TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/12 W128 2238958-2

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14
PrivSchG §2
PrivSchG §3
PrivSchG §7
SchOG §2 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §5
StGG Art17

Spruch


W128 2238958-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin, XXXX und des Zweitbeschwerdeführers, XXXX , Erziehungsberechtigte des mj. Drittbeschwerdeführers, XXXX , gegen Spruchpunkt 1 des durch die Beschwerdevorentscheidung vom 12.02.2021, Zl. 9131.003/1633-Präs3a/2020 bestätigten Bescheides der Bildungsdirektion für Wien vom 09.12.2020, Zl. 9131.103/0081-Präs3a1/2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung wird bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit E-Mail vom 01.09.2020 zeigte XXXX , Private XXXX schule XXXX , XXXX Wien, XXXX , in Vertretung der erziehungsberechtigten Eltern, die Teilnahme des Drittbeschwerdeführers (in der Folge als Kind bezeichnet) am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2020/2021 an.

2. Mit dem gegenständlichen, nicht rechtskräftigen Bescheid wurde unter Spruchpunkt 1 die Teilnahme des Kindes am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2020/21 untersagt und mit Spruchpunkt 2 die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde ausgeschlossen. Begründend wird ausgeführt, dass der Anzeige zu entnehmen sei, dass der Unterricht zur Gänze an der privaten XXXX (in der Folge kurz Privatschule) erfolgen solle und dass daher die Anzeige des häuslichen Unterrichts als Anzeige des Besuches einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht zu verstehen sei. Die Führung dieser Privatschule sei der Bildungsdirektion nicht angezeigt worden und sei bereits am 23.12.2019 ein entsprechender Strafantrag an das magistratische Bezirksamt eingebracht worden. Die Feststellung, dass der Unterricht an dieser Privatschule erfolgen solle, ergebe sich aus der von der Erziehungsberechtigten unterfertigten Anzeige, in der unmissverständlich angeführt werde, dass der häusliche Unterricht durch die Privatschule erteilt werde. Dafür spreche auch der Umstand, dass die Anzeige durch eine Vertreterin dieser Privatschule übermittelt worden sei. Die nicht angezeigte Privatschule entziehe sich der Kontrolle durch die belangte Behörde und sei einem Schulaufsichtsorgan am 06.11.2019 der Zutritt verweigert worden.

3. Mit Schreiben vom 17.12.2020 erhoben die Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Beschwerde. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Deutung der Anzeige zum Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht verfehlt sei. Die Eltern des Kindes trügen die alleinige Pflicht für dessen Ausbildung und würden sich durch die Privatschule unterstützen lassen. Der häusliche Unterricht an sich würde keiner Beschränkung durch die Behörde unterliegen. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung würde das Kind aus der derzeitigen Lernsituation herausreißen und gerade in der derzeitigen durch COVID-19 geprägten Situation der psychischen Situation des Kindes schaden.

4. Am 22.01.2021 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung mit dem Hinweis vorgelegt, dass eine Beschwerdevorentscheidung erlassen werde.

5. Mit Erkenntnis vom 04.02.2021, GZ W 128 2238952-1/2E wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mit Teilerkenntnis als unbegründet abgewiesen.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.02.2021, zugestellt am 18.02.2021, wurde die Beschwerde vom 17.12.2020 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der XXXX um eine Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht handle, deren Führung der Bildungsdirektion nicht angezeigt worden sei. Im Sinne des objektiven Parteiwillens sei daher die Anzeige des häuslichen Unterrichts nach § 11 Abs. 2 SchPflG, in eine solche nach § 11 Abs. 1 SchPflG, Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht, umgedeutet worden. Die Schule entziehe sich der gesetzlich vorgesehenen Schulaufsicht, weshalb die Gleichwertigkeit des dort erteilten Unterrichts nicht überprüft werden könne. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei daher davon auszugehen, dass der erteilte Unterricht jenem an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung nicht gleichwertig sei.

7.Mit Schreiben vom 24.02.2021 beantragten die Beschwerdeführer, die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Sie schilderten darin ihre Beweggründe, warum das Kind keine öffentliche Schule besuchen möchte und wiesen auf ihre dafür notwendigen Fähigkeiten hin. Gleichzeitig beantragten sie eine mündliche Verhandlung.

8. Am 10.03.2021 langte die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit E-Mail vom 01.09.2020 zeigte XXXX , in Vertretung der erziehungsberechtigten Eltern des schulpflichtigen Kindes, dessen Teilnahme „am häuslichen Unterricht“ für das Schuljahr 2020/2021 an. Die Vertretung wurde damit begründet, dass das Kind „so wie im letzten Schuljahr bei uns [gemeint die Privatschule] lernen“ werde. Unter dem Namen von XXXX wurde in dem Email als E-Mail-Signatur Folgendes angeführt: „Private XXXX , XXXX .“

Dem E-Mail beigefügt war ein von der belangten Behörde aufgelegtes, ausgefülltes Formblatt mit weiteren Angaben zum beabsichtigten Schulbesuch. Aus dem – die Daten von Eltern und Kind enthaltenden – Formblatt ergibt sich weiter, dass das Kind bereits bisher zum häuslichen Unterricht abgemeldet war, und dass der beabsichtigte Unterricht auf der 7. Schulstufe (Mittelschule) beabsichtigt ist.

Im Feld „Der häusliche Unterricht wird erteilt durch“ sind Name und Anschrift der Privatschule vermerkt.

Bei der Privaten XXXX am Standort XXXX , handelt es sich um eine Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Sinne des Privatschulgesetzes, deren Führung der belangten Behörde nicht angezeigt wurde.

Das Kind wird nicht im häuslichen Unterricht beschult, sondern besuchte im Schuljahr 2020/21 eine Privatschule, deren Errichtung nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 PrivSchG gegenüber der zuständigen Schulbehörde angezeigt wurde.

Eine Besichtigung dieser Schule durch die Bildungsdirektion am 06.11.2019 wurde durch die Verantwortliche, Mag. XXXX , verweigert.

Die Gleichwertigkeit des Unterrichts der Privaten XXXX mit dem Unterricht an einer in § 5 SchPflG genannten Schule ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem verwaltungsbehördlichen Verfahren, einschließlich des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens – im Besonderen aus der Anzeige des „häuslichen Unterrichts“ sowie dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde, der Beschwerdevorentscheidung und dem Vorlageantrag. Der Sachverhalt konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei festgestellt werden.

Das in der Beschwerde und im Vorlageantrag gemachte Vorbringen, wonach ein häuslicher Unterricht stattfände, der durch die XXXX bloß unterstützt würde und keine Privatschule besucht werde, steht den schlüssigen und richtigen Ausführungen im Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung, die die Beschwerdeführer nicht entkräften konnten (siehe dazu VwGH 25.04.2005, 2001/17/0185, m.w.N.; vgl. auch VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0082, m.w.N.), entgegen.

Dabei ist insbesondere Folgendes festzuhalten:

Das in Kopie vorliegende Formblatt enthält die unstrittigen Personalia der Eltern und des Kindes und wurde handschriftlich mit einem Datum „27.08.2020“ versehen und unterfertigt. Die Authentizität des Formblattes, sowie auch die Vertretungsbefugnis von XXXX , wurden von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt.

Die im E-Mail angeführten Daten, insbesondere die Web-Adresse, der Schule deckt sich mit der, im Internet veröffentlichten Homepage der Privatschule. Auf der Homepage der Privatschule XXXX (Abgefragt am 07.04.2021) wird folgende Arbeitsweise beschrieben: „Der Tag beginnt für die SchülerInnen der XXXX in Gleitzeit zwischen 8 und 8:30 Uhr, die Arbeitszeit am Vormittag dauert 4½ Stunden, daher beginnt die Mittagspause individuell je nach der Beginnzeit zwischen 12:30 und 13 Uhr. Der Vormittag besteht aus Freiarbeit, Gruppenaktivitäten, Teilnahme an Präsentationen, Prüfungen und Pausenzeiten, die jeder nach vorhandenem Angebot und seinem Rhythmus frei einteilen kann. Bei dieser Planung hilft die von der SchülerIn gewählte BetreuungslehrerIn. Am Nachmittag finden Wahlpflichtfächer statt, der Mindest-Umfang an ausge-wählten Stunden ist gleich wie in der öffentlichen Schule. Dazu wählt jeder am Semesterbeginn aus den angebotenen Kursen die aus, die seinen Interessen und seiner Lernsituation am besten entsprechen; diese Auswahl ist dann für ein Semester verbindllich. Außerdem wird für die jüngeren SchülerInnen eine Nachmittagsbetreuung bis 16:30 Uhr angeboten.“

In der Rubrik Schulordnung findet sich folgender Satz: „Die schulfreien Tage und Ferienzeiten sind größtenteils so wie in einer öffentlichen Schule geregelt.“

Angesichts des gesamtheitlichen Lehrangebots der Schule und dem ausgewiesenen Motto „Lehrplan, wöchentliche Schulzeit, Ferien - alles ist wie in einer öffentlichen Schule, nur die Art zu lernen ist ganz anders!" ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass die XXXX -Schule neben der Vermittlung von allgemeinbildenden Inhalten auch ein erzieherisches Ziel verfolgt und daher den Begriff der Schule im Sinne des Privatschulgesetzes erfüllt.

Im Rahmen des durch die belangte Behörde eingeräumten Parteiengehörs wurde seitens der Beschwerdeführer auch ein so genanntes Pensenbuch für die vom Kind besuchte 7. Schulstufe vorgelegt. In diesem werden die zu erbringenden und erbrachten Leistungen im Rahmen der Montessori-Pädagogik als Mittel der alternativen Leistungsfeststellung und -beurteilung systemisiert dokumentiert und dient dies als weiteres Beweismittel für das Vorliegen eines Privatschulunterrichts.

Dem Vorbringen der Erziehungsberechtigten, dass sie häuslichen Unterricht erteilen und die Privatschule dabei nur unterstützt, ist im Hinblick auf das vorliegende Beweisergebnis - Dauer des Schultages, Organisation des Lernens, Qualifikation der Einrichtung als Privatschule - entgegenzuhalten, dass es als notorisch angesehen werden kann, dass gewöhnlich mit der Pflege und Erziehung betraute Personen den von den Beschwerdeführern beschriebenen Aufwand am Nachmittag des Lernens und Vermittelns von Fertigkeiten, des Musizierens etc. betreiben, um ihr Kind bestmöglich zu fördern. Auch bei Kindern, die den Regelschulunterricht besuchen, liegt bei einem umfangreichen Bildungsangebot am Nachmittag kein häuslicher Unterricht im Sinne des § 11 Abs. 2 SchPflG vor. Festzuhalten ist an dieser Stelle auch, dass sich der Charakter des Unterrichts auch durch die COVID-19 bedingten Maßnahmen („distance learning") nicht geändert hat. Das Kind wurde durch die Privatschule – in Vertretung der Erziehungsberechtigten – zum „häuslichen Unterricht“ „so wie im letzten Schuljahr“ abgemeldet. Daraus ist ersichtlich, dass eine COVID-19 bedingte Änderung des Charakters des angebotenen Unterrichts hin zu einem häuslichen Unterricht im Sinnes des § 11 Abs. 2 SchPflG nicht beabsichtigt war.

Dass der Unterricht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gleichwertig ist, fußt darauf, dass der Unterricht an einer Schule erfolgt, die in gesetzwidriger Weise und unter Missachtung der Bestimmung der einschlägigen Gesetze geführt wird, und die Besichtigung durch die Bildungsdirektion durch die Verantwortliche der Schule ( XXXX ) verweigert wurde (siehe weiters unten Punkt 3.2.3.).

Die Beschwerdeführer sind den Feststellungen der Behörde im Vorlageantrag nicht entgegengetreten, sie erörterten bloß ansatzweise die Beweggründe, warum das Kind keine öffentliche Schule besuchen möchte und dass die Möglichkeiten, einen häuslichen Unterricht anzubieten, vorhanden seien. Das Aufzeigen der Möglichkeit, bzw. die Fähigkeit einen häuslichen Unterricht anbieten zu können, ist jedoch in keiner Weise dazu geeignet, die Feststellungen der Behörde, dass das schulpflichtige Kind eine nicht öffentliche und nicht genehmigte Privatschule besucht, zu entkräften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchteil A):

3.2.1. Art. 17 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867 lautet (auszugsweise):

„[…] Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.

Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.

[…]

Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.“

Gemäß Art. 14 Abs. 6 B-VG sind Schulen Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird.

Gemäß § 2 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962 idF BGBl. I Nr. 38/2015, hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden und gesundheitsbewussten, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil, sozialem Verständnis und sportlich aktiver Lebensweise geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

Gemäß § 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idgF besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht […].

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen […] zu erfüllen.

§ 11 SchPflG lautet (auszugsweise):

„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann […] auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

[…]

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich vor Schulschluß durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, daß das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Privatschulgesetzes (PrivSchG), BGBl. Nr. 244/1962, idgF, lauten:

㤠2. Begriffsbestimmungen.

(1) Schulen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.

(2) Ein erzieherisches Ziel ist gegeben, wenn außer den mit der Erwerbung von Kenntnissen und Fertigkeiten an sich verbundenen Erziehungszielen die Festigung der charakterlichen Anlagen der Schüler in sittlicher Hinsicht bezweckt wird.

(3) Privatschulen sind Schulen, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden (Artikel 14 Abs. 6 und 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes vom 18. Juli 1962, BGBl. Nr. 215).

(4) Eine Lehrbefähigung im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt bei Erfüllung der für ein öffentlich-rechtliches oder ein privatrechtliches Dienstverhältnis erforderlichen besonderen Ernennungs- bzw. Anstellungserfordernisse vor.

[…]

§ 3. Voraussetzungen für die Errichtung.

(1) Die Errichtung von Privatschulen ist im Sinne des Artikels 17 Abs. 2 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, und – soweit es sich um Schulen von gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften handelt – auch im Sinne des § 4 des Gesetzes vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 48, wodurch grundsätzliche Bestimmungen über das Verhältnis der Schule zur Kirche erlassen werden, bei Erfüllung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen näheren Vorschriften gewährleistet.

(2) Die Errichtung von Privatschulen setzt voraus, daß die Bedingungen hinsichtlich des Schulerhalters (§ 4), der Leiter und Lehrer (§ 5) und der Schulräume und Lehrmittel (§ 6) erfüllt werden.

[…]

§ 7. Anzeige und Untersagung der Errichtung.

(1) Die Errichtung einer Privatschule ist der zuständigen Schulbehörde mindestens drei Monate vor der beabsichtigten Eröffnung der Schule unter Nachweis der Erfüllung der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 oder 2, des § 5 Abs. 1 oder 2 und 4 (unbeschadet der Bestimmung des § 5 Abs. 5) sowie des § 6 anzuzeigen.

(2) Die zuständige Schulbehörde hat die Errichtung der Schule binnen zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einbringung der Anzeige zu untersagen, wenn die im Abs. 1 angeführten Bestimmungen nicht erfüllt sind. Wird die Errichtung der Schule innerhalb dieser Frist nicht untersagt, so kann sie eröffnet werden.“

3.2.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 Abs. 3 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

Die Untersagung der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. am häuslichen Unterricht i.S.d. § 11 Abs. 3 SchPflG ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 25.02.1971, 2062/70). Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, als dieses zu prüfen hat, ob die belangte Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 3 B-VG). Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch das Verwaltungsgericht erforderlich ist (siehe wieder VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, m.w.N.).

Das Gesetz räumt der Behörde die Befugnis ein, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht zu untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes im Vergleich zu dem in einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist. Mit Wahrscheinlichkeit ist eine Tatsache als gegeben anzunehmen, wenn gewichtigere Gründe für ihr Vorhandensein sprechen als dagegen. Von großer Wahrscheinlichkeit kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Gründe, die dafür sprechen, gegenüber den andern, die dagegen anzuführen sind, weitaus überwiegen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74; 25.02.1971, 2062/70).

3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Wie festgestellt, ist die am 01.09.2020 erstattete Anzeige der Erstbeschwerdeführerin als Anzeige der Teilnahme des Kindes am Unterricht an einer – entgegen § 7 Abs. 1 PrivSchG nicht angezeigten – Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht zu verstehen (siehe zu vergleichbaren Fällen wieder VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0201; 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).

Weiters ist – wie oben ausgeführt – entscheidend für die Zulässigkeit der von der Bildungsdirektion für Wien mit dem angefochtenen Bescheid erlassenen Maßnahme, nämlich der Untersagung der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht, ob bei der gegebenen Sachlage mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden durfte, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichtes an einer solchen Privatschule mit dem Unterricht an einer allgemeinbildenden Pflichtschule nicht gegeben sein wird. Diese Frage wurde von der Bildungsdirektion für Wien auf Grund der ihr im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegenden Verfahrensergebnisse aus nachstehenden Gründen mit Recht bejaht:

Bei der privaten XXXX schule XXXX handelt es sich um eine nicht angezeigte Privatschule, die sich der gesetzlich vorgesehenen Schulaufsicht entzieht; es kann auch nicht die Gleichwertigkeit des dort erteilten Unterrichts – insbes., ob die Voraussetzungen betreffend Lehrer, Schulräume und Lehrmittel erfüllt sind – überprüft werden, da die Verantwortliche für die Schule die Besichtigung durch die Bildungsdirektion für Wien verweigert hat.

Der Leiterin der Privatschule musste spätestens seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.09.2019, Ra 2018/10/0201, bewusst sein, dass ihr Rechtsstandpunkt, wonach sie keine Schule betreibe, verfehlt ist und hätte sie daher den gesetzlichen Verpflichtungen aus dem Privatschulgesetz nachkommen müssen. Umso mehr verwundert es, dass der Versuch der Besichtigung der Schule durch die Bildungsdirektion nur kurze Zeit später verhindert wurde.

Zur Behauptung der Beschwerdeführer, bisher hätten alle Schüler der privaten XXXX schule XXXX die Externistenprüfungen bestanden, ist festzuhalten, dass die Gleichwertigkeitsprüfung nicht nur auf die Leistungen der Schüler abstellt, sondern vor allem auf die Gleichwertigkeit des Unterrichts im Sinne einer ausreichenden Beschulung. Unter einer ausreichenden Beschulung ist eine der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß § 2 Abs. 1 SchOG entsprechende zu verstehen. An der Erreichung der Aufgaben i.S.d. § 2 SchOG gegenüber Schulpflichtigen besteht ein zwingendes öffentliches Interesse (siehe VwGH 27.09.1982, 82/10/0127). Es reicht daher nicht aus, dass alleine das Lernziel erreicht wird.

Unabhängig vom Lernerfolg ist eine ausreichende Beschulung dann nicht anzunehmen, wenn der Unterricht an einer Schule erfolgt, die in gesetzwidriger Weise und unter Missachtung der Bestimmungen der einschlägigen Gesetze geführt wird (vgl. dazu auch VfGH 10.03.2015, E1993/2014, wonach im Bereich von Schulen [einschließlich Privatschulen] staatliche Organe die Einhaltung schulrechtlicher Bestimmungen laufend überprüfen). Diese Überprüfung ist aber im vorliegenden Fall gerade nicht gewährleistet.

War diese Schlussfolgerung richtig, dann lag es im freien Ermessen der Bildungsdirektion, die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht zu untersagen. Hat die Bildungsdirektion von diesem Ermessen im Sinne der erfolgten Untersagung Gebrauch gemacht und sich dabei von der entscheidenden Erwägung leiten lassen, dass gesetzlich festgelegte Pflichten verletzt wurden und eine Schulaufsicht durch die Bildungsdirektion verunmöglicht wurde, dann hat sie das ihr eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes (den schulpflichtigen Kindern in ihrem eigenen Interesse und dem der Allgemeinheit in einer objektiv überprüfbaren Form das nötige Elementarwissen zu vermitteln) gehandhabt. Mit dieser Feststellung aber erschöpft sich die Befugnis einer inhaltlichen Überprüfung der Ermessensausübung durch das Bundesverwaltungsgericht.

Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

3.2.4. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, da der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde und dieser Sachverhaltsfeststellung in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475).

Da einer Berufungsvorentscheidung (nunmehr: Beschwerdevorentscheidung) nach der Rechtsprechung des VwGH die Bedeutung eines Vorhalts zukommt (so zuletzt VwGH 29.01.2020, Ra 2019/13/0071), wäre es Sache der Beschwerdeführer gewesen, im Vorlageantrag entsprechendes Sachverhaltsvorbringen zu erstatten (siehe VwGH vom 25.04.2005, 2001/17/0185). Dies war nicht der Fall. So war weder der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

Das Schulrecht ist auch nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH vom 10.03.2015, E1993/2014).

3.3. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gleichwertigkeit des Unterrichts häuslicher Unterricht Privatschule

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W128.2238958.2.00

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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