TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/9 W282 2223852-17

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Veröffentlicht am 09.04.2021
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Entscheidungsdatum

09.04.2021

Norm

AVG §68
BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs1a
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W282 2223852-17/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde XXXX , geb XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation alias Afghanistan, gegen die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX 2021, zu A) und erkennt zu B) zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Anhaltung in Schubhaft am XXXX 2021 richtet, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG und § 17 VwGVG iVm § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

B)

I. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 u. 1a BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 3 u. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.    Bei seiner am 18.10.2015 durchgeführten Erstbefragung gab er an den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger Afghanistans zu sein. Diese Identitätsdaten nannte er auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt oder BFA bezeichnet) am 13.07.2017.

1.2.    Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2017 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2018 abgewiesen.

1.3.    Am 20.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag) und gab an den Namen XXXX zu führen, am XXXX in Grosny geboren worden zu sein und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein.

1.4.    Am 09.04.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt einvernommen und bekräftigte im Zuge dieser Einvernahme, kein afghanischer Staatsangehöriger, sondern Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein.

1.5.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 wurde der faktische Abschiebeschutz aufgrund des Asylfolgeantrages aufgehoben.

1.6.    Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht erfolgte.

1.7.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde nach Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft in Vollzug gesetzt.

1.8.    Am 07.05.2019 wurde der Beschwerdeführer - nachdem ihm von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat erteilt worden war - nach Afghanistan überstellt. Da der Beschwerdeführer weiterhin behauptete Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein, verweigerten die afghanischen Behörden die Übernahme des Beschwerdeführers, weshalb er mittels Charter nach Österreich zurückgebracht werden musste und am 09.05.2019 neuerlich nach Österreich einreiste.

1.9.    Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 wurde neuerlich die Schubhaft über den Beschwerdeführer angeordnet. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer nochmals der afghanischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wiederum als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und ein weiteres (zweites) Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt.

1.10.   Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich nach Afghanistan überstellt und den dortigen Behörden übergeben. Obwohl er weiterhin behauptete kein afghanischer Staatsangehöriger zu sein, übernahmen die afghanischen Behörden nach Telefonaten mit dem Konsulat in Wien den Beschwerdeführer. Die den Zeitraum vom XXXX 2019 bis 29.05.2019 betreffende Schubhhaft wurde durch Übergabe an die afghanischen Behörden faktisch, als auch rechtlich beendet

1.11.   Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 wurde der Asylfolgeantrag gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zugestellt und ist in weiterer Folge in Rechtskraft erwachsen.

1.12.   Am 05.09.2019 reiste der Beschwerdeführer aufgrund des mit Afghanistan abgeschlossenen Rückübernahmeabkommens erneut nach Österreich ein, da die afghanischen Behörden nunmehr erneut die Ansicht vertraten, der BF sei kein afghanischer StA.

1.13.   Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2019 wurde über den Beschwerdeführer ein weiteres Mal die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der BF wird – soweit es dieses Verfahren betrifft, daher seit 06.09.2019 in Schubhaft angehalten.

1.14.   Die gegen diesen Schubhaftbescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2019 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.

1.15.   Aufgrund eines gerichtlichen Ersuchens wurde der Beschwerdeführer am 15.04.2020 durch ein Organ des Bundesamtes zu seiner aktuellen Lage in der laufenden Schubhaft in russischer Sprache einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sich an seinen persönlichen Verhältnissen seit der letzten Einvernahme nichts geändert habe, er an keinen Erkrankungen oder Beschwerden leide und es ihm gesundheitlich gut gehe. Gegen eine Fortsetzung der Schubhaft spreche, dass er Freunde und soziale Bindungen habe und ihm die Schubhaft psychisch nicht gut tue.

1.16.   Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020, vom 30.01.2020, vom 27.02.2020, vom 23.03.2020, vom 20.04.2020, vom 15.05.2020, vom 10.06.2020, vom 07.07.2020, vom 12.08.2020, vom 09.09.2020, vom 07.10.2020, vom 02.11.2020 und vom 27.11.2020 wurde in der Folge weiterhin festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft jeweils vorlagen.

1.17.   Das Bundesamt hat aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei den Vertretungsbehörden der Russischen Föderation eingeleitet. Am 04.02.2020 fand ein Interviewtermin des Beschwerdeführers bei der russischen Botschaft statt. Am 05.11.2020 wurde vom Bundesamt bei der russischen Botschaft urgiert und auf die Dringlichkeit des Verfahrens hingewiesen. Mit Schreiben vom 09.12.2020 hat die russische Botschaft eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ausgeschlossen, da es sich bei seiner Person nicht um einen Angehörigen der Russischen Föderation handelt.

1.18.   Am 13.02.2020 wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren mit Tadschikistan eröffnet, um auch eine weitere Alias-Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen. Am 08.06.2020 wurde der Beschwerdeführer der Konsularabteilung der tadschikischen Botschaft vorgeführt. Da der Beschwerdeführer kein Tadschikisch spricht, wurde das Interview in russischer Sprache geführt. Der Beschwerdeführer gab an, er sei aus Tschetschenien, dort aufgewachsen und im Alter von sieben Jahren nach Moskau gezogen. Seine Eltern wären verstorben. Er könne aber nicht zurück nach Tschetschenien, da er dort Probleme habe. Auch sei es ihm unerklärlich, weshalb er nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Das Heimreisezertifikatsverfahren mit Tadschikistan wurde in weiterer Folge ad acta gelegt, da nach Auskunft der tadschikischen Botschaft keine Berührungspunkte mit Tadschikistan vorliegen.

1.19.   Am 01.07.2020 wurde ein neuerliches Heimreisezertifikatsverfahren mit Afghanistan eingeleitet. Seitens der Heimreisezertifikatsabteilung wurde zugesichert, dass nach dem Einlangen einer negativen Antwort der russischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates in Bezug auf Afghanistan stattfinden werde. Aufgrund der Tatsache, dass schon zwei Mal ein Heimreisezertifikat für Afghanistan ausgestellt worden sei, sei auch nach Vorlage der Ablehnungen von Russland bzw. Tadschikistan mit einer neuerlichen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zu rechnen.

1.20.   Am 12.08.2020 langte auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes ein aktuelles amtsärztliches Gutachten vom gleichen Tag ein, welches die weitere Haftfähigkeit des Beschwerdeführers bestätigte.

1.21.   Am 27.11.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer COVID-19 Erkrankung aus der Schubhaft entlassen und in ein Spital gebracht. Nach seiner Genesung wurde dieser aus der Spitalsbehandlung entlassen und am 07.12.2020 erneut festgenommen, in ein Polizeianhaltezentrum verbracht und über ihn am selben Tag vom Bundesamt die Schubhaft verhängt.

1.22.   Mit Schriftsatz vom 07.01.2021 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers gegen den Schubhaftbescheid vom 07.12.2020 und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 07.12.2020 sowie auch gegen die vorangegangenen Schubhaftbescheide vom XXXX 2019, XXXX 2019 und 06.09.2019 und die damit verbundenen Anhaltungen in (Schub)haft Beschwerde erhoben.

1.23.   Zur Erhebung des aktuellen Gesundheitszustandes und der weiteren Haftfähigkeit des Beschwerdeführers wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen dieses Vorverfahrens am 13.01.2021 eine gutachtliche Stellungnahme des Amtsarztes im Polizeianhaltezentrum eingeholt. Im Gutachten des Amtsarztes wurde ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer eine posttraumatische Belastungsstörung gegeben sei, er jedoch ruhig, angepasst, freundlich, kooperativ und positiv affizierbar sei. Die laufende Haftsituation belaste diesen nicht über das gemeinhin übliche Maß und sei er subjektiv körperlich beschwerdefrei. Eine Suizidalität sei nicht festgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei im vollen Umfang haftfähig.

1.24.   Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2021, GZ W171 2223852-15/7E, wurde unter Spruchpunkt I. die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 und die darauffolgende Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2019 bis 07.05.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt II. wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 und die Anhaltung in Haft von 09.05.2019 bis 29.05.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2019 und die Anhaltung in Haft von 05.09.2019 bis 27.11.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt IV. wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 07.12.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 07.12.2020 bis 14.01.2021 für rechtswidrig erklärt. Unter Spruchpunkt V. wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Kostenentscheidung erfolgte unter den Spruchpunkten VI. bis IX.

1.25 Mit Schriftsatz vom 23.01.2021 wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 14.01.2021 erneut Beschwerde erhoben.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer - unterbrochen lediglich durch zwei erfolglose Abschiebungen nach Afghanistan - seit April 2019 durchgehend in Anhaltung befinde. Zuletzt sei mit näher bezeichnetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2021 u.a. festgestellt worden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden. Die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft würden jedoch nicht vorliegen, da die afghanischen Behörden den Beschwerdeführer bereits zweimal nach einer Abschiebung wieder nach Österreich rücküberstellt hätten. Weshalb weiter davon ausgegangen werde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nunmehr effektuierbar sei, sei nicht ersichtlich, da die afghanischen Behörden davon ausgehen würden, dass der Beschwerdeführer kein afghanischer Staatsangehöriger sei. Zudem sei die vorliegende Rückkehrentscheidung mit Bescheid vom XXXX 2019, rechtskräftig seit 12.07.2019, erlassen worden. Da sie somit mehr als 18 Monate zurückliege, sei diese Rückkehrentscheidung nicht mehr gültig und es bestehe daher kein Titel zur Abschiebung des Beschwerdeführers. Zudem hätte das Bundesamt nach der Wiedereinreise des Beschwerdeführers neuerlich prüfen müssen, ob seine Abschiebung nach Afghanistan eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. Aufgrund der Verlängerung des Lockdowns zumindest bis 07.02.2021 aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie werde der Abschiebetermin für den 23.02.2021 in Zweifel gezogen. Zum nunmehrigen Zeitpunkt könnten vom Bundesamt keine verlässlichen Angaben dazu gemacht werden, ob die Abschiebung des Beschwerdeführers zu diesem Termin tatsächlich stattfinden würde. Im Rahmen der Beschwerde wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers beantragt, die Anhaltung in Schubhaft seit 14.01.2021 für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen. Weiters wurde Kostenersatz und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.26 Mit Erkenntnis vom XXXX 2021, GZ W115 2223852-16/6E wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung ( XXXX 2021) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Weiters wurde der BF zum Kostenersatz verpflichtet.

1.27 Der BF wurde am 09.02.2021 in Schubhaft über Ersuchen des Bundesamtes von einem fachkundigen Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien mit mehr als 10jähriger Erfahrung hinsichtlich Tschetschenien bzw. der tschetschenischen Diaspora in Österreich einvernommen. Weiters wurden auch die Mithäftlinge des BF zu diesem befragt. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass der BF nach Erfahrungswerten des Beamten mit hoher Wahrscheinlichkeit Afghane sei, der im Grenzgebiet zu Tadschikistan ausgewachsen sei oder möglicherweise auch Tadschike sei. Es sei aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der BF Tschetschene bzw. Russe sei, da er Fragen nach typischen Landeskenntnisse gezielt ausweiche bzw. das Gesagte, wenn er antworte, diesbezüglich stark eingelernt wirke. Auch ggü. seinen Mithäftlingen scheine der BF sehr darauf bedacht zu sein, seine tatsächliche Herkunft bzw. Staatsangehörigkeit zu verbergen.

1.28. Der BF war für eine Charterabschiebung nach Afghanistan am 23.02.2021 vorgesehen und hätte hierzu am noch am 19.02.2021 der afghanischen Botschaft zur erneuten Identifizierung vorgeführt werden sollen. Dieser Delegationstermin wurde von der afghanischen Botschaft abgesagt.

1.29. Der BF wurde vom Bundesamt am 19.02.2021 in ein gelinderes Mittel entlassen und befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Schubhaft.

1.30. Der BF erhob – diesfalls ohne Vertretung – am 06.04.2021 an das BVwG Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG gegen die Anhaltung in Schubhaft ab XXXX 2021. In der Beschwerde wird weitgehend zu den oben dargestellten Vorerkenntnissen des BVwG vom 14.01.2021 und XXXX 2021 ausgeführt bzw. diese Entscheidungen kritisiert. Inhaltlich wird in der ggst. Beschwerde – wie schon in den Beschwerden zuvor – ausgeführt, die max. Schubhaftdauer des § 80 FPG sei bereits lange überschritten worden, da der BF nicht erfolgreich nach Afghanistan abgeschoben werden konnte. Weiters hätte dem Bundesamt aufgrund eines Postings eines Mitgliedes der afghanischen Botschaftsdelegation in einem sozialen Medium vom 08.02.2021, in dieser angebe sich krank zu fühlen, wissen müssen, dass bis zur geplanten Charterabschiebung am 23.02.2021 keine Botschaftstermine stattfinden könnten.

Konkret ausformulierte Anträge oder ein Antrag auf Kostenersatz sind in der Beschwerde nicht enthalten.

1.31 Das Bundesamt legte am 08.04.2021 jene Teile des Verwaltungsaktes elektronisch vor, die noch nicht im Rahmen der genannten Vorverfahren vorgelegt wurden und erstatte eine Stellungnahme. Darin wird auszugsweise wie folgt ausgeführt:

„Am 09.12.2020 wurde seitens der russischen Botschaft mitgeteilt, dass es den Datensatz XXXX , geb XXXX in der russischen Föderation nicht gibt und somit feststeht, dass der BF kein russischer Staatsangehöriger ist. Die schriftliche negative Verbalnote erfolgte am 08.02.2021.

Bisher wurden dem BF zwei HRZ von der afghanischen Botschaft ausgestellt und der BF wurde zwei Mal nach Afghanistan abgeschoben.

Der BF wurde am 19.02.2021 aus der Schubhaft entlassen und mit Mandatsbescheid vom 19.02.2021 unter GZ: XXXX wurde gegen den BF das gelindere Mittel gem. § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG, iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen. Dieser Bescheid befindet sich seit 25.02.2021 in Vorstellung. Das Ermittlungsverfahren wurde am 01.03.2021 eingeleitet und läuft derzeit noch.

Der geplante Vorführtermin im Februar vor dem Charter am 23.02.2021 konnte aufgrund eines Ausbruches von Covid-19 in der afghanischen Botschaft nicht durchgeführt werden. Dabei wird auch angemerkt, dass nach dem Bekanntwerden, dass der Vorführtermin vor dem Charter am 23.02.2021 nicht stattfindet, der BF sofort aus der Schubhaft entlassen und ein gelinderes Mittel mit einer periodischen Meldeverpflichtung erlassen wurde.

Zum Vorhalt in der Beschwerde, dass die Abschiebung aufgrund eines „Postings“ in sozialen Medien eines vermeintlichen Botschaftsmitarbeiters über dessen Covid-19 Erkrankung, nicht mehr wahrscheinlich war ist anzumerken, dass sich das BFA nicht mit solchen „privaten Postings“ die in Privatsphäre von anderen Personen fallen, befasst. Weiters ist auszuführen, dass bis zum 19.02.2021 an einer Lösung für die Durchführung bzw. Zustandekommen an einem Interview gearbeitet wurde. Erst zum Zeitpunkt der Entlassung des BF ins gelindere Mittel, war klar, dass der Abschiebetermin am 23.02.2021 nicht eingehalten werde konnte“.

II. Feststellungen:

Aufgrund des Umfangs und der Relevanz der in Punkt I. geschilderten Verfahrenshistorie wird diese zur Vermeidung von Wiederholungen zur Feststellung erhoben.

Ergänzend ist festzustellen:

Die ggst. eingebrachte Beschwerde hat einen Umfang von acht Seiten. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der per Fax eingebrachte Beschwerdeschriftsatz unvollständig übertragen wurde.

1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Vorverfahren:

Der BF ist nicht österreichischer Staatsangehöriger. Er ist Staatsangehöriger Afghanistans, weiters ist er volljährig und gesund und in Österreich strafrechtlich vorbestraft. Er ist weder Asylberechtigter, noch subsidiär Schutzberechtiger. Der BF ist und war und ist im Inland nicht erwerbstätig, er ist weitgehend mittelos. Eine russische oder tadschikische Staatsangehörigkeit konnte nicht festgestellt werden bzw. wurde die Anerkennung einer Staatsangehörigkeit des BF von diesen Staaten verweigert. Die russische Botschaft hat mit Verbalnote vom 08.02.2021 eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF endgültig ausgeschlossen, da es sich bei seiner Person nicht um einen Angehörigen Russlands handelt.

Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Entlassung am 19.02.2021 durchgehend haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Der Beschwerdeführer hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019, der im Juli 2019 in Rechtskraft erwuchs, besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung sowie ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot.

2. Zur Straffälligkeit:

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.12.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach 269 Abs. 1 dritter Fall Strafgesetzbuch - StGB, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 2 und Abs. 5 Z. 1 StGB, wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.01.2019 wurde der BF wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt. Der BF hat am 10.09.2018 einer Person dadurch eine schwere Körperverletzung zugefügt, dass er dieser einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, die Person zu Boden warf und der am Boden liegenden Person einen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, wodurch die Person eine zweifache Unterkieferfraktur linksseitig mit Verschiebung der Bruchenden und Lockerung von zwei Zähnen erlitt.

3. Zu den Voraussetzungen der Anhaltung in Schubhaft und zur Fluchtgefahr:

Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die vor dem 19.02.2021 gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer gesprochen hätten. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer und seine Abschiebung nach Afghanistan ist nach wie vor möglich, zumal die afghanische Botschaft bereits in der Vergangenheit zweimal ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt hat und nunmehr die Bestätigung der russischen Botschaft vorliegt, dass es sich beim Beschwerdeführer um keinen Staatsangehörigen der russischen Föderation handelt. Die russische Botschaft hat mit Schreiben vom 09.12.2020 eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ausgeschlossen, da es sich bei seiner Person nicht um einen Staatsangehörigen Russlands handelt und dies auch durch diplomatische Verbalnote vom endgültig 08.02.2021 bestätigt. Die Vertretung von Tadschikistan hatte bereits zuvor ebenso die Anerkennung des BF als Staatsangehörigen abgelehnt.

Die afghanische Botschaft hat zugesichert, für den BF ein weiteres Heimreisezertifikat auszustellen, falls der BF weder von der tadschikischen, noch von der Botschaft der russischen Föderation als Staatsangehöriger anerkannt werden sollte. Die Absage des Botschaftstermins hinsichtlich Afghanistan am 19.02.2021 aufgrund der Erkrankung des diplomatischen Personals erfolgte seitens der Botschaft am 09.02.2021, wobei dennoch die Möglichkeit bestand, die notwendigen Interviews per Videokonferenz durchzuführen. Die zuständige Abteilung B/II des Bundesamtes versuchte in Folge bis 19.02.2021 ein solches Interview für den BF per Videokonferenz mit der afghanischen Botschaft zu organisieren. Am 19.02.2021 scheiterten diese Versuche endgültig, was umgehend von der Abteilung B/II des Bundesamtes der zuständigen Außenstelle mitgeteilt wurde. Der BF wurde dort unmittelbar darauf in ein gel. Mittel entlassen. Das Bundesamt konnte somit bis 19.02.2021 mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass dem BF bei der Vorführung vor bzw. Interview durch die afghanische Botschaft ein HRZ ausgestellt wird und der BF daher mit der Charterabschiebung am 23.02.2021 noch innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer erneut nach Afghanistan abgeschoben werden kann.

Der BF wurde schließlich am 05.03.2021 erneut der afghanischen Botschaft vorgeführt, wobei er sich nunmehr weigerte Dari zu sprechen, obwohl die Einvernahme zu seinem ersten Asylantrag ausschließlich auf Dari erfolgt ist und der BF auch bei früheren Vorführungen vor die Botschaft Dari sprach. Aufgrund dieser nunmehrigen Weigerung erfolgte keine positive Identifizierung und wurden von der afghanischen Botschaft weitere Überprüfungen in Afghanistan durchgeführt werden.

Sammelabschiebungen nach Afghanistan auf dem Luftweg finden nunmehr wieder regelmäßig statt. Der Abschiebecharterflug nach Afghanistan am 23.02.2021 wurde auch tatsächlich erfolgreich durchgeführt, wenngleich die Buchung des BF für diesen Flug mangels Vorführtermin vor die Botschaft storniert werden musste. Auch ein Abschiebeflug Ende März 2021 nach Afghanistan fand erfolgreich statt.

Der BF wurde noch am 19.02.2021 aus der Schubhaft in ein gelinderes Mittel entlassen.

Der BF hat am 09.10.2018 seine ihm zugewiesene Unterkunft im Rahmen der Grundversorgung verlassen und ist untergetaucht. Er hat sich dadurch dem Verfahren entzogen. Im Zuge des Folgeantragsverfahrens wurde dem BF rechtsgültig der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a AsylG 2005 aberkannt. Der BF ist in erheblichem Maße nicht vertrauenswürdig, er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.

Der BF stellte am 20.03.2019 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt bestand gegen den BF bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Im Bundesgebiet bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen des BF. Der BF geht und ging im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln.

Der BF ist im allerhöchsten Maße vertrauensunwürdig und im allerhöchstem Maße unkooperativ.

3. Zur behaupteten Erkrankung des „Leiters der afghanischen Botschaftsdelegation“:

Festgestellt wird, dass eine Person namens „Tareq Aziz“ weder Leiter der Botschaftsdelegation der afghanischen Botschaft in Wien ist, noch eine Person dieses Namens dem diplomatischen Personal der afghanischen Botschaft in Wien angehört oder im Februar 2020 angehört hat. Das zum Entscheidungszeitpunkt akkreditiere diplomatische Personal der afghanischen Botschaft in Wien wurde im Jahr 2021 mit Ausnahme der Botschafterin selbst auch nicht ausgetauscht.

Festgestellt wird, dass die Behauptungen des BF, dass eine Person „Tareq Aziz“ Leiter der Botschaftsdelegation der afghanischen Botschaft in Wien sei und diese Person in dieser Funktion am 08.02.2021 seine COVID-19 Erkrankung öffentlich gemacht hätte, frei erfunden und wahrheitswidrig sind, sowie mit dem Vorsatz unter Beigabe von Beweismitteln (Screenshot eines sozialen Mediums) erhoben wurden, um das Bundesverwaltungsgericht zu täuschen und das (tatsächlich nicht vorliegende) Zutreffen dieser wahrheitswidrigen Behauptung zu beweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akten des Bundesamtes, in den verfahrensgegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF und die vorhergehenden amtswegigen Schubhaftprüfungen betreffend, weiters in die Gerichtsakten Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zl. W115 2223852-16 sowie W171 2223852-15 und auch in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres und das Zentrale Fremdenregister.

Die vollständige Übertragung des per Fax eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes – des in diesem Verfahren unvertretenen BF - wurde vom BVwG intern überprüft (AV OZ 8). Dies erfolgte um einen Übertragungsfehler auszuschließen, da die Beschwerde – wie sonst nach Schriftsatzgepflogenheiten üblich – nicht mit konkreten Beschwerdeanträgen bzw. einem Beschwerdebegehren schließt. Aufgrund der Überprüfung der Einlaufstelle des BVwG konnte jedoch festgestellt werden, dass der Schriftsatz so wie er abgesendet wurde, auch beim BVwG eingegangen ist.

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem gerichtlichen Vorakt sowie den angeführten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung hinsichtlich der Asylanträge und des Bestehens der durchsetzbaren Rückkehrentscheidungen ergibt sich aus einer Einsicht in das Fremdenregister und die jeweils vorgelegten Teile des Verwaltungsaktes in den Verfahren W115 2223852-16 sowie W171 2223852-15. Aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 13.01.2021 (Verfahren W171 2223852-15, OZ 6) ergibt sich, dass der BF keine nennenswerten körperlichen Erkrankungen hat. Das nach dem 13.01.2021 bis zur Entlassung des BF am 19.02.2021 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF eingetreten ist, wird auch nicht behauptet, weshalb die Haftfähigkeit des BF für diesen Zeitraum festzustellen war. Die strafgerichtlichen Verurteilungen waren dem Strafregisteraus und den in den Verwaltungsakten der Vorverfahren einliegenden Urteilsabschriften zu entnehmen.

Die Feststellung zu den bereits zweimaligen Abschiebungen des BF nach Afghanistan ergibt sich aus den Angaben im Verwaltungsakt und den gerichtlichen Akten der Vorverfahren, woraus hervorgeht, dass der BF bereits zweimal mit einem gültigen Heimreisezertifikat nach Afghanistan ausgereist ist bzw. abgeschoben wurde. Beim ersten Abschiebeversuch im Jahr 2019 musste der BF aber sofort am Flughafen rückübernommen werden. Ebenso wenig ist strittig, dass sich der BF nach der letztlich erfolgreichen Abschiebung im Mai 2019 bis September 2019 in Afghanistan aufgehalten hat und erst Anfang September 2019 nach einer entsprechenden Rücknahmeaufforderung der afghanischen Behörden von Österreich rückübernommen werden musste. Der BF konnte somit – trotz bestehenden Einreiseverbots - wieder nach Österreich einreisen.

Nach den Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesamtes und der Verbalnote der Botschaft im Verwaltungsakt liegt auch eine definitive Erklärung der russischen Botschaft vor, dass es sich beim BF nicht um einen Angehörigen der russischen Föderation handelt. Am 08.06.2020 teilte die tadschikische Konsularabteilung ebenfalls mit, dass der BF auch nicht aus Tadschikistan stammen würde. Bisher wurden daher nur von Afghanistan Heimreisezertifikate für den BF ausgestellt. Der Gang des Verfahrens zu den HRZ, der Ablauf der Geschehnisse rund um die Absage des persönlichen Vorführtermins am 19.02.2021 sowie die Anstrengungen des Bundesamtes zur Durchführung des notwendigen Interviews per Videokonferenz ergeben sich aus der diesbezüglichen glaubwürdigen und nachvollziehbaren Stellungnahme der Abt. B/II des Bundesamtes (OZ 17). Das Bundesamt konnte daher bis zum Scheitern der Versuche dieses Interview per Videokonferenz durchzuführen, bis 19.02.2021 mit noch hinreichender Sicherheit davon ausgehen, dass dem BF ein erneut ein HRZ ausgestellt wird und dass dieser mit der Sammelabschiebung am 23.02.2021 nach Afghanistan gebracht werden kann. Die Feststellungen, dass sowohl die Sammelabschiebung am 23.02.2021 als auch eine Sammelabschiebung Ende März 2021 erfolgreich durchgeführt wurden, ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes und sind in diesem Umfang auch gerichtsnotorisch.

Da aber nunmehr klar ist, dass die Behauptung des BF, russischer Staatsangehöriger zu sein, nicht der Wahrheit entsprach, sieht das Gericht keinen Grund dafür als gegeben an, anzunehmen, dass die Behörden in Afghanistan nach Ausstellung eines neuerlichen Heimreisezertifikates abermals die Übernahme des BF mit der Begründung verweigern könnten, der BF sei russischer Staatsangehöriger, wie sie dies im Sommer 2019 letztlich taten.

Die qualifiziert fehlende Rückreisewilligkeit ergibt sich aus dem Gesamtverhalten des BF da der BF bereits bei einer Abschiebung die Übernahme durch Afghanistan zu verhindern wusste und trotz bestehender Rückkehrentscheidung bisher von sich aus keinerlei Schritte zur eigenen Ausreise unternommen hat. Es handelt sich dabei nach Ansicht des Gerichtes nicht nur um schlichte Ausreiseunwilligkeit, da sich der BF nicht nur entschlossen hat, bei den bisherigen Abschiebungen nicht mitzuwirken, sondern diese auch durch sein Verhalten aktiv zu ver- bzw. behindern. Dass es sich beim BF aber weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Afghanen handelt, der aber unter Umständen im tadschikischen Grenzgebiet aufgewachsen ist, ergibt sich aus dem Aktenvermerk des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (AS 363, OZ 7), dass den BF am 09.02.2021 durch ein fachkundiges Organ, das Kontaktbeamter für die tschetschenische Diaspora in Österreich ist, über Ersuchen des Bundesamtes einvernommen hat. Zusätzlich zum gezeigten Vorverhalten des BF geht auch hieraus hervor, dass der BF offensichtlich durch beharrliche Verschleierung seiner Herkunft davon ausgeht, dass er nicht dauerhaft nach Afghanistan außer Landes gebracht werden kann. Der BF ist demnach selbst ggü. seinen Mithäftlingen äußerst darauf bedacht, keine Angaben zu machen, die seine afghanische Herkunft bestätigen könnten. Wie schon in den Vorerkenntnissen vom 14.01.2021 und XXXX 2021 kommt das BVwG daher zur Ansicht, dass der BF hierdurch äußerst konsequent seine Abschiebung nach Afghanistan zu ver- bzw. zu behindern versucht. Der BF konnte dabei das Nicht-Bestehen einer afghanischen StA. sogar so realistisch vortäuschen, dass er im September 2019 von den afghanischen Behörden nach Österreich rücküberstellt werden musste, da diese behaupteten der BF sei russischer StA. Damit noch nicht genug hat der BF seine Obstruktionstaktik nochmals verschärft, da er nunmehr auch bei seiner Vorführung am 05.03.2021 vor die afghanische Botschaft spontan beschlossen hat, kein Dari mehr zu sprechen, obwohl die Einvernahme zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz auf Dari erfolgte.

Wäre damit aber nicht schon in Zshg. mit der strafrechtlichen Verurteilungen wegen Gewaltdelikten die größtmögliche Vertrauensunwürdigkeit des BF schon ausreichend bewiesen, unternimmt der BF im ggst. Verfahren zusätzliche Anstrengungen diese nachdrücklich unter Beweis zu stellen:

Wie festgestellt, hat der BF die Existenz eines diplomatischen Angestellten der afghanischen Botschaft in Wien namens „Tareq Aziz“ als Mitglied der „Delegation der afghanischen Vertretungsbehörde in Österreich“ schlichtweg frei erfunden und dies auch noch durch einen kaum leserlichen und undatierten Screenshot eines Postings einer Person mit diesem Namen aus einem sozialen Medium zu beweisen versucht. Tatsächlich gab es im Februar 2021 und gibt es auch derzeit keine Person dieses Namens als Mitglied des diplomatischen Korps der afghanischen Vertretungsbehörde in Österreich: Dies geht zweifelsfrei aus den Daten der Website des Außenministeriums (Auszüge OZ 18) hervor, auf der alle akkreditierten diplomatischen Delegationsmitarbeiter aufgelistet sind. Weiters gibt es hinsichtlich Afghanistan auch in Gesamtliste „Verzeichnis des diplomatischen Korps“ des Außenministeriums (ebenfalls OZ 18) keine Person dieses Namens. Zusätzlich sind in diesen Listen auch die Akkreditierungszeitpunkte angegeben, wobei ersichtlich ist, dass im Jahr 2021 nur ein Wechsel des Personals stattgefunden hat und dieser betraf die afghanische Botschafterin selbst, die am 07.01.2021 akkreditiert wurde. Auch der Leiterin der Referats Rückkehrvorbereitung der Abteilung Dublin und Internationale Beziehungen/BII/1 des Bundesamtes, die gerade hinsichtlich Afghanistan aufgrund der COVID-19 Situation in ständigem Kontakt mit dem Personal der Delegation der afghanischen Vertretungsbehörde steht, war und ist eine solche Person gänzlich unbekannt (Stellungnahme der Abt., OZ 17).

Angesichts dieser Umstände ist diese frei erfundene Behauptung des BF unter Beigabe des Screenshots als Beweismittel als Versuch zu werten, durch vorsätzliche Täuschung des Gerichts eine Rechtswidrigkeitserklärung der Anhaltung in Schubhaft von 08.02.201 bis 19.02.2021 zu erreichen, um sich so in Folge eine Haftentschädigung für diesen Zeitraum zu erschleichen. Mag dies auch einen letztlich dilettantischen und untauglichen Versuch der vorsätzlichen Täuschung des Gerichts durch den BF darstellen, zeigt es eindrucksvoll, dass dem BF alle erdenklichen Mittel und sogar Lug und Trug recht sind, solange er nur Verfahren zu seinen Gunsten manipulieren kann. Eine klarere Demonstration der denkmöglich größten Vertrauensunwürdigkeit und der höchstmöglichen Kooperationsunwilligkeit des BF kann nicht erbracht werden. Trotz des letztlich erfolglosen Täuschungsversuches erwägt das BVwG entsprechend seiner Verpflichtung gemäß § 78 Abs. 1 StPO im Hinblick auf einen etwaigen Anfangsverdacht der §§ 15, 293 StGB die Staatsanwaltschaft Wien hiervon in Kenntnis zu setzen.

Die Feststellungen zur familiäre/soziale Komponente ergeben sich aus den bisher unangefochtenen behördlichen, bzw. gerichtlichen Feststellung der bisherigen Verfahren. Auch verbrachte der BF, wie sich aus dem Verfahrensgang ergibt, längere Perioden in Straf- oder Schubhaft, weswegen auch nicht von relevanten Änderungen im familiären- bzw. sozialen Bereich ausgegangen werden kann. Die Feststellung, dass der BF keine nennenswerten Barmittel besitzt ergibt sich aus der Anhaltedatei des BMI.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

3.1 Zur Zurückweisung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung war daher in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen (vgl. VwGH vom 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).

Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht fest, dass die Verwaltungsgerichte § 68 AVG sinngemäß anzuwenden haben, dies ungeachtet der Tatsache, dass § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs. 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorsieht (VwGH 25.06.2016, Ra 2016/03/0050).

Gegenständlich geht aus dem Rubrum und den Beschwerdegründen der Beschwerde unmissverständlich hervor, dass mit der ggst. Beschwerde der Anhaltezeitraum in Schubhaft von (inklusive) XXXX 2021 bis zur Entlassung des BF aus der Schubhaft am 19.02.2021 angefochten wird.

Dabei übersieht die Beschwerde aber, das mit dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX 2021, GZ W115 2223852-16/6E an genau diesem Tag ein positiver gerichtlicher Fortsetzungssauspruch über die Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG getroffen wurde, der als neuer Schubhafttitel gilt. Damit steht aber einer Anfechtung der Anhaltung in Schubhaft am XXXX 2021 die materielle und formelle Rechtskraft des genannten Erkenntnisses entgegen. Soweit mit der Beschwerde also auch die Anhaltung in Schubhaft am XXXX 2021 bekämpft wird, war sie gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG und § 17 VwGVG iVm § 68 AVG wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B):

3.2 Zur Abweisung der Beschwerde:

3.2.1 Rechtsgrundlagen:

§§ 76, 77 und 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG), sowie die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) lauten auszugsweise:

Schubhaft (§ 76 FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (§ 77 FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (§ 80 FPG)

„(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (§§ 22a BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.2.2 Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.3 Zum konkret vorliegende Fall:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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