TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/4 W235 2235298-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.2021
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Entscheidungsdatum

04.03.2021

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W235 2235298-1/7E

W235 2235299-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. mj. XXXX , geb XXXX , diese gesetzlich vertreten durch: XXXX , beide StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.09.2020, Zl. 1266426801-200620699 (ad 1.) und Zl. 1266418701-200620715 (ad 2.), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Beide Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin am 20.07.2020 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass die Erstbeschwerdeführerin bereits am XXXX .02.2020 in Polen einen Asylantrag stellte.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Erstbeschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sie an keinen Krankheiten leide und nicht schwanger sei. Nach Österreich sei sie gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter (= Zweitbeschwerdeführerin) gereist. Ihr Vater und einer ihrer Brüder seien in Polen aufhältig; ein weiterer Bruder und ihre Schwester würden in Deutschland wohnen. Die Beschwerdeführerinnen hätten ihren Herkunftsstaat am XXXX .02.2020 verlassen und sich in der Folge bis XXXX .07.2020 in Warschau in einem Asyllager aufgehalten. In welchem Stadium sich ihr Asylverfahren in Polen befinde, wisse die Erstbeschwerdeführerin nicht. Sie wolle nicht nach Polen zurück, da sie Angst habe, ihr Ex-Mann würde sie dort finden und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegnehmen. Die Zweitbeschwerdeführerin befinde sich seit ihrer Geburt in der Obhut der Erstbeschwerdeführerin und habe keine eigenen Fluchtgründe.

Der Erstbeschwerdeführerin wurde weiters am 20.07.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Polen die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilung wurde der Erstbeschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.07.2020 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) an Polen.

Mit Schreiben vom 29.07.2020 stimmte die polnische Dublinbehörde der Wiederaufnahme beider Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerinnen zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Polen angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde der Erstbeschwerdeführerin nachweislich am 06.08.2020 übergeben.

1.4. Am 12.08.2020 fand eine Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher die Erstbeschwerdeführerin zunächst angab, dass ihre Angaben auch für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin gelten würden. Die Erstbeschwerdeführerin fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie sei gegen Waschmittel allergisch, wogegen sie Medikamente verschrieben bekommen habe. Im Herkunftsstaat und in Polen habe sie gegen Herzbeschwerden Baldriantropfen genommen. Darüber hinaus habe die Erstbeschwerdeführerin keine Krankheiten. Abgesehen von der Erstuntersuchung sei sie auch nicht in ärztlicher Behandlung gewesen und habe auch keine medizinischen Unterlagen.

In Deutschland würden ihre Schwester und einer ihrer Brüder leben. Ihr Vater und ein weiterer Bruder seien als Asylwerber in Polen aufhältig. In Österreich habe die Erstbeschwerdeführerin ihren Ehemann. Dieser lebe seit 13 Jahren im Bundesgebiet. Auf Vorhalt brachte sie vor, dass sie „das“ bei der Polizei sehr wohl gesagt habe, es jedoch nicht aufgeschrieben worden sei, da sie keine standesamtliche Ehe geschlossen hätten. Ihr Ex-Mann sei in Russland. Mit ihrem (nunmehrigen) Ehemann sei die Erstbeschwerdeführerin nach muslimischem Ritus verheiratet. Mit ihm stehe sie täglich in telefonischem Kontakt. Am Samstag wolle er sie besuchen. Ihr Mann heiße XXXX , sei XXXX geboren und habe eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus. Die Erstbeschwerdeführerin habe ihren „Ehemann“ im Jänner 2019 kennengelernt und stehe seither mit ihm in telefonischem Kontakt. Vor zwei Monaten hätten sie in Polen geheiratet, er sei damals nach Polen zur Erstbeschwerdeführerin gekommen. Schriftliche Unterlagen gebe es dazu nicht. Ihr Mann unterstütze sie finanziell und mit Kleidung oder Lebensmittel.

Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, die Beschwerdeführerinnen aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen auszuweisen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie nicht nach Polen zurückkönne. Es wäre für ihren Ex-Mann kein Problem nach Polen einzureisen, da in XXXX alle Flüchtlinge über die Grenze durchgelassen würden. Ihre Großcousine habe ihr mitgeteilt, dass ihr Ex-Mann vorhabe, nach Polen zu reisen und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegzunehmen. Konkret die Erstbeschwerdeführerin betreffende Vorfälle habe es in Polen nicht gegeben. Nach ihrer Einreise in Polen habe sie sich eine neue Telefonnummer zugelegt, damit ihr Ex-Mann sie nicht mehr erreichen könne. Aber er habe ihr über ihre Großcousine ausgerichtet, dass er die Erstbeschwerdeführerin nicht in Ruhe lassen werde. Eine Anzeige gegen ihren Ex-Mann habe sie in Polen nicht erstattet. Sie habe sich die ganze Zeit im Lager aufgehalten. Bei der Einreise habe sie den polnischen Beamten Droh-SMS gezeigt, wisse jedoch nicht, ob sie es registriert hätten. Auf die Frage, ob diese SMS noch auf dem Telefon gespeichert seien, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass das Telefon kaputtgegangen sei. Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen zu Polen brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie diese nicht gelesen habe. Unter ihren Landsleuten gebe es viele Verräter und irgendjemand werde weitersagen, dass sie wieder in Polen sei.

Die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hatte keine Fragen.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig ist.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerinnen Staatsangehörige der Russischen Föderation seien und an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden würden. Die Erstbeschwerdeführerin nehme Medikamente gegen eine Hautallergie und Herzbeschwerden. Eine Zustimmung Polens zur Rückübernahme der Beschwerdeführerinnen langte beim Bundesamt am 29.07.2020 ein. In Österreich lebe der zweite Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Stiefvater der Zweitbeschwerdeführerin. Weitere private Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zur COVID-19 Pandemie und zum polnischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Polen.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt aus, dass die Erstbeschwerdeführerin gegen ihre Allergie ein entsprechendes Medikament erhalten habe, das auch in Polen erhältlich sei. Da sie gegen ihre Herzbeschwerden lediglich Baldriantropfen nehme, könne von keinem schwerwiegendem Problem in Bezug auf ein Herzproblem gesprochen werden. Da keinesfalls von schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten ausgegangen werden könne, werde eine Überstellung nach Polen weder ausgesetzt noch verzögert. Die Zweitbeschwerdeführerin sei gesund. Die weiteren Feststellungen zu den Anträgen auf internationalen Schutz, zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Die Angaben zum Privat- und Familienleben [in Österreich] hätten sich aus der niederschriftlichen Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin ergeben. Zum Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, den sie nach muslimischem Ritus in Polen geheiratet habe, werde ausgeführt, da die Erstbeschwerdeführerin ihren Mann erst im Jänner 2019 kennengelernt und darüber hinaus nur telefonischen Kontakt (von der Eheschließung in Polen abgesehen) gehabt habe, könne von keiner intensiven Bindung gesprochen werden. Da weder die Erstbeschwerdeführerin noch ihr Ehemann schwer krank oder pflegebedürftig seien, könne von keinem absoluten Abhängigkeitsverhältnis ausgegangen werden. Die Eheschließung nach muslimischem Ritus sei in Österreich nicht anerkannt. Es sei sohin keinesfalls von einem Überstellungshindernis im Sinne von Art. 8 EMRK auszugehen. Ein Nachweis über die angebliche Bedrohung – Nachricht durch die Großcousine der Erstbeschwerdeführerin – habe nicht beigebracht werden können, da das Telefon angeblich kaputtgegangen sei. Die Feststellungen zu Polen würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren, jene zur Pandemie würden auf dem Amtswissen beruhen. Es sei dargelegt worden, dass die Versorgung und medizinische Behandlung von Asylwerbern in Polen grundsätzlich gewährleistet sei. Zu den angeblichen Verfolgungshandlungen durch den ehemaligen Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin in Polen werde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin in Polen nicht zu einer Sicherheits- oder Polizeidienststelle gegangen sei, um diese angebliche Bedrohung zur Anzeige zu bringen und den Schutz der Behörden in Anspruch zu nehmen. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Polen aufgrund der Dublin-Verordnung zur Übernahme der Beschwerdeführerinnen bereit erklärt habe und somit europarechtlich zur Prüfung der Asylanträge verpflichtet sei. Das Vorbringen bezüglich die Gefährdung in Polen könne daher nicht als entscheidungsrelevant und in der Folge zu einem Selbsteintritt Österreichs herangezogen werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO formell erfüllt sei. Betreffend die in Polen geschlossene Ehe der Erstbeschwerdeführerin mit einem in Österreich aufhältigen Landsmann werde auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Polen sei bereit, die Beschwerdeführerinnen einreisen zu lassen, ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Polen aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführerinnen gegenüber zu erfüllen. Es sei festzustellen, dass in Polen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei in den Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe daher bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Das individuelle Risiko der Beschwerdeführerinnen an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sei sehr niedrig, da sie nicht zu den Risikogruppen der alten und immungeschwächten Menschen gehören würden. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die Beschwerdeführerinnen mit dem Erreger SARS-CoV-2 im Mitgliedsstaat infizieren könnten – was aber auch für den Fall des Verbleibs in Österreich gelten würde – sei das Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs der Erkrankung äußerst gering. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohe den Beschwerdeführerinnen im Mitgliedsstaat aufgrund der COVID-19 Pandemie daher nicht. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diese Bescheide erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin im Wege ihrer damals bevollmächtigten Vertretung fristgerecht am 18.09.2020 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme ausgeführt habe, dass ihr ehemaliger Ehegatte sie verfolge und bedrohe. Durch eine Großcousine habe die Erstbeschwerdeführerin erfahren, dass er vorhabe nach Polen zu reisen und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegzunehmen. Daher hätten die Beschwerdeführerinnen die berechtigte Befürchtung, dass ihre Feinde sie in Polen aufspüren und angreifen könnten. Daher seien sie in Polen nicht in Sicherheit. In Österreich lebe der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin, mit dem sie nach islamischem Recht verheiratet sei. Daher hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sich Österreich im Sinne einer Art. 3 und Art. 8 EMRK-konformen Auslegung der Bestimmungen der Dublin III-VO für zuständig erklären und von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch hätte machen müssen.

4. Mit Schreiben vom 04.11.2020 teilte die Landespolizeidirektion Niederösterreich mit, dass die Beschwerdeführerinnen am selben Tag komplikationslos auf dem Luftweg nach Polen überstellt worden waren (vgl. diesbezüglich E-Mail des Bundesamtes vom 05.02.2021).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Beide Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Zugehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Die Beschwerdeführerinnen verließen gemeinsam Mitte Feber 2020 die Russische Föderation und stellte die Erstbeschwerdeführerin nach illegaler Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Polen am XXXX .02.2020 in Polen einen Asylantrag. Nachdem sie diesen Antrag während der Antragsprüfung durch das Verlassen des polnischen Staatsgebietes nach einem ca. fünfmonatigen Aufenthalt zurückgezogen hatte, begaben sich die Beschwerdeführerinnen unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet, wo die Erstbeschwerdeführerin am 20.07.2020 für sich und für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.07.2020 ein Wiederaufnahmegesuch an Polen, welches von der polnischen Dublinbehörde am 29.07.2020 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO erteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Polens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerinnen gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall einer Überstellung nach Polen Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Erstbeschwerdeführerin nimmt Medikamente gegen eine Waschmittelallergie und Baldriantropfen gegen Herzbeschwerde. Eine aktuelle bzw. im Überstellungszeitpunkt vorgelegene Behandlungsbedürftigkeit wird nicht festgestellt. Da die Zweitbeschwerdeführerin gesund ist, ist im Gesamtzusammenhang die Feststellung zu treffen, dass die Beschwerdeführerinnen weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung nach Polen aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist.

In Polen „heiratete“ die Erstbeschwerdeführerin im Juni 2020 einen in Österreich aufenthaltsberechtigten russischen Staatsangehörigen nach islamischem Ritus. Eine staatlich geschlossene Ehe besteht nicht. Der „Ehegatte“ der Erstbeschwerdeführerin ist nicht der Vater der Zweitbeschwerdeführerin. Während des Aufenthalts der Beschwerdeführerinnen in Österreich bestand zwischen der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Mann lediglich telefonischer Kontakt. Es lag weder ein gemeinsamer Haushalt zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem „Ehegatten“ der Erstbeschwerdeführerin vor noch werden wechselseitige Abhängigkeiten finanzieller oder sonstiger Natur festgestellt. Darüber hinausgehende Bindungen der Beschwerdeführerinnen im österreichischen Bundesgebiet bestehen nicht. Allerdings bestehen familiäre Bindungen der Beschwerdeführerinnen in Polen. Der Vater und einer der Brüder der Erstbeschwerdeführerin halten sich in Polen auf. Darüber hinaus wohnen ein weiterer Bruder und eine Schwester der Erstbeschwerdeführerin in Deutschland.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen gemeinsam am 04.11.2020 auf dem Luftweg komplikationslos aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen überstellt wurden.

1.2. Zum polnischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Polen:

Zum polnischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Polen wurden in den angefochtenen Bescheiden aktuelle Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 11.3.2019).

b). Dublin-Rückkehrer:

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Für das Jahr 2018 ist kein Fall eines Antrags auf Wiedereröffnung des Verfahrens innerhalb der Neun-Monatsfrist bekannt. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer mit aufrechtem Asylverfahren (z.B. Antrag auf Wiedereröffnung) sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.3.2019; vgl. EASO 24.10.2017).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig von dem Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

c). Versorgung:

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens sowie ohne Unterschied zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren sowie während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), haben sie kein Recht auf Versorgung. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung für die Dauer des Verfahrens wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2018 nur in einem von 87 Fällen getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 11.3.2019; vgl. USCD o.D.b).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage. Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 11.3.2019).

Asylwerber sehen sich Sprachbarrieren gegenüber und ihr Zugang zu höherer Bildung ist eingeschränkt (USDOS 13. 11.3.2019).

Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit 22 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.d).

d). Unterbringung:

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2018 erhielten durchschnittlich 1.361 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.730 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten „sozialen Minimum” und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben wollen, wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen. Selbst für Familien reicht die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.c).

In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.331 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über andere Untergebrachte bzw. über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 11.3.2019).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Bia?a Podlaska, Bia?ystok, Lesznowola, K?trzyn, Krosno Odrza?skie, und Przemy?l mit zusammen 590 Plätzen, von denen Ende 2018 insgesamt 216 belegt waren (AIDA 11.3.2019).

e). Medizinische Versorgung:

[…]

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten: psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist die medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen 2018 der Arzt pro 120 Asylwerber zehn Ordinationsstunden und die Krankenschwester 20 Ordinationsstunden leisteten. […]

[…]

Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Die medizinische Versorgung umfasst medizinische Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern in den Zentren; gegebenenfalls Überweisung zu fachärztlichen Leistungen in den Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Vertragseinrichtungen; Zahngesundheit in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica zusammenarbeitet; psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken; wenn nötig Überweisung zu stationärer Krankenhausbehandlung in öffentlichen oder Vertragsspitälern; Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Einschätzung des Facharztes finanziert. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Krankenrevier des nächstgelegenen Unterbringungszentrums oder vereinbart einen Besuch in einer Vertragseinrichtung unter der Hotline von Petra Medica. Grundlage für die Erbringung einer Facharztleistung ist eine entsprechende Überweisung, die gegebenenfalls im Zentrum oder von der Hotline genehmigt werden muss. Die Krankenschwester oder der Hotline-Mitarbeiter bestimmt Ort und Datum der Dienstleistung, gibt Auskunft darüber, welche Einrichtung zu besuchen ist und wie sie sich auf den Besuch vorbereiten kann. Bei medizinischen Notfällen ist jede Notaufnahme ansprechbar (PM o.D.).

1.3. Zur COVID-19 Pandemie:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Polen wurden bisher 74.529 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 2.203 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage (einschließlich der medizinischen Versorgung) von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das polnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- bzw. Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Polen den Feststellungen des Bundesamtes in den angefochtenen Bescheiden zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen den Beschwerdeführerinnen, zu ihrer familiären Beziehung zueinander, zu ihrer Staatsangehörigkeit sowie zur ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, zu ihrer gemeinsamen Ausreise aus der Russischen Föderation, zu ihrer illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Polen, zur Dauer ihres Aufenthalts in Polen, zu ihrer unrechtmäßigen Weiterreise nach Österreich sowie zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung sowie aus den Akteninhalten.

Dass die Erstbeschwerdeführerin am XXXX .02.2020 in Polen einen Asylantrag stellte, ergibt sich zweifelsfrei aus dem diesbezüglichen, unbedenklichen Eurodac-Treffer und wurde dieser Umstand von der Erstbeschwerdeführerin auch nicht bestritten. Ferner wurde die Asylantragstellung auch durch die polnische Dublinbehörde in ihrer Zustimmungserklärung zur auf Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO gestützten Wiederaufnahme der Beschwerdeführerinnen vom 29.07.2020 bestätigt. Aus der polnischen Zustimmungserklärung ergibt sich auch die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin ihren Asylantrag während der Antragsprüfung durch das Verlassen des polnischen Staatsgebietes zurückgezogen hat.

Die weiteren Feststellungen zum Wiederaufnahmegesuch und zur ausdrücklichen Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerinnen durch Polen ergeben sich darüber hinaus aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Polens beendet worden wäre, finden sich in den gesamten Verfahren keine Hinweise, da ein Vorbringen, das die Zuständigkeit Polens in Zweifel ziehen würde, nicht erstattet wurde.

Eine die Beschwerdeführerinnen konkret treffende Bedrohungssituation in Polen wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht, da das diesbezügliche Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin ausgesprochen vage bzw. unkonkret und sohin nicht nachvollziehbar ist. Zusammengefasst gab sie diesbezüglich an, dass sie Angst habe, ihr (in der Russischen Föderation aufhältiger) Ex-Mann würde sie in Polen finden und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegnehmen. Es wäre für ihn kein Problem nach Polen einzureisen, da in XXXX alle Flüchtlinge über die Grenze durchgelassen würden. Ferner habe ihr ihre Großcousine mitgeteilt, dass der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin vorhabe, nach Polen zu reisen und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegzunehmen. Er habe ihr über die Großcousine ausrichten lassen, dass er sie nicht in Ruhe lassen werde (vgl. AS 117 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass sich der Ex-Ehemann der Erstbeschwerdeführerin aktuell nicht in Polen, sondern in der Russischen Föderation befindet und während des gesamten fünfmonatigen Aufenthalts der Beschwerdeführerinnen in Polen keinen Versuch unternommen hat, nach Polen zu reisen bzw. die Beschwerdeführerinnen zu finden. Die einzige, von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachte „Bedrohung“ durch ihren Ex-Mann besteht (bei Zugrundelegung ihrer Angaben) darin, dass er über ihre Großcousine ausrichten ließ, er werde nach Polen kommen und ihr die Zweitbeschwerdeführerin wegnehmen. Darüber hinausgehende Vorfälle hat die Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft vorgebracht. Betreffend die von ihr ebenfalls angeführten Droh-SMS, die sie behauptetermaßen bei ihrer Einreise den polnischen Beamten gezeigt haben will, ist anzuführen, dass die Erstbeschwerdeführerin dieses Vorbringen nicht belegen konnte, da sie – befragt, ob diese SMS noch auf dem Telefon gespeichert seien – angab, dass das Telefon kaputt gegangen sei (vgl. AS 119 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Selbst wenn der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin (und Vater der Zweitbeschwerdeführerin) erfahren würde, dass die Beschwerdeführerinnen wieder in Polen sind, ist es nicht wahrscheinlich, dass er fast ein Jahr nach der Ausreise der Beschwerdeführerinnen aus der Russischen Föderation und aufgrund des Umstandes, dass er auch während des fünfmonatigen Aufenthalts der Beschwerdeführerinnen in Polen diese nicht aufgesucht hat, nunmehr nach Polen reisen und die Beschwerdeführerinnen suchen wird. Hinzu kommt, dass ein zufälliges Aufeinandertreffen bei der Größe Polens wohl ausgeschlossen ist; dies insbesondere dann, wenn die Erstbeschwerdeführerin keinen Kontakt zu ihrem Ex-Mann aufnimmt bzw. diesem ihren genauen Aufenthaltsort nicht mitteilt. Eine konkrete Bedrohungssituation für die Beschwerdeführerinnen in Polen kann aus diesem Vorbringen jedenfalls nicht erkannt werden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf zu verweisen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Polen bei Vorliegen einer tatsächlichen Bedrohung jederzeit an die polnischen Behörden bzw. die polnische Polizei wenden kann, die dazu willens und in der Lage sind, den Beschwerdeführerinnen Schutz vor Verfolgung zu bieten. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerinnen nicht alleine in Polen sind, sondern sich dort der Vater und ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin als Asylwerber aufhalten, an die sich die Beschwerdeführerinnen im Fall einer tatsächlichen Bedrohung durch den Ex-Mann bzw. Vater ebenfalls um Unterstützung und Hilfe wenden können. Ein Vorbringen, dass diese Angehörigen nicht willens sind, die Beschwerdeführerinnen beispielsweise bei der Erstattung einer Anzeige entsprechend zu unterstützten, wurde nicht erstattet.

Dass die Erstbeschwerdeführerin Medikamente gegen eine Waschmittelallergie und Baldriantropfen gegen Herzbeschwerden nimmt, gründet auf ihren eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt. Da im gesamten Verfahren weder ein darüber hinausgehendes Vorbringen erstattet noch ärztliche bzw. medizinische Unterlagen vorgelegt wurden, war die Negativfeststellung zur Behandlungsbedürftigkeit zu treffen. Gegenteiliges ist auch dem sonstigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde kein Vorbringen in Zusammenhang mit Erkrankungen erstattet, sodass sich zusammengefasst die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Polen entgegenstehen bzw. entgegengestanden sind, ergibt.

Die Feststellung zur „Eheschließung“ der Erstbeschwerdeführerin im Juni 2020 in Polen ergibt sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Auf diesen Angaben basieren auch die weiteren Feststellungen, dass eine staatlich geschlossene Ehe nicht besteht und der „Ehegatte“ der Erstbeschwerdeführerin nicht der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist. Ferner brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie mit ihrem Mann täglich in telefonischem Kontakt stehe. Dass es auch persönliche Treffen gab, wurde hingegen nicht vorgebracht. Ebenso wenig ergaben sich Hinweise auf das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts; ein derartiges Vorbringen wurde nicht erstattet und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt (vgl. hierzu die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, denen zufolge die Beschwerdeführerinnen in Kärnten untergebracht waren, der „Ehegatte“ jedoch in Wien wohnt). Hinweise auf das Vorliegen wechselseitiger Abhängigkeiten sind im Verfahren ebenso wenig hervorgekommen. Die Erstbeschwerdeführerin brachte zwar vor, dass sie von ihrem Mann finanziell und mit Kleidung oder Lebensmitteln unterstützt werde, was jedoch keinesfalls mit einer finanzielle Abhängigkeit gleichzusetzen ist, zumal die Erstbeschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Österreich Grundversorgung bezog. Die weiteren Feststellungen zu den Aufenthaltsorten der Angehörigen der Beschwerdeführerinnen in Polen und in Deutschland gründen ebenso auf den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab sie an, dass sich ihr Vater und einer ihrer Brüder (als Asylwerber) in Polen, ein weiterer Bruder und eine Schwester in Deutschland aufhalten würden.

Letztlich ergibt sich die Feststellung zur komplikationslosen Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Polen aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 04.11.2020.

2.2. Die Feststellungen zum polnischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Polen ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden im Überstellungszeitpunkt hinreichend aktuell waren. Sollte in den Feststellungen auf Quellen älteren Datums verwiesen werden, ist auszuführen, dass diese mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Polen ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, haben die Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt. In ihrer Einvernahme gab die Erstbeschwerdeführerin diesbezüglich lediglich an, dass sie diese nicht gelesen habe (vgl. AS 119 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Ein substanziiertes Bestreiten der Länderfeststellungen des Bundesamtes ist diesem Vorbringen sohin nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass sich die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin ebenfalls nicht zu den Länderfeststellungen geäußert hat. Auch in den schriftlichen Beschwerdeausführungen wurde den Länderberichten des Bundesamtes weder entgegengetreten noch wurde ein Vorbringen zum polnischen Asylsystem erstattet, insbesondere wurden keine alternativen Berichte in das Verfahren eingeführt.

2.3. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell und nehmen auch auf die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie Bezug. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr sowie auch die nunmehrige Zurücknahme von bereits erfolgten Lockerungen und/oder die Anordnung weiterer „Lockdowns“), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Polen nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Polen für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, was gegenständlich der Fall ist, da die Beschwerdeführerinnen bereits am 04.11.2020 nach Polen überstellt worden waren, und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen im Überstellungszeitpunkt um keine vulnerable Personengruppe gehandelt hat und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass sie zu den Personengruppen mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken – wie ältere und/oder immungeschwächte Personen – gehören.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) […]

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller – der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können – sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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