TE OGH 2021/6/24 2Ob69/21t

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Veröffentlicht am 24.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** G*****, vertreten durch Mag. Martin Kaufmann, Rechtsanwalt in Melk, gegen die beklagten Parteien 1. P***** R*****, und 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Gollonitsch Rechtsanwälte OG in Scheibbs, wegen 24.730 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Februar 2021, GZ 11 R 9/21f-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Der behauptete Verfahrensmangel nach § 405 ZPO in Bezug auf die Umformulierung des Feststellungsbegehrens durch das Erstgericht wurde bereits vom Berufungsgericht verneint und ist daher mit Revision nicht mehr anfechtbar (RS0042963).

[2]            2. Nach § 7 Abs 2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeugs dann, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr, am rechten Fahrbahnrand zu fahren; er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

[3]            Nach der Rechtsprechung kommt bei engen und unübersichtlichen Straßen dem strengen Einhalten der rechten Fahrbahnseite erhöhte Bedeutung zu, sodass ein Verstoß gegen diese Regelung besonders schwer wiegt. Demgegenüber tritt die Einhaltung einer für die Verhältnisse zu hohen Geschwindigkeit in der Beurteilung der Verschuldensfrage zurück, sodass diese Erwägungen in der Regel die Aufteilung des Schadens im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten dessen, der gegen § 7 Abs 2 StVO verstoßen hat, rechtfertigen (2 Ob 52/86; RS0058775). Damit stimmt die Entscheidung des Berufungsgerichts überein.

[4]            3. Die von den Revisionswerbern angeführten Entscheidungen zeigen insoweit keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf:

[5]            Der Verschuldensteilung in der Entscheidung 2 Ob 52/86 lagen eine mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 150 % und zusätzliche Verschuldenskomponenten zugrunde.

[6]            In der ebenfalls ein Rechtsabbiegemanöver unter Benutzung der linken Fahrbahnhälfte betreffenden Entscheidung 2 Ob 30/88 hatte der entgegenkommende Lenker freie Sicht auf das Manöver aus 65 m und bremste dennoch erst in 15 m Entfernung mit einer Reaktionsverspätung von 2 bis 2,4 sec.

[7]            Im Fall der Entscheidung 2 Ob 31/82 ZVR 1983/154 verstießen bei 5 m breiter Fahrbahn beide Fahrzeuglenker gegen § 7 Abs 2 StVO. Dem allein die Fahrbahnmitte überschreitenden Fahrzeuglenker wurde ohnehin ein Mitverschulden von zwei Dritteln angelastet.

Letztlich wurde in der Entscheidung 2 Ob 201/19a dem § 7 StVO verletzenden Fahrzeuglenker zwar tatsächlich nur ein Drittel Mitverschulden angelastet. Dort drang dieser aber nur 60 cm weit in den 3,4 m breiten gegnerischen Fahrstreifen ein und blieb in dieser Position stehen, sodass ohne zu erwartende Positionsveränderung des stehenden Fahrzeugs eine Durchfahrtsbreite von 2,8 m verblieb.

[8]            4. Hier hat der Kläger zwar eine für die unübersichtlichen Straßenverhältnisse nicht unerhebliche relativ überhöhte Geschwindigkeit eingehalten (70 statt 55 km/h; eine höhere Annäherungsgeschwindigkeit haben die Beklagten nicht bewiesen; zur Beweislast vgl RS0022783), aber prompt und auch nicht falsch reagiert, während an eben dieser Stelle der Erstbeklagte unter erheblichem Überschreiten der Fahrbahnmitte (um 1,5 m) sein Abbiegemanöver ohne weitere Beachtung des dadurch behinderten Gegenverkehrs durchführte.

[9]            Der Oberste Gerichtshof hat zu solchem Rechtsabbiegen wiederholt ausgesprochen, dass der Lenker eines Fahrzeugs, das infolge seiner Bauart nicht die fahrtechnische Möglichkeit hat, vom rechten Fahrstreifen (§ 12 Abs 2 StVO) nach rechts in kurzem Bogen (§ 13 Abs 1 StVO) einzubiegen, verpflichtet ist, sich davon zu überzeugen, ob das Einbiegen ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich ist, und dass er notfalls davon Abstand zu nehmen hat (2 Ob 30/88). Die Verpflichtung des Lenkers zur besonderen Vorsicht und Aufmerksamkeit, zumal während eines länger dauernden Einbiegevorgangs, ist auch auf herannahende Fahrzeuge des Gegenverkehrs zu beziehen, insbesondere wenn das Rechtseinbiegen im Bereich einer Kurve erfolgt (2 Ob 30/88 = RS0074180 [T5]).

[10]           5. Insgesamt zeigen daher die Ausführungen der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage in Bezug auf die eine Frage des Einzelfalls darstellende (RS0087606) Verschuldensabwägung auf.

Textnummer

E132523

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00069.21T.0624.000

Im RIS seit

30.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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