TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/19 I405 2222261-2

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Veröffentlicht am 19.01.2021
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Entscheidungsdatum

19.01.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs3
AsylG 2005 §12a Abs4
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I405 2222261-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Nigeria alias Uganda, vertreten durch Mag. Meliha Deniz GÜZGÜN, p. A. Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs 4 iVm Abs 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.04.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Zu seiner Identität erklärte er, Staatsangehöriger von Uganda zu sein. Zu seinem Fluchtgrund führte er an, dass seine Mutter mit ihm vor seinem Onkel und dessen Männern nach Nigeria geflohen sei, als er zwei Jahre alt gewesen sei. In Nigeria habe sich dann die Verfolgung jedoch fortgesetzt.

2.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 16.09.2015 wurde dieser Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

3.       Die vom BF gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.10.2015, Zl. W192 2115245-1/2E, als unbegründet abgewiesen.

4.       Am 28.02.2016 stellte der BF im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, wobei er diesmal zu einer Identität erklärte, Staatsangehöriger von Nigeria zu sein. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der BF an, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkönne, weil sein Leben wegen der aktiven Mitgliedschaft eines Familienangehörigen bei der Opposition bedroht sei.

5.       Dieser Antrag wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 10.03.2016 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Spanien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben und erwuchs dieser in weiterer Folge in Rechtskraft.

6.       Am 23.12.2016 stellte der BF wiederum im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen weiteren (dritten) Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung seines Antrages führte er an, dass ein Onkel in Uganda Hexer sei und den BF ermorden wolle. Der Onkel habe das auch bereits mit seinem Vater getan.

7.       Mit Bescheid des BFA vom 23.05.2017 wurde dieser Antrag des BF vom 23.12.2016 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Des Weiteren wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.), gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) und ausgesprochen, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 27.02.2014 verloren habe (Spruchpunkt VII.). Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben und erwuchs dieser in weiterer Folge in Rechtskraft.

8.       Am 12.07.2019 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er mit sieben Jahren Uganda wegen politischen Problemen verlassen hätte und die Verwandten seines Vaters vorgehabt hätten, ihn als dessen einzigen männlichen Erben zu töten. Neu sei, dass er eine Beziehung mit seiner Freundin im Inland habe, diese heiraten und hier in die Schule gehen und sich fortbilden wolle.

9.       Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.07.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 12.07.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

10.      Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.09.2019, Zl. I419 2222261-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

11.      Der BF wurde sodann am 26.09.2019 auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.

12.      Nach seiner erneuten unrechtmäßigen Einreise ins Bundesgebiet wurde der BF im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 25.09.2020 wegen illegalen Aufenthaltes festgenommen und wurde über ihn mit Bescheid des BFA vom 26.09.2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

13.      Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2020, Zl. W115 2221819-2/8E, als unbegründet abgewiesen.

14.      Am 06.10.2020 wurde der BF von seiner für 22.10.2020 geplanten Abschiebung nach Nigeria in Kenntnis gesetzt, woraufhin er am selben Tag den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte.

15.      Er wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er Mitglied der Gruppe Biafra sei, welche in Nigeria Probleme habe. In Nigeria hätten Leute sein Leben bedroht, da sie gemeint hätten, dass er aus Europa zurückgekehrt sei, um diese Gruppe finanzielle zu unterstützen. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er getötet zu werden. Zudem sei seine Verlobte schwanger und habe ständig Schmerzen, weshalb sie auf seine Hilfe angewiesen sei.

16.      Mit Mandatsbescheid vom 20.10.2020 wurde vom BFA gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG 2005 nicht vorliegen und dem BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht zuerkannt werde. Dieser Bescheid wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.

17.      Am 22.10.2020 wurde der BF einer nigerianischen Delegation vorgeführt und wurde dieser durch die nigerianische Botschaft als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Zudem wurde von der nigerianischen Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugestimmt.

18.      Mit Schriftsatz vom 28.10.2020 übermittelte der willkürlich vertretene BF eine Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid, worin begründend ausgeführt wurde, dass der BF nunmehr über ein schützenswertes Privat- und Familienleben verfüge sowie sich die Sicherheitslage in Nigeria wesentlich verschlechtert habe, insbesondere wegen des Massakers am 20.10.2020 im Zusammenhang mit den Protesten gegen die SARS-Einheit der Polizei, weshalb eine wesentliche Änderung der Sachlage vorliege.

19.      Am 12.11.2020 wurde der BF auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.

20.      Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 09.12.2020, Zl: 1017148006 – 190575919, wurde gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 Asyl nicht vorliegen. Unter einem wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt. Begründet wurde ausgeführt, dass der BF seinen Folgeantrag innerhalb der 18-tägigen Frist gem. § 12a Abs. 3 AsylG vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt habe, weswegen ihm ein faktischer Abschiebeschutz ex lege nicht zukomme. Darüber hinaus traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstatt des BF. Aus diesen Länderfeststellungen sei ersichtlich, dass die Situation in Nigeria im Wesentlichen jener im Zeitpunkt der letzten Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz entspreche und daher nicht davon auszugehen sei, dass sich Änderungen ergeben hätten, die in seinem Fall zu einer anderslautenden Entscheidung führen könnten. Dieser Bescheid wurde am selben Tag der Rechtsvertretung des BF zugestellt.

21.      Mit Schriftsatz vom 06.01.2021 wurde durch den rechtsfreundlich vertretenen BF Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 09.12.2021 erhoben und im Wesentlichen das bereits in der Vorstellung erstattete Vorbringen wiederholt.

22.      Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Nigerias, Christ und spricht Englisch. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF reiste erstmals im Jahr 2015 nach Österreich ein und stellte am 19.04.2015 und am 28.02.2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz, welche wegen Zuständigkeit Spaniens zur Durchführung des inhaltlichen Asylverfahrens rechtskräftig zurückgewiesen wurden. Eine Überstellung erfolgte hingegen nicht, da sich der BF unbekannten Aufenthaltes begab.

Am 23.12.2016 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der zugelassen und inhaltlich geprüft sowie schließlich vollinhaltlich mit Bescheid des BFA vom 23.05.2017 rechtkräftig abgewiesen wurde.

Am 12.07.2019 stellte der BF seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 23.07.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.09.2019, Zl. I419 2222261-1/5E, als unbegründet abgewiesen.

Der BF wurde sodann am 26.09.2019 auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.

Nach seiner erneuten unrechtmäßigen Einreise ins Bundesgebiet wurde der BF im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle am 25.09.2020 wegen illegalen Aufenthaltes festgenommen und wurde über ihn mit Bescheid des BFA vom 26.09.2020 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2020 als unbegründet abgewiesen.

Am 06.10.2020 wurde der BF von seiner für den 22.10.2020 geplanten Abschiebung nach Nigeria in Kenntnis gesetzt, woraufhin er am selben Tag den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte.

Mit Mandatsbescheid vom 20.10.2020 wurde vom BFA gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 iVm § 57 Abs. 1 AVG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und 2 AsylG 2005 nicht vorliegen und dem BF der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht zuerkannt werde.

Mit Schriftsatz vom 28.10.2020 übermittelte der willkürlich vertretene BF eine Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid.

Am 12.11.2020 wurde der BF auf dem Luftweg nach Nigeria abgeschoben.

Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren geführt und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.12.2020, Zl: 1017148006 – 190575919, gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z 2 Asyl nicht vorliegen. Unter einem wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.

Die Lage im Herkunftsstaat des Betroffenen stellt sich gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen unverändert dar. Der BF würde bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht in Lebensgefahr sein, auch nicht in eine existenzgefährdende aussichtlose Situation gelangen. Das Risiko des BF, an COVID 19 zu erkranken, ist sehr niedrig, zumal es keine Anhaltspunkte gebe, dass der BF einer Risikogruppe angehört.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Gang der ersten beiden Asylverfahren, des gegenständlichen Verfahrens sowie zum verfahrensgegenständlichen Bescheid sowie zur Situation in Nigeria wurden auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten getroffen.

Zur allgemeinen Lage in Nigeria wurden die im angefochtenen Bescheid festgestellten Länderinformationen herangezogen. Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. In der Beschwerde trat der BF diesen Länderinformationen nicht substantiiert entgegen, sondern rügte lediglich, dass sich die objektive Situation in seinem Herkunftsstaat Nigeria entscheidungsrelevant verändert habe, insbesondere wegen des Massakers am 20.10.2020 im Zusammenhang mit den Protesten gegen die SARS-Einheit der Polizei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

„(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.“

Zunächst ist festzuhalten, dass dem gegenständlichen Verfahren ein Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 zugrunde liegt, zumal das Verfahren aufgrund des ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 23.12.2016 bereits vor der Stellung des zweiten Folgeantrages auf internationalen Schutzes am 06.10.2020 rechtskräftig abgeschlossen war.

Zu Recht hat das Bundesamt ausgeführt, dass dem BF aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 3 AsylG ex lege kein faktischer Abschiebeschutz zukommt, da er diesen Folgeantrag am 06.10.2020, sohin binnen 18 Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin am 22.10.2020, gestellt hat, wobei dem BF dieser Abschiebetermin am 06.10.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist, der BF sich überdies in Schubhaft befunden hat und gegen ihn aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.05.2017 eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot bestanden hat.

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (330 BlgNR 24. GP) zu § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Festlegung des Abschiebetermins und die diesbezügliche Information an den Fremden seiner Antragstellung vorangehen müssen. Der Fremde muss also zum Zeitpunkt seiner Antragstellung von der Tatsache seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung und dem geplanten Termin Kenntnis haben. Schriftlichkeit der Information ist nicht gefordert. Die Information wird beispielsweise auch in Einem mit dem Ausspruch der Festnahme erfolgen können. Um dem Rechtsschutzgedanken ausreichend Rechnung zu tragen, ist es daher angebracht, die Rechtsfolgen des Abs. 3 nur dann eintreten zu lassen, wenn dem Fremden die bevorstehende Abschiebung bewusst ist und daher im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass es sich bei einem erst dann gestellten Folgeantrag lediglich um eine Reaktion auf die drohende Außerlandesbringung zwecks ihrer ungerechtfertigten Verhinderung handelt. Zu beachten ist dabei insbesondere der Umstand, dass der wohlmeinende Folgeantragsteller seinen Antrag natürlich sogleich bei Vorliegen einer (neuen) Verfolgungs- oder Bedrohungssituation und nicht als Reaktion auf fremdenpolizeiliche Tätigkeit stellen wird.

Im gegenständlichen Fall wurde dem BF am 06.10.2020 um 08:07 Uhr, sohin vor seiner Antragstellung am 06.10.2020 um 10:21 Uhr, ein Informationsblatt über die bevorstehende Abschiebung zur Unterfertigung ausgefolgt, jedoch verweigerte er die Unterschriftsleistung. Vor dem Hintergrund der Erläuterungen zur Regierungsvorlage besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der BF vor seiner Antragstellung "nachweislich" über den Abschiebetermin im Sinne des Gesetzes informiert wurde, zumal es lediglich der im Akt dokumentierten Information bedarf, an die keine Formerfordernisse gestellt werden und deren Wirkung durch die bloße Unterschriftsverweigerung nicht vereitelt werden kann. Im Übrigen wurde vom BF und seinem Rechtsvertreter weder in der Vorstellung noch in der Beschwerde vorgebracht, dass der BF von seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung keine Kenntnis hatte. Der BF wurde sohin vor dem Antragszeitpunkt, 06.06.2019, im Sinne des Gesetzes "nachweislich" über den Abschiebetermin am 22.10.2020 informiert.

Das Bundesamt hätte dem BF sohin lediglich dann faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG zuerkennen müssen, wenn der BF glaubhaft gemacht hätte, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen habe können oder sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hätte.

Aus dem gesamten Akteninhalt haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der BF seinen Folgeantrag nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte stellen können. Er war nicht in der Lage, schlüssig darzulegen, warum er den gegenständlichen Antrag nicht bereits früher, etwa vor seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.09.2020 oder unmittelbar nach seiner Einreise in Österreich, sondern erst unmittelbar vor der geplanten Abschiebung, gestellt hat. Auch die Beschwerde enthielt kein entsprechendes nachvollziehbares Vorbringen bzw. ging sie mit keinem Wort darauf ein, sondern argumentierte mit dem schützenswerten Privat- und Familienleben des BF sowie der nunmehr wesentlich veränderten Sicherheitslage in Nigeria.

Dem Bundesamt ist jedoch auch zuzustimmen, wenn es unter Berücksichtigung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen davon ausgeht, dass sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat Nigeria nicht entscheidungsrelevant geändert hatte. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass es zuletzt gewaltsame Protesten in Nigeria im Zusammenhang mit der Polizeigewalt gegeben hat, jedoch kann aus diesen keine den BF betreffende bzw. entscheidungsrelevante allgemeine Lageänderung im Herkunftsstaat erkannt werden. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, dass es in Nigeria keine solche extreme Gefährdungslage besteht, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikels 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Soweit der BF geltend macht, dass es auch durch die familiären Verhältnisse zu einer wesentlichen Änderung gekommen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Aspekte in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a Abs. 4 AsylG und der Frage, ob faktischer Abschiebeschutz gewährt werden hätte müssen, stehen.

Die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z 1 AsylG für die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes war sohin nicht erfüllt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem BF somit zu Recht keinen faktischen Abschiebeschutz aufgrund seines Folgeantrages vom 06.10.2020 zuerkannt.

Da im gegenständlichen Fall alle Voraussetzungen für die Nichtzuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In casu ergaben sich das Vorliegen einer rechtskräftigen Ausweisung (Rückkehrentscheidung), die maßgeblichen Zeitpunkte hinsichtlich der Information über die geplante Abschiebung und bezüglich der Folgeantragstellung sowie der Umstand, dass der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung angehalten wurde, aus der Aktenlage und blieben vom BF auch unbestritten. Der BF trat zudem den von der Verwaltungsbehörde herangezogenen Länderberichten nicht substantiell entgegen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war somit aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Abschiebung aufrechte Rückkehrentscheidung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung faktischer Abschiebeschutz Folgeantrag Identität der Sache Kenntnis Kenntnisnahme Privat- und Familienleben Verhinderung Verzögerung wesentliche Sachverhaltsänderung Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I405.2222261.2.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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