öffentliche Wahrnehmung ein.

Das Bundesverwaltungsgericht lässt den Gesamtzusammenhang außer Acht.

Schon zu Beginn des Interviewes wird erörtert, dass *** sich kaum mehr in Österreich sehen lasse: '***, man hat *** lange nicht gesehen, er taucht nur noch selten in Österreich auf, zuletzt im Juni, da hat er uns mitgeteilt, dass er seinen politischen Rückzug plant, spätestens nach Ende dieser Legislaturperiode. Haben wir heute Abend erfahren, was denn aus diesem Team Stronach wird?' Den 'Zerbröselungsprozess' der Partei hat die Moderatorin *** konkret wie folgt thematisiert: 'Die Partei gibt es seit vier Jahren, […] seit vier Jahren ist so ein Zerbröselungsprozess im Gange, auch wichtige Mitstreiter wie zum Beispiel *** haben die Partei verlassen, sind zum Teil zu anderen Parteien übergelaufen. *** hatte *** auch auf seine Fehler angesprochen und da schauen wir jetzt einmal hinein.' Nach einer kurzen Sequenz des 'Sommergesprächs', in der sich *** zu seinem Aufenthalt in Amerika äußert, wirft die Moderatorin folgende Frage auf: 'Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat *** gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?' […].

Als Antwort darauf schildert der Experte *** – befragt nach dem 'größten Fehler' von *** – nicht nur diverse Aussagen des Politikers im Sommergespräch (zB dass dieser geglaubt hätte, wir haben 300 statt 183 Nationalratsabgeordnete), sondern stellt auch einen Bezug zu früheren Aussprüchen wie zB 'die Neutralität brauchen wir, wenn die Chinesen einmarschieren', oder dass dieser auf die Frage nach der Zukunft Europas einmal gesagt habe: 'Ja, die Hauptschuldirektoren sollen sich ihre Lehrer aussuchen.', her. Die von ihm angeführten Beispiele fasst er mit dem Hinweis 'Das ist also wirklich nur noch wirr.' zusammen […]. Auch daraus ergibt sich, dass es allgemein um *** und dessen Verhalten ging. Im Übrigen ist die inkriminierte Äußerung nichts anderes als eine mögliche Bewertung ua dieser geschilderten Verhaltensweisen […].

Das Verhalten des Politikers *** stand daher zentral im Fokus der Analyse, die ua den Einfluss desselben auf das 'Zerbröseln' der Partei 'Team Stronach' beurteilte. Dies liegt ganz offenkundig im öffentlichen Interesse.

Wenn im Interview die Mitschuld und die Fehler von *** an diesem Zerfall thematisiert werden, ist schon aufgrund des wiederholt angesprochenen Aufenthalts des Pol[i]tikers im Ausland sowie der beispielhaft erwähnten früheren 'Sager' desselben klar, dass dabei nicht bloß auf das Sommergespräch abgestellt wird.

Analysegegenstand war damit entgegen der Auffassung des BVwG (auch) die Person *** und dessen politisches Wirken einschließlich der Fehler, die er im Rahmen desselben begangen haben könnte, sowie damit zusammenhängend die öffentliche Wahrnehmung des Politikers.

[…] Zur Zulässigkeit der Äußerung

Das Bundesverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, dass *** durch den inkriminierten Ausspruch als Antwort auf die Frage der 'Analysefähigkeit' seiner Person in seiner Persönlichkeit herabgesetzt wurde, denn der Durchschnittskonsument habe im Gesamtkontext des Gebotenen eine Bloßstellung des Parteiobmannes wahrgenommen. Dabei wird auf die Wortbedeutungen von 'plemplem' verwiesen. Die Bemerkung habe keinerlei Beitrag zur konkreten politischen Analyse dargestellt, sondern nur die Diskreditierung des *** bewirkt. Das polemische Fazit des Studiogastes sei, anders als seine anderen teils scharfkantig formulierten Schlussfolgerungen, auch nicht mit Beispielen gestützt. Der KommAustria wird auch insofern gefolgt, als die Aussage in ihrer Wirkung dadurch verstärkt worden sei, dass *** eine Formulierung verwendet habe, die die Meinung über den Parteiobmann als eine vermeintlich öffentliche dargestellt habe. Es handle sich daher um keine sachliche Auseinandersetzung […]. Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht allerdings Folgendes:

Auch hier ist der Gesamtzusammenhang wesentlich. Die Frage der Moderation zielt darauf ab, ob *** dabei bleibe, dass *** überhaupt nicht analysierbar sei ('...zerschellt jede Analysefähigkeit'). Dies wird von ihm bejaht. Da eine inhaltliche Analyse nicht möglich sei, werden Möglichkeiten in den Raum gestellt, wie das Verhalten von *** bewertet werden könnte. Zum einen in Form der gegenständlichen Äußerung, die ein bloß mögliches Kurzrésumé mancher Zuseher – 'was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist' – sein könnte. Im Anschluss folgt ein weiteres mögliches Kurzrésumé, zu dem der Studiogast sogar einen persönlichen Bezug herstellt: 'Dann wieder denke ich mir, die heutige Gesprächsatmosphäre war, auch wenn es inhaltlich nicht bewertbar war, ja doch recht angenehm und er hat halt etwas versucht in hohem Alter, das er besser nicht hätte tun sollen.'

Dadurch wird verdeutlicht, dass – weil eine inhaltliche Analyse schwierig bzw nicht möglich sei – es sich dabei um eine rein (be-)wertende Zusammenfassung aus Sicht der Wahlbevölkerung handelt, wobei sowohl eine negative als auch eine positive Deutungsmöglichkeit präsentiert wird. Letztere relativiert die vorhergehende Äußerung, die außerdem sehr einschränkend formuliert ist ('vielleicht', 'Kürzestanalyse', 'mancher Zuseher').

Wertungen sind wesentlicher Bestandteil eines 'analytischen Kommentars' […]. Es greift daher zu kurz, wenn das Bundesverwaltungsgericht meint, der beanstandete Kommentar sei per se keine sachliche Auseinandersetzung. Würde man mit dem BVwG fordern, dass jeder einzeln[…]e Bestandteil einer Analyse für sich genommen eine sachliche Auseinandersetzung darstellt, bliebe kein Raum für Wertungen.

Das Wesen einer Wertung ist gerade, dass sie keiner Überprüfung zugänglich ist. Mit der in Rede stehenden Bewertung wurde nur das zuvor erörterte Verhalten von *** zusammengefasst, wobei auch eine zweite Deutungsvariante präsentiert wurde.

An dieser Stelle war daher auch kein Raum für (erneute) Beispiele, deren Fehlen das Bundesverwaltungsgericht moniert. Diese wurden ja ohnedies bereits im gesamten Interview präsentiert, zB indem diverse Aussprüche von *** aufgezählt und mit 'Das ist also nur noch wirr' zusammengefasst wurden […]. Hier ging es vielmehr um eine abschließende Bewertung jenseits der – nicht möglichen – inhaltlichen Analyse. Insofern bedurfte es hier keiner Aufzählung von Beispielen. Das BVwG spricht immerhin auch selbst von einem (polemischen) Fazit.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt, dass bei der Betrachtung dieses Fazits auf den Gesamtzusammenhang abzustellen ist. Dessen Auffassung schränkt die Pressefreiheit unverhältnismäßig ein, weil diesfalls – unabhängig vom Gesamtzusammenhang – jede einzelne Äußerung aus sich heraus untermauert werden müsste. Damit würden abschließende Résumés aber unmöglich.

Die Auffassung des BVwG, die Aussage wäre in ihrer Wirkung dadurch verstärkt worden, dass eine Formulierung verwendet worden sei, die die Meinung über den Parteiobmann als eine vermeintlich öffentliche darstelle, berücksichtigt den Gesamtzusammenhang ebenfalls nicht.

Die unmittelbar danach präsentierte, positive Bewertungsmöglichkeit enthält nämlich sogar einen persönlichen Bezug ('denke ich mir'). Dies hat eine ungleich stärkere Wirkung, zumal diese Bewertung – im Gegensatz zur inkriminierten Äußerung – nicht wie oben dargelegt durch einschränkende Zusätze ('vielleicht', 'Kürzestanalyse', 'mancher Zuseher') relativiert wird.

Primäre Aufgabe eines Politikwissenschaftlers ist es, (mögliche) öffentliche Meinungsbildner in eine politische Analyse einfließen zu lassen. Es würde die Expertenanalyse unverhältnismäßig einschränken, würde man diese von vornherein auf (mögliche) positive oder defensive, zurückhaltende Meinungen beschränken müssen. Wesen der Meinungsfreiheit ist gerade, dass diese nicht nur Äußerungen schützt, die positiv aufgenommen oder als nicht offensiv oder indifferent angesehen werden, sondern auch auf solche, die verletzen, schockieren oder beunruhigen ([z]B EGMR 2.5.2000, Bsw 26.132/95 – Bergens Tidende/Norwegen, Rn 48; EGMR 21.1.1999, Bsw 29.183/95 – Fressoz und Roire/Frankreich, Rn 45; EGMR 7.12.1976, 5493/72 – Handyside/Vereinigtes Königreich, Rn 49).

Einer Expertenanalyse muss es unbenommen bleiben, auch solche Deutungsvarianten der öffentlichen Meinung zu äußern, die offensiv wahrgenommen werden. Die Analyse möglicher Wahrnehmungen (hier: der Zuseher und Wähler) kann und darf nicht davon abhängen, ob sich im konkreten Fall eine negative, kritische Bewertung auftut. Andernfalls könnte eine Expertenanalyse ihrer Aufgabe, politische Vorgänge unter Einbeziehung öffentlicher Meinungsbildner zu analysieren, nicht bzw nur unter massiver Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit nachkommen.

Dass bzw warum es sich bei der inkriminierten Äußerung nicht um eine mögliche Bewertung aus Sicht mancher Wähler bzw Zuseher handeln sollte, führt auch das Bundesverwaltungsgericht selbst nicht aus. Im Gegenteil: Die übrigen Interview-Aussagen wurden von diesem (wie schon von der KommAustria) als – wenngleich hart bzw scharfkantig – zulässig und keineswegs polemisch und unsachlich, sondern als kritische Analyse der Aussagen von *** beurteilt […].

Für zulässig erachtet wurde daher auch die Zusammenfassung, diverse Aussagen *** seien 'nur noch wirr', der eine Aufzählung diverser Aussprüche des Politikers vorangegangen war […]. Nichts anderes bringt jedoch die inkriminierte Äußerung zum Ausdruck. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass dieses mögliche Abschlussrésumé an die zuvor erörterten Inhalte anknüpft. Wie dargelegt schränkt es die Meinungsäußerungsfreiheit massiv ein, wenn man für ein Abschlussrésumé, das der Kurzzusammenfassung des vorher Gesagten dient, nochmals eine ausführliche Begründung und Untermauerung fordert.

Selbst wenn man mit dem BVwG die live geäußerten Wählermeinungen (in Form von Beiträgen im Live-Ticker) außer Acht lassen wollte, aus denen sich die inkriminierte Deutung zweifelsfrei ableiten lässt […], ergibt sich diese schon aus dem Gesamtzusammenhang der Sendung.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht eine 'andere Wortwahl' für die präsentierte negative Wählermeinung fordert, so greift es damit neuerlich massiv in die Meinungsäußerungsfreiheit ein. Mit dem Ausdruck 'plemplem' wird lediglich überspitzt zusammengefasst, was zuvor im Interview als 'wirr' beschrieben worden war. Ein anderer Ausdruck könnte dies nicht gleichermaßen pointiert auf den Punkt bringen. Da es um die Deutung einer möglichen Wählermeinung geht, wäre es von vornherein verfehlt, hiefür einen sachlich-wissenschaftlichen Begriff zu fordern. Dass Wähler das beschriebene wirre Verhalten uU mit dem Wort 'plemplem' zusammenfassen könnten, ist plausibel und schlüssig, zumal diese mit Sicherheit keinen 'akademischen' Begriff wählen würden. Der Expertenanalyse vorschreiben zu wollen, dass die mögliche Meinung eines Bevölkerungsanteils nicht salopp umschrieben werden darf, verletzt Art10 EMRK. Nochmals: Nicht nur defensive Formulierungen werden davon geschützt.

Laut BVwG sei der Bescheid der KommAustria vom 3.10.2018, KOA 12.051/18-006, wonach die Bezeichnung von Regierungsmitgliedern als 'Dreckskerle' dem Objektivitätsgebot entspreche, weil Politiker eine größere Toleranz zeigen müss[…]ten als Privatpersonen und die Äußerung in einer politischen Debatte gefallen sei, nicht einschlägig. Dort sei es um das Zitat eines Schauspielers in einer vorab aufgezeichneten Talksendung, den der Durchschnittszuseher nicht mit dem Erstbeschwerdeführer in Verbindung bringt, gegangen. Hier gehe es dagegen um eine Live-Analyse durch einen dem Erstbeschwerdeführer zuzuordnenden Politikwissenschaftler, von dem besondere Sachlichkeit erwartet werde […].

Dass es sich hier um eine Live-Analyse gehandelt hat, wird vom BVwG allerdings gerade nicht beachtet. Dieser Umstand hätte jedenfalls zugunsten der Beschwerdeführer berücksichtigt werden müssen.

Wenn der Gesetzgeber sogar im ausgesprochen heiklen Bereich der Berichterstattung iZm mit Gerichtsverfahren in den einschlägigen Bestimmungen des MedienG (§§6ff MedienG) jeweils einen Ausschlussgrund für Live-Sendungen vorsieht […], so kann und darf diese gesetzgeberische Wertung auch im vorliegenden Fall nicht außer Acht gelassen werden. Die medienrechtlichen Bestimmungen konkretisieren immerhin die grundrechtliche Spannungslage zwischen Meinungsäußerungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz, weshalb deren Wertungen in erforderliche Abwägungen einzubringen sind […].

Wie dargelegt beruht dieser Ausschlussgrund auf der Erwägung, dass eine Haftung des Medieninhabers für Äußerungen in solchen Sendungen, die unter Umständen gar nicht verhindert werden können und die auch nicht mehr redaktionell bearbeitet werden, überzogen wäre und die Ausstrahlung selbst in vielen Fällen von der öffentlichen Aufgabe des Rundfunks gedeckt ist (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 §6 Rz 34).

Im Lichte dieser Wertung ist zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Äußerung in einer Live-Sendung getätigt wurde. Dabei hat auch kein Mitarbeiter oder Beauftragter des Rundfunks die gebotene journalistische Sorgfalt iSd medienrechtlichen Ausschlussgründe außer Acht gelassen. *** hat die Äußerung als eine von zwei Möglichkeiten einer bewertenden Zusammenfassung aus Zusehersicht präsentiert. Jedenfalls hat aber die Moderatorin *** als Mitarbeiterin des Erstbeschwerdeführers die journalistische Sorgfalt eingehalten […].

[…] Zum Vorwurf der mangelnden Distanzierung

Das Bundesverwaltungsgericht meint wie dargelegt zwar einerseits, das Zitat eines Schauspielers in einer vorab aufgezeichneten Talksendung, das der Durchschnittszuseher nicht mit dem Erstbeschwerdeführer in Verbindung bringt, sei nicht mit der gegenständlichen Äußerung in einer Live-Analyse zu vergleichen […].

Gleichzeitig stellt es jedoch die gleichen Anforderungen an die Distanzierung seitens der Moderatorin im vorliegenden Fall, wie sie dort erfolgt sei […]: 'Der Moderatorin *** war es möglich, in gleicher Weise zu reagieren, unabhängig davon, dass es sich gegenständlich um ein Experteninterview und keine Talkshow gehandelt hat.'

Auch dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Live-Analyse gehandelt hat.

Die Auffassung, Journalisten müssten sich in Live-Analysen gleichermaßen deutlich von fremden Äußerungen distanzieren wie bei einer vorab aufgezeichneten Sendung, überspannt die Sorgfaltsanforderungen an diese massiv. Dies umso mehr, als der EGMR eine allgemeine Verpflichtung von Journalisten, sich systematisch und förmlich vom Inhalt eines Zitats zu distanzieren, überhaupt ablehnt […].

Entgegen der Auffassung des BVwG ist diese Rsp nicht bloß auf Journalisten privater Medien anwendbar. Diese Auffassung stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit dar und diskriminiert JournalistInnen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig sind. Hiefür besteht keine sachliche Grundlage. Auch §4 Abs5 ORF-G ist nach der Rsp des VwGH eine 'Distanzierungspflicht' im Übrigen nicht zu entnehmen (VwSlg 16999 A/2006).

Gerade bei Live-Sendungen können Äußerungen nicht verhindert bzw redaktionell bearbeitet werden; zudem ist die Ausstrahlung in vielen Fällen von der öffentlichen Aufgabe des Rundfunks gedeckt. Darauf beruht auch der medienrechtliche Ausschlussgrund für Live-Sendungen (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 §6 Rz 34).

IdS wird die journalistische Sorgfalt iZm dem medienrechtlichen Ausschlussgrund für Live-Sendungen […] iW auch nur dann verletzt, wenn eine Identifikation mit der Äußerung eines Dritten erfolgt oder diese provoziert wird. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Distanzierung kann eine Identifizierung allerdings nicht abgeleitet werden (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 §6 Rz 37 unter Hinweis auf die Materialien RV MedienG-Novelle 1992, 10). Auch in diesem Zusammenhang wird betont, dass die Anforderungen an die Pflichten der Medienmitarbeiter, etwa während der Sendung beleidigenden Übergriffen mit den Mitteln der Gesprächsleitung entgegenzuwirken, nicht überspannt werden dürfen (Berka aaO mwN).

Darüber hinaus greift die Anforderung, Moderatoren müssten selbst zusammenfassende Bewertungen eines unabhängigen Politexperten 'relativieren', massiv in die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit ein. Dadurch würde die Glaubwürdigkeit von Experten und deren Analysetätigkeit untergraben. Gleichzeitig würde dem Publikum damit der Eindruck vermittelt, Experten dürften ihre Analysen nicht frei äußern, sondern müssten 'ORF-Vorgaben' Rechnung tragen. Damit würde Sinn und Zweck einer solchen Analyse völlig konterkariert. Zudem würde damit erst recht gegen das Gebot zur Sachlichkeit verstoßen, weil in der Moderation Stellung bezogen werden müsste.

Gerade im vorliegenden Fall war eine Distanzierung schon deshalb weder notwendig noch inhaltlich zielführend, weil der Politikexperte die inkriminierte Äußerung – die ohnedies nur als eine mögliche Bewertungsvariante erwähnt wird – bereits selbst relativiert hat. Er hat dieser nämlich ein zweites mögliches 'Kurzresumé' als Bewertung unmittelbar danach gegenüber gestellt.

Es verletzt daher die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit, wenn zusätzlich zu einer solchen, in sich ausgewogenen Analyse weitere Distanzierungen oä gefordert würden. Ein solcher Eingriff ist nach der Rsp des EGMR nicht erforderlich."

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift, ebenso wie die belangte Behörde, aber Abstand genommen.

6. Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichtes beitritt. Entgegen den Ausführungen der Beschwerde sei Gegenstand der Analyse nicht allgemein "*** und sein Verhalten" gewesen, sondern das der Sendung "ZIB 2" vorangegangene "Sommergespräch" und die in diesem thematisierte politische Zukunft des "Team Stronach". Bei der vom Bundesverwaltungsgericht zu Recht beanstandeten Formulierung ("plemplem") handle es sich um keine sachliche Auseinandersetzung, sondern um eine polemische, unangemessene Äußerung, die als Degradierung und Bloßstellung einer Person jeglicher Sachlichkeit entbehre und somit gegen das Objektivitätsgebot verstoße. Eine solche Wortwahl verstoße auch gegen das Objektivitätsgebot, wenn sie als "Meinungsbild der Bevölkerung" getarnt werde. Entgegen der Beschwerde könne von einer besonders geschulten und sachverständigen ORF-Moderatorin im Rahmen ihrer Distanzierungspflicht ein sachlich neutraler Ausgleich geschaffen werden. (Dauer-)geladene Experten würden eine hohe Glaubwürdigkeit unter den Zusehern genießen und dementsprechend deren polemische Personenbewertungen in einem gesteigerten Maß ernst genommen.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl 379/1984 (WV), idF BGBl I 24/2020 lauten wie folgt:

"Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§4. […]

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität

zu sorgen.

[…]

Inhaltliche Grundsätze

§10. (1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

[…]

(4) Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten.

(7) Kommentare, Analysen und Moderationen haben sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.

[…]"

III. Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet:

1. Die angefochtene Entscheidung greift in die durch Art10 EMRK geschützte Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit des beschwerdeführenden ORF ein (VfSlg 12.086/1989, 19.742/2013, 19.854/2014).

Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine den Bescheid der KommAustria bestätigende Entscheidung mit Anforderungen an den ORF aus §4 Abs5 und §10 Abs7 ORF-G. Diese gesetzlichen Regelungen stützen sich zur Umsetzung der Vorgaben des ArtI Abs2 BVG Rundfunk auf Art10 Abs1 Satz 3 EMRK (vgl zur Differenzierung zwischen Art10 Abs1 Satz 3 EMRK und Art10 Abs2 EMRK als Schranke der grundrechtlichen Freiheitsverbürgung des Art10 Abs1 EMRK VfSlg 17.082/2003).

Angesichts der – auch vom beschwerdeführenden ORF nicht in Zweifel gezogenen – grundsätzlichen Unbedenklichkeit der vom Bundesverwaltungsgericht angewendeten Rechtsgrundlagen, die den ORF als öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter spezifischen Regelungen unterwerfen, bleibt im Folgenden zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht diese Bestimmungen deswegen denkunmöglich angewendet hat, weil es dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen, hier also die besonderen Schranken des Art10 EMRK missachtenden Inhalt unterstellt, indem es aus §4 Abs5 iVm §10 Abs7 ORF-G eine Beschränkung der Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit des ORF ableitet, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der mit Art10 Abs1 Satz 3 EMRK und ArtI Abs2 BVG Rundfunk verbundenen Zielsetzungen nicht notwendig ist (VfSlg 12.086/1989, 16.468/2002).

2. Das Bundesverwaltungsgericht lastet dem ORF zunächst an, dass er durch die beanstandete Äußerung von *** ("plemplem") *** in seiner Persönlichkeit herabgesetzt und deswegen gegen das Objektivitätsgebot des §4 Abs5 Z3 iVm §10 Abs7 ORF-G verstoßen habe. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass dem ORF eine kritische Betrachtung des zuvor gesendeten "Sommergespräches" in der nachfolgenden Nachrichtensendung unter Beiziehung eines selbst ausgewählten Politologen im Rahmen seiner journalistischen Freiheit nicht verwehrt sei und es sich bei der konkreten Aufarbeitung des ausgestrahlten Interviews mit *** um eine Sachanalyse gehandelt habe, die den Anforderungen des §4 Abs5 Z3 iVm §10 Abs7 ORF-G genügen müsse. Für die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Verletzung dieser Vorschriften sei maßgeblich, dass Gegenstand der Analyse in der "ZIB 2" im Anschluss an das "Sommergespräch" nicht auch die Person *** als solche und die Dimension seines politischen Wirkens und damit auch seine bisherige politische Entwicklung als Team Stronach-Obmann gewesen sei, sondern der Zuseher sich in erster Linie eine Einschätzung des vorangegangenen Fernsehauftrittes, der sich inhaltlich auf die politische Zukunft und nicht auf die politische Vergangenheit bezogen habe, erwartet habe. Die beanstandete Äußerung sei gegen eine einzelne politische Person im Rahmen einer Live-Analyse durch einen dem ORF zuzuordnenden Politikwissenschafter erfolgt, von dem auf Grund seiner Funktion besondere Sachlichkeit erwartet werde. Daher gingen die Hinweise darauf, dass *** als Politiker im Interesse einer freien öffentlichen Debatte schärfere Angriffe hinnehmen müsse als Privatpersonen, fehl. Die negative Meinung über *** hätte *** auch auf andere Art und in einer mit dem Objektivitätsgebot im Einklang stehenden Wortwahl wiedergeben können.

2.1. Nach §4 Abs5 ORF-G hat der ORF bei der Gestaltung seiner Sendungen und Angebote unter anderem für die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen (Z2) und für eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität (Z3) zu sorgen. §10 Abs7 ORF-G zufolge haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.

Diese im Interesse der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung und der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt im Sinne des ArtI Abs2 BVG Rundfunk stehenden gesetzlichen Konkretisierungen des Objektivitätsgebotes tragen der Stellung des ORF als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter ebenso Rechnung wie seiner durch Art10 EMRK gewährleisteten besonderen Funktion als "public watchdog" in der demokratischen Gesellschaft. Daher zählen nicht nur eine entsprechend umfassende Informationsvermittlung zum Kernauftrag des ORF, sondern auch die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen Dritter ebenso wie eigene Kommentare und Sachanalysen. Während §4 Abs5 Z2 ORF-G für die Wiedergabe und Vermittlung von Kommentaren und Stellungnahmen Dritter insbesondere eine angemessene Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen verlangt (VwSlg 16.999 A/2006, 18.545 A/2012), stellt §4 Abs5 Z3 ORF-G eigene Kommentare und Sachanalysen des ORF unter ein spezielles Gebot der Objektivität.

Das allgemeine Objektivitätsgebot des §4 Abs5 ORF-G ist also differenziert zu sehen, je nachdem, welche Stellung demjenigen, der Kommentare oder Stellungnahmen und Sachanalysen v

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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