TE OGH 2021/5/26 2Ob212/20w

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Veröffentlicht am 26.05.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I***** C***** und 2. S***** T*****, beide vertreten durch Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalt GmbH in Mieming, gegen die beklagten Parteien 1. H***** E*****, 2. S*****, 3. A*****, alle vertreten durch Mag. Alexander Jelly, Rechtsanwalt in Villach, und 4. Z***** Italia, *****, vertreten durch Maggi Kathollnig RechtsanwaltsGmbH–Studio Legale in Klagenfurt, wegen 1. (erstklagende Partei) 95.345,73 EUR sA, Feststellung (Streitwert: 20.000 EUR) und Verdienstentgangsrente (Streitwert: 28.695,60 EUR); 2. (zweitklagende Partei) 30.752,40 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 2. November 2020, GZ 2 R 154/20i-22, mit welchem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. August 2020, GZ 27 Cg 13/20w-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluss des Erstgerichts wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass er insgesamt zu lauten hat:

„Die Bezeichnung der viertbeklagten Partei wird auf Z***** Ltd, *****, berichtigt.

Das gegen die Z***** Italia geführte Verfahren wird mit Ausnahme des Zwischenstreits über die Berichtigung der Parteibezeichnung für nichtig erklärt.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der Z***** Italia die mit 3.153,06 EUR bestimmten Kosten des nichtigen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, wobei die erstklagende Partei 80 % und die zweitklagende Partei 20 % des Ersatzes zu leisten hat.“

Die Z***** Italia ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 5.183,40 EUR (darin enthalten 863,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreits über die Berichtigung der Parteibezeichnung binnen 14 Tagen zu ersetzen, wobei der Ersatz zu 80 % an die erstklagende Partei und zu 20 % an die zweitklagende Partei zu leisten ist.

Text

Begründung:

[1]       Die Kläger machen Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 9. 9. 2017 geltend, an dem drei Fahrzeuge beteiligt waren. Der Erstbeklagte lenkte einen von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Porsche. Als Viertbeklagte führen die Kläger im Rubrum der Klage die Z***** Italia an. Nach der Klagserzählung war J***** C***** mit seinem (offenkundig in Italien zugelassenen) Motorrad mit einem näher genannten Kennzeichen bei der Viertbeklagten haftpflichtversichert. Aus der Klage geht deutlich hervor, dass die Kläger die Viertbeklagte als Haftpflichtversicherer des C***** in Anspruch nehmen wollen.

[2]       In ihrer Klagebeantwortung wandte die Viertbeklagte primär ihre mangelnde Passivlegitimation ein und brachte vor, dass sie nicht der Haftpflichtversicherer „des Motorradfahrers […] C*****“ sei.

[3]       Die Kläger beantragten daraufhin die Berichtigung der Parteibezeichnung der Viertbeklagten auf Z***** Ltd.. Die Viertbeklagte selbst habe sich über Anschreiben des „Verbandes der Versicherungen Österreichs“ als Haftpflichtversicherer des C***** ausgewiesen.

[4]          Die Viertbeklagte sprach sich gegen die Berichtigung der Parteibezeichnung aus, weil dadurch eine völlig andere juristische Person ins Verfahren gezogen werde.

[5]          Das Erstgericht berichtigte die Parteibezeichnung antragsgemäß. Es stellte fest, dass das Motorrad mit dem italienischen Kennzeichen ***** zum Unfallzeitpunkt bei der Z***** Ltd. haftpflichtversichert war. Es folgerte rechtlich, dass aus der Klagserzählung eindeutig hervorgehe, dass sich die Klage unter anderem gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallbeteiligten C***** richte, dessen Motorrad durch Angabe des Kennzeichens individualisiert worden sei. Für die ursprünglich genannte Viertbeklagte sei aus der Klagserzählung eindeutig gewesen, wer wirklich Beklagter sein solle.

[6]          Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Viertbeklagten Folge, wies den Antrag auf Berichtigung der Parteibezeichnung ab und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Kläger hätten die Viertbeklagte in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise als Haftpflichtversicherer des vom Unfallbeteiligten C***** gelenkten Motorrads in Anspruch genommen. Beruhe die Stellung der Viertbeklagten als Prozesspartei aber – wie von den Klägern behauptet – auf ihrer eigenen Auskunft, habe die Viertbeklagte ihre „zweifellos gewollte“ Parteistellung nicht als „offenbar irrig erkennen“ können.

[7]       In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Kläger (im Ergebnis) die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

[8]       In der vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Viertbeklagte, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben, steht aber inhaltlich auf dem Standpunkt, dass keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu beantworten ist.

Rechtliche Beurteilung

[9]       Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berichtigung der Parteibezeichnung abgewichen ist. Er ist dementsprechend auch berechtigt.

[10]     1. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtiggestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, etwa durch die Anführung der Bezeichnung ihres Unternehmens, das Klagebegehren erhoben worden ist. Eine solche Berichtigung ist in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung jene häufigen Fälle treffen, in denen Fehler bei der Bezeichnung der Partei – vor allem der beklagten Partei – vom Beklagten schikanös als Grundlage für eine Bestreitung der Aktiv- oder Passivlegitimation herangezogen werden, indem er behauptet, Partei sei jemand anderer, als der, der eindeutig gemeint sei, und dieser andere, auf den die unkorrekte Bezeichnung zufällig passe, sei eben nicht als Kläger oder Beklagter legitimiert (RS0039411).

[11]     2. Prozesspartei ist immer derjenige, dessen Parteistellung sich aus dem Vorbringen und dem Begehren der Klage klar und deutlich ergibt (RS0039446). Grundsätzlich bestimmt daher der Kläger, wer Partei ist. Bei Unklarheiten ist jene Person als Partei anzusehen, die bei objektiver Betrachtung der Klagsangaben als solche erkennbar ist. Zu dieser objektiven Auslegung sind nicht nur die gemäß den § 226 Abs 3 iVm § 75 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben im Kopf des Schriftsatzes heranzuziehen, sondern jedenfalls der gesamte Inhalt der Klageschrift (RS0035060).

[12]     Die Änderung der Parteibezeichnung darf im Regelfall nicht dazu führen, dass der Mangel der Sachlegitimation des als beklagte Partei bezeichneten Rechtssubjekts saniert wird (RS0035266). Allerdings lässt die Rechtsprechung eine Berichtigung der Parteibezeichnung selbst im Fall der Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts zu, wenn aus dem gesamten Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar ist, wen der Kläger als Beklagten in Anspruch nehmen will (RS0039337, RS0039871 [T17] und RS0039378 [T7]). Die Existenz zweier Rechtssubjekte ist damit zwar in der Regel ein Indiz für einen unzulässigen Parteiwechsel (RS0039297). Wenn sich aber schon aus den Klagsangaben eindeutig ableiten lässt, wer Partei sein soll, kann eine Berichtigung auch dann erfolgen, wenn es zu einem Personenwechsel kommt. Die inhaltliche Bezeichnung der „richtigen“ Partei kann insbesondere durch Bezugnahme auf ein bestimmtes Vertragsverhältnis erfolgen, wenn sich daraus zweifelsfrei ergibt, wer Beklagter sein soll (2 Ob 75/14i; vgl RS0039300). Dabei wird auch darauf abgestellt, ob der als Beklagter in Anspruch Genommene seine Nennung in der Klage als offenbar irrig erkennen musste (2 Ob 75/14i mwN).

[13]     3. Im vorliegenden Fall geht aus der Klagserzählung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise hervor, dass die Kläger ihre Klage (unter anderem) gegen den Haftpflichtversicherer des vom Unfallbeteiligten C***** gelenkten Motorrads mit dem (italienischen) Kennzeichen ***** richten wollten. Die in der Klage als Viertbeklagte bezeichnete Z***** Italia konnte bei Zustellung der Klage an sie daher erkennen, dass sie darin offenbar irrig genannt wurde, weil sie tatsächlich nicht Haftpflichtversicherer des Motorrads war. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es nach dem Vorbringen der Kläger die Z***** Italia selbst war, die eine Auskunft über ihre Eigenschaft als Haftpflichtversicherer erteilt hatte.

[14]           4. Führt eine Berichtigung der Parteibezeichnung zu einem Personenwechsel auf Seite einer der Parteien, muss die richtige Partei das bis zur Berichtigung durchgeführte Verfahren nicht gegen sich gelten lassen. Insoweit die richtige Partei im Verfahren nicht einbezogen wurde, ist dieses vielmehr für nichtig zu erklären. Die gegenüber der „Quasi-Partei“ gesetzten Prozesshandlungen sind deshalb nichtig, weil sie – bezogen auf die richtige Partei – gegen § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verstoßen. Eine idente Adresse oder Rechtsvertretung beider Personen ändert daran nichts (2 Ob 100/14s mwN).

[15]           5. Der Beschluss des Erstgerichts ist daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen (vgl 2 Ob 2/11z).

[16]           6. Die Entscheidung über die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Es ist den Klägern anzulasten, dass sie die Viertbeklagte in das Verfahren gezogen haben. Dass deren Name nicht einmal einen Rechtsformzusatz trägt, hätte sie nämlich zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen. Dass die Viertbeklagte nach dem – allerdings nicht durch Urkunden untermauerten – Vorbringen der Kläger einen Dritten über ihre Eigenschaft als Haftpflichtversicherer des italienischen Motorrads informierte, vermag kein im Rahmen des § 51 ZPO zu berücksichtigendes Verschulden zu begründen.

[17]     Die Viertbeklagte hat im Verfahren erster Instanz Kosten für die Klagebeantwortung und ihren vorbereitenden Schriftsatz (korrekt) verzeichnet. Allerdings kommt ein Zuspruch der Umsatzsteuer nicht in Betracht, weil die Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess – wie hier – kommentarlos 20 % Umsatzsteuer, so spricht er damit im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer an. Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes – wie hier – nicht allgemein bekannt, könnte die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur im – hier nicht vorliegenden – Fall entsprechender Behauptung und Bescheinigung zugesprochen werden (RS0114955).

[18]     Die nach § 51 Abs 1 ZPO kostenersatzpflichtigen Kläger haben nach ihren wertmäßigen Anteilen am Gesamtstreitwert Kostenersatz zu leisten, sodass der Erstkläger (gerundet) 80 % der Kosten, die Zweitklägerin hingegen 20 % der Kosten zu ersetzen hat (vgl Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.360).

[19]     7. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Zwischenstreit über die Berichtigung der Parteibezeichnung hat nach §§ 41, 50 ZPO die Z***** Italia zu tragen und den Klägern nach deren Anteilen am Gesamtstreitwert Ersatz zu leisten.

[20]     8. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die Zustellung einer (berichtigten) Gleichschrift der Klage an die Z***** Ltd. zu veranlassen haben (vgl 1 Ob 107/07b).

Textnummer

E131985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00212.20W.0526.000

Im RIS seit

24.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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