TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/10 W282 2232595-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.02.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2232595-6/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingshilfe gem. GmbH, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 11.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) vom XXXX 2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig erließ das BFA gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot. Der BF war bereits hiervor erheblich straffällig geworden. Mit Erkenntnis vom 27.11.2018, GZ W238 2202474-1/27E, wies das Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2018 eingebrachte Beschwerde rechtskräftig ab.

2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3. Am 29.06.2020 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Anschluss an die Durchführung einer Einvernahme am 22.07.2020 durch das BFA wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz aberkannt. Mit Beschluss vom 28.07.2020, GZ W241 2202474-2/3E, erklärte das BVwG die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 22.07.2020 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig.

4. Mit Bescheid des BFA vom XXXX .2020, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten würden. Am XXXX 2020 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und direkt in Schubhaft genommen, er wird seitdem in Schubhaft angehalten.

5. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2020 und 28.08.2020 wies das BVwG die vom BF gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX .2020 und die daraus erfolgte Anhaltung in Schubhaft eingebrachte Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 28.08.2020, GZ W150 2232595-2/17Z, schriftlich ausgefertigt am 12.10.2020, W150 2232595-2/23E, als unbegründet ab.

6. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.10.2020, GZ W150 2232595-2/23E, vom 26.11.2020, W154 2232595-3/3E und vom 22.12.2020, GZ W278 2232595-4/15E sowie mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 18.01.2021, GZ W 278 2232595-5/19Z, schriftlich ausgefertigt am 02.02.2021 zur GZ W 278 2232595-5/23E wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist. Im Rahmen der am 18.01.2021 im Verfahren W 278 2232595-5 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF und die Referatsleiterin des Bundesamts für Rückkehrvorbereitungen unter Entbindung der Amtsverschwiegenheit als Zeugin einvernommen.

7. Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 22.12.2020, GZ W278 1121484-4/15E erhob der BF mit Schriftsatz vom 02.02.2021 eine a.o. Revision. Mit Beschluss des BVwG vom 03.02.2021, GZ W278 2232595-4/20E wurde der Revision die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

8. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 05.02.2021 die Akten gemäß §22a Abs. 4 BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor und erstattete eine Stellungnahme, in der wie folgt auszugsweise ausgeführt wird:

„HRZ:

Die Zustimmung erfolgte am 04.01.2019. Die Ausstellung eines EU-Laissez Passers durch die Behörde ist jederzeit möglich, da eine afghanische Tazkira vorliegt.

Betreffend des EU Laissez Passers wird angeführt, dass diese seitens der afghanischen Behörden für die zukünftigen Außerlandesbringungen wieder anerkannt werden. Dies wurde dem BFA seitens der afghanischen Behörden zugesichert. Es wäre beabsichtigt gewesen, die VP am 15.12.2020 mittels Charter nach Afghanistan zurückzubringen. Der Charterflug fand zwar statt, jedoch gab es Platzmangel, sodass nur 10 afghanische Staatsangehörige von Österreich außer Landes gebracht werden konnten. Wie bereits erwähnt wurde der Behörde zugesichert, dass das EU Laissez Passer für die zukünftigen Rückführungen akzeptiert werden. Die Beantragung eines Heimreisezertifikates ist in diesem Fall nicht notwendig, dass die VP über eine Taskira verfügt, welche für die Ausstellung eines EU Laissez Passer ausreichend ist.

Außerlandesbringung:

?        Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass laut Auskunft des Referates B/II/1 des Bundesamts eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan jederzeit möglich gewesen wäre und auch weiterhin möglich ist. Die VP hat aber bis dato keinen Rückkehrwillen gezeigt und keinen Antrag auf eine freiwillige Rückkehr gestellt.

?        Dahingehend hat sich seit der letzten Schubhaftüberprüfung am 18.01.2021 nichts Wesentliches verändert. Der Genannte wurde für die Charterrückführung am 23.02.2021, welcher gemeinsam mit Schweden stattfindet, angemeldet. Der Abflug des Hauptcharters findet in Wien statt. Aufgrund der bereits durchgeführten Charterrückführung im Dezember 2020 ist davon auszugehen, dass die Charterrückführung im Februar 2021 ebenso stattfindet. Seitens der afghanischen Behörden wurde versichert, dass afghanische Staatsbürger wieder, wie zuvor üblich, mittels EU-Laissez Passer in Afghanistan einreisen dürfen. Die Kommunikation mit FRONTEX und den afghanischen Behörden ist gut. Es wird regelmäßig Absprache zwischen den zuständigen Abteilungen gehalten. Bis dato sind keinerlei Informationen bekannt geworden, aus welchen hervorgehen würde, dass die Charterabschiebung nicht stattfinden wird. Die Durchführung dieser Abschiebung gilt daher als sehr wahrscheinlich.

?        Allgemein wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Charterflügen, unabhängig von der Zieldestination, nach und nach wieder mit Erfolg stattfinden.

Wie aus dem Erkenntnis des BVwG vom 18.01.2021 zu entnehmen ist, wurde bereits seitens der Behörde am 14.01.2021 mitgeteilt, dass die letzte Außerlandesbringung des Obgenannten nicht aufgrund behördlichen Versagens gescheitert ist, sondern aufgrund der mangelnden Zustimmung der afghanischen Behörden, EULaissez Passer auf dem Abschiebeflug zu akzeptieren. Dies wurde auch durch Vorlage eines internen Mailverkehrs vom 14.12.2020 belegt. Wie jedoch bereits erwähnt wurde der Behörde versichert, dass EULaissez Passer seitens der afghanischen Behörden wieder akzeptiert werden und die afghanischen Staatsbürger somit problemlos in Afghanistan einreisen dürfen.

Zur Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der weiteren Anhaltung in Schubhaft:

Bei der am heutigen Tag durchgeführten Überprüfung bezüglich der weiteren Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen die VP konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

?        Der Fremde verfügt weder über familiäre Bindungen, noch über eine gesicherte Unterkunft. Finanzielle Mittel, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, verfügt der Obgenannte nicht. Es gibt keine Möglichkeit sich ein legales Einkommen zu verschaffen.

?        Mangels Reisedokumente ist es dem Genannten nicht möglich, das Bundesgebiet selbstständig zu verlassen.

?        Die VP wurde bereits im laufenden Asylverfahren massiv straffällig und wurde unter anderem zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren rechtskräftig verurteilt.

?        Weiters verfügt der Genannte über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und wurde gegen ihn aufgrund der Straffälligkeit ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen. Der Genannte ist zur Ausreise verpflichtet.

?        Der Genannte setzte keinerlei Schritte hinsichtlich einer freiwilligen Rückkehr und zeigte mit seinem Verhalten vor und während der Schubhaft (Asylfolgeantragsstellung, Selbstverletzung, mehrere Hungerstreiks), dass der Genannte die Entlassung aus der Schubhaft erpressen bzw. eine Außerlandesbringung vereiteln möchte. Der Genannte ist absolut nicht gewillt, in sein Herkunftsland zurückzukehren.

?        Aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstands (Mitteilung über Beabsichtigte Abweisung des Asylfolgeantrages, Bekanntwerden der beabsichtigten Durchführung einer Charterrückführung) ist aus Sicht der Behörde erhöhte Fluchtgefahr gegeben.

?        Der Zweck der Schubhaft, nämlich die Durchführung einer Außerlandesbringung im Februar 2021 und die Herstellung des rechtskonformen Zustandes, wäre im Falle einer Entlassung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichbar. Ebenso ist eine wiederholte Straffälligkeit nicht auszuschließen.

Gelinderes Mittel:

Aus Sicht der Behörde erscheint ein Gelinderes Mittel nach wie vor nicht sinnvoll, da sich der Genannte aufgrund des bisher gesetzten Verhaltens als nicht besonders vertrauenswürdig erwiesen hat. Der Genannte wurde massiv straffällig. Er hat keinerlei Möglichkeiten, sich auf legale Weise ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und verfügt somit über keinerlei finanzielle Mittel um sich seinen Lebensunterhalt, eine Unterkunft und seine Rückkehr zu finanzieren. Er verfügt über keinerlei verwandtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Des Weiteren ist, wie bereits erwähnt, eine erhöhte Fluchtgefahr gegeben. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die VP in die Illegalität untertauchen und somit für die Behörde zur Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen nicht mehr greifbar sein wird. [..]“

9. Die Stellungnahme des Bundesamtes wurde der rechtlichen Vertretung des BF am 05.02.2021 zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Am 08.02.2021 langte eine vom BF handgeschriebene Stellungnahme hinsichtlich seiner Abschiebung ein. In dieser führt der BF nicht direkt zur Schubhaft, sondern dazu zusammengefasst aus, dass ihm seine Straffälligkeit leid tue und er darum bitte nicht abgeschoben zu werden. Am 09.02.2021 langte die Stellungnahme seiner Rechtsvertretung (RV) ein. Darin wird sinngemäß ausgeführt, es liege kein Rechtsgrund für Ausweitung der Schubhafthöchstdauer auf 18 Monate vor, der BF hätte bereits nach Ablauf von sechs Monaten entlassen werden müssen. Auch führe das Bundesamt erneut aus, dass Platzmangel und nicht die Nicht-Akzeptanz des EU Laissez Passer ausschlaggebend für die nicht erfolgte Abschiebung des BF sei. Weiters sei dem BF auch keine Information gemäß § 80 Abs. 7 FPG ausgefolgt worden.

10. Über Nachfrage langte am 10.02.2021 eine Stellungnahme des Ref. B/II/1 (Rückkehrvorbereitungen) des Bundesamtes ein, in der festgehalten wird, dass sich das Bundesamt nach wie vor um eine Einzelabschiebung bemühe, die afghanischen Behörden diesbezüglich insofern nicht kooperativ seien, als bis dato die urgierte Anfrage für eine Einzelabschiebung nicht beantwortet worden wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 11.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig erließ das Bundesamt gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot. Mit Erkenntnis vom 27.11.2018, GZ W238 2202474-1/27E, wies das Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) die gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2018 eingebrachte Beschwerde rechtskräftig ab. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Am 29.06.2020 stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Anschluss an die Durchführung einer Einvernahme am 22.07.2020 durch das Bundesamt wurde dem BF der faktische Abschiebeschutz mit mündliche verkündetem Bescheid aberkannt. Mit Beschluss vom 28.07.2020, GZ W241 2202474-2/3E, erklärte das BVwG die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 22.07.2020 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig.

Mit Bescheid des Bundeamtes vom XXXX .2020, Zl. XXXX , wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der Strafhaft eintreten würden. Von 27.12.2016 bis XXXX 2020 befand sich der BF durchgehend in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Am XXXX 2020 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und direkt in Schubhaft genommen, er wird seitdem in Schubhaft angehalten.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.10.2020, GZ W150 2232595-2/23E, vom 26.11.2020, W154 2232595-3/3E und vom 22.12.2020, GZ W278 2232595-4/15E sowie mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 18.01.2021, GZ W 278 2232595-5/19Z, schriftlich ausgefertigt am 02.02.2021 zur GZ W 278 2232595-5/23E wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist. Im Rahmen der am 18.01.2021 im Verfahren W 278 2232595-5 durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF und die Referatsleiterin des Bundesamts für Rückkehrvorbereitungen unter Entbindung der Amtsverschwiegenheit als Zeugin einvernommen.

Das Bundesamt hat dem BF bei Überschreiten des sechsten Monats der Anhaltung in Schubhaft am 27.01.2021 keine schriftliche Information iSd § 80 Abs. 7 FPG darüber ausgefolgt, dass seine fortgesetzte Anhaltung ausschließlich aus den Gründen des § 80 Abs. 4 FPG erfolgt.

2. Zur Straffälligkeit:

Am XXXX 2017 verurteilte ein Bezirksgericht den BF wegen unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF an verschiedenen Orten im XXXX . 2016 3,7 Gramm Marihuana, 5,7 Gramm, 27,8 Gramm und 25 Gramm Marihuana, und 10,4 Gramm Marihuana sowie im XXXX 2016 etwa 55 Gramm Marihuana mit dem Vorsatz besaß, das Suchtgift durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr zu setzen. Als mildernd berücksichtigte das Gericht die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das reumütige Geständnis, als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom XXXX .2017 wurde der BF wegen der Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung, teilweise in Form des Versuches nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf die Verurteilung vom XXXX 2017 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF und ein Beitragstäter am XXXX 2016 ihrem Opfer mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten, mit einem Holzstecken gegen dessen rechtes Knie schlugen und der Beitragstäter des BF die Person festhielt, während ihr der BF mit einer Wodkaflasche wiederholt wuchtige Schläge auf den Kopf versetzte. Das Opfer erlitt dadurch zum einen eine Platzwunde am Kopf sowie eine Schnittwunde am Zeigefinger, zum anderen bestand ein Verdacht auf Nasenbeinbruch.

Außerdem stachen der BF und zwei Mittäter am XXXX 2016 mit Messern mit einer Klingenlänge von zumindest neun cm (Gesamtlänge 21 cm) auf drei Opfer ein. Einem der Opfer versetzten die beiden Mittäter des BF derart wuchtige Stiche in den Bauchbereich, das dessen Knorpel im Bereich des Rippenbogens brach, die Bauchhöhle eröffnet wurde, zusätzlich eine geringgradige Blutung in der Bauchhöhle eintrat und eine Kopfprellung mit Prellung über dem Scheitel verursacht wurde (schwere Körperverletzung). Dem zweiten Opfer versetzte einer der Täter mehrere Messerstiche in den Bereich des oberen Rückens und des rechten Ellbogens, wodurch eine leichte Körperverletzung eintrat. Das dritte Opfer wurde von einem der Täter mit einem Messerstich im Bereich des Rückens unter dem linken Schulterblatt attackiert und erlitt dadurch ebenfalls eine leichte Körperverletzung.

Als erschwerend wertete das Gericht das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe sowie die Tatbegehung in Gemeinschaft, als mildernd die teilweise beim Versuch gebliebenen Tathandlungen, das Alter unter 21 Jahren und eine gewisse Enthemmung durch Alkohol. Weiters berücksichtigte das Gericht die Milderungs- und Erschwerungsgründe der ersten Verurteilung.

Mit Urteil vom XXXX 2018 korrigierte ein Oberlandesgericht die vom Erstgericht vorgenommene Strafzumessung dahingehend, dass die mangelnde Schuldeinsicht als entscheidende Tatsache bei der Strafzumessung entfiel, der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe nicht berücksichtigt wurde, weil der BF die abgeurteilten Straftaten noch vor der ersten Verurteilung am XXXX 2017 beging, dem BF daher der Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels zu Gute kam und der Einsatz des Messers sowie die Tatbegehung während des bereits beim Bezirksgericht anhängigen ersten Strafverfahrens als schuldsteigernd gewertet wurden. Vor diesem Hintergrund ging das Oberlandesgericht von einem deutlich überhöhten Strafmaß aus und setzte die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren auf fünf Jahre herab.

Am XXXX .2018 wurde der BF von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei die letzte Tathandlung am 28.08.2017 gesetzt wurde

3. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Hinsichtlich des Folgeantrags des BF auf internationalen Schutz wurde diesem am 22.07.2020 durch das Bundesamt BF der faktische Abschiebeschutz nach § 12a AsylG 2005 aberkannt. Mit Beschluss vom 28.07.2020, erklärte das BVwG diese Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig. Die Abschiebung des BF ist daher rechtlich möglich.

Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

4. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften in Österreich nicht ein. Er versucht sich vor den Behörden verborgen zu halten. Seit 14.03.2017 war der BF durchgehend ausschließlich in Justizanstalten bzw. seit Entlassung aus der Strafhaft in einem Polizeianhaltezentrum behördlich gemeldet. Von 12.10.2016 bis 04.11.2016 war der BF nicht im Bundesgebiet gemeldet.

Der Beschwerdeführer stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

Von XXXX 2020 bis 02.08.2020, von 07.08.2020, 13:15 Uhr bis 07.08.2020, 18:43 Uhr, von 29.08.2020 bis 06.09.2020, von 16.09.2020 bis 23.09.2020, von 18.10.2020 bis 22.10.2020, 07:30 Uhr, von 22.10.2020, 10:10 Uhr bis 26.10.2020 sowie von 29.11.2020 bis 09.12.2020 war der BF im Hungerstreik um sich aus der Schubhaft freizupressen. Der BF beendete die Hunger- und Durststreiks jeweils freiwillig.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz und über keine maßgeblichen Bargeldbeträge sowie Vermögenswerte. Der BF ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er verfügt über keine schützenswerten sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

Am 02.12.2020 wurde für den BF ein EU Laissez Passer für die einmalige Einreise von Wien nach Kabul ausgestellt. Die Charterrückführung des BF war für eine Sammelabschiebung (Frontex Charter) 15.12.2020 geplant. Am 12.12.2020 teilten die schwedischen Behörden, die für die Organisation der Charterrückführung am 15.12.2020 zuständig waren, dem Bundesamt mit, dass die afghanischen Behörden der Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer überraschend nicht zustimmen würde, weshalb der BF von der Charterliste abgemeldet wurde. Nach Rücksprache sicherte die afghanische Botschaft in Wien dem Bundesamt am 18.12.2020 ausdrücklich zu, EU Laissez Passer für die Rückführung afghanischer Staatsangehöriger aus Österreich künftig zu akzeptieren. Die Nicht-Akzeptanz der Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer durch die afghanischen Behörden war für das Bundesamt nicht vorhersehbar. Festgestellt wird, dass die Abschiebung des BF ausschließlich an letztgenanntem Umstand gescheitert ist und nicht an Platzmangel des Abschiebefluges bzw. an organisatorischem Unvermögen des Bundesamtes.

Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb zulässigen Schubhafthöchstdauer (vgl. hierzu Punkt 3.3.2) besteht weiterhin. Die absehbare weitere (nur noch kurze) Dauer der Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus dem Termin für die nächste Charterrückführung nach Afghanistan die für 23. Februar 2021 geplant ist. Der BF ist für die Abschiebung an diesem Termin vorgesehen. Das Bundesamt hat sich parallel zur Sammelabschiebung am 23.02.2021 darum bemüht für den BF eine Einzelabschiebung zu organisieren. Das entsprechende Ansuchen des Bundesamtes ist aber bis dato von den afghanischen Behörden nicht beantwortet worden.

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung bzw. Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der Anordnung der Schubhaft der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 18.01.2021 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W150 2232595-2, W154 2232595-3, W278 2232595-4 sowie W278 2232595-5 und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

Die Feststellung zur rechtskräftigen Entscheidung im (ersten) Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus dem Erkenntnis des BVwG vom 27.11.2018, GZ W238 2202474-1/27E. Die Feststellungen zum Asylfolgeantrag und zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes des BF stützen sich auf den Gerichtsakt W241 2202474-2, insbesondere den Beschluss des BVwG vom 28.07.2020, GZ W241 2202474-2/3E.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt in Justizanstalten bzw. dem Polizeianhaltezentrum und seinen behördlichen Meldungen beruhen auf einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister in Verbindung mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom XXXX .2017, 6 Hv 78/17w. Die bedingte Entlassung aus der Strafhaft stützt sich auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 10.06.2020, 7 BE 89/20w.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit XXXX 2020, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit des BF beruht auf seiner Straffälligkeit bzw. den Verurteilungen wegen Gewalt- und Suchtmitteldelikten zu teilweise unbedingten und zumindest einer vergleichsweise hohen Freiheitsstrafe, denen eine besonders hohe Gewaltbereitschaft des BF zu entnehmen ist, der Asylfolgeantragstellung und den wiederholten Hungerstreiks um sich aus der Schubhaft freizupressen. Weiters gab der BF bereits in seiner handschriftlichen Stellungnahme vom 09.12.2020 (GZ W278 2232595-4) an, dass er lediglich einen Fehler gemacht habe und es sich dabei um seinen ersten und letzten Fehler gehandelt habe. Eine ähnliche Stellungnahme (OZ 2) erstatte er auch im ggst. Verfahren, wobei er dieses Mal angab, er habe viel Alkohol getrunken, sei mit Freunden spazieren gegangen und sei dann auf ein Gruppe Tschetschenen getroffen. Aufgrund der Rivalität zwischen Tschetschenen und Afghanen sei ein Streit unausweichlich gewesen, es tue ihm sehr leid. Er habe in der Haft aber sehr an sich gearbeitet und verstehe „die Gesetze“ jetzt besser, er sei auch zu Recht bestraft worden.

Dies ist insofern kaum glaubwürdig, da der BF nicht nur einmal, sondern insgesamt dreimal rechtskräftig verurteilt wurde, wobei eine Verurteilung auf eine Tat zurückzuführen ist, die er bereits in der Justizanstalt während andauernder Strafhaft setzte und die ersten beiden Verurteilungen auch auf verschiedenen Tathandlungen beruhen. Auch in seiner aktuellen Stellungnahme rechtfertigt sich der BF primär damit „die Gesetze nicht gekannt zu haben“. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass es in keiner Weise für eine Vertrauenswürdigkeit des BF spricht, wenn dieser angesichts seiner massiven Gewalttaten sich bloß mit rechtlicher Unkenntnis zu rechtfertigen sucht.

Die Feststellung, dass dem BF keine schriftliche Information iSd § 80 Abs. 7 FPG ausgefolgt wurde, ergibt sich aus der Tatsache, dass eine solche im vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamtes nicht ersichtlich ist. Konkret hat das Bundesamt alle Aktenteile elektronisch vorgelegt, die seitdem letzten Haftprüfungserkenntnis des BVwG vom 18.01.2021 dem Verwaltungsakt hinzugefügt wurden. In diesen Aktenbestandteilen findet sich keine derartige Information an den BF und bringt auch der RV diesbezüglich glaubhaft vor, dass dem BF bis dato keine solche Information ausgefolgt worden ist.

2. Zur Straffälligkeit:

Die Feststellungen zu den Straftaten ergeben sich aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom XXXX 2017, 15 U 116/16i; dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom XXXX .2017, 6 Hv 78/17w, dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom XXXX 2018, 8 Bs 199/18b und dem Auszug aus dem Strafregister.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Die Feststellungen zum wiederholten Hungerstreik des BF stützen sich auf einen im Akt erliegenden Auszug aus der Anhaltedatei in Verbindung mit den diesbezüglichen Meldungen der Landespolizeidirektion Wien.

Die Feststellung zu den fehlenden behördlichen Wohnsitzmeldungen ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR. Die Feststellung zum zweiten Asylantrag während der Anhaltung in Schubhaft, um eine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Folgeantrag und dem Aktenvermerkt des Bundesamtes.

Die Feststellungen zu den Hungerstreiks und zum Verhalten während der Anhaltung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus der Anhalte und Vollzugsdatei.

Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen und der Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Verfahren W278 2232595-5. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen, weiters die Nicht-Existenz eines gesicherten Wohnsitzes und das Fehlen von größeren Vermögenswerten (S 6, 7 der NS). Der dem BF zur Verfügung stehende geringe Geldbetrag ergibt sich aus einem Auszug aus der Anhaltedatei.

Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft und aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer aus der Schubhaft durch Hungerstreiks freizupressen versucht hat. Er hat auch während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern werde.

Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus den genannten Verfahrensakten des BVwG und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen.

Dass dem BF ein EU Laissez Passer ausgestellt wurde, ergibt sich aus einer im Akt W278 2232595-5 erliegenden Kopie desselben, dass der für 15.12.2020 für die Charterabschiebung nach Afghanistan gebucht war, geht aus dem Abschiebeauftrag vom 09.12.2020 (Akt W278 2232595-5) hervor.

Die Feststellungen zum Unterbleiben der Charterrückführung des BF sowie zur Zusicherung der afghanischen Botschaft künftig Rückführungen von Personen mit EU Laissez Passer zu akzeptieren beruhen auf der Auskunft des Bundesamtes vom 18.12.2020 sowie vom 14.01.2021 (Akt W278 2232595-5) und der Aussage der zuständigen Referatsleiterin des Bundesamtes im Zuge der mündlichen Verhandlung am 18.01.2021 im Verfahren W278 2232595-5, deren Niederschrift zum ggst. Akt genommen wurde (OZ 5). Aus dem vom Bundesamt im Verfahren 2232595-5 vorgelegten Schriftverkehr (Mail vom 14.12.2020,09:18 Uhr von „BFA-Operative-Angelegenheiten“) in Zusammenhalt mit den Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung (OZ 5, NS S 8f) im genannten Verfahren ergibt sich widerspruchsfrei, dass nicht Platzmangel im Abschiebeflieger bzw. ein organisatorisches Verschulden des Bundesamtes dazu führten, dass der BF am 15.12.2020 nicht abgeschoben werden konnte.

Der Beschwerde ist allerdings zuzugestehen, dass sie zu Recht darauf hinweist, dass das Bundesamt in seiner Stellungnahme zur Aktenvorlage im ggst. Verfahren am 05.02.2021 an einer Stelle erneut anführt, der BF sei aus Platzmangel am 15.12.2020 nicht abgeschoben worden. Diese Formulierung stellte sich jedoch bei entsprechender Nachfrage beim Bundesamt als Versehen heraus; die verfahrensführende Referentin hatte den Text früherer Stellungnahmen per „Copy & Paste“ übernommen, ohne diese Passage abzuändern (AV OZ 7). Dieser Aktenvermerk des BVwG wurde sowohl dem Bundesamt als auch der RV zur Kenntnis gebracht.

Aufgrund dieser Umstände ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht – wie schon im Vorverfahren – der klare Schluss, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan nun am 23.01.2021 im Wege des nächsten Frontex-Charters möglich und sehr wahrscheinlich ist. Die Feststellungen zur Organisation der Einzelabschiebung des BF und der bisher hierzu nicht erfolgten Antwort der afghanischen Behörden beruhen auf dem E-Mail des Ref. B/II/1 (Rückkehrvorbereitungen) des Bundesamtes vom 10.02.2021 (OZ 8).

Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 18.01.2021 ist nicht ersichtlich. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach der erfolgten Überprüfung nach vier Monaten der Anhaltung ist die Überprüfung in vierwöchigem Rhythmus fortzuführen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra Ra 2020/21/0163, Rn. 11) ist die Frist für das vierwöchige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG vom Datum des Ergehens des letzten Erkenntnisses nach § 22a Abs. 4 leg. cit. berechnen. Das letzte entsprechende Erkenntnis des BVwG erging im ggst. Fall am 18.01.2021 im Wege der mündlichen Verkündung. Die gegenständliche folgende Überprüfung hat spätestens nach weiteren vier Wochen, also spätestes am 15.01.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. unter Verweis auf VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 08.02.2021 und dem 15.02.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, dem Folgeantrag des BF wurde der faktische Abschiebeschutz aberkannt und die Zulässigkeit der Aberkennung durch das BVwG bestätigt.

3.2.1 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Gegen den BF besteht bereits seit Ende 2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Er stellte aus dem Stande der Strafhaft am 29.06.2020, sohin zu einem Zeitpunkt, zu dem eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits bestand, einen unbegründeten Asylfolgeantrag. Die Aufhebung seines faktischen Abschiebeschutzes wurde vom BVwG für rechtmäßig erklärt. Der BF ist nicht vertrauenswürdig und hat keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte, die ihn vom Untertauchen abhalten würden, er hat keinen gesicherten Wohnsitz und war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig. Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf liegt somit gemäß § 76 Abs. 3 Z 4, 5 und 9 FPG weiterhin vor. Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die auf einen Wegfall dieser Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr hindeuten würden.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium, in dem die Abschiebung des BF kurz bevorsteht, reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden besonders erhöht ist.

3.2.2 Zur ggst. höchstzulässigen Dauer der Schubhaft

Der BF wird seit XXXX 2020 und somit bereits länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten. Zu klären ist daher, wie lange der BF in Schubhaft angehalten werden darf.

Zwar wurde für den BF – wie bisher im Einvernehmen mit der afghanischen Botschaft üblich – Anfang Dezember 2020 ein EU Laissez Passer ausgestellt, doch ist das Unterbleiben der Abschiebung des BF im Zuge der Charterrückführung am 15.12.2020 darauf zurückzuführen, dass die afghanischen Behörden den den Charterflug organisierenden Behörden in Schweden überraschend mitteilten, dass sie die Rückführung von Personen mit EU Laissez Passer mit diesem Flug nicht akzeptieren würden. Aus Sicht des BVwG ist das Unterbleiben der Abschiebung am 15.12.2020 daher gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG zuletzt daran gescheitert, dass die für die Einreise des BF nach Afghanistan erforderliche Bewilligung der afghanischen Behörden am 15.12.2020 nicht (mehr) vorlag, obwohl das Bundesamt im Hinblick auf die ergriffenen Bemühungen darauf vertraute, dass auch bei diesem Flug – wie schon bisher – ein EU Laissez Passer ausreichend sei. Die Information, dass gerade bei dieser Charterrückführung eben diese Dokumente nicht für die Einreise nach Afghanistan akzeptiert würden, kam für das Bundesamt so denkbar knapp vor dem Abschiebetermin, dass eine Vorführung vor die afghanische Botschaft zur Erlangung eines „normalen“ HRZ nachvollziehbarerweise nicht mehr möglich war.

§ 80 Abs. 4 Z 2 FPG idF des FrÄG 2017 setzt Art. 15 Abs. 6 lit. b) RückführungsRL (RL 115/2008/EG) um und erlaubt die Verlängerung der Haftdauer um 12 Monate auf insgesamt 18 Monate, wenn „Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten“ vorliegen. Ergänzend ist festzuhalten, dass weder in den ErwG zur RückführungsRL eine weitere Erläuterung der Begriffe „Verzögerungen bei der Übermittlung“ erfolgt, noch Rsp. des EuGH zu Art. 15 Abs. 6 lit. b) in Bezug auf diese Begrifflichkeiten vorliegt. Auch den Erläuterungen zum FrÄG 2017 lässt sich nichts Näheres zu den Begriffen des § 80 Abs. 4 Z 1 u. 2 FPG entnehmen. Sehr wohl hat der EuGH aber am 10.09.2013 in G. und R., C 383/13 PPU, Rz. 42 und 43 zu Art. 15 Abs. 6 der RückführungsRL wie folgt ausgeführt:

„42 Zum einen ist nämlich zu beachten, dass mit der Richtlinie 2008/115 nach ihrem zweiten Erwägungsgrund eine wirksame Rückkehr? und Rückübernahmepolitik festgelegt werden soll, die auf gemeinsamen Normen beruht, die gewährleisten, dass die betreffenden Personen unter vollständiger Achtung ihrer Grundrechte auf menschenwürdige Weise zurückgeführt werden. Ebenso soll nach dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie der Rückgriff auf Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und die angestrebten Ziele ausdrücklich nicht nur dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern auch dem der Wirksamkeit unterliegen.

43 Zum anderen hat die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger nach dem System der Richtlinie 2008/115 Priorität für die Mitgliedstaaten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2011, Achughbabian, C?329/11, Slg. 2011, I?12695, Randnr. 38).“

Soweit also der EuGH bei der Auslegung der RückführungsRL selbst in Bezug auf Verteidigungsrechte (solche waren in der zitierten Entscheidung verfahrensgegenständlich) vor allem die Wirksamkeit der Mechanismen der RückführungsRL zur Rückführung von unrechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen betont, besteht für das BVwG kein Zweifel, dass eine strenge Wortinterpretation der Begrifflichkeiten „Verzögerungen bei der Übermittlung“ nicht geboten ist und der unionsrechtliche Gesetzgeber damit vielmehr ein breites Spektrum an Schwierigkeiten bei der Erlangung und Übermittlung der für die Rückführung eines Drittstaatsangehörigen notwendigen Unterlagen abdecken wollte, deren Realisierung zur Verlängerung der möglichen Haftdauer um 12 Monate führt. Eine andere bzw. einschränkende Interpretation auf reine „Übermittlungsverzögerungen“ würde die Wirksamkeit genannter RL erheblich konterkarieren, da diesfalls wohl nicht einmal Schwierigkeiten bei der „Erlangung“ (iSd HRZ-Zusage eines Zielstaates) der notwendigen Unterlagen hiervor abgedeckt wären, sondern bloß Verzögerungen bei der Übermittlung (also Übersendung) der hierfür notwendigen Unterlagen.

Ebenso wenig geboten erscheint eine formalistische Interpretation iSd Einschränkung der Anwendbarke

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten