TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/29 W195 2240449-1

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Veröffentlicht am 29.03.2021
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Entscheidungsdatum

29.03.2021

Norm

AVG §35
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W195 2240449-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX geb. XXXX StA. XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2021, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 35 AVG 1991 idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorhergehende Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein XXXX Staatsangehöriger, stellte – damals minderjährig - nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.08.2017 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Der ledige BF gab zu Protokoll, aus dem Bundesstaat XXXX zu stammen und die Sprachen XXXX zu sprechen. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der XXXX und der Volksgruppe der XXXX an. Im Herkunftsstaat habe er die Grundschule besucht, eine Berufsausbildung habe er nicht. Der Aufenthaltsort seines Vaters sei ihm unbekannt, seine Mutter und sein jüngerer Bruder befänden sich in Österreich. Der BF sei vor zwei Jahren in Deutschland eingereist und habe sich dort in einem Asylverfahren befunden.

Zum Ausreisegrund führte der BF alte Feindschaften mit den Nachbarn an. Im Zuge der Antragstellung wurde ein deutsches Dokument über die „Aussetzung der Abschiebung (Duldung)“ polizeilich sichergestellt.

1.2. Der BF gab am selben Tag eine schriftliche Stellungnahme ab, wonach die Familie des BF gemeinsam nach Europa gekommen sei, aber sich auf dem Weg verloren hätte. Der BF sei vom Schlepper nach Deutschland gebracht worden, seine Mutter und sein Bruder nach Österreich. Der Aufenthalt des Vaters sei unbekannt. Da der BF seit einigen Monaten wieder Kontakt mit seiner Mutter und seinem Bruder habe, sei er nach Österreich eingereist. Es bestehe ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis. Aufgrund des Familienlebens sei Österreich gemäß Dublin-III-VO für das Verfahren zuständig.

1.3. Mit Bescheiden des BFA vom 20.09.2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Mutter und des Bruders des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat XXXX abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach XXXX zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für ihre freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

1.4. Am 12.02.2018 wurde der BF durch das BFA im Beisein seiner Mutter als gesetzliche Vertreterin niederschriftlich einvernommen. Nach dieser Einvernahme erging am 15.02.2018, Zl. 1165477003-170990164, der Bescheid des BFA, mit welchem der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat XXXX abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach XXXX zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

1.6. Da der BF gegen diese Entscheidung keine Beschwerde erhob, wurde sie am 27.03.2018 rechtskräftig.

1.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2018, XXXX wurden die Beschwerden der Mutter und des Bruders des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des BFA vom 20.09.2017 (s. Punkt 1.3.) als unbegründet abgewiesen.

1.8. Am 29.08.2018 wurde der BF zur Regelung der Ausreise durch das BFA niederschriftlich einvernommen, wobei der BF im Wesentlichen angab, keinen Reisepass zu besitzen und keinen Kontakt mit der XXXX Botschaft aufnehmen zu wollen, da er nicht zurückkehren wolle. Er wohne mit seiner Mutter und seinem Bruder zusammen als Untermieter in einer Wohnung. In XXXX habe er niemanden. Sein Großvater mütterlicherseits und seine Großeltern väterlicherseits seien verstorben, seine Großmutter leide an Depressionen.

Der BF wurde angehalten, Formblätter zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments auszufüllen.

1.9. Mit Mandatsbescheid vom 29.01.2019 wurde dem BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zur Ausreise durchgängig in einer näher genannten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen.

1.10. Am 26.02.2019 wurden der BF und seine Mutter wegen Missachtung der Verpflichtung zur Ausreise nach § 120 Abs. 1b iVm § 52 Abs. 8 FPG und wegen Missachtung der Wohnsitzauflage nach § 121 Abs. 1a iVm § 57 FPG polizeilich angezeigt.

1.11. Eine vom BFA am 04.03.2019 ersuchte und am 14.03.2019 durchgeführte polizeiliche Wohnsitzerhebung des BF an seiner Meldeadresse aufgrund der Missachtung der Verpflichtung der Unterkunftnahme ergab, dass der BF laut Auskunft des Hauptmieters seit ungefähr einer Woche nicht mehr an der gemeldeten Adresse wohnhaft sei.

1.12. Mit Strafverfügung vom 04.03.2019 wurde über den BF wegen Missachtung der Wohnsitzauflage nach § 121 Abs. 1a iVm § 57 FPG eine Geldstrafe von EUR 100,- verhängt.

1.13. Am 14.03.2019 wurde der BF wegen Missachtung des Meldegesetzes nach § 22 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 1 Meldegesetz polizeilich angezeigt.

1.14. Am 16.11.2020 wurde der BF wegen unrechtmäßigen Aufenthaltshalts nach § 120 Abs. 1a FPG polizeilich angezeigt, festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

1.15. Am Folgetag wurde der BF zur Prüfung einer Inschubhaftnahme durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, einige Tage nach dem März 2018 wegen seiner Freundin nach Deutschland gegangen zu sein und dort in einem Onlineshop gearbeitet zu haben. Er sei im November 2020 zurückgekehrt, weil die Arbeit in Deutschland wegen des Lockdowns weniger geworden sei. Er habe dort keinen Aufenthaltstitel gehabt. Er wisse nicht, wo sich seine Mutter aufhalte. Er wolle nicht aus Österreich ausreisen, sondern hier arbeiten. Er habe kein Geld und arbeite als Zeitungszusteller.

Der BF wurde angehalten, Formblätter zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments auszufüllen.

1.16. Mit Mandatsbescheid vom 17.11.2020 ordnete das BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung die Verhängung der Schubhaft über den BF an.

1.17. Am 23.11.2020 wurde dem BF vorgehalten, die Formblätter zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes hinsichtlich seiner Heimatadresse nicht vollständig ausgefüllt zu haben. Der BF erklärte nach mehrmaliger Aufforderung, sich an die Daten nicht mehr erinnern zu können.

1.18. Am 22.12.2020 stellte der nunmehr volljährige BF aus der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein. Am selben Tag fand die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Dabei gab der BF zu Protokoll, dass seine alten Asylgründe immer noch aufrecht seien. Der Beschwerdeführer habe den Kontakt zu seiner Mutter aufgegeben, weil sie Streit gehabt hätten. Sie habe zuletzt in Österreich gelebt.

Der BF sei zwischen März 2018 und November 2020 in Deutschland aufhältig gewesen.

1.19. Das BFA folgte dem BF am 02.01.2021 eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG aus, mit welcher ihm mitgeteilt wurde, dass die Behörde beabsichtige, den Folgeantrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

1.20. Am 05.01.2021 wurde der BF in Anwesenheit eines Rechtsberaters und seines Rechtsvertreters durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Es erging der Bescheid des BFA vom 09.02.2021, mit dem der Folgeantrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach XXXX zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

1.21. Diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.02.2021, W169 2239398-1/2E, bestätigt und die erhobene Beschwerde abgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.02.2021 wurde gemäß § 35 AVG gegen den BF eine Mutwillenstrafe in der Höhe von € 400,- verhängt.

Begründend führte das BFA dazu aus, dass der BF bereits zweimal unbegründete Asylanträge gestellt habe, er illegal im Bundesgebiet verblieb und er keine Schritte unternommen habe, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. In Folge eines Hungerstreiks habe sich der BF aus der Schubhaft „freigepresst“. Der BF habe mit dem neuerlichen Asylantrag wissentlich und vorsätzlich in Kenntnis der völligen Aussichtslosigkeit die Behörde mutwillig in Anspruch genommen. Anstatt den Rechtsstaat zu respektieren habe der BF trotz einen Antrag eingebracht, welcher keine einzige Änderung gegenüber früheren Verfahren beinhaltet habe.

2.2.Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, vollumfängliche Beschwerde, in der der BF durch XXXX vertreten wird.

Sein Asylverfahren sei „ohne sein Verschulden“ negativ abgeschlossen worden.

Die Situation in der Schubhaft sei für den BF „unerträglich“ gewesen, er hätte große Furcht vor der Rückkehr nach XXXX . Der Asylantrag sei nicht wegen „völliger Aussichtslosigkeit“, sondern gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden, eine Mutwilligkeit liege nicht vor.

Es würden dem BF „nicht näher aufgeschlüsselte Kosten von € 400 vorgeschrieben“. Diese Kosten seien intransparent, die Behörde würde nicht darlegen, wie sie zu dieser Summe komme. Eine nur „ansatzweise Auflistung“ bleibe „völlig unverständlich“.

Es seien die Kosten auch durch ein „ungeschicktes Verhalten der Behörde“ entstanden. Der BF sei kooperativ gewesen und seien die Kosten „nicht aus dem Verschulden des BF heraus“ entstanden.

Zusammengefasst wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides nach Durchführung einer Verhandlung begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist XXXX Staatsangehöriger und am XXXX geboren.

Beide Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig negativ entschieden, wobei der zweite Antrag sich auf die im ersten Antrag genannten Fluchtgründe bezog.

Mit Bescheid des BFA vom 09.02.2021 wurde gegen den BF eine Mutwillensstrafe von €°400,- gemäß § 35 AVG verhängt. Dagegen wendet sich die Beschwerde des BF.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen des Administrativaktes, der Beschwerde sowie dem Gerichtsakt des BVwG zur Zl XXXX

Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen (insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung) abgesehen werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

3.1. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 35 AVG lautet:

„Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“

Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).

Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (VwGH 18.4.1997, 95/19/1707; 27.5.1999, 97/02/0345; 16.2.2012, 2011/01/0271; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).

Der Tatbestand des § 35 AVG kann – außer durch die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Behörde – auch noch dadurch verwirklicht werden, dass in der Absicht, die Angelegenheit zu verschleppen, unrichtige Angaben gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist auch die bewusst unrichtige Begründung des Antrages. Eine Verhängung der Mutwillensstrafe ist dann gerechtfertigt, wenn aus den wechselnden, einander widersprechenden Angaben der Partei und der Begründung von Rechtsmitteln ersichtlich ist, dass diese im Bewusstsein ihrer Grundlosigkeit eingebracht wurden und damit offenbar nur die Verschleppung der endgültigen Erledigung bezweckt wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 4).

Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) „Person“, welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat (das Anbringen eingebracht) [vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707] oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.

Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2011, 97/21/0023).

Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466).

Der Beschwerdeführer stellte im August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich nicht zum Erfolg führte. In weiterer Folge tauchte der BF unter und verstieß damit gegen eine Wohnsitzauflage des BFA. Es ist nicht erkennbar, wieso das Asylverfahren „ohne Verschulden“ des BF negativ abgeschlossen wurde; der BF führte nicht einmal ansatzweise dazu irgendeine Begründung aus, sondern wirft mit Begriffen um sich in der Hoffnung sich dadurch ein anderes semantisches Licht – nämlich eines „Schuldlosen“ - zu rücken.

Nachdem der BF in Schubhaft genommen worden war stellte er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, allerdings aus den gleichen, bereits rechtskräftig negativ entschiedenen Gründen. Dieser Antrag wurde gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Zurückweisung eines Antrages nach § 68 AVG nicht dem BF anzulasten wäre, wie dies in der Beschwerde behauptet wird. Vielmehr zeigt sich in der Zurückweisung, dass die Berechtigung zur Stellung eines derartigen Antrages von vornherein nicht vorlag.

Die Zurückweisung des Folgeantrages wurde vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig mit Erkenntnis vom 24.02.2021 bestätigt.

Hinsichtlich des Argumentes des BF, er könne „die Kosten“ von € 400 nicht nachvollziehen, diese seien „intransparent“ und hätte die Behörde diese durch „ungeschicktes Verhalten“ bewirkt, tritt mangelndes rechtliches Verständnis des durch XXXX vertretenen BF zutage.

Grundlage der Mutwillensstrafe ist nicht irgendeine „Kostenaufstellung“ durch eine Behörde, sondern ein bestimmtes mutwilliges und vorsätzlich in Kenntnis der völligen Aussichtslosigkeit gestelltes Begehren bzw. eine derartige Inanspruchnahme der Behörde. Wie den oben ausgeführten, der ständigen Rechtsprechung des VwGH entsprechenden Argumenten zu entnehmen ist, kann eine Mutwillensstrafe mit bis zu € 726 verhängt werden. Es ist die Mutwillensstrafe somit kein (zivilrechtlicher oder pauschalierter) „Kostenersatz“ für Leistungen einer Behörde, sondern dient der Maßregelung einer Person, welche eine Behörde unter mutwilligen Voraussetzungen in Anspruch nimmt. Es hat somit die Behörde keine „Kostenaufstellung“ durchzuführen oder vorzulegen. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die belangte Behörde den BF durch „ungeschicktes Verhalten“ dazu veranlasst oder genötigt habe, gleichlautende Anträge öfters einzubringen. Entgegen den Ausführungen in der (unbegründeten) Beschwerde war der BF nach der Aktenlage nicht an einer „Lösung“ interessiert, bestand diese „Lösung“ augenscheinlich ausschließlich darin, die rechtskräftigen Entscheidungen wahrzunehmen und entsprechend an der Herstellung des Rechtszustandes mitzuwirken, wozu der BF grundsätzlich verpflichtet war. Dass er nicht an der Herstellung des Rechtszustandes interessiert war, zeigte sich im gesamten Verfahren und im Verhalten des BF, insbesondere seine Weigerung an der Beschaffung eines Heimreisezertifikates entsprechend mitzuwirken. Die Kenntnis über das Verfahren und die Verfahrensschritte waren beim BF, der etwa auch in Anwesenheit von Rechtsberater und Rechtsvertreter am 05.01.2020 vor dem BFA einvernommen wurde (vgl Pkt 2.3. Erkenntnis BVwG 24.02.2021), offensichtlich vorliegend.

Der BF hatte schon zum damaligen Zeitpunkt die Möglichkeit erhalten das Bundesgebiet innerhalb von zwei Wochen freiwillig zu verlassen. Es musste dem damals vertretenen BF klar gewesen sein, dass er, sollte er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen, ihm eine Rückkehrentscheidung und allfällige Abschiebung drohen.

Diese Verpflichtung zur Rückkehr bedingt die Teilnahme an einem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates. Es unterliegt somit nicht der Dispositionsfähigkeit des BF darüber zu entscheiden, ob er das Bundesgebiet verlassen will, sondern nur mehr, in welcher Form er es verlässt.

Dies verkennend zeigte der BF keinerlei Respekt gegenüber der Rechtsordnung der Republik Österreich bzw. der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Selbst ein neuerliches Verfahren im Jahr 2020, welches aus rechtsstaatlicher Sicht durchgeführt wurde, um zu prüfen, ob der BF die Berechtigung zum Verbleib im Bundesgebiet aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen habe, wurde negativ entschieden.

Der BF hat durch sein Verhalten, weil er nämlich nicht freiwillig das Bundesgebiet verließ, Tätigkeiten der Behörde ausgelöst, welche erforderlich sind, um den Rechtsstaat durchzusetzen.

Es kommt gegenständlich gar nicht darauf an, ob es dem BF gefällt oder nicht gefällt, dass er die Republik Österreich zu verlassen hat, sondern es steht die Rechtsordnung der Republik Österreich dahinter. Er könnte das Bundesgebiet auch freiwillig verlassen, wobei dies ebenfalls mit gültigen Papieren zu erfolgen habe, also auch in diesem Fall entsprechende Dokumente von XXXX Behörden anzufordern wären. Allein sein Wille, nach Ausschöpfung aller Instanzen, wozu dem BF sicherlich niemand das Recht absprechen möchte, keine entsprechende Reaktion zu zeigen und die Rechtsstaatlichkeit zu ignorieren, ist jedoch nicht tolerierbar.

Dass der BF durch sein Verhalten die Tätigkeit österreichischer Behörden zusätzlich und über Gebühr in Anspruch nimmt, ist offensichtlich. Der BF wurde darüber informiert, dass es gegebenenfalls zur Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit Zwangsmaßnahmen gibt und wurden diese ihm näher dargelegt. Der BF übersieht in seiner Argumentation, dass durch sein – länger andauerndes – destruktives Verhalten ein aus rechtstaatlicher Sicht gebotenes weiteres Verfahren erforderlich wurde, welches wiederum zu seinen Ungunsten ausging.

Die Voraussetzungen zur Verhängung der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben:

Zur Höhe der verhängten Mutwillensstrafe ist auszuführen, dass diese, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Höchstbetrages in der Höhe von € 726,-, derart zu bemessen ist, dass der Täter von weiterem derartigem Fehlverhalten abgehalten wird (vgl. VwGH 15.12.1999, 98/12/0406). Mit einer „Kostenaufstellung“ hat dies, wie oben dargelegt, nicht zu tun.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht in der Bemessung der Mutwillensstrafe von € 400,- dem Grund nach keinen Anlass, dies als ungebührlich hoch zu beurteilen. Auch wenn in der Beschwerde kein Antrag auf Reduzierung vorliegt, wägt das Bundesverwaltungsgericht die Höhe nach bestimmten Kriterien ab. So hat der BF bisher noch keine Mutwillensstrafe erhalten, sodass die Höchststrafe von € 726,- unangebracht hoch erscheint. Demgegenüber ist die Nichtmitwirkung und zusätzliche Inanspruchnahme der Behörde im Verfahren zur Beschaffung von HRZ als auch durch den weiteren, unzulässigen Asylantrag sowohl aus generalpräventiver und spezialpräventiver Sicht erforderlich, eine gewisse, abschreckende Höhe gegenüber weiterem Fehlverhalten zu erlangen.

Der BF lässt den Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung vermissen. Es wurde damit der auszuschöpfende Höchstbetrag knapp über der Hälfte festgesetzt.

Schließlich ist zu Lasten des BF der von ihm verursachte Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger des BFA zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass er durch die Stellung eines grundlosen Asylantrages während des – von ihm mutwillig in Gang gesetzten und zudem prolongierten – Asylverfahrens Leistungen aus der Grundversorgung bezog sowie das Verfahren bezüglich seines Aufenthaltstitels unnötig in die Länge zog, beanspruchte er nicht nur personelle Ressourcen des BFA (und auch des BVwG). Im Hinblick auf das gesetzte Verhalten des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Höhe der Mutwillensstrafe um eine Disziplinarstrafe im Bagatellbereich (vgl. § 25a Abs. 4 Z 2 VwGG).

Nicht zuletzt gilt es zu beachten, dass sich das Verhalten des Beschwerdeführers durch die langjährige, letztlich jedoch mutwillig erfolgte Inanspruchnahme von Behördenkapazitäten zwangsläufig zu Lasten redlicher Antragsteller auswirkt.

Diese Gesichtspunkte sind unter Beachtung der Regelungsintention des § 35 AVG bei der Bemessung der Strafhöhe als erschwerend zu werten. Strafmildernde Umstände gehen einzig in die Richtung, dass bisher noch keine Mutwillensstrafe über den Beschwerdeführer verhängt wurde, sodass eine Höhe von € 400,- gerechtfertigt erscheint.

Aus dem Gesagten konnte auch die Einkommenssituation des Beschwerdeführers bei der Bemessung der Strafhöhe nicht weitergehend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass – nach Maßgabe des § 36 zweiter Satz AVG – § 19 Abs. 2 VStG nicht anwendbar ist. Es liegt sonst keine gesetzliche Grundlage vor, die es zwingend erfordern würde, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse in die Strafbemessung einfließen zu lassen (VwGH 20.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. 14.064 A/1994).

3.2. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:

In Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der von dem Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Aussichtslosigkeit Folgeantrag Mutwillen Mutwillensstrafe Untertauchen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W195.2240449.1.00

Im RIS seit

10.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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